Volltext Seite (XML)
WmM M Mckuff Thmnlit, N«B, Äkbtnlrhs mid die UmgkMdt». Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruffs sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags s2 Uhr angenommen. Insertionspreis jOpf. pro dreige- spaltene Lorpuszeile. Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar vienS^ tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis Viertels, j Mk. 30 j)f., durch di« Post bezogen s Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern 10 Pf. Druck und Verla» von Martin Berger in Finna H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 19. Dienstag, Sen 12. Februar I li 1895. Eine Wendung in der Sozialpolitik. Die Erklärungen, welche im Reichstage bei den mehr tägigen Debatten anläßlich der Interpellation Hitze vom Handels minister v. Berlepsch in Sachen der Weiterführung der sozial politischen Gesetzgebung abgegeben worden sind, deuten ent schieden darauf hin, daß sich die Reichsregierung zu einer ver änderten Haltung auf diesem Gebiete entschlossen hat. Nicht von einem gänzlichen Verzicht auf den Ausbau dessozialreforma torischen Werkes, das mit der berühmten Novemberbotschaft Kaiser Wilhelms I. vom Jahre 1881 eingelcitet wurde, ist die Rede, nein, wohl aber soll nunmehr in den Maßnahmen zu Gunsten des „vierten Standes" ein verlangsamtes Tempo ein geschlagen, vielleicht sogar eine längere Pause gemacht werden. Die Gründe für diese angekündigte Schwenkung in der Sozial politik der Regierung sind von Herm v. Berlepsch offen dar- gelcgt worden, sie erscheinen in der That auch wahlberechtigt. Im Allgemeinen hat die Regierung aus den Kreisen jener Be völkerungselemente, in deren Interesse zuerst und hauptsächlich die Sozialpolitik in'S Leben gerufen wurde, bislang nichts weniger denn Dank und Anerkennung gefunden Das kolossale Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen bei den Reichs- tagSwablen beweist da« bereits zur Genüge. Dafür hat sich anderseits die sozialdemokratische Parteileitung und Agitation di« sozialpolitische Gesetzgebung sogar praktisch recht zu Nutze gemacht, die erfolgreichen Bemühungen der Sozialdemokratie, die Beamtenposten in den Gewerbegerichten, in den zahlreichen Aemtern der Verwaltungen der Ortskrankenkaffen rc. nur mit ibren Anhängern zu besetzen, sprechen da wohl „ganze Bände". Künftighin will daher die Reichsregierung kein Gesetz in der gedachten Richtung mehr Vorschlägen, ehe sie sich nicht davon Überzeugt hat, ob und in welcher Weise cs etwa von den Führern der Arbeiterschaft für ihre politischen Zwecke ausze- beutet werden könnte. Eme solche Etellungsnahmc bedeutet gewiß nicht einen definitiven Verzicht auf die Fortsetzung der sozialreformatorischen Wirksamkeit der Reichöregierung, aber jedenfalls kann es nur gebilligt werden, wenn zunächst einmal die Wirkungen der bis herigen „Arbeitergesetze' auf die hierbei vor Allem belhelligten BeoölkerungSkreise abgewartet werden sollen. Mit der Sicherung der Arbeiter gegen die Gefahren der Krankheit, des Unfalls, des Alters und der Invalidität ist doch wahrlich schon viel, sebr viel in der staatlichen Fürsorge für die Arbeiter gethan worden, es ist daher wohl Zeit, daß bei Erlaß weiterer ähn licher Gesetze zuvor erst einmal geprüft werde, wie sie seitens der Sorialdemokratie vielleicht ausgebeutet werden könnte. Neben diesen besonderen Erwägungen weisen aber auch andere Gründe auf die Verlangsamung dec sozialpolitischen Gesetzgebung hin, dauptsächlich die Thatsache, daß wir in Deutschland mit Ge setzen der sozialreformatorischen Richtung schier übersättigt sind. Seit 1883 bis beut- sind sich dieselben in fast ununterbrochener Reibe gefolgt. Zuerst kam das Krankenversicherungsgesetz kann erschienen die