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Dienstag, 1«. Oktober 1W6 Rr. W. Erster Jahrgang 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge I?cr>nNn>or»Iichcr Rc-.itlonr: F ri t; >1 rn l> e l d: Hm die Insrr.Ne »eranIiverUich: Ulbert Füchsc-l, beide in ^lne. mit der wöchentlichen Urktechnltlnnzsbeilnne: Illustriertes ^onntagsblatt. ^prechftimde der RcSoklion mit Ausnahme der ^omnatze nachmiltas^ een i—llbr. — Lelegranini-Udrcsse: Tageblatt Aue. — Hermprecticr e«,2. Für mieerlanat cingesaiidtr lllannskriplc kamt Gewähr nicht geleistet werde». ?rnrk und Verlag: Gebrüder Lc » tl>» er »Inh.: Paul Bcutlmcr) i>i Rne. Bezugspreis. Durch Misere Bete» frei ins Daus monatlich'>» psg. Vci der Geschäftsstelle abgcbolt momrtlich ro psg. imd wdchentlich io pfg — Uei der Post bestellt und selbst abgebolt oicrteljäbrlich i.sa tstk — Durä> den Vricsträgcr frei ins liaus vierteljährlich ,.g: Mk. — Einzelne Nummer >n Psg — Deutscher PostzcituugS' katalog — Trschelut täglich in den iNittagssMndem mit Ausnahme von Sott», und Feiertagen. 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Das E l) e p a a r K r n p p - B o l> l e n Hai siir den Inva- lidensond der Kruppschen Arbeiier e i n e M illion M a r k ge- slislel, Fran verwil w e l e K r n p v ebensalls eineMillion M a r k zur W o h n n n st s s ii r s o r st e und '> «> Hektar L a n d hinzu. Prinz Aleraiider Hohenlohe bal sich einem Inierviewer s.estcnnber über seine jevigen Verbällniise zuin Kaiser ausge- svrochen. * Die Hambnrster Vinnenschisser haben beschlossen, beute in den An snand einzntreien. * Die Bergarbeiterbcwegung greiil imnier mcbr um nch. ' * Näheres siehe unten. Hinter den Conlisten der hohen Politik. In der erregten Diskussion, die die Vcrössentlichung des Tagebuches des Fürsten Chlodwig Hohenlohe hcr- oorgerusen hat, verhält sich eine Person merkwürdigerweise ganz still, und zwar gerade diejenige, die. siir den Zeitpunkt der Ver- össentlichung die Hauptverantwortung trägt! Prinz Alexan der Hohenlohe. Alle Welt erwartet mit Spannung eine Er klärung, warum die Vcrössentlichung gerade jetzt ersolgt ist — und der Prinz hüllt sich in geheimnisvolles Schwei- g e n. Die von einigen Blättern gcäuszertc Annahme, daß Prinz Alexander die Tragweite der Verössentlichung dieses unschätz baren Oucilenwerkes nicht zu übersehen vermocht hat, ist natürlich eine bösartige Unterstellung und, da sic ausschließlich in Partei organen der Rechten zu sinden ist. wie man annehmen mutz, eine beabsichtigte Beleidigung. Sicherlich hat der verstorbene Fürst Hohenlohe vor seinem Tode mit seinem Licb- lingssohne eine Verabredung über den Zeitpunkt der Verössent- lichung seines Memoirenwertes getrosten: man darf daher also wohl annchmen, daß die jetzig e Publikation den Intentionen von Vater und Sohn entsprochen hat. Uebcr das Motiv ist man selbstverständlich nur aus Vermu tungen angewiesen: man wird aber gut tun, die Entrüstung der agrarischen und konservativen Preßorganc etwas näher aus ihren sachlichen Gehalt zu prüfen. Man wird dann bald sinden, daß cs weniger patriotische und nationale Auswallungen sind als der Aerger darüber, daß in den Auszeichnungen des Fürsten Hohen lohe so manche konservative Intrigen ausgedeikt werden. Wahr scheinlich wird in der agrar-konservativen Presse jetzt eine neue Hetze gegen den Prinzen Alexander inszeniert werden, der den Konservativen ja schon während der kurzen Zeit, in der er dem Reichstage als Mitglied der Rechten angehörte, häusig genug un bequem geworden ist. Es sollte uns nicht wundern, wenn gerade von dieser Seite nunmehr das schwerste Geschütz der Arnim- Paragraph, gegen den Prinzen Hohenlohe ausgesahren wer den sollte. In einem Blatt dieser Richtung kann