Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt. MmM für Msdruss TharM Mn, Äebeckhn und die UniMlidtN. Imlsblutl für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bergen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 110. 1 Sonnabend, den 9. Oktober s 1897. ZUM 17. Sonntage nach Trinitatis. Offenb. Joh. 22, 20: Ja, ich komme bald! Amen. ! Der vorletzte Vers der ganzen Bibel und ein sehr . tröstlicher Vers für alle Kreuzträger unter uns, die sich nach Erlösung sehnen. Ihr habt so schwere Lasten zu tragen, die euch die Schultern wund drücken und das Herz müde machen, und ihr seid unter der Last öfters schon zusammengebrochen. Zwar hat Christus Jesus euch immer wieder aufgeholfen. An Seiner Hand geht ihr nun, — sonst würde ja auch das Schwere alles nicht zu tragen sein. Indessen wäre es doch schön, wenn die Bürde ganz abgenommen würde, wenn ihr euch völlig frei fühlen dürftet. Euch graut nicht mehr vor dem Sterben, denn ihr wißt, daß der Tod für uns Christenleute die Thür ist, die ins Vaterhaus führt. Ihr wartet, daß die Thür aufgehen solle und der Heiland euch zum Eintritt einlade. „Ja, ich komme bald!" sagt der HErr, und damit ihr es ganz fest glauben könnt, fügt Er Sein Amen hinzu. Es soll also geschehen. Er wird euch holen, lieber ein Kleines, so werdet ihr nach Hause kommen. Eure Wohn ung ist schon bereitet. Tröstlich für die Kreuzträger ist dieser Vers, heilig ernst ist er für alle Werkleute, die in der Arbeit stehen. Der HErr will bald kommen, und Er wird Rechenschaft von unserem Arbeiten fordern. Hast du mit dem Pfunde gewuchert, das dir dein Gott anvertraut hat? Bist du ein treuer Knecht, eine fleißige Magd Jesu Christi? Lieber, vielleicht hast du noch wenig Zeit, und der Bote ist schon unterwegs, der dir melden soll: Der Meister ist da und ruft dich! Ach, mache keine Einwendungen, sondern kaufe die Zeit aus. Lasset uns . wirken, so lange es Tag ist: es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. Der Vers hat etwas Erschreckendes für die unglück lichen Leute unter unserem Geschlecht, die in den Tag hineinleben und an alles andere eher, als an ihr Ende denken. Der HErr kommt bald — wie schrecklich, wenn Er sie unvorbereitet trifft, mitten in ihren Sünden, die nickt vergeben, mitten in ihren Vergnügungen, die so schaal und leer sind. „Da wird sein Heulen und Zahnklappen." Ach reiße dich los von allen, Tand dieser Welt ehe es zu sM ist Mache deinen Frieden mit Gott mch heute Suche Jesum uud Sein Licht. Dann hat Seine Autunit nichts Erschreckendes für dich, dann darfst du dich treuen auf Sein Kommen. Heute steht das Reich der Gnade dir noch offen. Wenn Jesus als Richter kommt, hat alle Gnade ein Ende. alte Sprüchwort wieder einmal zur Geltung kommen, wen vielleicht auch, mit Einschränkung: „Wer zuerst kommt mahlt zuerst!" um schließlich auf schwarz liegen zu bleiben. „Gewonnen und doch verloren!" murmelte Herr Udo, seiner Begleiterin einen vorwurfsvollen Blick zuwerfend. „Sie hätten mir folgen sollen —" „Bah, was ist es weiter, einige Tausend mehr oder minder," meinte die Dome geringschätzig, „die Geschichte wird langweilig, Baron! Spielen wir va Kantus!" Er antwortete nichts darauf, zog seinen Gewinn ein und sah finster, wie seine schönen Scheine, die auf roth standen, vom Croupier herangeholt wurden. Als er wieder auf schwarz setzen wollte, fühlte er plötzlich einen Druck auf seinen Arm. Sich unwillig umwendend, starrte er erschreckt in Kurts G-stcht. Die Geldscheine entsanken seinen Fingern. „Du hier, mein Sohn?" Die Frage kam zitternd unsicher heraus. „Wie Du siehst, Papa!" erwiderte Kurt sehr freundlich, „Hast Du soiort einige Minuten Zeit für mich übrig?" „Wenn es sein muß —" „Ja, es muß sein, Papa!" „Gut, ich komme sofort in den Garten, geh' nur voran mein Sohn!" Doch Kurt rührte sich nicht von der Stelle. „Vergiß nicht Dein Geld und Brieftasche," raunte er dem Vater zu. „Das Geld gehört nicht mir," erwiderte