verschiedenen Unfallversicherungsgesetze, nachher folgte das Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetz, hieran schloß sich eine durchgreifende Umgestaltung des Krankenvec- sicherungSgesetzes vom Jahre 1883, weiter erschienen die Novelle zur Gewerbeordnung das sogenannte „Arbeiterschutzgesctz", und noch andere sozialpolitische Gesetze. Die Gesammlheit aller, dieser gesetzgeberischen Maßnahmen umschließt ein so ungeheures Material und besitzt für weite Klaffen der Bevölkerung — nicht nur allein für die eigentliche Arbeiterschaft — eine so tiefgehende praktische Bedeutung, daß es in der That höchst wünschensweNH erscheint, cs möge endlich einmal eine Pause in der sozialpolitischen Gesetzgebung gemacht werden, oamit die gcsammten einschläg gen Maßnahmen sich im Volke bester ein- leden und einbürgern. Vielleicht ließe sich dann dies- Pause in anderer Beziehung verwertben, nämlich dadurch, daß an die einheitliche Regelung der ganzen Arbeiterschutzgesetzgebung gegangen wird. Jeder der vielen VerstchcrungSzweige bildet gewissermaßen eine Organi- lalion für sich, unter einander dagegen hängen sie entweder gar nicht oder nur sehr lose zusammen. Längst hat sich jedoch eine einheitliche Gestaltung der „Arbeitergesetze' nothwendig gemacht, es muß eine gemeinsame Grundlage für dieselben gefunden, -ine einheitliche Organisation geschaffen werden, will man die mit ihrer praktischen Durchführung verknüpften mannigfachen Uebelstände endlich beseitigt sehen. Hoffentlich geht die Reichs- regicrung recht bald an diese Reform der sozialpolitischen Ge- ieygebung, sie ist vorerst dringlicher, als neue Gesetze auf diesem Gebiete. Tagesgeschichte. Bjerl'in, 8. Februar. Vortrag de« KaiserSsüberjdaSZZu- sammenwirken vonWeer und Flott-.A^Gestern Abend hatten sich in der Aula der Kriegsakademie-die^gcsammte Generalität, ein erheblicher Tbeil des Osftziercorps von Berlm und Potsdam, der Kriegsminister, Admirale rc. - im Gamen etwa 500 Per sonen, die den Saal vollständig füllten — eingefunden, um einen Vortrag des Kaisers über die Nothwendigkeit de« Zu sammenwirkens von Heer und Flott- mit besonderer Berücksichtig ung des chinesisch-japanischen Krieges anzuhören. Der Kaiser und Prinz Heinrich, deren Erscheinen sür 7 Uhr angekündigt war, trafen bereits 5V. Uhr in der Kriegsakademie «in, wo der Kaiser noch Anordnungen bezüglich der Gruppirung des Unter lagematerials für seinen Vortrag, der Karten rc., traf. Der Vortrag, welcher in frischer und fesselnder Weise die Noth wendigkeit des Baues von Panzerschiffen darlegte, währte bis 8V« Uhr, also gegen 2 Stunden. Nach demselben lud der Monarch etwa 40 Herren, Generale, Admirale rc. zu einem gemüthlichen Zusammensein im Speisesaal, wo Bier und Butter brot gereicht wurde. Die Herren blieben hier bis gegen 11 Uhr zusammen. Der Vortrag des Kaisers soll in Druck erscheinen. Reichstag. Sonnabendesitzung. Der Abg.Freiherr von Stumm begründete seine Interpellation, betr. die Rettung von Menschenleben bei Seegefahr. Interpellant weist auf die Ka tastrophe der „Elbe" hin und hebt hervor, wie wünschenswerth eS sei. daß die Neichsregierung durch geeignete staatliche Beauf sichtigung des Schiffsbaues diejenigen Bedingungen schaffe, welche ler Sicherung de« Lebens vcr Reisenden zur See größt möglichsten Vorschub leisteten. Auch stellte der Redner eine internationale Regelung der ganzen Sache als erstrebenswerth hin. Reichskanzler Fürst Hohenlohe giebt in seiner Erwiderung der warmen Thcilnahme der verbündeten Regierungen an dem Unglücksfall der „Elbe' Ausdruck und widmet dem Verhalten des Eopi'ainS und der gejammten Besatzung des untergegangenen Dampfers vollste Anerkennung. Die Vorwürfe, die der Mann schaft der „Elbe' namentlich