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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Diese? Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitag? und kostet pro Quartal 1 Mark. — Jnseratenannahme bis Montag rcsp. Donnerstag Mittag 12 Uhr. 54. Dienstag, den 10. Juli 1877. Auf Antrag der Erben des Gutsbesitzers Johann Heinrich Wilhelm Beugel und dessen Ehefrau Therese geb. Dittrich in Grumbach soll am 12. Juli 1877 Vormittags 1l Uhr das zu des ersteren Nachlasse gehörige Einhufengut Fol. 8 des Grumbacher Grund- und Hypothekenbuchs, vormals Nieder- reinsberger Antheils, welches ohne Berücksichtigung der Oblasten ortsgerichtlich auf 18361 Mk. 20 Pf. gewürdert worden ist, nebst einem auf ca. 500 Mk. taxirten Theile des vorhandenen Inventars freiwilliger Weise im Nachlaßgrundstücke zu Grumbach öffentlich versteigert werden. Weiter soll am folgenden Tage de» 13. Juli d. I. das anderweit zu dem obgedachtcu Gute gehörige Vieh, Schiff und Geschirr, sowie das zum Nachlaß der Beugel'schen Ehe leute gehörige Mobiliar von Vormittags 8 Uhr an durch die Ortsgerichte meistbietend gegen sofortige Baarzahlung öffent- lich versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch veröffentlicht wird. Könial. Gerichtsamt Wilsdruff, am 30. Juni 1877. Dr. Gangloff. Verding» n g. Hoher Anordnung zufolge soll die Herstellung einer Röhrwasserleitung von verzinntem Bleirohr nach dem Königlichen Gerichtsge- bände und dein Arresthause in Wilsdruff an den Mindestforderndcn verdungen werden. Leistungsfähige Bewerber werden ersucht, sich bis zum 14. Inli 1877 bei dem mitunterzeichneten Bezirksbaumeister zu melden, bei welchem alles Nähere zu erfahren ist. Auswahl unter den Bewerbern bleibt Vorbehalten. Königliches Bezirksbauamt und Königliche Vauverwalterei Meißen, am 2. Juli 1877. Freudenberg, Bez.-Baumeister. Zeiler, Bauverwalter. Bekanntmachung, die Abführung der ersten Halste der Einkommensteuer betr. Bezugnehmend auf unsere Bekanntmachung vom 26. Juni ds. Js. bringen wir hierdurch zur öffentlichen Kenntniß, daß der am 30. Juni fällige 1. Termin der Einkommensteuer spätestens bis zum 14. dieses Monats bei Vermeidung executivischer Beitreibung an die hiesige Stadtkämmerei abzuführen ist. Wilsdruff, am 7. Juli 1877. Der Stadtgemeiuderath. Ficker. Tagesgeschichte. Dresden, 8. Juli. Offiziöse Artikel, welche eine kriegerische Verwickelung mit Frankreich in nicht zu ferne Aussicht stellen, haben in allen Kreisen der Bevölkerung eine nicht geringe Unruhe hervor gerufen. Wir meinen aber, daß weniger der Inhalt der Artikel, als Vielmehr der Umstand, daß diese Artikel überhaupt veröffentlicht worden sind, zur Beunruhigung Anlaß gibt'. Wenn etwas Der artige? in den bekannten Negierungsorganen erscheint, so geschieht das fast nie ohne Auftrag. Einen solchen Auftrag aber haben die Betreffenden ohne Zweifel nicht erhalten. Als der Generalfeldmar- fchall Moltke feine vielbesprochene Rede im Reichstage hielt, be zweckte derselbe damit das Gleiche, was jetzt durch die offiziösen Artikel bezweckt werden sollte. Man will jedenfalls damit nur eine gelinde Warnung au die Adresse der französischen Machthaber richten. Daß dies nicht ^direkt, etwa durch eine Rote, geschehen kann, ohne daß bedenkliche folgen dadurch herauf beschworen würden, liegt auf der Hand. Deshalb bedient man sich dazu der