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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag» Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 P! änserme werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit >o Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend Organ für den Stadlqemeinderakh, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Veramwortlicher Nedacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. .HF' 71. politische Aundschau. Deutschland. Seit Ende voriger Woche weilt Kaiser Wil helm, wie er dies nun schon seit einer Reihe von Sommern gethan, wiederum in Enis, dem lieblichen Bade an den Ufern der Lahn. Bereits am Sonntag hat der Kaiser die Trinkcur begonnen, worauf er eine Brunnenpromenade machte; im Uebrigen ist die Thätigkeit des greisen Monarchen auch während seines Aufenthaltes in Ems eine streng geregelte und nimmt er jeden Tag die Vorträge des Civilcabinets oder der Militärkanzlei entgegen. Auf dem Gebiete der innern wie der hohen Politik macht sich eine gewisse Oede, ein Mangel an hervorragenderen Ereignissen immer fühlbarer und wenn dies auch vom allgemein menschlichen Standpunkte aus gerade nicht zu beklagen ist, so eröffnet dieser Um- stand doch für die journalistische Sommer- Campagne keine allzu günstigen Aussichten. Für die nächsten Wochen werden uns indessen die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses, welches diesen Donnerstag nach zehntägiger Pause wieder Zusammentritt, wohl noch über die sommerliche Verlegenheit hinweghelfen, namentlich sieht man der für Ende dieser Woche in Aussicht stehenden Fortsetzung der kirchenpolitischen Debatte mit Spannung entgegen. Sonderliche Ueberraschungen wird dieselbe aber schwerlich bringen; man wird vielleicht noch einige mehr oder minder höfliche Redensarten aus tauschen, dieses und jenes noch einmal berühren, im Ganzen jedoch wird das Haus voraussichtlich der kirchenpolitischen Vorlage in der Fassung der Commission zusiimmen. Bekanntlich ist von derselben Artikel 4, welcher eine neue Regelung des Einspruchsrechtes gegen diejenigen Geistlichen enthielt, bei welchen die Anzeigepflicht noch sestgehalten werden soll, gänzlich beseitigt «fordert, ebenso Artikel 2, welcher die Verweser eines Pfarramtes von der in Artikel 1 aus gesprochenen Aufhebung der Anzeigepflicht ausnimmt; dafür ist bei Artikel I ein bezüglicher Zusatz ausgenommen worden. Außerdem hat auch Artikel 5 einen Zusatz erhalten, nach welchem den staatlich anerkannten Bischöfen in erledigten Diöcesen die Vornahme von Weih-Handlungen gestattet ist. In dieser Fassung hat die Commission der Vorlage mit 13 Stimmen — Centrum, Conservative, Fortschritt — gegen 8 Stimmen — Freiconservative, Nationalliberale, Secession — zugestimmt und es ist nicht anzunehmen, daß bei der definitiven Abstimmung im Plenum das Stimmverhältniß sich wesentlich ver schieben wird. Die von der nationalliberalen Parteiversammlung in Hannover am Sonnabend gefaßte Resolution ist Herrn v. Bennigsen am Mon tag durch eine Deputation überreicht worden. Nach dem „Hannov. Cour." erwiderte Herr von Bennigsen, er habe die Besorgniß ge hegt, daß sein Schritt Verbitterung und Vorwürfe bei seinen Freunden erregen würde, er habe zu seiner Freude aber nur Wohlwollen und Freundschaft gefunden. Zu dem Schritte habe ihn die Ueberzeugung gebracht, daß die von ihm befolgte Politik einer versöhnlichen Richtung jetzt nicht Naum habe für den Erfolg, er hoffe auf einen Umschlag der Stimmungen. Er werde politisch mit seinen Freunden stets eng verbunden bleiben, namentlich mit denen in Hannover. — Letztere Aeußerung läßt darauf schließen, daß der bewährte Führer der gemäßigt liberalen Partei auch nach seinem Rücktritt von der Parteileitung im Interesse der von ihm vertretenen Politik thätig sein wird, was demnach der Anschauung widerspricht, daß sich Herr von Bennigsen gänzlich vom politischen Leben zurückziehen wolle. Dagegen scheint sich Herr von Bennigsen unseres Erachtens in einem Jrrthum zu befinden, wenn er meint, daß seine Mandatsniederlegung von seinen Parteigenoffen allenthalben mit Wohlwollen ausgenommen worden sei, im Gegentheil hat sich innerhalb der nationalliberalen Partei gar manche angesehene Stimme gefunden, welche diesen Schritt gerade unter den gegenwärtigen Verhältnissen als einen verhängniß- vollen Fehler erklärt. Die von Berlin aus angeordnete Zurücknabme der auf die deutsche Unterrichtssprache bezüglichen Verfügungen der Posener Re gierung soll auf die deutsche Bevölkerung in der Provinz