dieser kurz und hart zu dem Sohne. Es dann rasch seiner Mitspielerin hinfchiebend und die Brieftasche an sich nehmend, murmelte er eine Entschuldigung und erhob sich, um dem Sohne zu folgen. „Das ist stark," bemerkte die Dame, „ich werde Ihnen den Platz nicht reservircn können, Baron!" Er heftete sich unbemerkt an seine Fersen und betrat mit ;rn zugleich einen der Spielsäle, die bereits, obwohl soeben erst ie Kronleuchter ihren Glanz ^über die grünen Tische entfaltet hatten, überfüllt waren. Graf Westorf, der hier kein Neuling war, hatte bald einen Beobachtungs-Posten gefunden und auch sogleich die Entdeckung gemacht, daß Baron Hallenberg anwesend war. Er saß nur wenige Schritte von ihm entfernt neben einer auffällig gekleideten Dame, deren imposante Erscheinung und blendende Schönheit einen größeren Eindruck gemacht hätten, wenn sie nicht durch einen gemein frivolen Zug stark beeinträchtigt worden wären. Neben Udo Hallenberg, dem selber bereits jede aristokratische Eigenschaft im Aeußeren sowohl wie im Innern vollständig ab handen gekommen war, paßte sie ganz vortrefflich. Dieses Paar chien einander, wie Graf Westorf dachte, in jeder Hinsicht würdig zu sein, und ein Schauer überflog ihn unwillkürlich, als er plötzlich des verschollenen Erben von Rotenheim und ener einsamen Frau gedachte, die sich seine Mutter nannte, end die um dieses elenden Spielens Willen ihr einziges Kind in die Ferne getrieben hatte. Herr Udo mochte bereits hohe Summen verloren haben, denn sein fahles Gesicht erschien in dem glänzenden Lichte asch grau, die Hände zitterten nervös, aus tiefen Höhlen flackerten eine Augen unruhig suchend umher. Hier und da häufte sich das Gold vor einem glücklichen Gewinner, lagen aufgestapelte Banknoten, während seine Goldfüchse bereits in den unersätt- rchen Schlund der Bank verschwunden waren und feine Finger nun aus der eleganten Brieftasche die Scheine hervorzerrten. „Weshalb wieder roth?" zischelte er der Dame zu, „es 'st des Teufels Leibfarbe. Ich wähle schwarz." „Nun, dann werden wir wenigstens keinen Verlust haben, wenn ich roth setze, und zwar in gleicher Höhe," spottete sic halblaut. — Er zuckte die Achseln und besetzte schwarz mit einer sehr hohen Summe. „Bah, Lumperei!" sagte sie kurz, „ich setze höher." Er schob ihr eine Anzahl Banknoten zu, die sie rasch über zählte und dann alles auf roth setzte. Die Kugel rollte, — athemlos verfolgte man ihren Lauf, wie sie scheinbar anhielt und dann plötzlich einen Satz machte, Winterarbeit. Der Bundesrath ist am 7. Oktober zu seiner neuen Session zusammengetreten., womit das parlamentarische und politische Winterleben m Deutschland seinen Anfang genommen hat, stellen doch die setzt „wieder eröffneten Vundesrathsverhandlungen den Vorläufer der heran- nahenden Reichstagssession dar. Selbstverstaudlich wendet ffch nun das Tagesintereffe in erhöhtem Maße der Frage nach den zu erwartenden parlamentarischen Winterarbeiten im Reichstage zu, und da gilt es denn schon setzt als gewiß, daß in deren Mittelpunkt die angekündigte Marine- Vorlage stehen wird. Dieselbe beschäftigt auf Grund der hierüber bis jetzt veröffentlichen Zeitungsmitthellungen ?^ts W die öffentliche Meinung recht lebhaft, zumal m den Blattern von einem förmlichen Marine-Septennat und geplanten beträchtlichen Erhöhung der -Eener behufs Deckung der Kosten der bevorstehenden In den letzten Zeiten wird der vorletzte Vers der Bibel, wie die ganze Offenbarung Johannis, der er ent nommen ist, ganz besondere Bedeutung gewinnen. Der zum Tode bedrängten, bis aufs Blut gepeinigten Ge meinde der Endzeit werden die Prediger nicht müde werden zuzurufen: Der HErr kommt bald! und das wird der Trost und das Licht der Gläubigen sein. Da werden sie dann auf Re göttliche Verheißung: „Ja, ich komme bald!" mit Johannes weiter sprechen: „Ja, komm, HErr Jesu!" vortiegen, nicht allzu umfangreicher Natur sein. Es würden hierzu etwa der Etat, der