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24. Jahrgang Sonnabenä» äen 14 September 102s /luer Tageblatt -MM Anzeiger für -as Erzgebirge WM Leiegramm,: Lageblatt floerrzgedt^e Enthalten- -le amtlichen vekanntmachungeu -es Kates Ser Stadt UN- -es Amtsgerichts ^ne. Postscheck.«»»«»: ffmt Leipzig a,.«»»» Nr. 2l5 Panamerikanismus Amerlkanksche Ersahrungen — Lehren für Paneuropa Wir befinden uns Mieder einmal im Zeichen des Pan. Da mit meinen mir nicht jenen alten griechischen Gott, der so vielen Hirten und Bauern tolle Streiche spielte, sondern auch manchem Feldherrn und Staatsmann bisweilen einen „panischen Schrecken" eiiftagte. Mit anderen Pans haben wir es heute zu tun, dem Pan-Amerikanismus und Pan-Europaismus, dem Allamerika nismus und Alleurvpaismus, dem Kontinenta-lismus, mit dem sich gegenwärtig die Staatsmänner unseres Planeten befassen. Amerika hat bereits 40jährige Erfahrungen hinter sich, weshalb es für uns Europäer zweckmäßig erscheint, diese zunächst einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. Im Jahre 1889 wurde in Washington die Panameri - konische Union ins Leben gerufen. Gegenwärtig gehören ihr nicht weniger als 21 Republiken des amerikanischen Fest landes an. Ihre letztjährige Konferenz in Havanna, die von Präsident Coolidge persönlich besucht wurde, dürfte noch in aller Erinnerung sein. Die amerikanische Union hat sich eine Verfassung gegä>en, die aus einer Präambel und 14 Artikeln besteht. Die Präambel verkündet, daß die amerikanischen Völker übereinkamen, regelmäßige Konferenzen abzuhalten und in ihrer Außenpolitik die Lehren Monroes zu verfechten. In den ein- zelnen Artikeln der Konvention gibt sich die Panamerikanische Union einen Verwaltungsrat mit dem Sitz in Washington, in dem alle amerikanischen Staaten vertreten sind. Wenigstens alle fünf Jahre ist eine allgemeine Konferenz abzuhalten. Diese Konferenz wählt den Präsidenten des Verwaltungsrats. Die Verwaltungskosten werden auf die einzelnen Länder, nach der Bevölkerungszahl umgelegt. Der Verwaltungsrat hat keinen politischen Cha rakter. Seine Aufgabe ist cs, die Beziehungen der amerika nischen Staaten untereinander in winschaftlicher, industrieller, landwirtschaftlicher, sozialer und geistiger Hinsicht zu entwickeln. Er hat ferner den Arbeiterfragen seine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, Untersuchungen wissenschaftlicher Art zu fördern, die Beschlüsse und Entschließungen der panamerikanischen Konferen zen durchzuführen und die nächste Konferenz vorzubereiten. Be schlüsse können nur mit Einstimmigkeit gefaßt werden, falls ein Mitglied der panamerikanischen Union es verlangt. Wie sich aus diesem Tatbestand ergibt, ist die Panamerikanische Union ke.n Bündnis, sondern ein Zmeckverband zur Förderung gemeinsamer wirtschaftlicher, sozialer und intellektueller Interessen. Dennoch wird nicht ohne Grund von einer Führungund Vorherrschaft der Vereinigten Staaten Nord amerikas in der Panamerikanischen Union gesprochen. Diese Vorherrschaft ist jedoch weniger als in Europa vielfach ange nommen wird, politischer Natur, sie trägt vielmehr trustarti- g e n Charakter. Die ungeheure Industrie- und Finanzkraft der Vereinigten Staaten Nordamerikas und die Finanzpolitik der angelsächsischen Amerikaner brachten nämlich im Laufe der letzten Scchrzehnte geradezu das ganze amerikanische Festland unter die Finanzkontrolle der Tankers. In allen amerikanischen Hauptstädten funktionieren die Kontrolleure und Finanzsachverständigen Washingtons. Ihre Kontrolle wird nach einheitlichen Gesichtspunkten und nach einem System durch- geführt, das die Vorherrschaft Washingtons fördert und sichert. Die panamerikanischen Konferenzen suchen den Schein dieser Vorherrschaft zu vermeiden. Ihr Programm befaßt sich nicht mit politischen Fragen, sondern lediglich mit -er Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen, mit dem Ausbau der Verkehrswege zu Land, zu Wasser und in der Lust, mit der Vereinheitlichung des Konfulatsrvesens, mit Zollfragen und ähnlichen Problemen mehr. Die Nordamerikaner stellen ihre politischen Zielsetzungen in den Hintergrund, doch können die übrigen amerikanischen Län der sich ihrem Imperialismus schlechterdings nicht ent ziehen. Dabei kommt Washington zugute, daß alle amerikanischen Länder Republiken sind und die meisten von ihnen Föderativ staaten. Mexiko besteht aus 27 Ländern, Venezuela aus 20. Brasilien gleichfalls aus 20 und Argentinien aus 14. Trotz aller Entwicklungstendenzen konnte aber bisher noch nicht einmal die wirtschaftliche Einheit des amerikanischen Festlandes erreicht werden. Es gibt keinen amerikanischen Zollverein, wohl aber Hochschutzzollbestrebungen im Norden, wie im Süden Amerikas! Diel problematischer als Panamerika ist Paneuropa. Amerika kennt nicht -den Nationalismus, dessen Entwick lung wir in Europa hundert Jahre -mit -größter Spannung ver folgten -und besten Hochblüte wir am Ende des Weltkrieges er lebten. Die Verfassungen der europäischen Länder sind gleichfalls nicht einander ähnlich oder gleichartig wie in Amerika, denn wir haben in Europa neben den alten Monarchien zahl reiche Republiken, überdies auch Diktaturen faschistischer und kommunistischer Art. Ist unter -diesen Umständen eine wirtschaftliche Annäherung oder gar ein Zusammenschluß -möglich? Das ist die Frage, die von der wirtschaftspolitischen Entwicklung unseres Festlandes in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu beantworten ist. Dr. -Stresemann wandte sich in seiner großen Genfer Rode sehr eindrucksvoll gegen eine pessimistische Beurteilung der Entwicklung. Er hätte für -seine Austastung eine Reihe von Gründen anführen können. So wäre ein Hinweis auf die Kar telle und T r u st s unserer Schlüsselindustrien möglich ge- we en, die weit -über die Landesgrenzen hinausgreifen und die W rtschaftspolitik der führenden Festlandsmächte wesentlich be einflussen. Auch auf die Arbeiterinternationalen sozialistischer und christlicher Prägung könnte hingewiesen werben. In Frage -kommt ferner die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Genfer Völkerbundes, vornehmlich aber hie Wirtschafts- und Finanzpolitik der internal ionalen Reparations- bank, über die sich gegenwärtig noch die Sachverständigen im Haag die Köpfe zerbrechen. Es wäre kurzsichtig, wenn man die sen Entwicklungstendenzen nicht -die Beachtung schenken würde, die sie erheischen. der Aufommenschlußge-anke un- Südamerika Tke Idee des Staatenzusammenschlusses nach Erd teilen war vorgestern der Gegenstand einer ersten in« offiziellen Fühlungnahme der VSLkerbundSdelegierten Südamerikas, die das frühere chilenische RatSmttglied Villegas in dieser Absicht zu einem Essen eingeladen hatte. CS wird angenommen, daß diese erste Aussprache im Laufe der nächsten Zeit weitere Erörterungen der südamerikanischen Staaten in dieser Richtung nach sich ziehen wird. Volksbegehren gegen Lastenerleichterung Der sogenannte „Neichsausschuß für das deutsche Volksbegehren" veröffentlichte gestern den Gesetzent wurf, der dem Volksbegehren zugrunde gelegt werden soll. In den: Entwurf wird u. a. der feierliche Wi derruf der im Versailler Vertrag enthaltenen Krtcgs- schuldanerkennung gefordert und die Reichsregterung ersucht, darauf hinzuwirkcn, daß die besetzten Gebiete unverzüglich und unabhängig von Annahme oder Ab lehnung der Haager Konferenzbeschlüsse geräumt wer den und daß auswärtigen Mächten gegenüber keine neuen Lasten und Verpflichtungen übern, mmen wer den dürfen, die au? dein KriegsschuldanerkenurniS be ruhen. Zuwiderhandlungen hiergegen seitens des Reichskanzlers, der Reichsminister sowie der Bevoll mächtigten ..des Deutschen Reiches