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Erscheint «Schentlich dreimal u. zwar Diens tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis Viertels, s Mk. 30 j)f., durch die Post bezogen s Nlk. 55 Pf. Einzelne Nummern sO Pf. ThmM, Uchen, Ziebenlehn md die NmMndek. — ZmtseiLilt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags (2 Uhr angenommen. Insertionspreis s O pf. pro dreigr- spaltene Eorpuszeile. für die Kgl. AmtshauxLmannschaft Meiß eil, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Finna H A. Berger in Wilsdruff. — VeramwxrUch für die Redaktion H. A Berger daselbst No. «1. Donnerstag, den 23. Mai 189S. Bekanntmachung. Nachdem Herr vr. MI. Gustav Oskar Wilhelm Röder in Meisten als Vezirksthierarzt für hiesigen Bezirk angestellt und verpflichtet worden ist, wird dies hierdurch veröffentlicht. Meißen, am 21. Mai 1895. Königliche Amtshauptmannschaft. i. A. Meusel, Bezirksassessor. Hauptübung der städtischen nnd freiwilligen Feuerwehr. Sonnabend, den 23. Mai ds Js., Nachmittags 6 Uhr soll eine der in 8 51 des hiesigen Feuerlöschregulativs vorgeschriebenen Hauptübungen der hiesigen Feuerwehren abgehalten werden, und haben sich hierzu sämmtliche Mitglieder derselben, Abtheilungsführer und Mannschaften, unter Anlegung ihrer Dienstabzeichen pp., bei Vermeidung der in 8 62 des gedachten Feuerlkschregulativs angedrohten Ordnungsstrafe, pünktlich emzufinden. Die Versammlung findet bei der Turnhalle Nachmittags V,6 Uhr statt. Wilsdruff, am 18. Mai 1895. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Freitag, den 24. Mai 1895, von 1-9 Uhr Borm, ab gelangen in Wilsdruff im Gasthof zum Adler eine Partie Schnittwaaren, Kinderkleider, Sommer- und Winterüberzieher, Stoffjacketts, Herrenhosen, Kinderanzüge, Knabenmäntel, Frauen« Jacken und Röcke rc. durch Herrn Auktionator Müjl l e r meistbietend gegen Baarzohlung zur Versteigerung. Dresden, am 16. Mai 1895. Rechtsanwalt Gustav Müller. Himmelfahrt. „Verlasset die Erde, die Heimath zu sehen!" Jetzt, da die Erde so schön ist? Baum und Strauch haben sich in Grün gekleidet, Saaten sprießen, Vögel singen, Bienen summen und die ganze Luft ist voller Wohlgeruch. Verlangen wir noch etwas Besseres, ist es nicht hier schön genug, um sich heimisch zu füblen und zu weilen? Aber die Erde trägt nicht immer ihr Festgewand, und selbst, wenn sie es angelegt hat, werden gar oft rauhe Tage mit Schneeflocken und Nächte mit tückischem Reif zwischen eingcstreut. Das Gefühl, auf Erven ein Fremd ling zu sein, verläßt den Menschen nicht, und wer ihm die Hoffnung auf eine bessere Heimath raubt, macht ihn sehr arm. In irgend welcher Gestalt sinder man diese Hoffnung überall und zu allen Zeiten, und es ist merkwürdig, daß die Ahnung einer zukünftigen ungetrübten Seligkeit uns gerade dann erfüllt, wenn die Erde sich bemüht, uns ihr Schönstes zu bieten, wie in den wonnigen Lenzestagen. Um die Heimath zu sehen, muß man die Erde verlassen. Aus jener Heimath, die wir ahnen, ist ein Fremdling zu uns auf Erden gekommen, Jesus Christus, der eingeborene Sohn Gottes. Zu Weihnachten meldeten himmlische Boten den Hirten auf Bethlehems Fluren seine Ankunft. Sein Reden und Thun war lauter Liebe, und — man schlug ihn ans Kreuz! Aber am dritten Tage stand er wieder auf von den Todten und blieb noch vierzig Tage bei den auf Erden lebenden Menschen. Schon war sein Leib in dieser Zeit den Gesetzen irdischer Körperlich keit entnommen, er ging