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MsdmfferÄiMbN Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ GM» »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in V« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 AM., bei Postbestellung L.NM. zuzüglich Abtrag- n . gebühr. Einzelnummern «Npfg.AllePostaustalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaesend Postboten und unsereAus. keäger und Geschäftsstellen ' —— nehmen zu iederZeitBe- Grllungeu entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung leingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. werden nach Möglichkeit Ksrnsv VS ck LV ' Amt HNtsLkviiK LN- « tage und Platzvorschrtften annahmebis vorm.10Uhr O "tr, v berücksichtigt. Anzeigen- Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft N Man des Amt7 gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen W Nr. 228. — 87 Jahrgang T-legr.°Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DresdenPostscheck: Dresden 264c. Freitag, den 28 September 1928 Amerikas Mmrde in Laad« and Paris Alle neune! Bisher förderte der Rückblick auf eine Tagung des Völkerbundes fast immer nur die Feststellung zutage, die sich achselzuckend in die Worte hüllte: „Ein großer AufwandnuHloswardvertan!" So ist's auch jetzt wieder nach Schluß der 9. Genfer Vollversammlung, die nichts, aber auch gar nichts dafür getan hat, um das längst erstorbene Interesse der Völker an dem wieder zum Leben zu erwecken, was in Genf zur Diskussion steht. Und immer wieder nur zur Diskussion steht, bis es schließlich in einer Entschließung endet, deren Schicksal es ist, in den Archiven des Genfer Völkerbundsekretariats zu ver schimmeln. In der Hauptsache sprechen und sprachen die jedesmaligen Rückblicke aus die Völkerbundversammlun- gcn daher nur davon, was vertagt, also nicht einmal bis zum Stadium einer Entschließung gefördert wurde. Dieses langsame Arbeiten, dieses räderknarrende Dahinschleichen des Wagens hat ja nicht bloß die bekann ten allgemein-politischen Gründe, weil bei vielen Streit fragen die Pferde der einen Macht vorn, die anderen hinten angespannt werden, sondern auch rein organisa torische Ursachen. Ein Beispiel: Die meisten, fast in jeder Völkerbundversammlung und in den Sitzungen des Völkcrbundrats vorgebrachten Beschwerden der Deutschen in Ost-Oberschlesien wurden dies mal wieder vertagt, weil der neue Berichterstatter sich noch nicht hatte genügend einarbeiten können in die schwierigen Rechtsverhältnisse des osi-oberschlesischen Schulwesens. Diesmal war es ein Japaner, voriges Mal ein Delegierter der amerikanischen Republik Kolumbien! Infolgedessen bleibt bis auf weiteres alles so, wie die Polen es in Ost- Oberschlesien gegen den Widerspruch der Deutschen be stimmt haben, und ein Appell des deutschen Vertreters an den polnischen, die Dinge bis zur Entscheidung beim alten Zustand zu belassen, stieß auf kalte Ablehnung; diedeut- schenKindermüssenindiepolnischeSchule hinein, die sechs deutschen Minderbettsschulm aber bleiben geschlossen, bis Mitte Dezember die nächste Rats tagung eine Entschließung fällt oder — nicht fällt. Ebenso ist's mit dem polnisch-litauischen Konflikt. Uber mehr oder weniger lange, mehr oder weniger gute Reden ist man praktisch auch nicht einen nnzigen Schritt hinausgekommen, obwohl eigentlich der zanze Völkerbund gegen Litauen und seinen Staatsprä- tdenten Woldemaras eingestellt ist und entsprechende Zntschlietzungen schon im März auf seiner letzten Tagung faßte. Woldemaras redete stundenlang, sagte, was tausendmal gesagt worden ist, und drehte in aller Höf lichkeit sämtlichen Völkerbundratsbeschlüssen