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Dienstag. 4. Februar 1908. »r. W. rrltte, pluer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redaktenr - Fritz Arn hold. F0« di« Inserate verantwortlich! IValter Kraus beide in Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion init Ausnahme der Sonntage nachmittags von t—5. Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher tftl. Für unverlangt eingesaudte Manuskripte kanu Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthncr O»h.: Paul Beuthuer) in Aue. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so pfg. Lei der Gcschästsstelle abgeholt monatlich «v psg. und wdchenttich >o psg. — Lei der Post bestellt und selbst abgcholt vierteljährlich l.50 Mk. — Durch den Briefträger frei in; Haus vierteljährlich t.92 Mk. — Einzelne Nummer >o psg. — Deutscher postzeituugs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. 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Prinz Heinrich ist am Sonntag in Zarskoje Ssclo angckommen ' Ii d Die R e i ch S t a g s e r s a tz w a h l im Kreise R orde»- t m d e n findet am 19. März statt. » Der Gesetzentwurf tiber die A r b e i l s k a m m c r n ist am Montag dem Bundesrat zugegangen. (S. pol.TgSsch.) König Manuel von Portugal eröffnete gestern die Sitzung des Staatsratd mit einer Ansprache und ent ließ das Ministerium Franco. (S. Leitart. u. Tel.) O Aus 22 G o u v e r n c n> e n t s des curoväischenRuß- i a ii d wird Hungersnot gemeldet. (S. N. a. a. W.) Die Bhtttat in Lissabon. Mit demselben Schauder, mit dem die zivilisierte Welt vor einem Jahrfünft die Kunde von den blutigen Vorgängen in serbischen Konak vernahm wird sie seht die grausigen Nach richten von der nicht minder blutigen meuchelmörderi'chen Tat aufn-hmen, die sich in der Hauptstadt Portugals abgespielt hat, und dieser Schauder, die Entrüstung über den feigen, verbreche rischen Meuchelmord kann durch keinerlei Reflexionen darüber obgeschwächt werden, inwieweit der ermordete Herrscher— von seinen Söhnen wird man jedenfalls auch das nicht behaupten können — das Konto des Hau'cs Sachsen-Koburg-Gotha-Bra- ganza mit einem Sündenregister belastet hat. Im Altertum konnten wohl Tyrannenmörder wie Harmodios und Aristogeiton -ediert werden. Die sittlichen Empfindungen der heutigen zivilisierten Welt verwerfen, verabscheuen den Mord, weil es ein Mord ist. und unserer verfeinerten Moral gilt der Tyrannen mord nicht als eine befreiende Tat, sondern für uns ist der Mör der unter allen Umständen eben ein Mörder, den wir als weit fch!>17.mr» empfinden, als der schlimmste Tyrann gewesen sein könnte. An diesem Urteil kann selbstverständlich durch die Er wägung nichts geändert werden, dast auch die furchtbare Blul- tat in Portugal ihre Vorgeschichte hat und dast cs an Warnungen und Mahnungen nicht gefehlt hat. Seit einem guten Jahre hatten sich die Verhältnisse in Portu gal a u s s ä u tz c r st e zugespitzt. Die Wahlen vom August 1906 ergaben für die Liberalen, denen der seit Mai desselben Jahres am Ruder befindliche Ministerpräsident Java Franco an gehörte, einen Sieg, aber die absolute Mehrheit fehlte ihnen, sie waren also immer auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Das machte natürlich die Lage der Regierung sehr schwierig, und vielleicht trug der Umstand, datz im Parlament wiederholt scharfe Angriise gegen das Königshaus gerichtet wur den, mit dazu bei, datz Dom Carlos sich von Franco bewegen lietz, im Mai 1907 die Cortes auszulösen, ohne datz gleichzeitig Neuwahlen ausgeschrieben wurden. Dies Verfahren widersprach der Verfassung und forderte den Widerstand aller Parteien her aus, denn nicht nur die Republikaner, sondern auch die konst t- tnionellen Parteien missbilligten die Mastnahme der Regie rung. Königstreuc Männer