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Dienstag, M. September 1SV8. vrü Ittr 3S0V utiiMi kinnin! Nr. 227. Dritter Jahrgang. ttuer Tageblatt und Anzeiger kür das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: pritz Hindoia Für die Inserate verantwortlich: weiter Keim, beide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag» von 5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag: Nuer vraal u»a Ä«rl»g,-s«stlisa>»n m. d. H. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Haus monatlich so pfg. 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Ueber die geplante I n s c r a l e n st e u e r, die Nachlaß- und Wehr st euer liegen seht nähere Angaben vor. (S. pol. TgSsch.) * Die gestrige Sitzung der W a h l r e ch t s d e p u l a t i 0 n eröffnete Geheimrat Opitz mit einer Erklärung; dann wurden zwei Vorschläge über die Wahlkreiseintci'- lung vorgelegt. (S. Kgrch. Schs.) * Bei dem Konflikt zwischen Graf Zeppelin und Major Groß handelt es sich, wie bestimmt verlautet, um Miß verständnisse auf bndcn Seiten. ch Die Mächte haben den Beschluß gesoßt, König Peter nicht vor der E n l l a s s u n g sämtlicher an der blutigen -Juninachl beteiligten O f f i z ie r e zu e m p f a n g e n. (S. pol. Tgssch) * Aus Petersburg wird von offiziöser Seite gemeldet: Die im Ausland verbreiteten Gerüchte über ein Attentat auf Kaiser Nikolaus entbehren jeder Be gründung. Wirtschaftlicher und sozialer Rückblick. Es mögen eine Reihe von Gründen dafür sprechen, die Pläne der Reichsfinanzreform der Oeffentlichkeit gegenüber so lange wie möglich zu verschweigen. Aber grundverkehrt scheint es zu sein, die Absichten tropfenweise und in unpräziser Form in die Oeffentlichkeit durchfickern zu lassen. Man muß doch auch erwägen, daß durch die halben Andeutungen ein großer Kreis von Interessenten beunruhigt, daß ganze Gewerbe inAlarmzustand versetzt werden. Nun hat auch der Staats sekretär des Reichsschatzamtes das Wort ergriffen, um die Not wendigkeit einer Sanierung der Reichsfinanzen zu wiederholen und dabei so nebenbei auf gewisse Steuerobjekte hingewiesen, die bei der großen Reform in Frage kommen könnten oder müßten. Wir halten diese Taktik der halben Andeutungen für viel schlimmer als die des völligen Stillschweigens. Wenn nun aber die letztere Taktik nicht durchzuführen ist, so wäre es mit Rücksicht auf die gegenwärtige Wirtschaftslage doch zweifellos richtiger, der Oeffentlichkeit klipp und klar zu sagen, welche Steuern geplant sind und welche Opfer das Reich heischt. Denn die Ungewißheit trägt nur dazu bei, die sowieso recht un freundliche Stimmung, die in weiten Kreisen der Bevölkerung wegen der geschäftlichen Verhältnisse herrscht, noch zu verschärfen. Die Re.ichsregierung sollte auch darüber nicht im Zweifel sein, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Finanz reform sich äußerst ungünstig gestaltet haben. In Zeiten aufsteigender Konjunktur, wachsenden Einkommens und hoher Gewinn« ist es leichter, die Steuerschraube anzuziehen, als in einer Zeit der Depression, in der die Opposition gegen eine Steigerung der Steuerlast von vornherein auf allen Seiten des Volkes gegeben ist. Wenn aber schon die Reichsregierung den Zeitpunkt für die große'Reform nicht anders auswählen konnte, so sollte sie doch durch ihr Vorgehen nicht noch dazu beitragen, die herrschende Sorge und Unruhe unnötig zu vermehren. Das geschieht aber durch die zögernde Art, mit der die Absichten der Regierung herausgeholt werden müssen. Mit Rücksicht auf die Schädigungen, die dem wirtschaftlichen Leben durch die Unge wißheit über die Absichten der Reichsregierung entstehen können, ist zu wünschen, daß die Pläne des Schatzsekretärs endlich klipp und klar bekannt gegeben