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Aumyal -Zeitung. Ta Ke v lat t für die Stadt Aue und Umgehung. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Erscheint täglich Nachmittags, außer an Sonn- u.^D Feiertagen. — Preis pro Monat frei ins HauS 20 Psg., auswärts M Pfg- — Mit der SoiiutagSbeilage: „Der Zeitspicgel" S Pfg. mehr. — Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr l Mk. — Durch den Briefträger 1 40 Mark. Nr. 150 Airerthal-Zeitinrg erscheint jetzt täglich, k o st e t nur 2Q Pfennige. A»tK «rllev Welt. * Die Ablehnung der Kanulvorluge im preußischen Abgeordnetenhause hat, außer der Maßregelung einer größer« Anzahl politischer Beamten, darunter zweier Regierungspräsidenten, den Abgang zweier Minister zur Folge gehabt: der Minister des Innern v. d. Recke und der Kultusminister Dr. Bosse sind unter Verleihung von Ordensauszeichnungen und unter Belassung des Titels und Ranges von Staatsministern von ihren Aemtern entbunden worden — ob auf ihren Wunsch oder unerbeten, ist noch nicht klar. Schon vor dem Fall der Kanalvorlage war eine Aeußkrung des Kaisers bekannt, wonach er den Minister des Innern dafür verantwortlich mache, wenn die Verwaltungsbeamten gegen den Kanal stimmten. Der neue Minister des Innern ist Fryr." v. Rheinbaben-, bisher Regierungspräsident zuDüssel- dors, er steht im 44. Lebensjahre. * Paris S. Sept. Anläßlich der herannahenden Beendigung des Prozesses Drehsus ordnete der Kriegs minister Galliset an, daß alle militärischen Zeugen unmittelbar nach Beendigung der Verhandlungen Rennes zu verlassen haben. Galliset wies den Re gierungskommissar beim Kriegsgericht, Carriere, tele graphisch an, gegen jede Erörterung oder Zeugen- aussage unter Ausschluß der Oesfentlichkeit Einspruch zu erheben. Aber dieses Telegramm erreichte Carriere erst, nachdem das Kriegsgericht bereits den Ausschluß der Oefsentlichleit sür die Aussage Eernuchis an geordnet hatte. * Der Anbruch einer Verköhnungspolitik in Oester reich?! scheint nach der Audienz des Barons Chlu- mecky bei Kaiser Franz Joies in Ischl und der am Sonnabend abgehnlteuen Beratung des verfassungs treuen Großgrundbesitzes, der obwohe nicht srei von klerikalen Neigungen, sich doch durchweg aus Seiten des bedrängten Deutschtums hielt, gesichert zu sein. * Amsterdam, ö. Sept. Königin Wilhelmine richtete einen eigenhändigen Bries an die Königin Victoria, worin sie deren Eingreifen zur Vermeidung eines Krieges mit Transvaal anruft. * London, ü. Sept. Chamberlain kehrte gestern unerwartet nach London zurück. * Belgrad, 4. Sept. Dec frühere Ministerprä sident Ristisch ist heute gestorben. * Die Entwickelung der südafrikanischen Ange legenheiten scheint an dem Punkte angelangt zu sein, wo sich die Frage über Krieg und Frieden entscheiden muß. * Prozeß Drehsus. In der vorgestrigen Sitzung um Kl/,, Uhr wurde die Oefsentlichleit ausgeschlossen. — Major Hartmann setzte seine Zeugenaussage fort. Um 71/4 Uhr wurde die Oessentttchkeit wieder- hergestellt, und es begann alsbald die Verlesung des Demissionsbrieses des kürzlich als Zeuge vernommenen Hauptmanns Bruyere. — Es folgt die Verneh- mung eines gewissen Eugene Cernuschi, der 31 Jahre alt und aus Oesterreich gebütig ist. Er sagt, er habe Oesterreich im 1.1805 verlassen infolge pvli- tischer Umtriebe, in die er verwickelt gewesen sei. Er sei ein Verwandter des serbischen Königshauses. 1894 sei er nach Frankreich gegangen; in Parts habe er die Bekanntschaft eines Abteilungschess des Auswärtigen Amtes einer fremden Macht gemacht, die er nicht zu nennen wünsche. Als er dieser Per sönlichkeit gesagt, daß er sich als politischer Flücht. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Funke, Aue sEl-zgebirge.I Redaktion u. Expedition: Aue, Marklstraße. ling unsicher fühle, habe ihm die Persönlichkeit die Namen von 4 Personen genannt, vor denen er sich zu hüten habe. Darunter sei auch der Name des Kapitäns Dreyfus gewesen. (Große Bewegung). Er habe darauf die Bekanntschaft eines fremden General stabsoffiziers gemacht, der der Person eines fremden Monarchen attachiert worden sei. Aw» dieser Ossi- zier habe jene vier Namen und noch zwei andere genannt. Diesen Offizier habe er später auch in Paris besucht, und bei dieser Gelegenheit habe ihm der betreffende Offizier französische militärische Schriftstücke bezüglich des Transportwesens im Falle der Mobilmachung gezeigt und hinzugesügt, in Frankreich könne man sich alles verschaffen, wenn man gut zahle und sich der Juden bediene. Er, Zeuge, habe den Offizier nicht weiter gefragt, wer ihm die Dokumente gebracht habe, weil er ihm schon gesagt habe, sein Gewährsmann sei der Ge neralstabskapitän Dreykus. Bald darauf habe er, Cernuschi, in den Zeitungen die -Verhaftung Dreh sus' gelesen. Ende Mai 1896 habe er den Besuch eines Agenten des Kriegsministeriums erhalten, der ihn über seine Unterredungen mit den beiden an gedeuteten Persönlichkeiten befragte. Es sei ein Rapport aufgesetzt worden, den beide unterzeichneten und der noch in den Bureaus des Krigsministeri- ums existieren müsse. Er bitte um dessen Verlesung. (Bewegung und Unruhe). — Regierungslommissar Carriere erhebt sich und bemerkt, er sei der Ansicht, daß der Zeuge vielleicht, .nicht alles gesagt habe, was er zu sagen h'äbe.^ die Lache sehr delikat sei und internationale Fragen betreffe, so würde cs vielleicht ratsam sein, die Vernehmung des Zeugen unter Ausschluß der Oefsentlichleit sortzusetzen. (Bewegung). Verteidiger Demange fragt den Re- gierungskommisiar, ob er über den Zeugen Cernu schi Erkundigungen eingezogen habe. Carriere verneint dies. Der Zeuge sei ein fremder politischer Flüchtling. Er, Carriere, habe sich gesagt, die Sache sei vielleicht nicht recht solide. (Heiterkeit). Vertei diger Labori erklärt: „Man hat hier zum ersten Mule das Zeugnis eines Fremden herangezogen. Angesichts dieses Vorganges werde ich Konklusionen niederlegen und verlangen, daß im diplomatischen Wege alle Schritte gethan werden, damit die in dein Bordereau genannten Noten verschafft und sür die Debatte zur Verfügung gestellt werden. (Große Bewegung.) Ich frage den Zeugen, welcher Natio nalität gehörten die Persönlichkeiten an, von denen er sprach?" Zeuge: ,Jch antworte hier nicht; ich thue es nur unter Ausschluß der Oefsentlichleit. (Gelächter). Labori ist mit dem Ausichtuß der Oefsentlichleit einverstanden; er bittet, sie morgen früh anzuordnen. Zuerst möge aber der Zeuge vereidigt werden. Als Cernuschi die Estrade ver läßt und sich aus einen Zcugenstuhl setzt, wird er von einigen Personen ironisch fixiert. Er verläßt den Saal, verbeugt sich aber vorher tief vor dem General Mercier. — Es folgt die Vernehmung des Gerichtsschreibers des Untersuchungsrichters Bertules, Andre. Dieser sagt über Esterhazys und Henrys Vernehmung durch Bertulus aus, dessen Angaben er bestätigt. — Dr. Weil, der sich ge äußert haben soll, die Familie DreysuS selbst sei von dessen Schuld überzeugt, erklärt empört, das sei eine unbedingte Unwahrheit. Er verbeugt sich im Abgehen vor Dreyfus. — Zeuge Hadamard erklärt, er sei von Dreyfus' Unschuld fest überzeugt, und die Familie habe nie einen Centime Schutden für ihn zu bezahlen gehabt. Der nächste Zeuge ist die ehemalige Ordonnanz Picquarts, Roques. Dieser sagt mit fester Stimme, der Zeuge Savig- nand habe hier gesagt, er habe in Paris sür Oberst Picquart Briefe zur Post getragen. Das sei aber ein großer Irrtum. Nicht Savignand sei Ordon- nanz gewesen, sondern er, Zeuge. Savignand wird Roque» gegenübergestellt. Er murmelte, Roques irre sich. Picquart verlangt das Wort. Er bemerkt, er habe Savignand einige Male Aufträge gegeben; einen Bries an Scheurer-Kestner habe er niemals zur Post getragen. — Die nun folgenden Zeugen bekunden, sowohl sie selbst wie die Familie Drey suS seien stet» von dessen Unschuld überzeugt ge- Inserat« die einspaltige Petit;eile >0 Psg«, amtliche Inserate die Corpnü-Zeile 2ü Psg., Reklamen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger Ausnahme 2k«/o Rabatt. — Bei größeren Inseraten «. mehrmaliger Aufnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbricsträgcr nehmen Bestellungen an. IS. Jahrgang. wesen. Im weiteren Verlauf der Zeugenvernehmung fragt Labori den General Gonse, wer das geheime Dossier gebildet habe. Hauptmann Cuignet ruft: „Ich." General Gonse fügt hinzu: „Und ich habe eü dann verbessert." (Gelächter). Als der Verteidiger Labori den General Gonse in erregtem Tone fragt, ob, selbst wenn die Aussage Painleoers, eines Zeu gen, über Dreyfus' Unschuld so nebensächlich war, wie General. Gonse sage, das ein Grund gewesen sei, sie falsch wiederzngeven, fordert Präsident Jouaust den Verteidiger auf, sich gemäßigter aus- zudrücken, sonst würde er ihm das Wort entziehen. — Hauptmann Cuignet verlangt das Wort. Er bemerkt, die Depesche über das Gespräch, das ein italienischer Staatsmann mit den» französischen Botschafter in Rom gehabt und in welchem es nach der Behauptung Laboris geheißen habe: Esterhazy sei der wahre Verräter, könne als kein Beweis gel ten. Man wisse ja, daß die Auswärtigen Mächte ein Interesse hätten, Frankreicli zu täuschen. (Pe- wegung). Im Kriegsministerium befänden sich noch viele solcher Dokumente, auch solche, die für Dreyfus belastend seien. Labori fragt, wo die noch nicht gezeigten Dokumente seien, von denen Cuignet so eben gesprochen. Cuignet erklärt sich bereit, diese unter Ausschluß der Oessentlichkeit zu zeigen. La bori ist damit einverstanden, verlangt aber, daß endlich ein- sür allemal alle Dokumente, welche existieren, vorgelegt werden. — Es wird der Po- lizeikommissar Tomps, der zur Zeit Sandherrs und später Picquarts dem Nachrichtenbureau attachiert war, vernommen. Tomps Aussagen decken sich un gefähr mit seiner Aussage vor dem Kassationshof, berührten indessen ein neues Faktum. Es handelt sich um den Rapport, den ein gewisser Ponlmier gemacht haben soll, der behauptet, Ordonnanz bei, einem fremden Militärattachee gewesen zu sein und dort Dokumente mit der Unterschrift Dreyfus' gesehen zu haben. Paulmier ist verschwunden, der Rapport gleichfalls. Die Sitzung wird vertagt. Dreyfus verläßt den Saal in heiterer Stimmung, nachdem er sich mit seinen Verteidigern unter halten. eP Iir Lf eh t e s. 8 Wahnsinnig geworden ist die Sängerin Elly Hallier in Berlin, die Heldin eines Liebesromans, über den seiner Zeit berichtet wurde. Ein in Char- lottenburg studirender Techniker, ein Favrikantensohn aus Dresden, hatte sich in das Mädchen verliebt und wollte es Heiratyen. Da fein Vater dies zu ver hindern wußte und ihn zur Heimkehr veranlaßte, machte der Student im Eisenbahnwagen einen Selbst- Mordversuch, indem er sich die Pulsader ausschnitt. Sein Vorhaben wurde, damals rechtzeitig entdeckt, und der junge Mann gerettet; bald darauf verfiel er aber in eine schwere Krankheit, die im Juli dieses Jahres seinen Tod zur Folge hatte. Der verzweifelte Vater machte der H., als er sie wieder in Berlin traf, die bittersten Vorwürfe, er behauptete, sie hätte den frühzeitigen Tod seines Sohnes auf dem Gewissen. Die ohnehin etwas überspannte Sängerin konnte den Eindruck dieses Gespräches mit dem unglücklichen Manne nicht verwinden. Sie wurde schwermüthig, einsilbig und begann eines Tages zu toben. Die arme Wahnsinnige, die sich in den Kreisen ihrer Collegen und Colleginnen eines sehr guten Rufes erfreute, wurde in die Irrenanstalt übergesührt. DieAerzteconstatirten den Ausbruch von Verfolgungs wahn, erklärten jedoch, daß die Geistesstörung nicht unheilbar und Hoffnung auf Genesung vorhanden sei 8 Der 17jährige Bankgeschäits-Praktikant Franz Loibl aus München ist nach Unterschlagung von vierzigtausend Mark flüchtig geworden. Der jugend liche Defraudant wird von seinem 19jährigen Bruder Karl begleitet. Auf die Ergreifung t>er Brüder wird eine Belohnung ausgesetzt. 8 Eine wirkliche amerikanische Millionenerbschast wird einem EinwohnerdeS Ortes Bederkesa (Hannover), dem pensionierten Lokomotivführer Flohr zufallen Bor einem Menschenalter ist der Bruder seiner Donnerstag, den 7. September 1899.