unternahmen cs, den Mo narchen von dem Ernst der Lage zu unterrichten, doch sie hatten keinen Erfolg, da Dom Carlos anscheinend dem alles auf eine Karte sehenden Franco blindlings vertraute. Bekanntlich wurde auch alsbald die Lissaboner Stadtverwaltung durch Regierungs dekret ausgelöst und durch eine königliche Verwaltungskommission erseht. Auch sonst zeigte die Regierung, welche im Laufe der Zeit die Vornahme von Parlamentswahlen wohl angekllndlgt. aber nicht zur Ausführung gebracht hatte, viel Neigung zum Ab solutismus, und Beschränkungen der Versammlungs- und Prctz- sreiheit, Suspedierung von Zeitungen waren an der Tages ordnung. Das höchste Bcsremden aber erregte ein Dekret des Königs im November v. I., wonach alle politischen Vergehen nach dem summarischen Verfahren beurteilt werden sollten, das für politische Verbrechen vorgesehen ist und wofür ein Ausnahmege- richtshos eingesetzt wird. Seit der Austerkraftsetzungder Verfassung war es mit der Ruhe im Lande sehr schlecht bestellt, und es ist wohl noch häufiger zu Ausständen und Blutvergießen gekommen, als die bei der streng gehandhabten Zensur äutzerst spärlich ins Ausland gedrungenen Nachrichten zu melden vermochten. Die Republikaner, welche bei den letzten Wahlen zwar nur einige Mandate besetzen konnten, aber einen recht grasten Anhang haben, schloffen sich immer enger zusammen und erhielten nun aus den konstitutionellen Parteien grotzen Zuzug, die st u- dier ende Jugend, die sich schon früher bei politischen Bewc- gungen hervorgetan halte, arbeitete nach Kräften gegen das herrschende Regime, und in der grasten Masse des Volkes, die ziemlich lange untätig zugesehen hatte, nahm infolge der immer trüber werd »den wirtschaftlichen Verhältnisse die Unzufrieden heit fortgesetzt zu. Jaoa Franco tat überdies alles, um das Vvlk auizureizcn, und er ging in allen seinen Matznahmen mit einer Willkür vor, welche die drohende Gefahr geradezu an der Stirn trug. Das war die Situation in Portugal schon seit Mona ten. König und Regierung konnten nur dann ernstlich auf einen Sieg r-.chnen, wenn sie des Militär» sicher waren. Das war aber keineswegs der Fall, und wie schon früher einzelne Truppenteile Beispiele von Unbotmätzigkeit gegeben hatten, io soll die Regierung auch jetzt Grund gehabt haben, die Treue eines T ils der Armee zu misttrauen. Die darüber bisher einge laufenen Meldungen waren widersprechend und enthielten auch wohl nicht die volle Wahrheit. Im allgemeinen nahm man an, dast nur die Polizei und die Lissaboner Munizipalgarde absolut lk ' - ,1,'t zuverlässig und königstreu seien. Jedenfalls war cs bet der zwei felhaften Haltung der Armee und der erbitterten Stimmung im Lande gefährlich, eine so waghalsige Politik zu treiben, die nun der König und der Kronprinz mit dem Leben geblitzt haben und vielleicht der Dynastie den Thron kosten wird. König Dom Carlos war am 28. September 1868 als Sohn des Königs Ludwig I. geboren. Er bestieg den Thron am 19. September 1889 zu einer Zeit, wo im pportugiesischen Volke da» Nationialgefühl sich wieder stärkcr zu regen begann und nach einer Neubelebung der alten Kolonialpolitik des Landes hin strebte. Dom Carlos hatte denn auch bei seinem Regierungs antritt die Ansprüche Portugals auf seinen Kolonialbesitz überall behaupten zu wollen gelobt, aber schon ein Jahr darauf mutzt« seine Regierung aus ein britisches Ultimatum hin das Mako- lololand in Ostafrika aufgeben, was zu großen Tumulten in Lissabon und zum Rücktritt des Kabinetts Castros führte. Dir Verhandlungen mit England hatten später den Erfolg, datz Portugal einen Teil des umstrittenen Besitzes wieder zurück, erhielt. Bekanntlich traf es in Ostasrika mit Deutschland und England Grcnzabkommen, doch geriet es immer mehr zu Groß britannien in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, was