Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Ds» »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in ber Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung 2 NM. zuzüglich Abtrag- , -- .. gebühr. Einzelnummer« rSApfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgehend Postboten und unsereAus- trägerund Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Nücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- L Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- werden nach Mövli^ Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 d°rücksicht?gu^AnAi^ annadme bl« varnnioUhr. — — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmenwir keine Garantie. JederRadatlanspru ch erliicht, wenn derBetrag durch Kiage eingezogen werdenmutz oder derAustraggeberin Konkurs gerSt. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des ForstrenLamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 193 — 86. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Wilsdruff - Dresden Postscheck Dresden 2640 Freitag, den 19 August 1927 Auslieferungsfrsgen, Das dem Reichstag soeben zugeleitete Gesetz zur Rs gelung der Auslieferungsfrags lenkt die Anfmerksamker erneut auf diese ganze Frage. Es handelt sich dabei un außerordentlich heikle Dinge, die bei ihrer Behandlung sehr viel Takt erfordern. Deshalb hat es auch vermutlid so lange gedauert, bis die Reichsregierung sich entschloß endlich den allgemeinen Wünschen nachzugeben und allge meine Richtlinien für die Verhandlungen mit fremder Ländern, die ja dabei nur in Betracht kommen, auf zustellen. Die Auslieserungsfrage ist so alt, wie es überhaust Beziehungen der Völker untereinander gibt, und sie steh in enger Beziehung zu dem Gastrecht. Dieses war be sonders hoch angesehen bei den Völkern des Altertums die jede Verletzung dieses Rechtes als einen Frevel be trachteten. Das Gastrecht ist noch jetzt bei vielen Natur Völkern eine Art ungeschriebenes Gesetz. Seine Pfleg, hat auch die heutige Kulturwelt übernommen, nur daß es sich im Laufe der Zeiten gewandelt und sich immer mehi den Anforderungen der dichteren Verflechtungen de- Verkehrs angepaßt hat. Dies machte es nötig, daß mar dem Gastrechte gewisse Fesseln anlegen mußte, die in der sogenannten Auslieferungsverträgen in Er scheinung treten. Vor dem Kriege hatte Deutschland solch« mit vielen Staaten abgeschlossen. Sie wurden durch der Weltkrieg aber meist außer Kraft gesetzt. Hier muß Wiede« angefangen werden und das neue Gesetz soll nun de« Reichsregierung die Handhabe geben, gegenüber Forde rungen fremder Staaten den deutschen Standpunkt wahrer zu können. Natürlich kann es sich nur um fremde Staatsange hörige handeln, die aus Furcht vor Strafe das eigen« Land verließen. Während man im Altertum weitherzige« war, verlangt das moderne Rechtsempfinden mit der engeren Beziehungen der Weltgemeinschaft, daß man nach Möglichkeit mithilft, asoziale oder verbrecherische Element« unschädlich zu machen, wo man sie auch findet. Darum wird im allgemeinen jedem Auslieferungsverlangen ent sprochen, wo es sich um gemeine Verbrecher handelt. Das Versagen der Auslieferung ist im all gemeinen nur aus das politische Gebiet beschränkt. Hie« bestimmt nun der vorliegende Gesetzentwurf genau, Wie weit die Grenzen zu ziehen sind. Es gibt eine Reihe vor Taten, die auf der Grenze zwischen politischen und ge meinen Verbrechen liegen. Es sei hier nur an die vieler Anschläge der letzten Zeit erinnert, bei denen vielfach Zweifel herrschen, wo sie einzureihen sind. Es wäre un billig, daß Täter nicht ausgeliefert werden dürfen, die etwa nur politische Beweggründe zur Verdeckung gemeiner Ver brechen vorschützen. Das hieße, dem Verbrechertum direki Vorschub zu leisten. Aus diesem Grunde dürfte die Bestim mung in das Gesetz ausgenommen worden sein, wonach die