sollen bestraft wer den. In dem Gesetzentwurf, den der „Reichsausschuß für das deutsche Volksbegehren" unter Führung Ge heimrat Hugenbergs einem Volksentscheid vorlegen ! will, lautet der Paragraph, ans den eS den Ver fassern am Meisten ankommt, folgendermaßen: „8 3. Auswärtigen Mächten gegenüber dürfen neue «Lasten und Verpflichtungen nicht übernommen werden, die auf -em Kriegsschuldenanerkenntnis beruhen. Hierunter fallen auch ! die Lasten und Verpflichtungen, die auf Grund der Vorschläge der Pariser Sachverständigen und nach den daraus hervorgehen den Vereinbarungen von Deutschland übernommen werden sollen." „Neue" Lasten dürfen wir also nicht übernehmen. Es ist I dem Herrn Hugenberg und seinem Anhang lieber, wenn der IDawesplan in Kraft bleibt, auf Grund besten wir jährlich einige hundert Millionen Mark mehr zahlen müssen als nach dem Doung-Plan, und besten Fortbestehen die Räumung des Rhein landes ausschliehen würde. Ein merkwürdiger Paragraph, mit dem sich seine Urheber nur selbst verspotten. Es ist -en Ver fassern dieses Paragraphen wahrscheinlich schwer gefallen, klar zu sagen, was sie wollen, weil sie sonst nicht die außenpolitische Sinnlosigkeit ihres Unternehmens genügen- verhüllen konnten. Der Ausdruck „neue Lasten" ist eine Lüge, wenn damit gesagt wird, daß das im Haag vereinbarte über hie bisherigen deutschen Verpflichtungen hinausgehe. Lr ist nur insofern berechtigt, al» die im Haag übernommenen Lasten neue Zahlen zeigen, aber diese Zahlen sind geringer als die Zahlen des Dawesplan«». Wohlweislich ist von den weittragenden Vorteilen des Haager Abkommens in dem Hugenbergschen Volksbegehren nicht die Rede, denn das „Volksbegehren" verfolgt ja rein parteipolitische Ziele: es kann sie nicht erzielen, wenn das Volk erkennt, daß der Toungplan eine Erleichterung für uns bedeutet. Severlng läßt -as Volksbegehren zu Der Landbund gegen das Volksbegehren Wie die „D. A. Z." erfährt, wird Reichsinnemninister Se verins das von dem Hugenbergschen Neichsausschuß eingereichte „Volksbegehren gegen die Versklavung Deutschlands" für zulässig erklären. Erft nach der offiziellen Einreichung des Volksbegeh rens, die in etwa 10 Tagen erfolgen soll, wird die Frage entschie den werden, ob das Volksbegehren verfassungs ändernd ist oder nicht. Laut „D. A. Z." hat das Präsidium des Reichslandbunbes, das sich am Mittwoch mit dem Wortlaut des Volksbegehrens be schäftigte, einstimmig beschlossen, dem 8 4 die Zustimmung zu verweigern. Die Veröffentlichung des Volksbegehrens in seiner jetzt vorliegenden Gestalt erfolgte, ohne daß dieses Votum des Reichslandbundes berücksichtigt wurde. Die dem „Neichsausschuß" bisher angehörenden beiden Ver treter der Christlich-Nationalen Dauern- und Landvolkpartei haben dem 8 4 nicht zugeftimmt. Die „Deutsche Tageszeitung" erklärt, daß die Meldung, wo nach das Präsidium des Landbundes sich gegen den 8 4 des Volks begehrens ausgesprochen habe, im wesentlichen zutreffe. Es sei aber anzunehmen, daß alsbald Verhandlungen über eine ent sprechende Aenderung des Entwurfs geführt werden, der ja dem Reichsinnenministerium noch nicht zugeleitet worden sei. Der 8 4 sagt: Reichskanzler und Neichsminister sowie Bevollmächtigte des Deutschen Reiches, die entgegen der Vorschrift des 8 3 Ver träge mit auswärtigen Mächten zeichnen, unterliegen den in 8 92 Nr. 3 StGB, vorgesehenen Strafen. Der Kreis der BombenattenMer Zentralisierung -ec Untersuchung gegen üie Sombenieger Die Verhafteten leugnen standhaft Im preußischen Ministerium des Innern haben gestern vor mittag Besprechungen mit den zuständigen Instanzen der Krimi nalpolizei stattgefunden, in denen zunächst über -en bisherigen Stand der Maßnahmen gegen die Bombenleger und über dies Verhör der festgenommenen Personen Bericht erstattet wurde. Im Interesse eines gleichmäßigen Vorgehens der verschiedenen