man denn auch schon die versteckte Denunziation lesen: „Man könnte, wenn man wollte, Verrat von Staatsgeheimnissen heraus- lesen." Die leitenden Stellen werden aber diesen sehr durch sichtigen Machinationen gegenüber hoffentlich kühle Ruhe be wahren. Die Herren täten auch klüger, alle scharfmacherischen Denunziationen gegen den Prinzen Hohenlohe zu unterlassen und sich mit der Tatsache der Publikation wohl oder übel abzu finden. Wie man auch von anders gerichtetem politischen Stand punkte aus Uber die Verössentlichung der Erinnerungen des drit ten Reichskanzler senken mag — zweifellos werden diese poli tischen Aufzeichnungen eines Mannes, der Jahrzehnte hindurch in intimster Fühlung mit den leitenden politischen Kreisen gestanden hat — als bayrischer Ministerpräsident, als Rcichstagsabgeord- neter, als Botschafter in Paris, als Statthalter in den Reichs landen und zuletzt als Reichskanzler — siir den späteren Ge schichtsschreiber eine der wichtigsten politischen Informations quellen für die innere und äußere Politik des Deutschen Reiches bilden. Für das Volk aber sind Vcrössentlichungen dieser Art u n - gemein lehrreich. In welches Gewirr von Neid, Eifersucht, Mißgunst. Ränkespinnercien, Klatschereien und kleinen und gro ßen Boshaftigkeiten blickt der gute Deutsche, wenn er die Me moiren Hohenlohes „genießt!" Wie einer den anderen bearg wöhnt, einer den anderen hinter seinem Rücken abtut: wie einer den anderen zurückzudrängen sucht, um seinerseits vorwärts zu kommen: wie nur wenige an das Allgemeinwohl, die meisten an sich selbst und ihren Vorteil denken: siir wie beschränkt und un tauglich einer den anderen hält, wenn dieser andere in dem all gemeinen Wettrennen um Einfluß und Macht bedrohlich „aus kommt": wie man ängstlich nach Gunst schielt, — das alles ent hüllen uns die Auszeichnungen Hohenlohes mit erstaunlicher Rück sichtslosigkeit. Sie zeigen, wie da mitunter Uber die Geschicke von vielen Millionen Menschen entschieden wird. Was siir Kleinlich keiten und Nichtigkeiten sind ost ausschlaggebend siir die allerwich tigsten Entschlüsse! Was für kleinliche Intrigen spielen sich fort gesetzt ab, mit Hilfe deren jeder seinen Tops an das Feuer zu rücken sucht. Es ist sehr heilsam, daß von Zeit zu Zeit der Schleier gelüstet wird, der diese anmutigen Geheimnisse für gewöhnlich sorglich verdeckt. Man muß nicht vergessen, daß die Vcrwaltungskosten für das Spiel hinter dem Vorhänge vom Volke getragen weiden. Wir haben also geradezu ei»>natürliches Anrecht darauf, gele gentlich von eingewcihtester Seite zu crsahren, wie cs in den Re- gicrungsatelicrs aussieht, in denen unsere Geschicke gedrechselt werden. Politische Tagesschau. Derrtsehe» Neieh. Ane, l6. Oktober W06. Wohin führe» die hohen Fleischpreise? Die Köln. Zig. fordert an leitender Stelle unter der Ucber- schrist „Vorschlag zur Minderung der Fleischnot" die Regierung ans, die Oessnung der Grenze und vornehmlich die Einsuhr gefrorenen Nind- nnd Hammelsteisches von Australien und Neuseeland zu ge statten. Ter Vorwand, das, durch Oessnung der Grenzen bei Ein fuhr lebenden Viehes V iehsenche n cingeschleppt würden, könne ernstli ch nicht mehr gelten. Die kontingentierte Schiveinc- Einsuhr in Oberschlcsicn beweise im kleinen, was im großen durch führbar sei, daß wir nämlich in unseren veterinär-polizeilichen Vor schriften ein vollkommen ausreichendes Vorbeug- ungsinittcl gegen Scuchengefahr hatten. Den zweiten Ein wand gegen die Grenzösfnnng, daß dadurch die Preise nicht fallen wurden, widerlegten die wesentlichen niedrigeren Vieh- nnd Flcisch- noliernngeii der auswärtigen Märkte. Das Blatt sagt, beides sei unterlassen wurden ans Furcht vor dem ohrenbetäubenden Ge schrei der Agrarier. Unsere