Auslieferung bei derartigen Taten zulässig ist, wenn sie als besonders verwerflich erscheinen. Dies festzustellen ist Aufgabe der Gerichte, die dabei eine außer ordentliche Vorsicht walten lassen müssen, damit sie nicht den Vorwurf auf sich laden, sie hätten aus irgendeiner politischen Vereingsnommenheit heraus sich zu der Ent scheidung drängen lassen. Die Auslieferung von eigenen Staatsangehörigen ist selbstverständlich ausgeschlossen, zumal das Strafgesetz buch die Möglichkeit bietet, den Volksgeirossen wegen einer auswärtig begangenen Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Trotzdem kann der Fall eintreten, sich über die Ausliefe rung eines Mitbürgers entscheiden zu müssen. Das gilt besonders dann, wenn Deutschland die Auslieferung eines Deutschen verlangt und die sremde Regierung in die Aus lieferung nur einwilligt, wenn der Betreffende ihr wieder zurückgegeben wird, um wegen Vergehen bestraft zu wer den, die er im fremden Lande verübte. Ein solches Ver langen steht mit der jetzigen Reichsversassung in Wider spruch. Der einschlägige Paragraph des neuen Gesetzes müßte also mit verfassungsändernder Mehrheit angenom men werden. Dieser Paragraph wird bei der Beratung im Reichstage wohl hart umkämpft werden, wie überhaupt die Anhänger einiger Parteien das ganze Gesetz scharf unter die Lupe nehmen dürften. Ser deiitsch-stanMOe Handelsvertrag. Im Spiegel der Presse. Alle Einzelheiten des deutsch-französischen Handels vertrages lassen sich noch nicht übersehen, aber das, was bis jetzt über ihn bekanntgeworden ist, läßt erkennen, daß man es hier mit einem der wichtigsten Vertragswerke, die in den Jahren nach dem Kriege zustande gekommen sind, zu tun hat. Seine hohe Bedeutung wird in der Presse aller Parteirichtungen anerkannt, «venu auch die Beur teilung der einzelnen Vertragsbestimmungen je nach der Parteistellung der in Frage kommenden Zeitungen sehr verschieden ist. Die Deutsche Tageszeitung stellt fest, daß bisher noch nichts darüber verlautet ist, daß eine Beschränkung der französischen Gemüse- und Obsteinsuhr abge macht worden sei. Sollten die zu erwartenden näheren Nach richten über den Vertrag daüiu_aussallcn, „daß die Einfuhr Me Mime WWWmMernN. Vesatzungsabbau am Rhein muß kommen! Befürwortung aus England. Nachdem das deutsch-französische Handelsabkommen abgeschlossen ist, tritt nunmehr die Frage der Rheinland räumung mit verstärkter Deutlichkeit in den Vordergrund. Daß sie auf die eine oder die andere Weise in Angriff ge nommen werden muß, ist jedem Politiker klar, der nach einer endgültigen Besserung der Beziehungen zwischen Frankreich und dem Deutschen Reiche strebt. Es ist zuviel in der letzten Zeit über diese Angelegenheit gesprochen worden, als daß man annehmen könnte, die beiderseitigen Staatenvertreter könnten an ihr bei offiziellen Zusammen künften Vorbeigehen. So vermutet man jetzt auch, daß ein Besuch, den der deutsche Botschafter Dr. v. Hoesch bei dem französischen Ministerpräsidenten Poincar<i Donnerstag früh machte, der weiteren Förderung der ge genseitigen Beziehungen gegolten habe. Amtlich wird aus Paris gemeldet: Hoesch bei Normale. Der deutsche Botschafter v. Hoesch hatte eine Unter redung mit dem Ministerpräsidenten Poincarö, die andert halb Stunden dauerte. Anlaß zu dieser Besprechung gab der Wunsch des Botschafters, dem Ministerpräsidenten per sönlich für die Anteilnahme zu danken, die die französische Regierung und insbesondere Poincars ihm während seiner langen Krankheit gezeigt habe. Im Laufe der Un terredung wurde der gegenwärtige Stand der deutsch-fran zösischen Beziehungen im allgemeinen erörtert, wobei der erfolgte Abschluß des deutsch-französischen Handesvertra ges in seiner Bedeutung einer besonderen Würdigung unterzogen wurde. Für Freitag früh war in Paris ein Ministerrat an beraumt, bei dem