den Rücken. Ebenso ist's gewesen mit dem ungarisch-rumänischen Streit über die Landentcignung der Optanten in den Gebieten, die früher zu Ungarn gehörten. Wie die be rühmte Seefchlange zur Sauregurkenzeit taucht jedes mal auch diese Streitfrage bei den Genfer Tagungen auf, zibt dann höchstens dem zwar über 80 Jahrs alten, aber lehr temperamentvollen Grafen Apponhi Gelegenheit, rine seiner Reden vom Stapel zu lassen, die trotz ihrer Eleganz zahllose Pfefferkörner nnvcrhülltsr Wahrheiten über das Getriebe im Genfer „Rssormations"saal ent halten, den die Delegierten des Völkerbundes füllen. So ist's auch diesmal wieder gewesen mit der ebenso üb- iichen Folge, daß die Vertreter der Kleinen Entente er regte Nntwortreden hielten und die stickige Luft jenes Saales durch beides in einige Erschütterung geriet. Und nun gar die A b r ü st u n g s - nebst Sicher heitsfrage ! Was dabei herausgekommen ist? ,Muster" für den Abschluß zwischenstaatlicher Schieds- rnd Vergleichsverträge — obwohl man sich in Genf immer klarer darüber wird, daß man sich dabei — trotz wärmster, aber durchsichtiger Befürwortung durch Frank- ceich — auf einer ganz falschen Bahn befindet, weil sann nur eine Verdeutlichung und damit eine Ver- chärfung der bestehenden oder sich bildenden politischen Bündnissysteme herauskomm;. Und Deutschland in Genf? Schon mehren "ich die Stimmen, daß von unserer ursprünglichen Absicht, mit der die deutsche Delegation vor drei Jahren in den Reformationssaal eingezogen ist, so gar nichts ver wirklicht wurde: Führer der mittleren und kleinen dort vertretenen Nationen zu.werden, sich auf diele zu stützen and sich von ihnen stützen zu lassen, um dem französisch- englischen Druck entgegenzüarbeiten. Daß diese Absicht «icht ausgeführt wurde, unsere Politik vielmehr auf Gedeih und Verderb mit den „Großen" zusammenging — ,hne aber, wie gerade die nennte Tagung in Genf es bewies, daraus die erhofften Früchte zu ernten —, hat man uns bei den Mittel- und Kleinstaaten schwer verdacht. So bleibt beim Rückblick auf die neunte Völkerbund tagung nur auf eins hinzuweisen, was nur äußerlich mit ihr z« tun hatte: die Diskussionübe rdieRhein- tandräumung und die bekannte „Einigungsformel" der an ihr interessierten Mächte. Die Tagung selbst ist in bas Meer der Vergangenheit hinabgesunken, ohne dabei einen stärkeren politischen Wellenschlag Zu erregen, als ihn acht Vorgängerinnen. Sie Vereinigten Staaten rücken ab. Gegen alle geheimen Pläne. Das amerikanische Staatsdepartement in Washington Hat die Note mit dem Einspruch gegen das englisch-franzö sische Flottenabkommen nach London und Paris ge sandt und Anweisung zur Überreichung an die beiden Re gierungen gegeben. Dem Bernehmen nach sind die beiden Schreiben nicht gleichlautend im Text, verweisen aber über einstimmend auf das Recht der Vereinigten Staaten, die gleiche Seestürke wie England zu besitzen. Das englisch- französische Übereinkommen sei keine geeignete Grundlage für die Erneuerung einer Erörterung über die Flotten abrüstung. Das Auswärtige Amt inLondon läßt offiziell er klären, das französisch-englische Flottenkompromiß enthalte keine Vereinbarungen über ein Luftübereinkom men mit Frankreich und alle daran geknüpften Schluß folgerungen seien falsch. Auch in Paris leugnet man halbamtlich noch einmal alle besonderen Abmachungen zwischen Frankreich und England, über die in den jüngsten Enthüllungen berichtet worden sei. Amerika ist anscheinend anderer Ansicht gewesen. Der Cisblsck. Aus New York lassen sich die „Daily News" be richten, die amerikanische Rote werde auf die internatio nale Stimmung die Wirkung eines