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MsdrufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Nmtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrals zu Wilsdruff, des Forslrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Aaumzeile 20 Rpfg., die 4gclpaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reich»- Pfennige, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachwei'sungsgebLhr 20 Reichspsennige. Vor- wlr^kn n«ch Mö,"chd°it Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 r n»sich«°A ann-hm-disoorm.ILUHr. ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanipruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Anz. nehmen all (Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. 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Hinter dem „System" pflegt man sich heute nur allzu gern zu — verstecken; denn das „System" erspar: schnell und bequem jedem die Verantwortung. Dabei sind es immer nur die Menschen, die verantwortlich sind und die Verantwortung zu tragen haben. Nicht vom System, sondern vom Menschen ist auch Verantwor tung zu fordern. Wenn jetzt die Deutsche Reichsbahn durch ihre Anleihe, die besonders den Kapiialflüchtlingen eine ebenso straflose wie rentable Wiedergutmachung ihrer Sünden ermöglichte, die Ver- fügungsmöglichkeit über rund 250 Millionen erhielt und diese heutzutage gewaltige Summe schnellstens wirtschaft lich verwenden will, so waren jene 250 Millionen bisher der deutschen Wirtschaft entzogen nicht durch ein System, sondern durch jene Kapitalflüchtlinge und Steuerdrücke berger, also durch Menschen. Und Menschen wiederum sind es, die von dem Wieder-Arbeiten jener Kapitalmassen zur Tätigkeit zurückgebracht weiden sollen, ein Teil des aus 4,84 Millionen angeschwollenen Massen- heercs der Arbeitslosen. Um der Menschen willen freut man sich, daß wenigstens im Steinkohlenbergbau die fort dauernden Arbeiterentlassungen jetzt einigermaßen zum Stillstand gekommen sind, daß auch die rheinisch-westfä lische Stahl- und Eisenindustrie glaubt, man sei ungefähr doch aus dem tiefsten Punkt der Depression angekommen, erhoffe sogar eine leichte Besserung aus dem eben er wähnten Eingreifen der Reichsbahn. Um das Lebens schicksal der Menschen ging und geht die Arbeit des W i r t- schaftsbeirats; es erträglicher zu gestalten —, dar aus zielt auch das jetzt der Beratung und Gestaltung des Kabinetts unterliegende Winter Programm. Ist dabei einerseits fü r ein „Syste m", andererseits gegen ein „System" zu kämpfen? Wiederum nicht, sondern für'Menschen und gegen Menschen. * Wenn bei der dreiwöchigen Beratung des Wirt- schaftsbeirates nur „Richtlinien" herauskamen, höchstens "°ch sich jetzt immer erregtere Auseinandersetzungen an- schließen so hat man ja dafür wieder einmal den Vorwurf hören können, daß „die Sachverständigen versagt" haben. Und wenn man den Führern der internationalen Finanz, die ja bald in Basel und Berlin zu Ausschüssen und Arbeiten zusammentreten werden, um über das Schicksal mindestens der 65 Millionen deutscher Menschen Entscheidendes zu sagen, einen besonders „sachverstän digen" Sinn für das Wirtschaftlichste auf Erden, das Geld, zutraute, so könnten eigentlich die bisherigen Er fahrungen mit diesen oder ähnlichen „Sachverständigen" ein solches Vertrauen doch nicht ganz rechtfertigen. Denn die allgemein anerkannte Notwendigkeit, den Sonderaus schuß der Baseler Internationalen Bank einzuberusen, beweist eben doch vor allem, daß die