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Adorter Wochenblatt. Mittheil ringen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechzehnter Jahrgang. Preil fir den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung bet Blattes durch DotengelegenheN» 2L Ngr. 18. Mittwoch, den 30. April 1851. Aon denjenigen österreichischen Soldaten, welche vor einiger Zeit durch Norddculschland zogen, hat man manchmal Aeußcrungcn gehurt, die erkennen ließen, welch seltsame Vorstellungen über die angebliche furch« terliche Verderbniß des heidnisch-protestantisch-revoluti- onaren Nordkculschlonds unter einem Theile der öster reichischen Bevölkerung gangbar fein mögen. Man ksnn sich darüber nicht wundern, wenn man liest, wel che Nachrichten katholische Blätter über unsre Zustän de verbrcilen. Als Beleg dafür möge folgende Schil derung -er Leipziger Zustände dienen, die sich in Nr. 27. der „kalbol. Blätter", hcrauSgcgebcn vom katdol. Eentraiverein in Linz (Redacteur Georg Hugeneder), v. 2. April 1851 Seite 108 findet. Und damit man nicht sagen könne, es sei diese Miltheilung aus dem Zusammenhänge geussen, möge der ganze Artikel un verändert von Anfang bis Ende hier abgedruckt wer den. Er lautet so: „Sachsen. Die „Kath. Bl. aus Tirol" bringen über die sittlichen und religiösen Zustände in Leipzig Mitthcilungen auS einem Briefe, denen wir Folgendes entnehmen: Das hiesige Leben ist in jeder Beziehung ern betrübende«; denn in vielen Familien sind die Ver hältnisse — besonders für einen (katholischen) Süd. deutschen — nicht anziehend und das öffentliche Leben gar abschreckend. So wird z. B. auf den Promena- deplätzen gemauert und gehämmert ohne Rücksicht auf dk Zeit, wenn nur der Bauführer für die „öffentliche SonntagSarbeit" bei der Polizei um 5 Groschen eine Karte gelöst hat. In Werkstätten wird jeden Sonn, tag dis 3 oder 4 Uhr Nachmittag gearbeitet. Bei Vorstellungen wegen deö den Katholiken vorgeschriebe- nen Kirchenbesuches erhält man die tolerante Entgeg nung: „Den katholischen H..d.n muß man das all- sonntägliche Kirchenlaufen noch ganz abthun". Ucbri- gevs stehen 5 protestantische Bethäuser ganz leer, wäh. rend die katholische Kirche für die 1500 Seelen zäh lende Gemeide ziemlich besetzt genannt werden darf und einen zwar einfachen Gottesdienst, aber vorzügli che Prediger aufzuweiscn hat.—Erziehung und Schu- le sind hier erbärmlich zu nennen, denn die Kinder hören nichts Gutes, lernen kein Gebet und vernehmen desto mehr Schimpfrrden über die Katholiken (daS ist überall die Hauptsache des protestantischen Schulunter richts), ja sie werden häufig gerade für die Revolution erzogen, und cs ist traurig und schrecklich zu hören, wie sich oft zarte Kinder über das katholische Königs- Haus aussprechen, weil man sic so gelehrt hat. DaS Schlimmste ist, daß die Kinder der Katholiken mit den protestantischen gemeinsamen Unterricht genießen. Denn in der Minderzahl sind sie immer im Nachthei- le, auch abgesehn von den bösen lehren, die ihn.» eingeimpft werden; sie werden stets zurückgesetzt und vernachlässigt und nach beendigter Schulzeit auf der Gasse noch von der übermüthigen protestantischen Ju gend gemißhandelt. Kein Wunder daher, daß mir ein Herr Kaplan klagte, er habe gegenwärtig zwei der Schule schon entwachsene Jünglinge im Unterrichte, die im 15. Jahre noch nickt wissen, daß es drei gött liche Personen gicbt. Nach solchen Erfahrungen ist eS nicht mehr befremdend, in dem menschenfreundlichen Leipzig zu sehen, wie ein Vorübergehender, oder so ein Laurer dem zur Kirche gehenden Pfarrer mit dem Rufe in's Gesicht spukt: Pfui du Jesuit! — eS wird erklär lich, daß bei Leichenbegängnissen Polizeiwache requirirt werden muß, um Ordnung zu erhalten, Skandale oder Insulte gegen die leidtragenden Katholiken und ibre Priester zu verhüten. Um den Schein der Uebertrei. bung von mir abzuwenden, führe ich nur an, was ich aus ganz verlässiger Quelle schöpfte, daß der katholi sche König genölhigt wurde, alle Diener seines Glau bens zu entlassen, und daß der protestantische Diener, welcher dem Kömge das Gebetbuch in die Kirche nach trägt, hinter demselben in der Kirche stehend über sein Lnleen und Andacht zu lächeln und zu spötteln wagt. Das Erzählte ist allgemein bekannt; denn dieses mu sterhafte Benehmen des Bedienten ist nicht bloß kein Geheimniß, sondern wahrer Scelentrost für die meisten Protestanten Sachsens. — Vielleicht ist es noch von Interesse, zu vernehmen, daß die Vorstände wie ge lähmt sind und daß sich die Behörden fürchten vor -> dem Unwillen des murrenden Volkes und deshalb sei- rSnnn " ne Gesuche und Forderungen nicht abweislich zu be- '' scheiden wagen. Wrmn ich zur Beweisführung de» Gesagten schreite, so schlage ich eine Saite an, die schauervoll klingt. Aus unzweideutiger Anschauung