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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag)/ Abonnementspreis beträgt vierteljährlich I Mark SO PI. prssnunior»n6si. /nseraic werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit io Pf., unter „Eingesandt" mit SO Vf berechnet. Zwönitz und Umgegend Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 6L Dienstag, den 5. Juni 1883. 8. Iahra. Bekanntmachung. Gesetzlicher Vorschrift gemäß wird hierdurch bekannt gegeben, daß die Landtagsmahlliste für die hiesige Stadt revidirt worden ist und daß dieselbe von jetzt ab für die Vetheiligten 14 Tage zur Einsichtnahme an Nathsstelle ausliegt. Etwaige Einsprüche gegen den Inhalt der Wahlliste sind bei dem Unterzeichneten rechtzeitig anzübringen. Zwönitz, am 2. Juni 1883. Der Bürgermeister. Adam. Bekanntmachung. 1650 Mark Capital vom Hospital-Substantialvermögen sind zu 4^ v/o auf sichere Hypothek vom 11. dss. Mts. ab auszuleihen. Diesbezügliche Gesuche sind an Nathsstelle anzubringen. Zwönitz, am 4. Juni 1883. Der S t a d t g e m e i n d e r a t h. Adam. Zur inneren Lage. Den verwickelten und in ihrer parlamentarischen Wirkung oft unberechenbaren Parteiverhältnissen Deutschlands entsprechend sind wir hinsichtlich unserer inneren Lage schon lange an eine schmierige, von Fall zu Fall lavirende Politik gewöhnt und die difficilen par lamentarischen Arbeiten in den letzten Reichstags- und preußischen Landtagsverhandlungen decken sich vollständig mit dieser alten Er fahrung. Daß indessen zu Gunsten des allgemeinen Interesses der Parteihader und die ehrgeizige Kampfpolitik auch zurückgeschoben werden kann, bewies die außerordentliche von den Conservativen, der Centrumspartei, den Nationalliberaleu, der Volkspartei und einem Theile der Secessionisten gebildete Mehrheit, mit welcher schließlich das Krankencassengesetz im Reichstage angenommen wurde. Damit ist wohl der Beweis geliefert, daß die Mehrheit unserer Volksver treter die Ziele der socialpolitischen Reformen des Reichskanzlers billigt und daß sich aus den Projekten der Unfallversicherung und Altersversorgung für die Arbeiter ebenfalls der practisch verwerth- bare Kern noch herausschälen lassen wird, wenn auch die Vorberath- ungen zunächst nur negative Resultate ergeben, denn auch auf dem gesetzgeberischen Gebiete fällt auf einem Hieb noch kein Baum. Viel Staub wirbelt die Novelle zur Gewerbeordnung auf, wobei es sich darum handelt, im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Sittlich keit verschiedene Gewerbe, sowie auch manche Volksbelustigungen unter eine schärfere Controlle zu nehmen. Doch kann man bei diesem Be streben auch leicht das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man z. B. bei dem Hausirhandel, der Büchercolportage und dem Gewerbe betrieb im Umherziehen lediglich nur nach dessen Schattenseiten und Auswüchsen urtheilt und verdammt und nicht auch berücksichtigt, daß jene armen Teufel, welche sich mit dem wechselvollem Wander- und Neiseerwerbe ducch die Welt schlagen müssen, auch Menschen und zum Theil wohl auch ordentliche Leute sind und daß man wohl auch im Uebrigen vom Publikum erwarten darf, daß es sich nicht blind lings den Nachtheilen aussetzt, die ihm von Hausirern, Colporteuren und reisenden Kaufleuten bereitet werden können, denn man kann ja auch nach dieser Beziehung sich entweder ganz ablehnend verhalten oder streng prüfen und das Beste behalten. Im Uebrigen hat natür lich die Negierung das Recht und die Pflicht, verderbliche Auswüchse der Gewerbefreiheit zu verhindern und die gesetzlichen Mittel dafür zu verlangen und deshalb wünschen wir ein entsprechendes Zustande kommen der Novelle zur Gewerbeordnung. Denselben Wunsch haben wir für die Novelle zum Pensionsgesetze, wo es sich um eine Lücke in der Pensionirung der Osficiere und einzelner Beamtencategorien handelt, für welche Aufbesserung die liberalen Parteien des Reichs tages indessen auch die Heranziehung des Privatvermögens der Offi- ciere zur Communalsteuer verlangen, welchen zuletzt vom Abg. v. Bennigsen formulirten Anträge aus principiellen Rechtsgründeu