von solch sachverstän diger Seite geschaffene Gesamtgrundlage des „Neuen Planes" nicht bloß schwerstens erschüttert ist und im ganzen „Hoover-Feierjahr" nicht wieder in Ordnung ge brach, werden kann, sondern daß diese Grundlage eben hoffnungslos zerstört wurde. Dabei waren die Mitglie der der damaligen Young-Kommission in Paris nichts mehr und nichts weniger als die Herren oder mindestens die Beauftragten des weltkapitalistischen Adstems. Und erst zweieinhalb Monate ist es her, in Basel der erste Stillhalleausschutz für die sein^" Kurzkredite auseinanderging, — jetzt schon mutz Hcraas^'h^olger zusammentreten, weil sich inzwischen anderk^te, daß alles ganz anders war und alles ganz und als die „Sachverständigen" in Basel geglaubt keinerlei halten. Sie waren äußerlich gewiß durch Wellpoli.'^bsteme" gebunden, nicht einmal durch das der strebens > 'm Schatten des französischen Hcgemonie- Plans Varis, bei den Beratungen des Young- die leider anders gewesen, was übrigens M m^.'Ücn Ausschutzmiiglicder felbst zugegeben hatten "00 di? zweite „Wiggin-Layton-Kommission". die . ' o'o Zukunft der kurzfristigen Kreditschulden Deutsch nos beraten wird, endlich zu einem besseren Ergebnis . ,mmen will als im September, dann mutz sie einen Weg "Ke schon so oft allseits gesagt — „das Ver- wiederherzustellen" Bei wem? Bei die Menschen Weil sich eben auch nur durch die hemmen das Weltwirtschaftssystem retten läßt. st ö r^'n^—^"wemi^ können dies System auch zer- ein „sustematisches" Festhalten durch Daß unter diesen B^M m der U n v e r n u n s t »-«MX». °°n Ein letzter Notruf der Hnndnierkr Gerechtigkeit und Frei heit dem Handwerk. Grundsätzliche Umstellung der Wirtschafts politik gefordert. Der Reichsverband des deutschen Hand werks um in Berlin zu einer Vollversammlung zu sammen. um den Vertretern des Handwerks Gelegenhen zur unmittelbaren Meinungsäußerung gegenüber der Reichsregierung zu geben. Der Bedeutung der Tagung entsprach die starke Beteiligung aus allen Teilen des Reiches. Für das Reichskabinett war RetchswirlschaflS- Minister Dr. Warmbold erschienen. Nach Begrüßungs- Worten durch den Vorsitzenden des Reichsverbandes, Friedrich Derlien-Hannover, führte Generalsekretär Dr. Mensch in einer Erklärung aus, daß seit Jahren die Vertretungen des Handwerks eine grundsätzliche Um stellung der Wirtschaftspolitik verlangt hätten. Der ge werbliche Mittelstand sei in den Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus hineingestellt. Im Handwerk herrsche große Verbitterung und Verzweiflung, die nicht ernst genug dargestellt werden könne. Die Tagung des Neichsverbandes sei ein letzter Notruf an die Reichsregierung um Befreiung der Wirtschaft aus allen Fesseln, die ehrlicher Arbeit und ehrlichem Erwerb enlgegenständen. Der Staai müsse sich eigener wirtschaft licher Betätigung enthalten und die Wirtschaftspolitik des Reiches nach dem Grundsatz eines gerechten Ausgleichs unter allen Mitgliedern der Wirtschaft verfolgen. Das Handwerk verlange bei allen Maßnahmen, die in der Reichsregierung für die Überwindung der Wirtschafts krise und für die Umstellung des Wirtschaftssystems vor bereitet und durchgeführt würden, die Mitwirkung eines INI» III , Z Vertrauensmannes der mittelständischen Wirtschaft an entscheidender Stelle. Das Handwerk wolle keine Sonderstellung, es wolle lediglich Gerechtigkeit und Freiheit für seine Arbeit. Reichswirtschaftsminister Dr. Warmbold betonte, daß die Neichsregierung bemüht sei, der Notlage im Handwerk