Eisblocks haben. Sie sei tatsächlich eine Weigerung, irgend etwas mit der von der britischen und der französischen Regierung während des Sommers entfalteten Tätigkeit zu tun zu haben. Dis Vereinigten Staaten würden keinen Vorschlag machen^ außer auf offen und aufrichtig eiuberufenen internatio nalen Versammlungen. Die Vereinigten Staaten hätten ihren Standpunkt im letzten Sommer klargemacht und seien nicht von diesem Standpunkt abgegangen. Sie seien bereit, einen Delegierten zu der geeigneten Körperschaft, nämlich der Vorbereitenden Abrüstungskommission in Gens, zu entsenden. Britische Beobachter in Amerika MeHplosionMastrophe inAlelilla. 57 Tote. Über 200 Verletzte. Die Explosionskatastrophe in Melilla hat in Spanien, das noch von Trauer über den entsetz lichen Theaterbrand erfüllt ist, einen niederschmet ternden Eindruck gemacht. Die Explosion ereignete sich nach Mitternacht, als die aus den Theatern kommende Menge die Straßen füllte. Einem starken Feuerschein am Himmel folgte eine furchtbare Detonation, worauf ein Hagel von Trümmern, Glasscherben, umstürzenden Schornsteinen und ein Regen von Sand auf die entsetzten Menschen niederging, die in der Meinung, daß sich ein Erdbeben er eigne, nach allen Richtungen auseinanderstoben. Auf die Nachricht, daß im Fort Cabrerizas eine Pulverexplosion stattgefunden habe, begaben sich die Militär- und Zivil behörden sowie eine immer größer werdende Menschen menge dorthin. Ihren Augen bot sich ein furchtbares Bild der Verwüstung und des Schreckens. Schreis ertönten aus den eingestürzten und unter den Trümmern des Forts halbbegrabenen Baracken. Von dem Fort war nur noch ein riesiger Trichter übrig, dessen obere mit Steinblöcken und Schutt bedeckten Ränder den Platz des ehemaligen Forts bezeichneten. Es herrschte völlige Dunkelheit. Bei Fackel- und Laternenbeleuchtung machte man sich an die Bergung der Verletzten und Toten. Trotz der sehr schwierigen Nettungsarbeiten waren sämtliche Opfer nach einigen Stunden aus den Trümmern geborgen. 5 7 Leichen wurden in die Leichenhalle gebracht und etwa 220Verletzte in die Hospitäler übergeführt. Herzzerreißende Szenen spielten sich ab. Ganze Familien sind ums Leben ge kommen, von anderen ist nur ein einziges Mitglied übrig geblieben. Nicht weit von dem Explosionstrichter wurden die Leichen einer Frau und ihrer beiden kleinen Kinder gefunden. Der größte Teil der Opfer ist durch die riesigen Stein blöcke getötet worden, die die Explosion aus den an der Basis bis zu zwölf Meter starken Mauern des Forts Cabrerizas herausgerissen hat. Unter den Verwundeten befindet sich u. a. ein Mann, der durch einen stürzenden Balken grauenhaft verstümmelt ist. Als er geborgen wurde, fand man neben ihm seine vier Kinder entseelt auf. Der Oberkommissar von Marokko, San Jurjo, äußerte sich folgendermaßen über die Katastrophe: Das Unglück ist sicherlich auf die Unvorsichtigkeit eines derjenigen zurück- zusühren, die mit der Überwachung des Pulvers beauf tragt waren »der dort irgend etwas zu tun hatten, denn sind ernstlich besorgt über die augenblickliche Lage und empfinden, daß sie am Beginn einer zweiten Periode der Entfremdung zwischen Großbritannien und den Vereinig ten Staaten, die beim Abschluß der Genfer Konferenz ent- standen ist, stehen. Msniag Berliner KabmeMsitzung. Heimreise der Deutschen aus Genf. Donnerstag abend verließen die letzten deutschen Delegierten Genf und werden Freitag in Berlin erwartet Dre anfängliche Absicht, in Baden-Baden Aufenthalt zu nehmen, um Dr. Stresemann Bericht über die Völkerbund- iagung zu erstatten, ist aufgegebcn worden. In der nächsten Woche werden in Berlin