werden. Die Methode des Still schweigens läßt sich eben heutzutage nicht mehr durchsetzen. Die Beziehungen der Presse zu allen politischen und wirt schaftlichen Kreisen, die kluge Benützung der Presse durch Wissende lassen die vollste Publizität wenn nicht als das durch aus Richtige, so doch immer als das kleinere Uebel erscheinen. Glücklicherweise ringt sich die Berechtigung dieses Verlangens immer mehr durch. Schon längst wußte man, daß die Oeffent lichkeit über den Bekehr an der Berliner Börse ungenügend oder gar verwirrend unterrichtet wurde, aber erst durch den Fall Vuchwald wurde den weitesten Kreisen bekannt, daß die unge nügende Publizität gewissermaßen als ein Vorrecht der Berliner Börse beansprucht wird. Die Presse sollte nur das berichten dürfen, was keinen Börsen-Jnteressenten schädigen konnte. Das ist eine Auffassung, die ganz im Gegensatz zu dem Wesen der Börse steht. Die Börse ist ein Markt, ein öffentlicher Markt und darum hat sie auch der Kontrolle der Oeffentlichkeit zu unterstehen. Es ist daher ganz und gar unangebracht, daß es von dem Gutdünken des Börsenvorstandes abhängig sein soll, ob vie Presse zur Börse zugelassen wird oder nicht. Bekommt doch heute schon die Oeffentlichkeit ihre Informationen auf wirtschaftlichem Gebiet zum größten Teil aus Quellen, die nichts weniger als einwandsfrei und objektiv sind, die vielmehr bei ihren Infor mationen sehr bestimmte geschäftliche Interessen verfolgen. Wohin die Geheimniskrämerei führt, das hat auch das Auskommen des Alarmrufes: Die Cholera ist in Ber lin deutlich gezeigt. Hätten die von der Presse um Auskunft angegangenen Instanzen sachliche Auskunft erteilt, hätten sie gesagt, daß die Untersuchung erst nach zweimal 2-i Stunden ab geschlossen sei und vorher eine sichere Diagnose nicht gestellt wer den könne, dann wäre es keiner Zeitung eingefallen, das tat sächliche Vorhandensein der Cholera in Berlin zu behaupten. So aber schloß man aus der Abweisung der Journalisten, die authentische Erkundigungen an der zuständigen Stelle einziehen wollten, daß die Cache doch schlimmer sein müßte, als man ange nommen hatte. Und daraufhin wurde dann das Vorhandensein der Cholera in Berlin behauptet, in alle Himmelsrichtungen hinaus depeschiert und nicht nur geglaubt, sondern auch darauf hin gehandelt. So sollen viele Einkäufer ihre Reise nach Berlin aufgegeben haben und nach Paris gegangen sein, so daß auch aus dieser Scheu vor der Publizität geschäftlicher Nachteil entstanden ist. Was nützt es, wenn man bei festlichen Anlassen wie bei dem internationalen Presse-Kon greß die hohe Bedeutung der öffentlichen Meinung in allen Tonarten und von allen Seiten preist und sucht dabei in der Praxis des Alltags die schönsten Grundsätze nicht nur zu ver leugnen, sondern ihre Durchführung womöglich zu bekämpfen! Wenn in wenigen anderen Ländern die Presse größeres Ansehen und stärkeren Einfluß besitzt als in Deutschland, so ist dies zu einem Teil darum der Fall, weil man sich schon mehr mit der Tatsache abgefunden hat, daß die Presse mit ihrem Drang nach weitestgehender Publizität eine sittliche Pflicht erfüllt, deren Erfüllung nur dann zu beanstanden ist, wenn die Presse sich an den Mitteln zur Erreichung ihrer Zwecke vergreift. IS. Hauptversammlung des Sächsische» Lehrerverems. «. Zwickau, 28. September. Am gestrigen Sonntag sand hier im Turnsaale an der Lothar Streit-Straße die erste Vertreter versamm- lung statt. Als wichtigster PuM stand die Umgestaltung des Bolksschulgesetzes zur Beratung. In klarer Weise beleuchtete Rechtsanwalt Dr. Schiller-Leipzig den gesamten in Frage kommenden Stoff. Zugegen waren die Herren Landtagsabgeordneten Bär und Landgerichtsdirektor Dr. Hettner. (Herr Günther-Plauen sandte ein Telegramm.) In der Beratung wurde ganz besonders betont, daß Sachsens Lehrerschaft bei der Umgestaltung des Volks schulgesetzes nicht eine Novelle, (denn das würde Flickwerk be deuten), sondern ein völlig neues Gesetz wünscht. Folgende Leit sätze wurden angenommen: 1. Es ist unter Aufhebung aller bisherigen das Volks schulwesen behandelnden Gesetze, Ausführungsverordnungen und Ministerialverordnungen ein neues Gesetz zu schaffen. Zu dem Gesetz etwa ergehende Ausführungsverordnungen sind von vornherein ihrem Inhalte und Umfange nach möglichst einzu schränken. 