abzuhelsen. Welche Folgerungen sie im einzelnen aus den Vorschlägen des Wirtschaftsbeirates ziehe, könne er noch nicht sagen. Die Reichsregierung werde bei ihren Maßnahmen die Erhaltung eines gesunden und kräftigen Mittel standes als eine ihrer vornehmsten Aufgaben betrachten. — Der Vorsitzende des Reichsverbandes wies unter dem Eindruck dieser Erklärung darauf hin, daß die Ausführungen des Ministers dem deutschen Handwerk kaum eine Be friedigung bringen könnten. Aus dem Stadium der Erwägungen müßten wir endlich einmal herauskommen. Das Handwerk vermisse bei der Reichsregierung jede Tat, die dem Handwerk Hilfe bringen könnte. Selbst in Kleinigkeiten habe man dem Berufsstand kein Entgegenkommen gezeigt. Die Enttäuschung des Handwerks sei groß und müsse groß sein, zumal auch alle anderen Stände eine reichliche Vertretung im Kabinett hätten. Diese Aus führungen lösten in der Versammlung ungeteilten Beifall aus. — Reichswirtschaftsminister Dr. Warmbold unter strich noch einmal die Unmöglichkeit, vor der Entscheidung des Reichskabinetts Einzelheiten über das Rotprogramm mitzuteilen und betonte wiederholt die Absicht der Reichs regierung, zur Aufrechterhaltung des Handwerks beizu tragen. Im Anschluß hieran folgte eine lebhafte Aussprache, in der die Vertreter der einzelnen Mitgliedsgruppcn der einstimmigen Überzeugung Ausdruck gaben, daß eine als baldige Befreiung der Wirtschaft aus der gegenwärtigen Erstarruna unbcdinat notwcndia sei. Er ist und wird dort eben nicht als nur das betrachtet, was er offiziell sein sollte: ein „Zahlungsplan". Etwas Wirtschaftlich-finanzielles also. Sondern man betrachtet und behandelt ihn als ein S y st e m zur politischen N i ederhaltung Deutschlands durch das wirtschaftlich - finanzielle Mittel der Kriegstributleistung. Das hat der franzö sische Ministerpräsident in seiner Rede durch das wenigstens grundsätzliche Festhalten Frankreichs am Young-Plan von neuem unterstrichen. Wenn er das Zahlungssystem dieses Planes freilich auch der allgemein menschlichen Notlage von heule anzupassen sich nicht mehr weigert, so soll doch der „ungeschützte" Teil dieser Zahlungen — also die unmittelbaren Kriegstribute — selbst davon unberührt bleiben. Das „System" soll herrschen, soll an der Herrschaft bleiben, das, wie vor kurzem im englischen Parlament gesagt wurde, „i m Geist der Rache geschaffen" wurde, nicht aber, wie Laval jetzt erklärte, „den Geist der Zivilisation und des Friedens" zu schützen hat. Dr. Pr. Ltm die Zukunft der Wirtschaft. Krupp vor dem Hauptausschuß des „R. d. I.". Auf der Hauptausschußsitzung des Reichsverbcwdes der Deutschen Industrie sprach am Freitag der neue Vor sitzende des Reichsverbandes, Dr. Krupp von Bohlen und Halbach in einer eingehenden, alle wirtschaftspolitischen Fragen eingehend behandelnden Rede. Nachdem er ein gangs eine Erklärung der Präsidenten der Spitzenverbände verlesen hatte, die sich aus das schärfste gegen Schiebe reien und Korruptionserscheinungen wen det, führte er u. a. aus: Die Tragödie, die seit 17 Jahren über die Welt hereingebrochen ist, hat nichts mit einem Versagen des Wirtschaftssystems als solchem zu tun. Mit einem Ende der Notzeit kann gerechnet werden, wenn durch ein Zusammenwirken aller an der Weltwirtschaft maß gebend beteiligten Länder Umkehr geschaffen wird. Wir stehen heute vor allem vor dem unerbittlichen Zwang, die Erzeugung in Deutschland von der Kostenseite her zu entlasten. Auch aus außenpolitischen Gründen scheint mir dies