die Erörterungen über die Fortsetzung der in Gens cingeleiteten Politik zur Weiterbehandlung der Reparation^- und der Räumungs frage beginnen. Am kommenden Montag wird in Berlin ein Kabi nettsrat stattfinden, der sich mit den Ergebnissen der Genfer Verhandlungen beschäftigen wird. In diesem Kabincttsrat dürften auch die Fragen besprochen werden, die mit den bevorstehenden Kommissionsverhandlungen über die Nheinlandränmung und die Regelung der Nova tionen Zusammenhängen. Der Reichskanzler hat bereits dem Reichspräsidenten nach seiner Rückkehr aus dem Manöver Bericht erstattet An der Kabinettssitzung sollen sämtliche in Berlin an wesenden Minister, Staatssekretär von Schubert und Direktor Gaus sowie Direktor Köpke vom Auswärtigen Amt teilnehmen. An die Kabinettssitzüng wird sich am Dienstag die Konferenz der Minister- und Staatspräsi denten der Länder in Berlin anschließen, in der die Minister- und Staatspräsidenten sich, dem von Bayern geäußerten Wunsche entsprechend, persönlich über Genf informieren lassen. Am Mittwoch wird der Auswärtige Ausschuß des Reichstages sich ebenfalls mit den Genfer Verhandlungen beschäftigen. alle gewöhnen sich schließlich an die Gefahr und lassen die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen außer acht. In dem Fort lagerten 20 000 Tonnen schwarzes Pulver, das nicht von selbst, sondern nur unter irgendeiner äußeren Ein wirkung explodiert. Gerade deshalb glaube ich an eine Unvorsichtigkeit. -r- Jn einem Spielhaus der Chinesenstadt in Hankau brach ein Feuer aus, das in kurzer Zeit L0S9 Häuser einäfchsrie. Der Brand griff von dem chinesischen Viertel auf die. Polizeiverwältung über, wo ein großes Munitionslager explodierte. Das Gebäude wurde durch die Explosion völlig zerstört. Zahlreiche Personen wurden getötet. Bisher sind 70 bis 80 Opfer des Feuers geborgen, über l1 000 Personen sind obdachlos. Der Schaden wird auf rund neun Mil lionen Dollar geschätzt. Schwierigkeiten mit Polen. Die Frage der Vieh eins uhr. Berlin, 27. September. Der deutsche Delegationsleiter für die polnisch-deutschen HandelsvertragsvechaMungen Hermes ist gestern abend nach Berlin abgsreist und wird am Freitag in Warschau zurückerwartet. Seine Reise steht im Zusammenhang mit der polnischen Wunschliste, die vor einigen Tagen der deut schen Delegation überreicht wurde. Die polnischen Wiimche, ins besondere in der Schweinestage, übersteigen um ein Vielfaches die seinerzeit im Protokoll bei den Verhandlungen zwischen Stre semann und Iacköwski sestgelegte Verhandlungsgrundlage. I« allen kleineren Fragen ist eine Einigung erzielt worden, Moch bleiben noch schwierige Fragen wie Visum, Ererzverordnung und ähnliches zu klären, da sie auf Wunsch der polnischen Seite hinausgeschoben worden sind. In der Kohlen, rage ist ein wesent licher Fortschritt zu verzeichnen, da die Verhandlungen der hier an interessierten deutschen und polnischen Wirtschastsirege zu einem für beide Teile befriedigerden Ergebnis geführt haben. Di« größten Schwierigkeiten sind noch in der Frage der Vieheinfuhr zu überbrücken, da- hier die Ansichten nicht nur in der Quantitäts- frage, sondern auch in bezug auf die deutsche vetermärpolizei- liche Praxis am weitesten ausemandergehrn. Von seiten der deutschen Veterinäre wird betont, daß die Einfuhr lebenden Viehes nach Deutschland unter keinen Umständen gestattet werde» könne, da der dichte Viehbestand Deutschlands, der einen Wert von neun Milliarden Mark habe, der Gefahr einer SemAnem- lchleppung nicht ausgesetzt werden dürfe. Die polnische Forde rung aus Einfuhr lebender Schweine nach Deutschland wird daher kaum erfüllt werden können.