2. Die außerhalb des eigentlichen Volksschulgesetzes be stehenden, das Volksschulwesen betreffenden Gesetze und Ver ordnungen (Schulunterhaltungsgesetz, Lehrergehaltsgesetze, Leh rerpensionsgesetz) sind möglichst in das Volksschulgesetz einzu gliedern. Soweit dies aus praktischen Gründen nicht ange zeigt erscheint, sind die außerhalb bestehenden Besttmmungen unter Zusammenfassung der zahlreichen im Gesetz- und Ver ordnungswege ergangenen Bestimmungen neu zu redigieren. 8. Zur Vorbereitung des neuen Gesetzes ist eine Kommis sion zu berufen, die zur Hälfte ihrer Mitglieder durch Dele gierte der Lehrerschaft gebildet wird. Horatio Relson Zur Erinnerung an seinen Geburtstag (29. September 1758). Von Dr. L. Meiners. Es liegt klar zutage, daß ein insulares Reich, dessen natür lichen Schutz nach außen hin die umgebende See bildet, in allen staatlichen und wirtschaftlichen Fragen seiner besonderen Lage Rechnung tragen muß. Wie seine Macht hängt seine Sicherheit voni Meere ab. Während ein Binncnstaat, der rings von Nach barn eingeschlossen ist, sich einzig auf sein Landheer stützen kann, während ein Küstenvolk seine Wehrmacht notgedrungen ver teilen muß, ist ein Jnselreich fast ausschließlich auf seine Kriegs- und Handelsflotte angewiesen. Dieser Erkenntnis ver dankt ein verhältnismäßig kleines Land wie Großbritan nien die beherrschende Stellung, die es sich seit Jahrhunderten im Kampf der Völker zu wahr«» gewußt hat. Nachdem die blu tigen inneren Wirren zwischen Engländern, Schotten und Iren beendet waren, ist das britische Reich sich seiner natürlichen Auf gaben immer mehr bewußt geworden und hat sich mit aller Kraft auf die See geworfen. Dem steten Ausbau der Flotte galt sein vornehmstes Bestreben, und seine Kriegsgeschichte weist eine ganze Reih« glänzender Waffentaten auf, die auf hohem Meere erfochten wurden. Der volkstümlichste und zugleich der größte der britischen Seehelden, die di« heimische Flagge zu Ruhm und Ehre führten, war HoratioNelson, der Sieger von Abukir und Trafalgar. Schon in der frühesten Jugend brach sich seine Neigung zum seemännischen Beruf Bahn. Am 29. September 1758 als Sohn «ine» Pfarrers in Burnham-Thorpe in der Grafschaft Norfolk geboren, sehnte sich bereits der Nein« Knabe aus der heimatlichen Enge heraus, ergriffen von Abenteuerlust und dunklem Drang tn die Fern«. Und das Glück begünstigt« ihn. Als er eben zwölf Jahr« zählte, kam er schon auf See: er hatte einen Onkel, der Kapitän eines Linienschiffes war und der seinen Neffen mit sich nahm. So begann die Laufbahn Nelsons, die ihn schon im zarten Alter in alle Länder und Meer« führte. Ein Jahr später fuhr er auf einem Kauffahrer nach Westindien, und mit fünfzehn Jahren nahm er an der Nordpolexpedition des Kapitäns Lut- widge teil. In der folgenden Zeit sah er als Midshipman In dien, wurde zum Leutnant befördert und war mit einundzwanzig Jahren Kapitän. Gewiß wäre auch Nelson im Dunkeln geblie ben, wenn er nicht Gelegenheit gefunden hätte, seine glänzenden Fähigkeiten zu erweisen. Aber im Jahre 1793 brach derKrieg gegen Frankreich aus, und damit begann die Siegeslauf bahn des erfahrenen Seemanns. Als er nach Korsika ge schickt wurde, verlor