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M M 3800 »Ml, Mm»,! Sonnabend, 18.'J«N L»»8. und Anzeiger für das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lonntagsblatt. o. „Nkwottlichel Redaktett,: Fritz ArnhoId ziti »„ Znjerare »eranlwonuch; Walter ttrau» beide in Au«. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Aue. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von «—5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. _ _ Nr. ISS. Dritter Jahrgang. Kuer Tageblatt Bring,preis: Durch unsere Boten frei in» Haus monatlich so Pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich V Pf«, und wdchentlich io Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.so Mk. — Durch den Lriefträger frei in» Hau» vierteljährlich >.gr Mk. — Einzelne Nummer io pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestensUhr vormittags. Für Aufnahme von grdßeren Anzeigen an bestimmten Znk«rtU>n,^r^" wenn sie am Tage vorher be, uns eingehen. Znsertionspreis. Die stebengespaltene Korpuszeile oder deren Raum ,o Pfg., Reklamen rs pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. vicki« rr«n»inev «nrfatzr 1v Seiten Außerdem liegt das achtsettige Illustrierte Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Lage. Die zweite Denkschrift über diePensionsoersiche- rnug der Privatan gestellten ist dem Reichs. 1 age zugegangen. (S. Art. i. Hplbl.). * Der deutsche Botschafter in Wien, v. Tschir- schky, hat sich nach Dresden begeben. * Der Bischof von Fraucnburg, Dr. Andreas Thiel, ist gestern früh gestorben. Die bayrische Kammer nahm gestern das neue Bea m- tengesetz nebst dem neuen Gehaltsregulativ einstimmig a n. « Grete Beier ist zu l e b e n s l ä n g l i ch c m Z u ch t » Haus begnadigt worden. N Der Prozeß Eulenburg ist trotz des Einspruches des Angeklagten auf Gerichtsbeschluß hin bts auf weiteres vertagt worden. (S. Art. i. Hptbl ). Ueber die V e r ä n d e r u n g der Bedingungen des Kriegserfolgcs veröffentlicht General v. Blume eine umfassende Untersuchung. In Schweden wird wahrscheinlich am 20. Juli eine allgemeine Arbciteraussperrung statt- finden. (S. vol. Tgssch.) Die Uugewitzheit über die neuen Reichsstener«. Die Ankündigung, Last im September dem Bundesrat die Finanzprojekte der Reichsregierung zur Beratung werden vor gelegt werden, mag für die Politiker eine Beruhigung sein, die meinten, es käme überhaupt nichts mehr. Den Leuten aber, dir es angeht, also dem steuerzahlenden Reichsbürger, der für das Manko in den Reichsfinanzen aufkommen mutz, bedeutet die Fortsetzung der Steuerheimlichkeiten auf weitere zehn Wochen eine neue Verlängerung seiner Zweifel und A « ngste. Da nun überdies der Bundesrat auch etliche Wochen oder Monate braucht, um zu einer Entschließung zu kommen, und dann erst die unabsehbare Redeschlacht im Reichstage be ginnt, ergibt sich für weite Kreise unseres gewerblichen Bürger tums jene ungemütliche Situation Wischen Baum und Borke, wo der Käfer nicht weiß, ob er hier oder da seine Hacken ein schlagen soll. Sieht man von den Junggesellen und Krüppeln ab, die freilich auch noch nicht ihr Schicksal aus der Flut der Steuer projekte ins Trockene gerettet haben, so sind zahlreiche Indu- strien und Handelszweige bedroht. Es schwirren in der Luft Steuerprojekte gegen den Tabak, gegen das Bier, gegen den Branntwein, gegen die Gasbeleuchtung, gegen die Elektrizität Hierbei soll gar nicht gesagt sein, daß diese Industrien durch das Zustandekommen eines sie betreffenden Steuerprojektes ruiniert werden; es würde auch nicht den Intentionen der Reichsregie rung entsprechen, Hennen zu schlachten, die goldene Eier legen sollen. Aber sicher ist doch, daß die Verhältnisse dieser Industrien durch eine neue Steuer in ganz bestimmter Richtung verän dert werden. Wer sich also diesen Industrien zuwenden will, oder wer schon darin steckt und sich mit neuen Projekten trägt, der muß Gewehr Lei