man wichtige Auseinandersetzungen über die Nheinlandfrage und unter Umständen wichtige Beschlußfassungen erwartet. Die Nachricht von der Ab sendung einer Antwort der französischen Regierung auf die englischen Noten, die im Juli wegen der Verminde- runa der Rbeinlandbesatzung nach Paris gerichtet wurden. franzowcyen Lwpes uno wemu«es zu oen gun«ngnen seits zu gewährenden zollpolitischen Bedingungen freigegeben wäre, dann würde die deutsche Landwirtschaft jedenfalls dein Vertrag einen positiven Erfolg für Deutschland nicht zu sprechen, sondern das direkte Gegenteil". — Auch der Ber liner Lokalanzeiger will mit seinem endgültigen Ur teil bis zum Vorliegen näherer Nachrichten über die Einzel heiten des Vertrages zurückhallen, erkennt aber an, daß „oi< Herstellung eines weitergehenden geordneten Wirtschaftsver kehrs mit Frankreich einen seit langem als notwendig empfundenen Fortschritt im Wiederaufbau unser handels politischen Beziehungen bedeutet". — Die D c u ts ch e A l l g e - meine Zeitung bedauert, daß nicht alle Abreden des Vertrages für Deutschland befriedigend sind. „So muß eS sehr bedenklich stimmen, daß Deutschland in Marokko nm für die Wareneinsuhr und den Schiffsverkehr Meistbegünsti gung genießt, dagegen kein formelles Niederlassungsrecht." Die Leipziger Neuesten Nachrichten betonen daß „nach den bisherigen Veröffentlichungen noch die Frei heiten unklar sind, die der wirtschaftlichen Betätigung deutsche« Kaufleute in Frankreich selbst und in den französischen Kolo nialgebietcn gewährt werden". Freundlicher klingt das Echo aus den Blättern der Linken Die Vossische Zeitung weist darauf hin, daß „über di« wirtschaftlichen Folgen hinaus dein Pariser Vertrag eine er- hebliche politische Bedeutung zukommt, da Frankreich zu gleich mit dem Abschluß des Vertrages darauf verzichtet hat die Bestimmung des Versailler Vertrages anzuwenden, die bo Nichtzahlung von Reparationen die Beschlagnahme deutscher Eigentums als Repressalie vorsieht". Das Berl ine« Tageblatt schreibt: „Deutschland, das im zähen Ringer den französischenProtektionismus von Position zu Positior zurückgedrängt und als erstes Land gegenüber den franzö sischen Zolltarifwünschen einen umfassenden Vertrag durchgo setzt hat, konnte für sich noch nicht alles Erstrebte erreichen« der Sache der europäischen Wirtschaftsverstän digung hat es einen guten Dienst getan." — Der Ber liner Börsen-Courier hebt hervor, daß „die deutsch« Konkurrenzfähigkeit aus dem französischen Markte, bisher stad eingeschränkt infolge der ungleichen Behandlung der einzelne« Länder, Ende 1928 bei Inkrafttreten des Abkommens in vollen Umfang wieder hergestelU sein wird und bereits jetzt wesent lich vergrößert worden ist". — Im Hamburger Frem de u b l a 1 t heißt es, daß der Abschluß dieses Handelsvertrages für Deutschland von außerordentlicher Be deutung sei, weil er der Ungewißheit der kurzfristiger Provisoricu, unter der der deutsch-französische Handel sei« Jahren gelitten habe, ein Ende mache. Der Vorwärts end lich stellt fest, daß „der Grund für eine dauernde Zusammen arbeit gelegt und die Voraussetzung dafür geschaffen ist, das ein stärkerer Warenaustausch stattfinden und damit eine enger« Verbindung zwischen den beiden Völkern gefördert Werder kann". * In der Pariser Presse findet das neue Abkom men rückhaltlose Zustimmung. Ein großer Teil der Blätter wird von der Havas-Agentur bestätigt. Der Londoner Korrespondent des „Echo de Paris" schreibt zu dieser Ant wort der französischen Regierung, deren Inhalt noch nicht bekannt ist, daß die englischen Militärs zweifellos eine Ab lehnung der Verminderung der Rheinlandbesatzung durch die französische Regierung verstimmen wurde. In poli tischen Kreisen neige man dazu, den Wunsch Deutschlamds auf Verminderung des Truppenbestandes um- 10 006 Mann zu unterstützen. * „Em