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Freitag den 31. Mai für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. 42. ' Freitag den 31. Mai 1872. dem Verlust einiger Menschenleben. Beim Einsturz der Brücke bei Mokropetz ging ein 16 Jahre alter Arbeiter zu Grunde. In Ccr- noschitz hatte sich ein Mann auf einen Baum gerettet. Diesem woll ten drei Männer ans einem Kahne zu Hilfe'eilen, doch schlug der Kahn kurz vor dem Baume um, und alle drei ertranken. Auch der auf dein Baume sitzende Mann büßte bald darauf sein Leben in den Fluthcn ein. — Von diesem Unwetter erhielt die k. k. Statthalterei um 6 Uhr Abends Nachricht. Obwohl die Depeschen eine große Ge fahr verkündeten, konnte man doch nicht eine solche Katastrophe ah nen. Trotzdem wurden alle nochwendigcn Maßregeln ergriffen. Um 11 Uhr Nachts verkündeten Depeschen das Steigen der Gefahr, und nun traten sämmtliche Beamte der Polizeidircciio», sowie der Com- missariate in Permanenz. Die Bewohner der an die Ufer grenzenden Straßen, wurden avisirt, und von Sr. Exc. dem Herrn Statthalter Baron Koller als Landescommandirenden wurde die Bereitschaft des Militärs angeordnet. Zn dieser Zeit begann das Wasser bedenklich zu steigen und erreichte bei den Allstädtcr Mühlen SO Zoll über Normale. Um V-12 Uhr zeigte der Pegel bereits 50", das Wasser brachte Hölzer und kleine Schiffe daher. Die Badeanstalten, Schwimnr- schulen und Fischer, sowie die Holzhändler, von Sr. Exc. dem Hrn. Statthalter und der Polizei avisirt, begannen ihr am Wasser schwim mendes Eigenthum mit Stricken und Ketten zu sichern. DaS Wasser stieg fortwährend und zwar 8" in der Stunde. Um 2'/. Uhr sah man schon ganze Flöße auf dem wilden Strome schwimmen und die dunklen Massen in dem hochängeschwollenen Elemente mehren sich von Minnte zn Minute. Da wurden die Uferbewohner durch Trommeln und Trompeten alarmirt. K. k. Polizeibeamte und Sicherhcitswach- männer mit Fackeln durcheilten mit Tambours und Trompetern, welche vom Militärkommando bereilwilligst beigestellt wurden, die Straßen. In wenigen Minuten waren die Bewohner auf den Bei nen und begannen, als sic das Brausen des «»geschwollenen Flusses vernahmen, mit der Delogirung. Dies ging indeß sehr langsam von Statte», viele hielten die Gefahr nicht für so groß. Allein, als gegen '^4 Uhr das Wasser, beim heftigsten Regen, rapid zu steigen begann, in die Keller eindrang, die Ufer an vielen Stellen überschritt, und aus den Kanäle» sich in die Straße» ergoß, wurde es ernst. Alles drängte nun, Zufluchtsstätten zu erreichen. Die Leute rannten fragend und weinend durch die Straßen. Der brausende Strom führte hölzerne Häuser, mächtige Flöße, entwurzelte Bäume, beladene große Zille», Einrichtungsstücke und laudwirthschaftliche Gerälhschas- tcn aller Art, ferner Telegraphenstangcn, Hundehütten, Schweineställe mit sich, man sah auch einige Stücken todtes Rindvieh und ein Paar noch in eine» Wagen cingcspanute Pferde schwimme». Auch mensch liche Leichen will man gesehen haben. Diese Masse, besonders die Flöße wurden den am linken Moldauufer befindlichen Schwimm- und Badeanstalten verderblich. Die größten Anstrengungen, sie zu sichern, waren vergebens. Die langen Flößhölzer hatten sich zum Theil vor der Karlsbrücke, zum Theil vor der Staatseiscnbahnbrücke in Babna breit gelegt und hierdurch Barrikaden gebildet, welche bald von den nachfolgenden Trümmern vergrößert wurden. Eine furchtbare Katastrophe um so furchtbarer und verderbenbringender, als sie urplötzlich und unerwartet hereinbrach, schreibt die in Prag erscheinende „Bohemia" unter dem 27. Mai, hat unsere Hauptstadt und einen großen Theil von Böhmen getroffen. Vorgestern Nachmittags, uni dieselbe