Fuß stehen bleiben, weil er nicht weiß, ob er am Ende gar in den Brennpunkt des Wirbelsturms kommen wird und alle sein« Dispositionen sich über den Haufen werfen lasten muß. Es ist undenkbar, daß die Reichsregierung heute noch nicht weiß, welche Industrien sie belasten und welche sie — wenig stens einstweilen — in Ruhe lasten will. Auch muß ungefähr ein Plan darüber schon jetzt vorliegen, an welchen Stellen Vie Steuern bei der betreffenden Industrie anfassen fallen. Warum also wird nicht aller Welt offen kundgetan, was man vorhat, damit die Leute sich danach richten können? Wir hören von einer Steuer aufGas-und elektrischesLicht. Hier soll nicht erörtert werden, ob diese Steuer gut oder schlecht ist. Zum mindesten aber muß man wissen, ob dergleichen wirklich und ernstlich geplant ist. Das ist für Taufende von jungen Leuten, Schlosser, Mechaniker oder Rohrleger, die sich als Installateure felbständig machen wollen, von der allergrößten Bedeutung. Eine Steuer, die direkt auf den Verbrauch von Licht fällt, hat einen starken Einfluß auf die Geschäftslage eines Installateurs. Es ist, selbst bei späterer Anpassung des Kon sums an die neue Lage der Dinge, zunächst ein« Stagnation in der ganzen Branche mit Bestimmtheit zu erwarten. Das hält ein Anfänger nicht aus, und auch ein Geschäftsmann, der schon im Fach steht, kann dabei in die Brüche gehen, wenn er kein großes Kapital hat. Immer redet man von dem Schutze und der Förderung des Mittelstandes, dieses sei die vornehmste Aufgabe der Regierung. In Wahrheit aber hat man in den höheren Regionen bei uns überhaupt keine rechte Vorstellung davon, wie eigentlich das Leben und Treiben der Mittelstands schichten sich im einzelnen gestaltet. Die kühle Ruhe des Kapi talisten, der die Konjunkturen abwarten kann, hat «in junger Handwerker nicht, weil es ihm an Kapital fehlt, wovon er Li« zur Entscheidung über die Konjunktur lebt. Im kleinen Stands sind wichtige Entschließungen ost Produkte des Augenblicks, der Stimmung des Mutes und des Vertrauens auf den guten Stern. Wenn aber wie jetzt allerlei Gewölk am Himmel steht, so bedeu tet das für die Mittelschichten schon häufig Unwetter. Der Beruf der Installateure ist hier als Beispiel angeführt, weil er einen typischen Zweig mittelständischer Wirtschaft dar stellt, den die Neuzeit geschaffen hat. Aber mit anderen Be rufen steht es nicht besser. Wie soll sich heute jemand in oer Zigarrenbranche eine Existenz gründen wollen, wo er noch gar nicht weiß, was aus der Geheimküche der Reichsfinanz herauslommt. Und die Frage einer Lichtsteuer spiest z. B. auch eine Rolle für viele kleine Gemeinden, die sich mit Beleuch- tnngsprojekten tragen, auch für Private, die sich in ihren Fabri ken oder Wohnungen eigene Anlagen machen wollen, ist es jetzt geradezu geboten, nicht mal abzuwarten, was kommt. Die Reichsregierung sieht die Dinge mit der Ruhe an, die man am grünen Tisch, weit ab vom wogenden Leben, sich schon leisten kann. Es wird alles instanzenmäßig erledigt. Daß derweilen viele bürgerliche Interessen leiden, davon hat man keine Ahnung, weil man eben die vielverschlungenen Pfade des ge werblichen Lebens nicht kennt. Die staatliche Penstonsverstchenm- der PrivataugesteMeu. Den» Reichstage ist di« im Reichsamt des Innern ausge arbeitete Denkschrift über die Pensions- und Hinterbliebenen versicherung von Prioatangestellten zugegangen. Die Denk schrift geht davon aus, daß den Privatangestellten eine Jnoa- lidenpension schon beim Eintreten der Berufsinvalidität und ein« Altersrente schon vom 65. Lebensjahre an zuge- sichert werden soll. Die neue Versicherung wird aber nur als eine Zusatz Versicherung unter Aufrechterhaltung der bestehen den rcichsgesetzlichen Invalidenversicherung Lurchgeführt wer den können. Für die hinzutretenden Leistungen der Privat- angestelltenverstcherung wird ein Reichszuschutz nicht gewährt. Auch die Privatangestelltenverficherung