Instanzen un- der Vermeidung eines Nebeneinastderarbeitens soll die Zusammenfassung der weiteren Untersuchung bei einer der beteiligten Polizeibehörden erfolgen. Der Stand der polizeilichen Ermittelungen dürfte im Augen blick noch keine Entscheidung über -die Abgabe der Akten an den Richter erlauben. Außerdem ist man bemüht etwaige Hinter- männer und Geldgeber der bisher verdäch tigten Personen zu ermitteln. Bis gestern vor mittag ergaben die Vernehmungen der in Berlin Verhafteten kein wesentlich verändertes Bild; sowohl Ernst von Salo mon und D r. Salinger, wie Hans Gert Techow unld Laß bleiben dabei, sich in keiner Werse strafbar gemacht zu haben. Die beiden Letzteren bestreiten inbesondere jede Beziehung zur schleswig-holsteinischen Landvolkbewegung und den Kreisen der in Altona verhafteten Personen. Die Verteidiger des Dr. Saling er bestreiten in einer längeren Erklärung, daß dieser irgendwelche Beziehungen zur schleswig-holsteinischen Bewegung unterhalten oder auch nur gewußt habe, daß Ernst von Salomon Mitglied der O. C. gewesen sei. Dr. Solinger habe vielmehr bei offenen gesellschaftlichen Abenden in seiner Wohnung Politiker und Schriftsteller aller Richtungen I um sich versammelt. Eg sei auch kein belastendes Material bei ihm gefunden worden. Auch die Untersuchung gegen die Gruppe Timm, des Ueberbleibsels der Organisation Hauenftein, die sich mit der An fertigung von Höllenmaschinen theoretisch und praktisch befaßte, wird mit aller Energie weitergeführt, um festzustellen, welchen unmittelbaren Zwecken das geheime Laboratorium in der Bode- straße in Neukölln, der Wohnung des Feuerwerkers Wilske, dienen sollt«. Maa sucht vor allem festzustellea, woher die in der Wohnung Wilskes gefundenen Chemikalien stammen, und ob sie von der gleichen Art wie der in Schleswig-Holstein zu den Atten taten benutzte Sprengstoff sind. Ein örlef -es Kapitäns Ehrhae-t an -as Polizeipläsi-ium Der Leiter des Berliner Ehrhardtbureaus, Plaaß, der bei der Haussuchung am Mittwoch nicht angetroffen worden war, hat sich selbst auf dem Polizeipräsidium in Berlin gemeldet. Dazu berichtet eine Berliner Korrespondenz, daß Plaaß sich am Vor tage der Haussuchung zu Kapitän a. D. Ehrhardt auf besten Gut Wuthenow bei Neuruppin begeben hat, um an der Hühnerjagd teilzunehmen. Die Meldung, daß -die Berliner Polizei Plaaß suche, sei erst am Donnerstag früh in Wuthenow eingetroffen, worauf sich Plaas im Einvernehmen mit Lhrharidt sofort nach Berlin begab und dem Chef der Abteilung 1^1 ein Schreiben des Kapitäns Ehrhardt überreichte; in diesem Schreiben macht Ehr hardt davon Mitteilung, daß er auf Grund der Prestenachrichten, die Ehrhardt und seinen Anhängerkreis mit den Bombenatten taten in Verbindung bringen, seine politischen Vertrauensleute zu einer Tagung berufen habe. Kapitän Ehrhardt protestiert weiter dagegen, daß die Polizei es nicht für erforderlich gehalten habe, der Presse eine Richtigstellung, die seine Person oder die Tätigkeit in seinem Bureau betreffe, zugustellen. Äußer Techow und Ernst von Salomon habe keiner der Verhafteten einer Ehrhardt-Orga nisation angehört. Daß beide Genannten an -cm Bomben attentat völlig unbeteiligt seien, stehe für den Verfasser des Schreibens fest. Im übrigen gehörten beide Herren schon seit längerer Zeit nicht mehr zu Ehrhardts Anhängerkreis. Ehrhardt erklärt dann, daß eine Organisation O. T. nie bestanden habe. Es stehe ferner für ihn fest, daß die Haussuchung in seinem Bureau keinerlei Material hinsichtlich der Dombenattentat« zu tage gefördert habe. Im Schluß seines Schreibens stellt sich Ehrhardt zu jeder Auskunft zur Verfügung. Ein .tüchtiger* Eemeln-eoorfteher Sm Zusammenhang mit der Bombenaffär« würbe in Winsen a- Luhe (Provinz Hannover) ber Führer der Landvolkbewegung im Kreis« Winsen, Hofbesitzer und Demeirrdevorsteher Amandus