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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Pf. pr»n»weranäo. Anzeiger Inserate werden bis spätestens Mittags deS vorhergehenden Tages des Erscheinen- erbeten und die Corpusspaltenzeile mit lv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stabtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 34. Sonnabend, den 19. März 1881.6^Jahrq. Der Regierungswechsel in Ruhland. Der infolge des Kaisermordes in Petersburg eingetretene Regierungswechsel wird überall besprochen. Vorerst steht man vor dieser Thatsache wie vor einem verschleierten Bilde. Was wird da hinter verborgen sein, wie wird sich die Zukunft für Rußland ge stalten, welchen Einfluß wird diese Thatsache auf die europäische Politik haben? Meinungen und Wünsche führen bei der Ausmalung solcher Zukunftsbilder den Pinsel. Unsere westlichen Nachbarn lasten sich von dem „Voltaire" bereits alle Anekdoten erzählen, welche über den Deutschenhaß des neuen Zaren verbreitet sind, und sehen den selben natürlich im Geiste schon als Alliirten der Republik im großen Nevanchekrieg gegen Deutschland. In der slawischen Welt knüpft man Hoffnungen oder Befürchtungen (Oesterreich) an ihn als das Haupt der Pauslavisten. In Rußland selbst hofft man Reformen. Welcher Art, darüber ist man noch nicht einig. Es heißt, Alexander II. habe in letzter Zeit den Beschluß gefaßt, dem Lande eine Ver fassung zu geben. Die „Nat.-Z." meint, die deutschen konservativen Blätter sollten doch nicht mehr eine Sprache führen, als ob sie Ruß land konstitutionelle SlaatSformen widerrathen wollten, sonst könnten die Russen glauben, wir mißgönnten ihnen solche Wohlthaten, und würden dann mißgestimmt werden gegen uns. Nun, uns kann's schon recht sein, wenn Rußland den westlichen Parlamentarismus importiert; zweifellos wäre das das beste Mittel, um Rußlands Macht lahm zu legen. Das russische Parlament würde jedenfalls das merkwürdigste der Welt werden. Ist schon das österreichische ein wunderbares Gemisch von Sprachen und Völkern, welches Völker- und Sprachengewühl würde erst das russische Parlament darbieten? Ist die Macht Oesterreichs gebrochen, seit es den Parlamentarismus besitzt — wie vielmehr würde dadurch die Macht Rußlands ge brochen werden. — Wo soll da noch der einheitliche, klare, feste Wille Herkommen, welcher für jede Machtentfaltung eines Staates unerläßlich ist, — wenn die Gesetzgebung des Reiches in den Händen eines solchen kunterbunten Reichstages läge? Rußland würde mit dem Parlamentarismus bald dem Schicksale Polens verfallen. Nicht blos die Großen des Reiches, sondern auch die Völkerschaften würden sich gegen einander wappnen. Die Unzufriedenheit in Ruß land mag groß sein; aber daß der Parlamentarismus nicht die Zu friedenheit bringt, das haben wir im Westen doch längst gelernt. Rußland bedarf der Reformen; aber dieselben müssen vor allem auf dem inneren Gebiete der Verwaltung, der Schule und Kirche er folgen. Bleibt da alles beim alten, so werden alle großen politischen Reformen gar nichts helfen; sie würden dann wie ein neuer Lappen auf ein altes, mürbes Gewand sein. Dasselbe würde nur um so eher zerreißen. Allein nichtsdestoweniger glauben wir, daß sich Ruß land der parlamentarischen Ansteckung nicht wird erwehren können. Es wird das Experiment mit dem Parlamentarismus machen; die revolutionäre Propaganda, von welcher das Attentat ausgegangen ist, will es. Tagesbericht. — Auerbach, 13. März. In Nautenkranz wurde am Don nerstag Morgen ein Hirsch aus der Mulde gezogen, welcher eine 8iache Drahtschlinge nm den Hals hatte. Dem kräftigen Thiere waren die von Wilddieben gelegten Schlingen nicht stark genug ge wesen, un, am Platze bleiben zu müssen; es hat sich im Tvdeökampfe weiter geschleppt und ist so wahrscheinlich bei endlicher Erlahmung der Kräfte in den Fluß gerathen und verendet. — Dresden. Wie vorsichtig man sein muß bei Ausübung sogenannter Bravour- und Kunststückchen, beweist wieder ein in der Aligenheilanstalt des Herrn vr. Treibich hier zur