Entwurf eines Reichsversicher ungsgesetzes, eine Vorlage betr. die Revision der deutschen Zivilprozeßordnung, ferner ein Gesetzentwurf über die Ent- chädigung unschuldig Verurtheilter — welche Materie aus >en Reformen, welche die wiederholt gescheiterte Justiz- Novelle vorschlug, jetzt besonders herausgenommen werden oll -- und dann wohl noch ein paar kleinere Sachen gehören. Jedenfalls empfiehlt es sich aber schon aus Kründen der Zweckmäßigkeit, die kommende Neichstags- session mit Berathungsaufgaben nicht zu überlasteu, da es die letzte der laufenden Legislaturperiode im Reiche ist. Eben darum ist auch schwerlich zu glauben, daß eine so wichtige Vorlage, wie die Reform der Militärstrafprozeß ordnung, neben den bereits erwähnten Berathungsstoffen noch den scheidenden Reichstag beschäftigen sollte, und letzteres ist um so weniger anzunehmen, als nach den neuesten Meldungen hierüber die Aussichten in dieser so lange bereits schwebenden Frage auch jetzt noch sehr un gewisse sind. Zwar hatte die „Köln. Ztg." letzthin zu versichern gewußt, es sei zwischen dem Kaiser und dem Prinz-Regenten von Bayern bei der jüngsten Manöver begegnung der beiden hohen Herren endlich eine Verständig ung über die Reform des Militärstrafprozesses erzielt worden, aber inzwischen sind übereinstimmende Mittheilungen von anderer Seite bekannt geworden, denen zufolge diese Angelegenheit noch völlig auf dem alten Flecke stehen soll. Es wird darum wohl erst der künftige Reichstag berufen sein, sich mit der gedachten Reform, die doch einmal kommen muß, zu beschäftigen, hoffentlich findet dann diese Frage endlich ihren ersprießlichen Ausgang. Neben den Vorbereitungen für die parlamentarische Wintersessiou beginnen allmählig auch schon die Vor arbeiten unserer politischen Parteien zu den Reichstags wahlen des nächsten Jahres sich bemerkbar zu machen Noch ist zwar der Zeitpunkt der letzteren sehr ungewi und daher erfahren die anhebenden Wahlvorbereitungen hi und da Tadel, da sie verfrüht fein sollen. Indessen, bei der besonderen Wichtigkeit, welche gerade den kommenden Reichstagswahlen zweifellos innewohnen wird, erscheint es ganz begreiflich, wenn die verschiedenen Parteien schon jetzt die einleitenden Schritte zur Wahlbewegung treffen damit sie sür die große Wahlschlacht gerüstet sind, sobal das Signal zu derselben gegeben wird. Eine planmäßig Bearbeitung der Wählermassen ersordet Zeit, und auc hinsichtlich der nächstjährigen Reichstagtswahlen dürfte das neuen Schiffsbauten gesprochen worden ist. Letztere Gerüchte drohten die öffentliche Meinung im Reiche von Anfang an gegen die beabsichtigte Flottenvcrstärkung bedenklich einzu nehmen, es erscheint daher begreiflich, wenn in der von den Berliner Regierungskrisen beeinflußten Presse alsbald in bestimmtester Weise und wiederholt versichert worden ist, die Regierung denke garnicht daran, dem Reichstage ein Marineseptennat, welches das parlamentarische Budjet- recht beeinträchtigen würde, vorzuschlagen, ebensowenig sei eine Erhöhung der Brausteuer oder sonst eine Anziehung der Steuerschraube zu Marinezwecken geplant. An diesen Versicherungen muß man sich einstweilen genügen lassen und bleibt es im fiebrigen eben abzuwarten, wie die au gekündigte Flottenvorlage eigentlich ausschauen wird. Wie verlautet, sollen die auf die Flottenverftärkung bezüg lichen Gesetzesvorschläge, sobald sie endgiltig festgestellt sein werden, durch den „Reichsanzeiger" amtlich zur Veröffent lichung gelangen, welche Absicht durchaus nur gebilligt werden kann, es wäre das beste Mittel, dem entstandenen mancherlei müßigen Gerede über die Marinefrage ein Ende zu bereiten. Die sonstigen gesetzgeberischen Verathungsstoffe, welche das Reichsparlement zu seiner Wintersession erwarten dürften, soweit hierüber schon zuverlässigere Nachrichten Schatten der Vergangenheit. Roman von E. Heinrichs. (Nachdruck verboten.) . (Uebersetzungsrecht Vorbehalten.) (Fortsetzung.)