politischen Nerven müßten dies zu ertragen suchen. Die Regierung müsse sich entschließen, in der deutschen Bevölkerung die Flcischnot zu mildem damit das Volk von sehr tiefgreifenden, bis in die Schich ten des Mittelstandes empfindlich fühlbar werdenden Schwie rigkeiten der Ernährung und von politischer Verbitterung be freit werde, der aus dein Gefühl einer ungerechten, bis her durch keine Notrufe zu beseitigenden Bedrückung des Volkes, zu giinsten einer BcrusSklassc zunehmend einporwachse und nach gerade einen Grad und eine Verallgemeinerung erreicht habe, daß man dreist behaupten könne, daß die Sozialdemokratie viel leicht noch n i e so üppig blühenden Weizen aus ihren Feldern ge sehen habe, wie gegenwärtig. Die Einfuhr australischen Fleisches könne als Lockmittel für Australien gelten, dieses Land zu veran lassen, die von ihm eingeführtc Zollbeschrünkung zu giinsten deutscher Waren aufznhebcn. Wenn ein Blatt wie die Köln. Ztg. sich in so scharfen Worten gegen die Fleischwncherer wendet, dann sollte das wahrhaftig an maßgebenden Stellen zu denken geben! Der Kolonialmajor Fischer, der bekanntlich in die Affäre Tippelskirch n. Eo. verwickelt ist, wurde gestern, wie schon kurz gemeldet, aus der Untersuchungs hast entlassen. Er hat sich bereits im Oberkommando der Schnvtruppc gemeldet nnd begab sich sodann nach Groß-Lichterseld, wo er seine Wohnung hat. Wie berichtet wird, hat sich danach kein Material ergeben, das zu einem strafrechtlichen Vorgehen gegen den Major, der die Firma Tippelskirch n. Eo. anpumple, hinreichte. Der Untersuchungsrichter hat nichl die Auffassung gewinne» können, daß eine Bestechung des Majors Fischer durch Herrn v. Tippels kirch vorliegt, nnd daß Major Fischer durch Bestechung veranlaßt sei, Herrn v. Tippelskirch geschüslliche Vorteile zu verschaffen. Major Fischer wird aber seinen Dienst nicht mehr ausuehmen, da noch ein ehrengerichtliches Verfahren schwebt. Weiter schreibt uns zu dieser Assäre noch unser Berliner »--Mitarbeiter: Das ehren gerichtliche Verfahren ist daraus begründet, daß Fischer Handlungen vorgknommen habe, die sich mit seiner Ofsiziersstellc nicht vereinigen lassen. Das Ehrengericht, das den Ausgang der Voruntersuchung erst abwarten mußte, wird wahrscheinlich auf schlichten Abschied Ml sächsisches Ltaatsjnbilänm. Das Leben und Bestehen der Staaten pflegen wir nicht, wie dies bei den Einzelindividuen gebräuchlich ist, nach Jahren und Jahrzehnten zu bemessen. Für sie bilden Jahrhunderte den Maßstab. Man feiert den fünften, zehnten und siinszehnten Gc- Geburtstag eines Menschen, bei einem Staate sinden wir uns in der Regel erst nach Ablauf eines Vierteljahrhunderts veranlaßt, seine Existenz in Rechnung zu bringen. Aus diesem Grunde sind Staatsjubiläen in hervorragender Weise geeignet, unser beson deres Interesse zu erwecken. Am ll. Dezember 180i> wurde in Posen, wohin Napoleon l. wegen des Vordringens der Russen sich begeben hatte,, von dem Marschall Duroc, Herzog vonFriaul, und dem Grafen» o n Bose der zwischen Sachsen und Frankreich abgeschlossene Friede unterzeichnet. Für das damalige Kursachjen waren hie Folgen davon von höchster Bedeutung. Nicht allein, daß der Kurfürst nunmehr dem Rheinbunde beizutreten sich entschloß, er nahm gleichzeitig den Titel eines „Königs von Sachsen" an, machte sich ferner verbindlich, allem, jenem Bunde nicht ange hörenden Truppen den Durchzug durch sein Land zu verweigern, die Religionsübungen der Katholiken in ganz Sachsen denjeni gen der Lutheraner gleichzustellen, demzufolge auch beiden Kon fessionen die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte zu ver leihen, sowie endlich für den Fall eines Krieges ein Kontinent von 2ÜVV0 Mann aller Wassengattungcn, für den