rmsrfüMes Versprechen." Die englische Presse nimmt aus der Handelsvertrags unterzeichnung durch Frankreich und Deutschland erneuten Anlaß, sich mit der Rheinlaudfrage zu beschäftigen. Unter der Überschrift: „Soll Locarno leben oder sterben? Ein unerfülltes Versprechen", veröffentlicht „Daily News" einen Artikel ihres Berichterstatters für auswärtige Ange legenheiten, in dem es heißt: Von der« Entscheidungen, die in den nächsten zwei Wochen in Paris in der Frage der Truppenverminderung im Rheinland gefällt werden, würden die Beziehungen Frankreichs und Deutschlands für lange Zeit abhängen. Die Ansicht in London sei, daß die gegebenen Versprechungen nicht angefochten werden können. Der diplomatische Korrespondent des „Daily Chro- nicle" schreibt: Die öffentliche Meinung in England will, daß keine weitere Verzögerung in der Erfüllung eines bin dende«« Versprechens eintritt. Fast zwei Jahre sind be reits vergangen mit dem Ergebnis, daß die Aufgabe Stresemanns bei der Rechtfertigung des Locarno-Ver trages schwierig gemacht worden ist. Auch in einem Leit artikel nimmt „Daily Chronicle" Stellung zu der Frage der Herabsetzung der Rheinlandtruppen, die, wie das Blatt ausführt, ein kritisches Stadium erreicht habe und für alle Locarno-Mächte von Wichtigkeit sei. Während „Daily Chronicle" der Ansicht ist, daß eine Herabsetzung auf 60 000 Man«« zwar keine Begeisterung in Deutschland verursachen werde, aber als Mitte zwischen der augenblick lichen Zahl und Deutschlands Forderung nicht unvernünf tig sei, wendet sich das Blatt hauptsächlich gegen eine Ver minderung der französischen Truppen um nur 9 Prozent, der britischen und belgischen dagegen um je 35 Prozent. vezercynet oen Avjcyiutz ves Vertrages als einen Mark- stem in der Entwicklung der deutsch-französischen Be ziehungen, der einem wirtschaftlichen Locarno gleich zv achten sei. ° Der Klug nach Honolulu. Zwei Flieger vermißt. Der Flug nach Honolulu wurde im ganzen Fernen Osten mit gespanntestem Interesse verfolgt, na mentlich auf der« Philippinen und in Australien, die Hawai als Zwischenstation für eine engere Verbindung mit Amerika ansehen, für den Fall, daß auf Grund dieser Versuche ein Ausbau des Flugverkehrs nach dem Fernen Osten erfolgt. Von den vier Flugzeugen, die sich auf dem fZütflug nach Honolulu befanden, ist die „Woolarac" zu erst am Ziel gelandet. Die Suche nach den zwei beteiligten und jetzt vermißten Aeroplanen wird von Marinefahr- zeugen und Flugzeugen der amerikanischen Marine unter Aufbietung aller Mittel fortgesetzt. Ein amerikanischer Pilot namens Bertaud will dieser Tage von Amerika über den Atlantik nach Rom fliegen. Über den Flugkurs äußerte sich Bertaud, daß er feinen Weg über Halifax, St. Johns, Bordeaux und dann direkt nach R o m nehmen werde. Der Kurs sei über mehrere Dampfcrlinien gelegt worden, um eine Verständi gung zu ermöglichen. Sein Flugzeug, die „OldGlor y", ist ein einmotoriger Fokker-Eindecker. Sie wird 1120 Gallonen Gasolin mitführen und ein Gesamtgewicht bei voller Belastung von 12 250 Pfund haben. * Die Frage des Ozeanfluges Könneckes hat eine neue, und zwar erfreuliche Wendung erfahren. Die wesentliche Frage der Lebensversicherung der Flieger hat die Stadt Köln gelöst. Sie ist in Verbindung mit der Leitung der Internationalen Presseausstellung Köln 1928 (Pressa) an Könnecke herangetreten, um ihn« die erforder lichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das Finanzamt der Stadt Ncwyork gibt bekannt, daß der Empfang Lind berghs die Stadt rund 50 000 Dollar gekostet hat, während der ganze Empfang des kubanischen Präsidenten und der ganzen amerikanischen Flotte zusammen nur 20 000 Dollar erfordert hat. * In der Nähe von Brüssel stürzte ein belgisches Mili tärflugzeug ab. Der Pilot wurde schwer verletzt, der Apparat vollständig zerstört.