durch verschlosseneThüren, erschienund verschwand vor den ihren Augen kaum trauenden Jüngern. Konnte er aber bleiben? Er mußte dahin zurückkehren von wo er gekommen — das 'st nachdem christlichen Glauben di-.Be deutung der Himmelfahrt Jesu. Dem engeren Kreise der Seinen, welchem er bisher angehört hatte, wurde seine sichtbare Gegenwart entzogen, damit er fortan im Geist allen Herzen in göttlicher Allgegenwart nahe sein und seine Verheißung erfüllen könnte: ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende! Nun verwandeln sich die bloßen Ahnungen des Menschen- derzens von einer besseren Heimath in die freudige Gewißheit des Glaubens an ein ewiges Leben. Jesus ging zum Vater, von dem er ausgegangen, und wir werden auch im Vaterhaus- Aufnahme finden. O Menfchcnherz, so freue Dich an diesem Tage voll seligen Ausblicks auf heilige Freuden, di- Du ernst genießen sollst durch den, der Dir den Weg gezeigt und die Stätte bereitet hat. Auf Erden blühen Maiglöckchen und Himmelschlüssel und Du kannst Dich recht innig freuen an dem, was Dein Gott Dir geschenkt hat, aber es ist noch nicht das Letzte und das Beste; das ist das Jerusalem droben, von Golde erbaut. Himmelfahrt war für Jesum wie ein stiller, sonniger Abend nach einem Tage voll schwerer Arbeit und bitteren Leides; für dre Jünger, die ibm nachschauten, wie er gen Himmel fuhr, follte nun erst der Tag der Arbeit beginnen, denn sie sollten aus neben, für den die Welt zu erobern, der sich zur Rechten des ValerS gefitzt hat. So lag es vor ihnen wie Morgen dämmerung, uns aber weist Himmelfahrt hin auf den Moraen- glanz der Ewigkeit. Lagesgeschichte. Eine recht trübselige, aber leider nur allzusehr der Wahr heit entsprechende Betrachtung über die gegenwärtigen Zustände m unserem Reichstage finden wir in der „Staatsbürgerzeitung". Das Blatt schreibt: Wir sagen wohl schwerlich etwas neues, wenn wir behaupten, daß der Reichstag weder das größte An sehen im Lande besitzt, noch sich bestrebt, es zu gewinnen. Bei der Debatte über die Abänderung des Wahlgesetzes klagten mehrere Parteien darüber, daß der Bundesrath den Reichstag mißachte, indem er Gesetzes Vorschläge, die im Reichstage wieder holt zur Annahme gelangt seien, einfach unberücksichtigt lasse. Bebel v-rstieg sich sogar zu dem furchtbaren Vorschläge, man solle die Annahme des Etats in Zukunft verweigern, bis man -ine Antwort erhalten habe. Es liegt hier nicht viel anders, als im wirthschaftlichen Leben gegenwärtig: feder verlangt von dem andern alles, von sich selber aber garnichts. Und doch muß derjenige, der von anderen geachtet zu werden verlangt, zu erst sich einmal so verhalten, daß er Achtung einflößt. Größere allgemeinere Gesichtspunkte sehen wir in der Reichstagsdebatte nicht mehr hervortreten, selbst nicht bei den sogenannten größeren Debatten. Davon, ob etwas dem Deutschen Reiche nützt oder schadet, es groß oder klein macht, hören wir fast nichts mehr. In der Regel dreht sich der Streit darum, ob diese oder jene Partei von der beabsichtigten Maßnahme Zuwachs oder Ab nahme ihrer Mitglieder zu erwarten habe. Daneben kommen dann noch einzelne Interessengruppen, die meistens in ver schiedenen Parteien vertreten sind, zur Geltung. Was be- wunderlich ist, das ist die Länge der Reden, vornehmlich der sozialdemokratischen, und die Geduld des Hauses, solche anzu hören. Witziger zu sein als der andere, das ist ein vor nehmstes Bestreben der Redner. „Auer war schlauer" und