Behandlung kom mender Fall. Ein junger Mann war ain Sonntag mit seinen Ka meraden in der Schenke eines benachbarten Dorfes lind es kam da I bei zu dem Vorschläge, einige Kunststücke auszuführen. Ein Mester wurde auf den Tisch gelegt, welches rücklings mit dem Munde auf gehoben werden sollte. Einer brachte dies fertig, doch dem betr. jungen Mann, welcher sich jetzt in Behandlung des Herrn vr. Treibich befindet, bekain dieser Spaß schlecht, indem sich beim Nück- wärtsbeugen eine solche Menge Blut in die Augen ergoß, daß der Patient sich einer mehrwöchentlichen Kur unterziehen muß, um sich vor Erblindung zu schützen. — Die „Dresd. Nachr." schreiben: Angesichts der Confirmation ihrer Kinder, Enkel, Pathen rc. werden manche die Frage aufwerfen, ob sie jetzt noch das übliche Confirmations-Gesangbuch für den Ein zusegnenden kaufen können, oder ob nicht schon nächstens das neue Gesangbuch, von dem schon seit Jahren die Rede ist, erscheint, und das jetzt gekaufte werthlos macht. Es wird daher die Mittheilung willkommen sein, daß die Einführung eines neuen Gesangbuchs für nächste Zeit noch nicht bevorsteht. Erst in den letzten Monaten wurden in der Teubner'schen Officin zu Dresden im Auftrage des Cultusministeriums 24000 Exemplare des jetzigen Dresdner Gesang buchs gedruckt. Ueberhaupt ist es selbst nach einem noch unbe stimmten späteren Erscheinen eines neuen Gesangsbuches den Ge meinden vollständig freigestellt, ob sie dasselbe einführen oder das bis jetzt Gehabte beibehalten wollen. — In Riesa haben die Wasserflächen den Damm derElbquai- Bahn derart unterwaschen, daß derselbe am Donnerstag Nachmittag auf eine Strecke von 15 Meter einstürzte und weiterer Schaden noch zu befürchten stand. — Leipzig, 15. März. Es scheint nicht, als ob der Gesetz entwurf gegen die Trunksucht Aussicht hat, im Reichstage ange nommen zu werden. Selbst auf conservativer Seite findet der Ent wurf Widerspruch, wie in diesen Tagen sich in der Berliner ju ristischen Gesellschaft gezeigt hat, in welcher bei Gelegenheit einer Verhandlung über den gedachten Gesetzentwurf der Neichstagsabge- ordnete und Generalstaatsanwalt a. D. von Schwarze aus Dresden gewichtige Bedenken gegen den Entwurf aussprach und interessante Mittheilungen aus der sächsischen Praxis machte, welche denselben als ein Bedürsniß nicht erscheinen ließen. — Die „Deutsche Gerichtsztg." schreibt: Vor dem Städtchen Wilsdruff an der nach Dresden führenden Chaussee hatte der Stadtgutpachter Herr Mühlig, gen. Hoffmann, eine Feime von aus gedroschenem Raps- und Gerststroh im Werthe von 240 Mark er richtet, welche am Abend des 8. December vor. Js. infolge Brand legung von den Flammen vernichtet wurde. Während man bei dem Feuer noch gar nicht ahnte, wer der Brandstifter sei, erschien in der Wohnung des dortigen Gensdarm ein Handwerksbursche und denun- cirte sich als der Thäter, und wurde, da nur die Frau des GenS- darm anwesend war, durch den herzugeholten Ortspolizisten sistirt. Am Mittwoch stand dieser Mensch, der 33jährige, bereits mehrfach vorbestrafte Schuhmacher Ernst Adolph Seltmann aus Eibenstock, vor dem Schwurgerichlshofe, bekannte sich schuldig und gab als Grund an, daß er seiner kranken Füße wegen das Feuer angelegt, um wieder in eine Anstalt zu kommen; dieser Wunsch wurde ihm mit Zl/z Jahr Zuchthaus erfüllt. Deutschland. Aus Veranlassung der tiefen Trauer, in welche der Tod des Kaisers Alexander den Hof versetzte, wird auf Befehl des Kaisers Wilhelm von jeder äußeren Feier des bevorstehenden Geburtstages des Kaisers bei Hofe abgesehen. Die Verhandlungen behufs Regelung eines zwischen Deutschland und Oesterreich - Ungarn zu vereinbarenden Handelsvertrags haben am Dienstag begonnen. Es finden dieselben unter dem Präsidium des Staatssekretärs des Neichsamts des Innern statt. Oesterreich. Die Gemahlin des ermordeten Kaisers Alexander II., Fürstin Dolgorucki (Jurgewska), ist am Dienstag früh in Be gleitung ihrer Kinder mit dem Krakauer Zuge der Nordbahn in Wien eingetroffen. Die Herrschaften begaben sich mittelst Fiaker