er bei der Belagerung von Calvi ein Auge, und in der Seeschlacht bei Kap St. Vincent nahm er den spanischen Admiral gefangen und eroberte drei feindliche Linien schiffe. Das war die erste größere Tat, die seinen Namen all gemeiner bekannt machte, und zum Lohn wurde er von der Regie rung zum Konteradmiral befördert. Aber auch das Unglück verfolgte ihn. Wie er bereits ein Auge eingebüßt hatte, so verlor er bei einem Angriff auf Santa Cruz, den er mit einem Teil des Blockadegeschwaders vor Cadix unternahm, den rechten Arm. Doch alle körperlichen Gebrechen konnten die Tatkraft und Entschlossenheit dieses unbeugsamen Mannes, der im Dienste seines Vaterlandes zum Krüppel geworden war, nicht lahm legen. Das sollte sich bald zeigen, als Nelson den Befehl er hielt, den Hafen von Toulon zu bewachen, um das französische Geschwader an seiner Fahrt nach Aegypten zu verhindern. Zwar gelang es dem General Bonaparte, dem späteren Kaiser der Fran zosen, unbemerkt auszulaufen und der englischen Flotte zu ent wischen, lange Zeit suchte Nelson auch den Feind vergeblich: er fuhr nach Neapel und Messina, nach Alexandria und nach Sizi lien zurück und wieder von neuem nach Alexandria. Aber end lich, am 1. August 1798, traf er die feindliche Flotte unter dem Admiral Brueys bei der kleinen Hafenstadt Abukir, griff sie an und schlug sie vollständig. Sein dankbares Vaterland be lohnte ihn für diesen glänzenden Sieg mit einer Pension von AM Pfund Sterling und ernannte ihm zum Baron Nelson vom Nil. Hatte der gefeierte Mann, der nun im schönsten Alter stand, solange nur als Seeheld von sich reden gemacht, begann er von nun an auch als Held einer abenteuerlichen Liebesgeschichte die Oeffentlichkeit zu beschäftigen. Von Abukir nach Neapel entsandt, dessen König ihn zum Herzog von Bronte machte, trat er hier in vertraute Beziehungen zu Lady Hamilton, der Gemahlin des britischen Gesandten, die drei Jahre jünger war als er selbst. Noch heute ist das Urteil über sie nicht abgeschlossen; jedenfalls aber gehörte sie zu jenen Frauen, di« einen unwider stehlichen Reiz auf das andere Geschlecht ausüben. Es wird sich schwer nachweisen lassen, ob alle Einzelheiten, die man aus ihrem Leben erzählt, auf Wahrheit beruhen. So soll sie in ihrer Jugend als Dienstbote in London ihr Brot verdient, dann Geliebte eines Kapitäns gewesen sein und in anstößigen Schau stellungen mitgewirkt haben. So viel ist jedoch sicher, daß sie armer Leute Kind war und der Tugend nicht allzu lange treu blieb. Ihrer märchenhaften Schönheit und einer seltenen Klug heit verdankte sie denn auch ihre Laufbahn, die sie so hoch hinaufführen sollte. Es ist bekannt, daß der berühmte Maler Romney eine ganze Reihe Bilder von ihr malte. Jedenfalls lernte sie nach den verschiedensten Liebesabenteuern, die sie in der englischen Gesellschaft bekannt machten, den Gesandten in Neapel, Sir William Hamilton, kennen, der sie später zu seiner Frau machte. Hier, an dem süditaltentschen Hofe, wußte sie sich bald eine Stellung zu verschaffen: sie wurde der fürstlichen Fa milie vorgestellt und wurde mit der Zett die Vertraute der Königin Karoline. Zu dieser gewiß hervorragenden Frau hatte Nelson eine leidenschaftliche Liebe erfaßt, über die er sogar seine nächsten Pflichten vergaß. Um sich nicht von ihr zu trennen, verweigerte er seinem Vorgesetzten den Gehorsam. Dem Befehl de» Kom- mandierenden Generals, von Neapel nach Minorca zu segeln, leistete er kein« Folge, sondern blieb an der Seit« feiner Ge liebten zurück. Gewiß ließ die Strafe nicht auf sich warten. Nelson wurde abberufen und kehrt« 180V mit dem britischen G«. sandten und seiner Gattin nach England zurück. Aber seine Un tätigkeit sollte nicht lange dauern; schon im nächsten Jahre wurde