ösfiziösen Presse. Leider gehört aber zu den Eigcnthümlichkeiten Letzterer eine Sucht, zu übertreiben, eine Ungeschicklichkeit und Plumpheit, die nachgerade saft sprichwörtlich geworden ist. Diesen ihren Nnf haben die Offi ziösen auch diesmal wieder bewährt. Statt einer Warnung haben sie eine ebenso unmotivirle, wie plumpe Drohung über die Grenze nn Westen geschleudert. Und nicht genug damit, sie fahren vielmehr fort mit unablässigen Nörgeleien gegen die neue Regierung Frank reichs. Die „Post" vor allen thut dies in rücksichtslosester Weise. Sie sagt: „Wir sind es uns und Europa schuldig, vor drohenden Gefahren zu warnen, welche für uns lediglich in der Herrschaft des UltramontaniSmuS über Frankreich liegen." Das nennt man doch geradezu die Dinge auf den Kopf stellen. Statt Frankreich in ange messener Weise zu warnen, cs möge keine Gefahren herbeiführen rc. warnen die übereifrigen Lohnjchreiber „Europa" vor Gefahren, die von dem ultramontanen Regime in Frankreich angeblich drohen. Da- heißt doch, denHTeufel an die Wand malen. Man kann den Fürsten Bismarck nicht verantwortlich machen für dieses Verfahren der ihm znr Verfügung stehenden Organe, um so mehr, als wohl ziemlich sicher ist, daß dieselben gar nicht in seinem Sinne gehandelt haben. Anch hoffen wir, daß es seiner umsichtigen Politik gelingen möge, unser deutsches Vaterland vor einer ernstlichen Kriegsgefahr zu bewahren. Sollte es aber zu einem Kriege mit Fr ankreich in der That kommen, so können die Herren Offiziösen sich rühmen, durch ihre Ungeschicklichkeit wesentlich dazu beigetragen zn haben. Nach allen Richtungen hin hat sich in der verflossenen Woche der Ernst der Lage gesteigert. Während der nunmehr völlig ungestörte Masseneinmarsch der Russen in Bulgarien eine schnelle Entwickelung der Ereignisse aus der Balkauhalbiusel iu uumittelbarc Aussicht stellt, so daß England sich bereits veranlaßt gesehen Hal, durch Entsendung seiner Flotte in die Besikabai abermals eine drohende Haltung auzu- nehmen und Oesterreich einen Theil seiner Armee iu Kriegsbereitschaft setzt, hat der Umschwung in Asien die Hoffnungen der Türkei neu be lebt; während also auf drm europäischen Kriegstheaier sich der Kon flikt znspitzt nnd zu weiteren Verwickelungen zu führen droht, zieht er sich iu Asten, wo eine solche Eventualität vor der Haud nicht zu befürchten, iu die Länge. Kaum halte der Czar einen Fnß auf bul garischen Boden gesetzt, als er auch bereits eine Proklamation an die Bulgaren erließ, welche einen ganz anderen Geist achmet, als die Gortschakoff'schen Beruhigungsvoten und die tröstlichen Versicherungen des Czaren, als es galt, das Exekutionsmandal gegen die Türkei zu erlangen, Versicherungen, auf welche bekanntlich Fürst Bismarck so großes Gewicht legte. Wenn auch die Nachricht, daß die alte Bul garenhauptstadl Tirnowa bereis in den Händen der Russen und dort auch schon eine Zivilverwaltung Bulgariens eingerichtel sei, noch ver früht ist, so ist doch alles Nölhige vorbereitet, Bulgarien unter russische Zivilverwaltung zu stellen. LoSreißung der Länder'uördlich des Balkan ist eine Nummer des russischen Programms geworden an Stelle der Sicherstellung einer gebesserten Lage der Christen in der Türkei. Wie der Mensch mit den größeren Zielen, so wachsen die Ziele mit den Erfolgen. Stehen die Russen erst jenseits des Balkan, so werden sie