Zeit, da wie schon erwähnt, in Prag ein kurzes Gewitter sich gellend machte und bis Kralup, Mühlhausen re. ein arges Gewitter hauste, ging in einem großen Theile des westlichen und nordwestlichen Böhmens ein Wolkeiilnuch nieder, welcher entsetzliche Verheerungen veranlaßte, ungeheure Schäden am Eigcnthum anrichtcte und, wie es allen Anschein hat, leider auch viele Menschenleben kostete. Es ist ein Unglück, wie es in solcher Ausdehnung in unserem Lande wohl selten vorgckommen ist. Ganz besonders schwer heimgesucht wurde das Bcraunthal, und die verheerenden Wirkungen, die das Unwetter dort verursachte, pflanzten sich eben auch von da nach unserer Hauptstadt fort. Die Dimensionen des angcrichtcte» Unheils lassen sich noch nicht vollständig bemessen, da die Eommunicationen mit den Beraungegenden gestern gänzlich unterbrochen waren, und Weder eine Eisenbahn- noch Telegraphenverbiiidung in dieser Richtung weiter als bis Radolin bestand. Im Laufe des vor gestrigen Nachmittags traf aus Holoubkau an die Gestbahn-Direction ein Telegramm ein, welches meldete, daß der Damm des dortigen Teiches gerissen sei u»d daß die Stadt Nokhtza» in großer Gefahr schwebe. Um dieselbe Zeit kam von Horowitz die Nachricht an, daß der daselbst niedcrgegange Wolkenbruch ganze Gebäude mitriß, Weiler kam die Hiobspost, daß von der Eisenbahnbrücke bei Stasow der Prager Landpfeiler und ein Mittelpseiler eingestürzt seien, während die übrigen Pfeiler wohl stehen blieben, aber ebenso wie der Bahn damm erheblich beschädigt wurde», ferner meldete der Telegraph, daß um 4'/, Uhr bei dem Wächterhause Nr. 60 auf der Bahnstrecke Horowitz-Zbirow der Bahnkörper sammt der daselbst befindlichen zwei Klafter langen Brücke von den Wasserflächen hinweggcschwcmmt worden seien. Von einem' Localreferenten erhält ferner die „Boh." über die Ueberschwemmungcn folgenden Bericht: Samstag um 3 Uhr Nach mittags ging ein Gewitter nieder, wie solches noch nie in diesen Ge genden erlebt worden war. Die Wolken sollen förmlich die Gebirge gestreift haben und ihre Wasser ergossen sich mit furchtbarer Ge walt durch die Schluchten in die Thäler, Bäume, Häuser, den Humus ganzer Grundcomplcxe, Stege, Brücke», Holzvorräthc und eine Un masse Geröll mit sich fortreißend. Die näheren Nachrichten über die Schäden dieses schrecklichen Unwetters könne» bis zur Stunde hier noch nicht bekannt sein, da die Verbindung mit Prag durch die Zer störung der Landstraßen und deren Brücken und jener der Westbahn, aus derselbe» Ursache unterbrochen ist. Besonders stark soll der Via- duct bei Holoubkau und die Brücke bei Zditz gelitten haben. Die Brücke aus Eisenconstrution bei Mokropetz ist cingestürzt, nachdem der Mittelpseiler unterwaschen worden war. Auch hört man von Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbcnlclm und die Umgegenden. Amtsblatt General Verordnung an die Gerichtsämter, Geistlichen und Gemeinden, einschließlich der Stadtgemeinden mit Landgemeindeordnung, im Regierungsbezirke Dresden. Das Impfwesen betreffend. Unter Verweisung auf die, demnächst im Gesetz- und Verordnungsblatte erscheinenden Verordnungen der Königlichen Ministerien des Innern und des Cultus und öffentlichen Unterrichts, das Impfwesen und beziehendlich die von den Geist lichen halbjährlich aufzustellenden Verzeichnisse der Neugeborenen betreffend, wird ergangener Ministerialverordnung gemäß den Gerichtsämtern, Geistlichen und Gemeinden, einschließlich der Stadtgemeinden mit Landgemeindeordnung, im hiesigen Regierungsbezirke die genaue Befolgung der Vorschriften der gedachten beiden Verordnungen hierdurch noch besonders zur Pflicht gemacht. Dresden, am 22. Mai 1872. Königliche Kreisdirectiou. von Könneritz.