Posen einen sehr verstimmenden Eindruck gemacht haben. Durch den be treffenden Erlaß des Cultusministers wird die Ertheiluug des Re ligionsunterrichtes in polnischer Sprache an die Kinder polnischer Zunge, soweit es sich um die Volksschulen handelt, wieder gestattet 8- Ialmz. und glaubt man vielfach, daß dies nur ein Vorläufer zu weiterHi Concessionen an die Polen sei. Es heißt, daß der Oberpräsident von Posen, v. Günther, infolge dieses Ministerialerlasses seine Ent lassung eiugereicht habe. Ueber die zu Berlin erfolgte Verhaftung des in Dresden leben den polnischen Dichters Kraszewski, welche so viel Aufsehen erregt, liegen noch immer keine definitiv ausklärenden Mittheilungen vor. Von Berlin aus ist Kraszewski nach Dresden transportirt worden, wo er sich gegenwärtig in Untersuchungshaft befindet. Zugleich wurden in Dresden drei mit Kraszewski befreundete polnische Schriftsteller verhaftet, von denen jedoch einer, Konopacki, bereits wieder entlassen worden ist. Frankreich. Anläßlich des Todestages Garibaldi's hat nun auch in der französischen Hauptstadt nachträglich eine Garibaldi- Feier, und zwar am Sonntag, stattgefunden. Dieselbe sollte zu einer großen politischen Demonstration, zu einem Verbrüderungsfest zwischen der französischen und italienischen Nation aufgebauscht werden, glich aber bei Weitem mehr einer wahren Comödie. Die Theilnehmer, deren Zahl sich auf ca. 1500 belief, setzten sich zusammen aus fran zösischen Nadicalen, italienischen Irredentisten, verschiedenen Depu tationen der „Frei-Denker-Gesellschaften" u. s. w. Den Vorsitz führte Delattre, Mitglied der äußersten Linken; die Redner hielten mehr oder weniger begeisterte Reden, in denen von der Verbrüderung der Franzosen und Italiener, der Tripel - Allianz, der Revanche Frankreichs gegen Deutschland und anderen Dingen die Rede war und die selbstverständlich mit frenetischem Beifall ausgenommen wur den. Der Schriftsteller Raquoni ging in seinem Enthusiasmus sogar so weit, den Franzosen 100,000 Rothhemden (Freischärler) zur Wiedereroberung von Elsaß-Lothringen zu versprechen, was begreif licher Weise ebenfalls stürmische Zustimmung fand. Im Uebrigen verlief die Feier ohne störende Zwischenfälle, einige „zweideutige" Elemente, welche verschiedene Male versuchten, einen Scandal herbei zuführen, wurden glücklich zur Ruhe gebracht. — Der in letzterer Zeit vielfach genannte Marquis Tseng, der chinesische Gesandte in Paris, ist am Montag von Petersburg nach Paris zurückgekehrt und hat seine Functionen wieder übernommen. Man schließt hieraus wohl mit Recht, daß ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und China in nächster Zeit wenigstens nicht be vorsteht. Dem „Temps" zufolge wird das aus 3500 Mann fran zösischer Truppen, ungerechnet die Landungs-Compagnie und 1000 anamitischen Tiralleurs bestehende Expeditionscorps für Tonkin in ca. 14 Tagen an seinem Bestimmungsorte anlangen. Rumänien. Die rumänische Negierung kann sich mit den Beschlüssen der Londoner Donau - Conferenz, die bekanntlich keines wegs den Wünschen Rumäniens entsprechen, noch immer nicht zu frieden geben. Erst kürzlich hat Herr Liteano, der Vertreter Ru mäniens in Berlin, den Versuch gemacht, Deutschland zu einer Action gegen die Beschlüsse der Londoner Conferenz zu veranlassen. Gutem Vernehmen nach ist indessen Herrn Liteano hierbei vom Fürsten Bis marck der deutliche Bescheid geworden, daß sich die Signatarmächte der Londoner Donau - Conferenz in keine neue Discussion über ihre Beschlüsse einlassen könnten. Ob sich Rumänien mit dieser Zurecht weisung begnügen wird, ist jedoch noch fraglich. Süd-Afrika. In Süd-Afrika wollen die Wirren kein Ende nehmen. Wie dem „Reuter'schen Bureau" aus Durban, der Haupt stadt von Transvaal-Republik, gemeldet wird, hat eine beträchtliche Anzahl Vasutos einen Einfall in das Transvaal - Gebiet gemacht. Natürlich werden die Boers sich ihrer Haut wehren und den Basu tos auf deren Gebiet vielleicht einen Vergeltungszug abstatten, was wiederum für die Engländer eine günstige Gelegenheit wäre, in ihrer bekannten Manier zu „interveniren". Sächsische Nachrichten- — Das königl. sächsische Ministerium des Cultus und öffent lichen Unterrichts hat beschlossen und verordnet, die zeither in den Volksschulen gebräuchliche Ccnsurscala mit der für Gymnasien und Realschulen vorgeschriebenen in Uebereinstimmung zu bringen. Es sind daher von nun an auch in den Volksschulen für Fleiß, Fort schritte und sittliches Betragen nur fünf Censurgrade, nämlich: I Donnerstag, den 21. Juni 1883.