mehr als notwendig zu sein, müssen wir doch nach innen wie nach außen auch den Anschein ver meiden, als wenn das deutsche Volk sich nicht selbst klar darüber sei, wie notwendig es ist, an allen Ecken und Enden bis auf die Pfennige zu sparen. Wir dürfen nicht zögern, auch in der Frage der Reichsreform die Schritte zu unternehmen, die von dem Zwang zu einer sparsamen, übersichtlichen und einheitlichen Verwaltung diktiert sind. Was die Reparationsfrage betrifft, so hat die Entwicklung dieses Jahres mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß die Reparationen nicht nur für Deutschland eine u n - haltbare Belastung darstellen, sondern daß sie auch weltwirtschaftlich besehen ein Wahnsinn sind. Es wird eines sehr viel umfassenderen Schrittes bedürfen, um endlich in der Welt, und damit auch für Deutschland, einen Zustand wiederherzustellen, der die f r e i e E n t f a l 1 u n g der wirtschaftlichen Kräfte ermöglicht. Ein großer Teil der Welt ist heute schon der Überzeugung, daß für das Elend, das über Europa wie über die ganze Welt herein gebrochen ist, vor allem auch der auf derKriegs- schuldlüge aufgebaute Versailler Vere trag verantwortlich zu machen ist. Solange es ein deut sches Polk gibt, wird sein nationales Bewußtsein sich gegen den Inhalt dieses Vertrages zur Wehr setzen. Es ist für den Reichsverband selbstverständlich, daß er in der Front derer steht, die in dem Versailler Vertrag keine endgültige Regelung sehen, die Jahrzehnte und Geschlechter über dauern kann. Der Gireii um den Vorrang. Prtvalschulden oder Tribute Die Außenpolitik des französischen Ministerpräsidenten ^aval, so wie er sie in seiner Rede vor der Kammer in großen Zügen dargelegt Hai, Hai die Zustimmung des französischen Parlaments gefunden. Mit 325 gegen 150 Stimmen wurde dem Ninisterpräsidenten das Vertrauen ausgesprochen. Dit von der Kammermehrheit an genommene Tagesordnung hatte folgenden Wortlaut: „Die Kammer schließt sich den Erklärungen der Regierung an und drückt ihr das Vertrauen für die W a h r u n g d e r französischen Rechte und der Sicherheit aus, indem sie die Politik des Friedens und der inter nationalen Zusammenarbeit fortsetzl Wenn man auch von der Rede einiges abziehen mutz, was Laval aus innenpolitischen Gründen und um der Stimmung in der Kammer entgegenzukommen, be sonders schroff herausgestelli hat, so bleibt doch noch ein außerordentlich peinlicher Rest Es zeigt sich, daß Laval nichts hinzugelerni Hai und auf seinem Standpunkt der Feststellung der deutschen Zahlungsfähigkeit gegenüber verharrt Die Äußerung, die französische Negierung werde niemals zugeben, daß man den privaten Schulden Deutschlands den Vorrang ein räumt, steht in völligem Gegensatz zu der Auffassung der deutschen Negierung. Als englische Stimme, die sich mit der deutschen Meinung decken dürfte, ist ein Leitartikel der „Times" erwähnenswert, in dem ausgesühn wird, es sei ganz klar, daß Deutschland Ende Februar nicht in der Lage sein werde, seine sämtlichen kurzfristigen Ver pflichtungen zu erfüllen Im Interesse der finanziellen Festigkeit sei es unbedingt nötig, das S > ilIhalie - abkommen in irgendeiner Form zu erneuern Das sei aber offenkundig praktisch undurchführbar, solange keine vernünftigen Aussichten aus dle Wiederherstellung des Vertrauens in Deutschland bestünden. Wenn man von Deutschland Zahlungen in Geld oder in Sach werten verlange, so sei eine Rückkehr des Vertrauens in folge des starken Druckes, unter dem das deutsche Win-