soll auf der Grund lage der Pflicht Versicherung aufgebaut werden. Versicherungs pflichtig sind alle männlichen und weiblichen Privatangestellten vom vollendeten 16. Lebensjahre an, soweit sie nicht im Sinne des neuen Gesetzes bereits erwerbsunfähig sind. An einen Min destbetrag des Einkommens ist die Versicherungspflicht nicht ge bunden, dagegen soll der Gehaltssatz nach dem Beitrage und den Leistungen bemessen werden und einen bestimmten Höchstsatz, 500 .L, nicht übersteigen. Die Leistungen der neuen Kasse sol len an die Erfüllung einer zehnjährigen Wartezeit gebunden sein, dann soll als Pensionsanspruch des Wertes der Herrn Plünnemanns Schwiegersohn. Humoreske von L. Büttner. Nachdruck »erbaten. Der Herr Rentner Wilhelm Plünnemann war ärgerlich. Richt als ob dieser Zustand etwas besonderes Bemerkenswertes im Hause Plünnemann gewesen wäre. Herr Plünnemann ärgerte sich sticht, ja, man kann sogar sagen, mit Genuß. Da er nichts anderes zu tun hatte, nicht gern spazieren ging, und infolge dessen beängstigend dick wurde, verschaffte er sich auf diese Art di« notwendige Emotion. Wie die meisten Menschen ohne Be schäftigung hatte Herr Plünnemann niemals Zeit. Es gab so viele wichtige Dinge, die er tun mußte, und die ihm Gelegenheit gaben, seiner Familie zu beweisen, daß es ohne ihn überhaupt nicht gehe, und daß wahrscheinlich der ganze Plünnemannsche Besitz wie die Familie ohne ihn in Vermögensrückgang und Familienverderbnis geraten würde. Herr Plünnemann aß gern gut, und es machte ihm ein besonderes Vergnügen, allerhand Haushaltungsbediirfnisse einzukaufen, wobei er dann seine Gat tin und sein einziges Töchterchen Lieschen durch die angebliche. Billigkeit der Preise ungeheuer verblüffte, bis Lieschen Plünne mann einmal entdeckte, daß der gute Papa in seine eigene Tasche log. Dann mußte er das Haushaltungsbuch revidieren, wenig stens send er selber, daß das unbedingt notwendig sei, während Frau und Tochter nicht so ganz überzeugt von der Notwendigkeit waren. Und'da entdeckte er immer etwas, worüber er sich ärgern konnte, beispielsweise die teuren Fleischpreise, den hohen Verbrauch von Petroleum, Seife, Soda, Zündhölzern und anderen Haushalt und ähnliches. Seine Ausstellungen darüber mußte seine Frau geduldig anhören, Lieschen Plünnemann ent fernte sich stets so schnell als möglich aus der väterlichen Nähe, und Kathrin, die langjährige Beherrscherin der Küche, hatte vor Herrn Plünnemann nicht den nötigen Respekt. Seit sie einmal Herrn Plünnemann sehr energisch erklärt hatte, daß Petroleum, Zündhölzer, Seife und Soda nicht weggenascht würden, sondern verbraucht, Land da» würdig« Familienhaupt nicht mehr mit ihr an. Frau Plünnemann fügte sich in die kleinen Eigenheiten ihres Gatten mit der Ergebenheit der guten Ehefrau. Sie war gewissermaßen stgnaltaub geworden im Laufe der Jahre, sie konnte, wenn Herr Plünnemann Männerreden hielt, an gan- andere Dinge denken, und mußte sich nur hüten, ihm nicht plötz lich mitten in ein« Abhandlung über irgendein wichtiges Thema mit einem Gedankensplitter ganz anderer Richtung zu kommen, denn das nahm er jedesmal gewaltig übel. Aber leider gab es auch einen Punkt, in dem Herr Plünnemann wirklich von einer Hartnäckigkeit und Zähigkeit war, die Frau und Tochter zur Verzweiflung brachten. Er hatte sich's in den Kopf gesetzt, seinen Schwiegersohn selber auszusuchen, da er weder seiner Frau, noch seiner Tochter in dieser wichtigen Angelegenheit die nötig« Fin digkeit zutraute. Junge Mädchen hatten nach seiner Ansicht La überhaupt nicht mitzureden. Lieschen sollte sich seinethalben verlieben in einen hübschen Schnurrbart, ein paar feurige Augen und eine stramme Figur. Das konnte sie auf ihre Gefahr hin tun; aber einen Mann, einen wirklichen, definitiven Gemahl und Schwiegersohn des Herrn Wilhelm Plünnemann, den suchte dieser Herr selber aus, das hatte er bei verschiedenen Gelegen heiten seiner