keine andere Partei in der Commission widersprochen hat. Die Negierung verhält sich indessen aus Rücksicht auf die eigenartige und aufopfer ungsvolle Stellung des Officiercorps noch ablehnend diesem Anträge gegenüber und es kann unter Umständen dieserhalb zu ernsten, par lamentarischen Zerwürfnissen kommen. Aber nicht hier, sondern in dem bevorstehenden Abberufe der Verhandlungen zwischen der deut schen, resp. preußischen Verhandlungen mit der päpstlichen Curie besteht wieder einmal die Achillesferse unserer inneren Politik, da die den Weis ungen des Papstes folgende Centrumöpartei im Reichstage und preußischen Landtage bei der gegenwärtigen Situation das Bejahen oder Ver neinen aller Gesetze fast immer in der Hand hat, denn nahezu ein drittel aller Stimmen gehört dem Centrum und seinen Verbündeten, den Welfen, Elsässern und Polen. Unsere innere Politik bewegt sich daher einer neuen Krisis entgegen, da augenscheinlich die letzte preu ßische Note an den Papst das Ultimatum des Fürsten Bismarck war und nach Ablehnung desselben mit einer veränderten parlamentarischen Lage zu rechnen ist, welche in der Aufhebung des bisherigen Ver hältnisses der Centrumspartei zur Negierung und den Conservativen wahrscheinlich bestehen wird. politische Kundschau. Deutschland. In unserer socialpolitischen Gesetzgebung ist mit der am Donnerstag im Reichstage erfolgten definitiven Annahme des Krankencassengesetzes ein erster wichtiger Schritt geschehen. Es hat sich für dasselbe eine unerwartete große Majorität ergeben, was wohl die beste Garantie für den innern Werth dieses Gesetzes be deutet und so darf man hieran die Hoffnung knüpfen, daß auch die weiteren Schritte auf der Bahn der Socialreform von Erfolg sein werden. An die Schlußabstimmung über das Krankencassengesetz schloß sich die weitere Berathung der Gewerbeordnungsnovelle, doch bot die Discussion über diesen Gegenstand in keiner Beziehung interessante Momente dar und wurden daher die noch restirenden Paragraphen des auf das Hausirergewerbe bezüglichen Artikels 10 ohne besondere Zwischenfälle erledigt. Sehr lebhaft gestaltete sich dagegen die Freitags-Sitzung; Abg. Baumbach ließ in der Discussion des die Handlungsreisenden betreffenden Artikels gelegentlich die Be merkung fallen, wie es wohl der Rechten gefallen würde, wenn in einer Vorlage beweislos behauptet würde, es gäbe auch im Officiers- stand unlautere Elemente, was den Abg. von Minnigerode und von Köller, sowie den preußischen Kricgsminister Brousart von Schellen dorf Veranlassung gab, diese Verdächtigung des Officiersstandes energisch zurückzuweisen. Die Discussion, an welcher sich schließlich auch die Abgeordneten Dr. Dohrn und Frohme betheiligten, ließ an dramatischer Lebendigkeit und tragischen! Eingreifen des Chores, das sich namentlich in „großer Unruhe" abwechselnd auf der rechten und linken Seite des Hauses äußerte, nichts zu wünschen übrig und gab am Schluffe zu einer wahren Fluth von oft sehr bissigen persönlichen Bemerkungen Anlaß. Genehmigt wurden der Antrag Ackermann zu 8 43a, den gewerbsmäßigen Vertrieb von Druckschriften u. s. w. an öffentlichen Orten durch Personen, die minderjährig, blind, taub- oder geistesschwach sind und durch Personen, welche keinen festen Wohnsitz im Jnlande oder schon eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Wochen erlitten haben, nicht zu concessioniren und der Richter- sche Zusatzantrag: In geschlossenen Räumen ist zur nicht gewerbs mäßigen Vertheilung von Druckschriften oder andern Schriften oder Bilderwerken eine Erlaubniß nicht erforderlich. Dagegen wurde Absatz 3 zu 8 44, welcher den Gewerbebetrieb der Handlungsreisenden direct den Vorschriften für die Hausirer unterstellt, in namentlicher Abstimmung mit 149 gegen 142 Stimmen abgelehnt. Ein weiterer Amrag des Abgeordneten Ackermann, daß das Aufsuchen von Be stellungen auf Waaren nur bei Kaufleuten oder Gewerbetreibenden, in deren Gewerbebetrieb Waaren der angebotenen Art Verwendung finden, gestattet sein soll, die Zustimmung des Hauses, mit dem Zu satze, daß diese Beschränkung auf die Wein- und Tabakshändler