in englischen Blättern gemacht worden sind, weist der Kanzler darum als ganz unbegründet entschieden zurück. In Bezug auf die etwaige Maßnahmen zur möglichster Verhütung ähnlicher künft-ger Katastrophen erklärt der Reichskanzler, daß dies hauptsächlich in drei Punkten ge schehen könne: Durch Sicherstellung der Seetüchtigkeit der Schiffe, durch strikte Durchführung des internationalen See- straßenrechtes und durch Verbesserung in der Ausrüstung der Schiffe mit Rettungsgeräthen. Fürst Hodenlohe versichert, daß die verbündeten Regierungen der ganzen Frage fortgesetzt ihre Aufmerksamkeit widmen würden. — In der nun folgenden 3- ständigen Besprechung der Interpellation gelangten Vertreter fast aller Parteien zum Wort, die in ihrer großen Mehrheit energisch für den „Norddeutschen Lloyd" gegenüber den schamlosen An griffen der englischen Presse eintraten. Auch Staatssekretair v. Bötticher, der in die Diskussion eingrifi, betonte mit be- merkenswerther Schärfe, daß die Schuld an der Katastrophe der „Elbe" nicht auf deutscher Seite, sondern lediglich an dem englischen Schiffe liege. Nach Erledigung dieser Angelegenheit wurde noch der Gesetzentwurf, betr. die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten, in erster und zweiter Lesung, debattenlos genehmigt. Eine Ordre des Kaisers an den Kriegsminister über die Soldatenmißhandlungen ist soeben zur allgemeinen Kenntniß gelangt, und zwar merkwürdiger Weise wiederum durch den „Vorwärts". An sich bedeutet indessen diese Ver öffentlichung keine Ueberraschung. denn die kaiserliche Kund gebung dalirt vom 6. Februar 1890 und war schon damals in ihren Hauptzügen bekannt geworden. Jetzt ist es nur noch der Wortlaut der Ordre, welche man erfährt, freilich berührt es aber eigenthümlich, daß wiederum das sozialdemokratische Centralorgan es war welches zuerst die erwähnte Ordre in ihrem Wortlaut zu bringen vermochte. Letzterer selbst bekundet daß der allerhöchste Kriegsherr die Mißhandlungen von Soldaten durch ihre Vorgesetzten auf das entschiedenste verurtheilt und derartige Ausschreitungen aus das Strengste bestraft wissen will. Der Kaiser weist namentlich auf die mangelnde Sorg falt bei der Wahl des Ausblldungöpersonals für die Rekruten !hin und macht er in dieser Richtung hin zunächst die Com pagnie-, Eskadrons- und Batterie-Chef« verantwortlich. Schließ lich aber spricht der Kaiser die Erwartung aus, daß die höheren Oifuiere ebenfalls ihre Pflicht erfüllen und darauf sehen würden, daß sein ausgesprochener Wille zur Durchführung gelange und bestimmt er zuletzt, daß künftig die kommandirenden Generäle ihm zu berichten haben, welche Vorgesetzten sich in Fällen von Mißhandlungen ihrer Untergebenen mangelnder Aussicht schuldig gemacht haben. Jedenfalls zeugt dieser kaiserliche Erlaß ebmso, wie H seinerzeit der bekannte Erlaß des Prinzen Georg von Sachsen, commandirrnden Generals des 12. Armeekorps, davon, wie sehr gerade an den höchsten Stellen die Eoldatcnmiß- bandlungen gemißbilligt werben, und daß von dieser Seite au- Alles gethan wird, um derartige Ausschreitungen möglichst zu verhindern. Im Uebrigen erklärt die „Nordd. Allg. Ztg.' zu ^r gedachten Veröffentlichung im „Vorwärts", daß der kaiserliche Erlaß vom 6. Febr-aor 1890 niemals diskret behandelt worden sei, weil er in keiner Weise das Licht der Oeffentlichkeit zu scheuen gehabt hätte, der Erlaß sei gerade ein schlagender Beweis, wie nachdrücklich den Soldatenmißhandlungen entgegen gear beitet werde. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" schreiben: „Eine Verbesserung der Verpflegung für dir Soldaten der deutschen Armee steht in Aussicht. Die Heeresverwaltung be absichtigt, die Truppcnverpflegung demnächst aufzubessern und hierfür im nächsten Etat die Mittel zu fordern. Ueber die Unzulänglichkeit der für die Unterhaltung der S-ldatm bisher gewährten Mittel an Löhnung und Verpflegung ist schon viel hin- und hergeschrieben worden, aber die Behauptung, daß die dem Soldaten zugemcffene Löhnung zu knapp sei und er de« Zuschusses vom Hause bedürfe, wenn er sich den an seine Leistungen gestellten Anforderungen gemäß verpflegen wolle, bat man bisher noch nicht widerlegen können. Vielmehr wird von sachverständiger Seite zugegeben, daß die gegenwärtige Ver pflegung unserer Soldaten, wie sie von der Heeresverwaltung gegeben wird, als unzureichend zu betrachten ist, jemehr der Kräfteverbrauch infolge der größeren körperlichen Anstrengungen steigt, desto kräftiger und reichlicher muß auch die dem Körper zuzuführende Ernährung sein. Nach dieser Richtung hin be absichtigt die Militärverwaltung eine Aufbesserung der Sätze für die Garnisonverpflegung, die erst beim Ausrücken der Truppen aus dem Standorte eine Erhöhung erfährt. Jetzt soll in der Garnison die Fleischportion um 30 Gramm, die Gemüseportion auf die Sätze des Gemüsetheils der Manöver verpflegung unter gleichzeitiger Fettzugabe von 40 Gramm und die Manöverkost durch eine Fettzugabe von 60 Gramm erhöht werden. Hierdurch wird es auch ermöglicht, dem Soldaten eine regelmäßige Abendkost zu gewähren, welche er sich jetzt aus seinen recht knapp bemessenen Gcbührnissen an Löhnung selbst be schaffen muß; bei der gemeinschaftlichen Bewirthschaftung der zugebilligten Mittel wird sich sogar eine warme Abendkost, jedenfalls aber in der strengeren Jahreszeit verabreichen lassen. Gegenwärtig zahlt der Soldat für die ihm in der Kaserne ge währte Verpflegung von seiner Löhnung einen Betrag von 13 Pfg.; bei der geplanten neuen Verpflegung würde dieser Antheil nicht ausreichen, es sollen in Zukunft dem Manne 15 Pf. in Abzug gebracht werden. Der Soldat würde also für seine Abendkost nur 2 Pf. zu bezahlen haben, da da« übrige in natura von der Verwaltung geliefert wird. Bei der vortrefflichen Verwaltung unserer Truppen-Menagen steht also den Mannschaften eine erhebliche Verbesserung ihrer Verpflegung in Aussicht. Die zur Durchführung dieser Maßregel erforder lichen Geldmittel dürsten vom Reichstage anstandslos bewilligt werden." Die Reichstagskommission für die „Umsturz-Vor lage" beendigte am Freitag die Debatte über 8 112 (Ver leitung von Angehörigen de« Heeres und der Marine zu Um- sturzbestrebungen), nachdem dieselbe im Ganzen vier Sitzungen erfordert hatte. Die Abstimmung über den genannten Pa ragraphen erfolgt in der auf Mittwoch anberaumten nächsten Sitzung der Commission, seine etwaige Ablehnung dürfte gleich bedeutend mit dem Scheitern der ganzen Vorlage sein. Eine Erklärung gegen die „Umsturz-Vorlage" ist von einer Anzahl bekannter Sozialpolitiker, unter ihnen die Professoren A. Wagner, Förster u. s. w. erlassen worden. Die Erklärung spricht die Befürchtung aus, daß die Vorlage, wenn sie Ge setzeskraft erlange, einerseits die verwerflichen politischen Aus schreitungen keineswegs verhindern, aber anderseits die freie Kritik empfindlich treffen und somit den sozialen Fortschritt hemmen würde. ZurTabaksteuer frage. Die „Kons. Korr." schreibt: Zum Entwurf eines Tabaksteuergesetzcs sind in der kurzen Zeit seit seiner Publikation bereits zahlreiche Petittonen beim Reichs tage eingegangen. Man kann bei dieser Petitionsbewegung im großen und ganzen drei Gruppen unterscheiden. Die erste Gruppe, die auch zuerst am Platze war und in der Hauptsache- von süddeutschen Bauern-Vereinen, also von Produzenten ver treten ist, bittet, den bestehenden Zoll auf inländischen Roh- , tabak thunlichst unverändert zu lassen, den Rauchtabak im Brr