Frau und auch seiner Tochter mit vielem Nachdruck zu Gemüte geführt. Bis jetzt waren noch keine ernsthaften Kom plikationen entstanden, weil Lieschen Plünnemann ein ganz ver nünftiges Mädchen war, das sich überhaupt nicht so leicht ver liebte. Das Aergerliche an der Sache war nur, daß Herr Plünne mann hinter den harmlosesten Veranstaltungen immer das Ge spenst eines ihm nicht genehmen Schwiegersohnes auftauchen sah und deshalb mit äußerster Energie abwehrte, was ihm nach dieser Richtung verdächtig erschien. Diese Kämpfe focht gewöhn lich Mama Plünnemann aus. Eines schönen Junimorgens gab es wieder einen rechten Kampf. Es handelte sich diesmal um eine anscheinend ganz harmlose Sache, um die gewöhnliche Sommerreise. Herr Plünne mann war für die See und zwar für ein kleines Bad, da» sie nun schon «in paar Jahr« besucht hatten. Da hatte er seine Gemütlichkeit, wußte «in« verschwiegene Weinstube, wo es einen genießbaren Rotspohn und einen ausgezeichneten frischen Hum mer gab, und konnte dir wenigen jüngeren Badegäste, die in das kleine Nest verschlagen wurden, in gebührender Entfernung von seinem hübschen Töchterchen halten. Mama Plünnemann und Lieschen hatten aber für diese» Jahr etwas andere» be schlossen. Der erste Versuch, da» Familienoberhaupt zu dieser Aenderung zu bewegen, hatte einen Wutanfall Herrn Plünne mann» zur Folge. Er tobte. Da» fiel ihm gerade «in, sich in ein«n M«nschenschwarm zu begeben! Wo -lieb denn da di« Er holung für ihn, die er doch so nötig brauchte nach all seinen auf regenden Beschäftigungen und all dem Aerger, den er schlucken mußte. Den ganzen Tag den Liebenswürdigen spielen, sich ein paarmal umkleiden zur Mittagstafel und zu den Abendfestlich- keiten, seine Ruhe nicht haben und sein Behagen, an das er gewohnt sei, das fiel ihm nicht ein, — nicht im geringsten! Aber natürlich, Mutter und Tochter hielten wieder zusammen gegen ihn! Die konnten nicht genug Pläsier kriegen! Und was denn das wohl kosten würde! Die teuren Pensionspreise und all das Drum und Dran war's ja nicht allein. Aber mit welchen Toi lettenanschlägen würden seine beiden Damen ihm nun wohl kommen! Wo sollte er das Geld dazu wohl hernehmen Lei den schlechten Zeiten, wo alle Papiere gefallen waren und die Divi denden knapp wurden! Und man weiß ja auch, wie es in einem solchen Weltbadeplatz zugeht. Hochstapler und Schnorrer sind da so zahlreich, wie die Fliegen beimSirup, Taugenichtse und Nichts tuer, die eine gute Partie ergattern wollen! Dazu war ihm das Plünnemannsche Gest» nun doch zu lieb! All das brachte er im höchsten Zorn vor. Mama Plünnemann ließ alles ziemlich geduldig über sich ergehen. Im allgemeinen gab sie ihrem Haustyrannen so oft als möglich nach, aber wenn es sich einmal um etwas Besonderes handelte, was Mama Plünnemann durchsetzen wollte, dann kam sie doch zum Ziel — auf allerhand Hintertreppchen zwar, zu deren Benutzung Herrn Plünnemanns Eigenheiten sie Wangen. Davon hatte Herr Wilhelm Plünnemann zuweilen eine dumpfe Ahnung, die ihm auch diesmal kam, und so setzte er sich noch mehr zur Wehr als gewöhnlich. Er »erstieg sich zu den gewag testen Behauptungen, die schließlich darin gipfelten, daß es doch wahrhaftig eine Schande sei, wenn die eigene Mutter gar ni die Zeit abwarten könne, bis die Tochter unter die Haube komme. Da kam er aber schlecht an; denn als er mit der vorwurfsvollen Frage schloß, ob denn die höchste irdische Glückseligkeit wirklich darin liege, einen Mann zu bekommen und zu haben, antwortete seine teure Gattin ihm mit einem ganz entschiedenen Nein un fügte hinzu, daß sie das in diesem Augenblick ganz besonder» «insehe. Dadurch wurde Herr Plünnemann ein wenig gedemü- tigt. Mama PMnnemann sah ihren Vorteil und operierte so geschickt, daß Herr Plünnemann mit einem tiefen, tiefen Seufzer, schließlich mürb« gemacht, seine Zustimmung zur Reise nach Baden-Baden gab, aber unter der Bedingung, daß Frau und