damaligen Feldzug aber in Rücksicht auf die stattgehabten Ereignisse nur 4000 Mann Fußvolk, 1800 Mann Reiterei, MO Mann Artillerie und 12 Geschütze zu stellen. Schon diese beiden letzten Angaben . bezeugen es. daß Sachsen in jenen Tagen in einer recht bedrücken den Lage sich befand. Und in der Tat waren gar schwere Zeiten siir die Bevölkerung des Landes hereingebrochen. Der Feind, die Franzosen, waren bereits bis ins Herz des Landes eingedrungen. Es schien demnach dem neuernannten Könige, wollte er sein Land nicht den verderblichsten Feindseligkeiten preisgeben, kaum etwas anderes übrig zu bleiben, als die dargebotenc Hand des Siegers anzunchmc». Lauter Jubel trat an die Stelle der angstvollen Aufregung, die des Volkes sich bemächtigt hatte, als sich die Nach richt verbreitete, der König, damals noch Kurfürst, werde nicht abreisen. Aber so ungern und zögernd sich dieser sich anfänglich den preußischen Unternehmungen anschloß, so schwer schien es ihm jetzt zu werden, den Verbündeten im Unglück zu verlassen. Erst als nun der Major vonTielcnau mit der Erklärung Napoleons erschienen war, daß. wenn die sächsischen Truppen nicht augen blicklich von den preußischen abberusen würden, das Land feind selig behandelt werden würde, erfolgte der Befehl zum R ückzug des sächsischen Kontinents und der Major von Finck ging mit der Meldung hiervon in das Kaiserliche Hauptquartier nach Halle ab. Napoleon befahl demgemäß, alle Feindseligkeiten gegen das Land einzustellen, erkannte Sachsens Neutralität an, und erklärte sich zum Frieden bereit, wenn der König dem Rheinbunde bei treten würde. Ein kurfürstliches Patent vom 2-1. Oktober beruhigte das noch immer in Angst schwebende Volk durch die Bekanntmachung, daß keine weiteren Feindseligkeiten zu befürch ten seien. Zur Bekräftigung dieser Erklärung und zur allgemeinen Beruhigung des Volkes ließ der Marschall Vertier, um dem Lande den Schutz neutralen Gebietes zu sichern, allenthalben Tafeln mit der Aufschrift errichten: „'?«-» »itaiio <!<- öaxe, pnx-- ueutio." Durch diese Veranstaltungen war nun zwar die Gefahr er neuerter kriegerischer Ereignisse von Sachsen abgewendet. Nichts destoweniger blieb es trotzdem der zugesprochenen Neutralität dem Lande nicht erspart, die Gewalt des Kaisers zu fühlen, und zwar in überaus bedrückender Weise. Dem bereits stark erschöpf ten Lande wurde eine Kontribution auferlegt, deren Höhe für jene Zeit und für die besonderen Verhältnisse des Landes ganz ungeheure Summen darstellte. Sic war mit 2 7 Millionen Franks festgesetzt. Zum Zwecke der Verteilung und der Er hebung dieser Summe sowie zur Einbringung der höchst drücken den Requisitionen wurde das Land in drei Arrondissements ein geteilt, in deren Hauptstädten D resden, Leipzig, Naum burg und Wittenberg französische Jntentanten angcstellt wurden, die von den Generalintendanten aller eroberten Länder der in Berlin seinen Wohnsitz hatte, abhängig waren. Ueberdem erhielten einige sächsische Städte, wie Dresden und Leipzig fran zösische Besatzung und französische Kommandante n. In Dresden erschien in dieser Eigenschaft am 24. Oktober der Kaiserliche Oberstleutnant und Kammerherr Tieard und ließ am nächsten Tage, nachdem 10 000 Bayern von der Division des Generalleutnants Deroy und unter Befehl des Generals Roch - berg in Dresden eingerückt waren, eine in deutscher und fran zösischer Sprache abgefaßte Bekanntmachung öffentlich ausschla gen, welche die Ueberschrist trug: „Große Armee, Stadt Dresden, der Ober leutnant Tieard, K. K. Kammerherr, Komman dant in Dresde n." Diese Bekanntmachung enthielt auch die erforderlichen Be stimmungen, hinsichtlich der Einquartierung und der Verab reichung von Lebensmitteln aus den Magazinen. Ihren Bestim-