sich namentlich im Burenkricgc zeigte, wo die Begünstigung der Engländer in dec Delagoabai sich mit dcn Pflichten eines neu tralen Staates nur schwer vereinigen lieh. Der wundeste Punkt für König, Regierung und Volk bildeten die mißlichen finanziellen Verhältnisse des Laudcs. die Finanz krisen wurden akut, so dast Portugal seinen Verpflichtungen gegen die Staatsbürger nicht mehr Nachkommen konnte und das Budget auherordentliche Einschränkungen erlitt, die oft an der verkehrtesten Stelle stattfanden. Ministerkrisen, Auflösungen des Cortes, Verfassungsänderungen und dergl. spiegeltem in den letzte» beiden Jahrzehnten die unsichere politische Lage wider, die im Lande herrschte und aus die Stellung der Monarchie höchst ungünstig einwirkte, vielleicht auch die jetzt cingetretene Kata strophe vorbereitete. Was w i rd j e tz t g e s che he n? Das Schicksal des Hauses Sachsen-Koburg-Eotha- Braganza ruht nun aus dem jungen, am 16. November 1889 geborenen Manuel, dem bisherigen Herzog zu Beja, der sich zwei sehr verschiedenartigen Gefahren gegen- Ubergestellt sieht. Die eine, die geringere, ist der Kronprä tendent aus dem Hause Braganza, der -15jährige Dom Miguel, der als österreichischer Hu'arenoberst aus seinem Schlöffe Seebenstein in Niederösterreich lebt. Allein der Sohn jenes Dom Miguel, der die Fahne der Rebellion gegen seinen Vater, den König Dom Pedro, entfaltete, ist kaum der Mann, das seit dem Jahre 18.11 in Portugal regierende Haus Sachsen- Koburg-Gotha-Braganza zu entthronen. Gefährlicher aber könnte der Dynastie, die aus den 18jährigc Manuel gestellt ist, die republikansche Bewegung werden, zu der sich die Bevölkerung der Städte, aber auch ein Teil der Landbevölkerung bekennt. So wird alles, wird die weitere Gestaltung des Ge schickes Portugals davon abhängen, ob sich in dieser schweren Krisis das Heer, vor allem das Offizierskorps als zuver lässig erweist. Der Regierungsantritt König Manuels hat sich ohne Ruhestörungen vollzogen, der Königsmord scheint doch auf die Bevölkerung Lissabons einen gewaltigen und ernüchtern Ans dem Leben des Königs (lnrlos. Ich wünsche, dast Du ein König sein wirst, wie cs Dein Vater gewesen, gerecht und dem Gesetze getreu, und ich gebe Dir meinen Segen. — Mit diesen Worten führte, als Dom Luis I. eben den letzten Atemzug getan, Luis' Gemahlin Maria Pia ihren ältesten Sohn an sein Sterbelager. Es war Dom Carlos 1., dessen Leben jetzt die mörderische Kugel zugleich mit dem seines Sohnes ein jähes Ziel ge'eht hat. Besondere Sorgfalt war namentlich unter der Leitung der vortrefflichen Mutter, einer Tochter Victor Emanuels II. von Italien, auf die Erziehung des Thronfolgers verwandt worden, und eine Vorliebe für wissenschaftliche und künstlerische Beschäftigung ist dem König Carlos sein ganzes Leben hindurch geblieben. Er erwarb auch ausgedehnte Sprachenkenntnis, die er nach dem Ab schluß seiner Erziehung auf einer Reise durch Europa, auf der er auch in Chemnitz weilte, erweiterte und vertiefte. - So be- hcrr'chte er sieben Srachen, er sprach fünf davon fließend, und a'beitete auch an der Uebersehung von Stücken Shakespeares, die sein Vater unternahm, eifrig mit. Gerade diese starken geistigen Interessen sind der sympathischste Zug in dem Chrakter- bilde des Königs, der in den letzten Jahren seiner Regierung bei seinem eigenen Volke wenig populär gewesen ist. In seinem Palaste in Lissabon hatte der König reichhaltige Sammlun gen angelegt, die er Besuchern mit Stolz zeigte. Besonders er regte eine große Sammlung der verschiedenartigsten Fische aus allen Meeresgebieten und aus den Tiefen des Ozeans mit ihren ost so wunderlichen Formen das Intereffe. Gern ging der König mit seinen Besuchern von Schrank zu Schrank und bemühte sich, die hervorragendsten Merkwürdigkeiten und seltensten Exemplare zu erklären, wobei er gute Kenntnis dieser merkwürdigen Tier ¬ welt bewies. Neben diesem Ozeanogriphischen Muleum barg der königliche Palast einen Schatz in der V i b l i o t h e k, in der Dom Carlos als begeisterter Sammler eine Reihe hervorragender Sel tenheiten zu vereinigen gewußt hat. Bekannt ist, daß sich der König auch als Maler vielfach betätigte. Seine Bilder, ein wenig hart in der Farbe und etwas kreidig im Ton, waren keine vollendeten Kunstwerke, aber sie wirkten immerhin sympathisch. Der König hatte sogar sein Bett in sein Atelier schassen lassen, um gleich nach dem Ausstehen an seinen Bildern malen zu können. Ein Besucher hat dies At licr wie folgt geschildert. Große kostbare Teppiche und seltene Stosse bedecken die Wände: überallstehcn in Uebersülle Kunstgegenstände, Bilder, Bronzen, Porzellangesäste, Majoliken, Elfenbeinschnitzereien, alte Waffen, Möbel mit Schnitz reicn usw. umher. Im Hintergrund sieht man hier und da Studien und Skizzen, Kartons und Mn' pcn, und auf einer Staffelei steht eine säst vollendete große Marine in dunklen Tönen, mit einem drohenden Himmel. Es ist wirklich eine schöne und tüchtige Arbeit. Ist dies von Euer Majestät? frage ich. Ja. . . Meine letzte Arbeit. Es sieht aus, wie ein Mcsdaz.... Der König lächelte. Er zeigt mir in der Fen sternische einen anderen weiblichen Akt oder vielmehr Halbakt. Er ist sehr fein, von Anmut und Zartheit, sehr viel weicher als dir übrigen Arbeiten. König Carlos und Königin Amelie. Der Geburtstag des portugiesischen Königspaares siel auf denselben Tag. Carlos war am 28. September 1863 geboren, die Königin gerade zwei Jahre später. Ueber die Art, wie die b iden sich sanden, wird eine kleine Geschichte erzählt, die des romantischen Thrakters nicht entbehrt. Der damalige Kronprinz hatte sich gegen eine Heirat aus Konvention ge sträubt und erklärt, er werde nur eine schöne Prinzessin hei ¬ raten, die anmutig, reich und geistvoll wäre. Keine der Für stinnen aus den regierenen Häusern, soweit er sie kennen gelernt hatte, schien ihm diese Bedingungen zu erfüllen. Da spielt ihm eines Tages eine kluge Französin, die Gräfin de la Ferronaye, eine wohlgclungene Photogra? hie der Prinzessin Amelie von Orleans in die Hände, und als der Prinz dies Bild gesehen hatte, meinte er mit einem Male endlich die richtige gesunden zu haben. Ein eilig- r Besuch in Paris schloß sich an diese Ent deckung seines Herzens und die nähere Bekanntschaft mit der reizenden Prinzessin befriedigte ihn so, daß Verlöbnis und Heirat nicht lange aus sich warten ließen. Die Königin ist reich bcanlagr mit mannigfachen Interessen. Sie hat Medizin studiert und sogar ihr Examen gemacht, sodaß sie als einzige Königin den Titel Doktor führen darf. Ihr be sonderes Studium hat der Kinderpflege und -Ernährung ge golten, und sie hat ein großes Ho'pital für kranke und arme Kinder errichtet. Krankenhäusern und Pflegeanstalten wendet sie ihr besonderes Interesse zu, und sie hat viel für die Hebung des Gesundheitszustandes unter allen Klaffen ihtcs Volkes ge tan. Kampf bis auf Messer hat sie dem Korsett geschwo ren: die Entdeckung der Röntgenstrahlen bereitete Ihr beson dere Genugtuung, die großen Schäden dieses manchen Frauen so notwendig scheinenden Instruments nachzuweisen. Königin Amelie ist auch allem körperlichen Sport sehr ergeben und zeichnet sich besonders in der Schwimmkunst aus. Beim Wett schwimmen hat sie mehreremale die goldene Medaille erhalten, und die Rettungsmedaille, als sie zwei Kinder aus den Wellen errettete. Eine Rettung mit eigener Lebensgefahr vollbrachte sie vor nicht allzu langer Zeit, als sie beim Baden einen Schif fer, der mit seinem Boote umgekippt war und zu ertrinken drohte, ans Land trug. Für diesen Heldenmut hat sie vom deut»