ähnliche geistreiche Sachen gehören zu den Glanzpunkten. Man steht kein V-rständniß für die Zeit, kein Bestreben, dem ringenden Volksgeiste zu Helsen, ihm den rechten Weg zu weiten. Di-Volksvertreter stehen zu weit ab vom Volke. Und doch verlangt das Volk mehr denn je Männer, die Verständniß für die Zeit haben, die nicht lange Reden halten, sondern hano-ln. Hat die Zeit keine großen Männer geboren, so kann auch das Volk darüber sich nicht beschweren, wenn unter seinen Vertretern solche nicht sind. Was es aber verlangen kann, daS sind pflichtreue Volksvertreter, die, wenn sie nichts größeres leisten, doch zum mindesten auf dem Platze sind, auf den sie ihr- Wähler gestellt haben. Aber nicht die Hälfte ist dort! So gelingt es denn einem Abgeordneten, gegen den Willen des Hauses einen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen unter der Drohung, die Beschlußfähigkeit des Hauses anzu- zweifeln, wenn seinem Verlangen nicht entsprochen wird. Der Reichstag bäumt sich nicht auf gegen solchen Zwang, nein, er läßt sich von jedem zwingen. Die Pfeife eines Abgeordneten genügt, den ganzen Reichstag tanzen zu lasten. Da wirft sich nun der Reichstag gar gewaltig in die Brust und wundert swh, daß er nicht höchlich vom Bundesrath respektirt wird. Be d-m eigenen Gefühle seiner Würde kommt ihm natürlich gar nicht in den Sinn, wie den zahlreichen Vertretern der Re gierung und den Mitgliedern des Bundesrathes zu Sinne sein muß, die zum Arbeiten erscheinen, aber nicht viel mehr zu thun bekommen, als der Auszählung des Hauses aufmerksam zu olgen. Sollte den Vertretern der Regierung und dem Bun- >esrathe das nicht mehr Pasten und keiner der Herren erscheinen, o wird sich der Reichstag 'n seiner Unschuld natürlich wieder darüber wund-rn. Es werden gegenwärtig lebhafte, aber bis jetzt noch au«- ichtslosc Bemühungen gemacht, um eine Verlängerung der Sitzungen des Reichstages über Pfingsten hinaus herbeizuführen. Si- gehen vom Reichsschatzsekretär Grafen Posadowsky au«, der es sehr schmerzlich empfindet, daß von den Gesetzentwürfen, an denen er in erster Linie betheiligt ist, die Mehrzahl in dieser Tagung unerledigt bleiben soll. Er wünscht daß mindestens noch der Entwurf eines Börscngesetzes verabschiedet werden möchte. Dieser Wunsch wird von einer sicheren Mehr heit des Reichstages zwar im Grundsätze getheilt, indessen ist fraglich, ob er selbst beim besten Willen und Eifer wsüllt werden könnte. Die Erfahrungen der letzten Woche >aben gezeigt, daß selbst diejenigen Abgeordneten, die Mitglieder des Bundes der Landwirthe sind und die daher ein unmittel- >ares Interesse an allen die Landwirthschaft betreffenden Vor- agen nehmen, nicht einmal zur Berathung des wichtigen Noth zuckersteuergesetzes vollzählig auf dem Platze sind. Der weitaus größte Theil dieser Abgeordneten hat ohne Entschuldigung ge- zefehlt, trotzdem die Leitung der deutsch-konservativen Partei bereits Mitte voriger Woche alle Parteigenossen telegraphisch hierher berufen hatte. Wie unter solchen Umständen nach Pfingsten noch ein beschlußfähiges Haus zusammengebracht werden sollte, ist ein Räthsel. Die Freisinnigen und So zialdemokraten aber sind für diesen Fall entschlossen, die Be schlußunfähigkeit so lange feststellcn zu lassen, bis der Reichstag schließlich dann doch nothgedrungen geschloffen wird. Unter solchen Umständen ist nicht anzunchmen, daß die erwähnten Bemühungen des Grafen Posadowsky erfolgreich sein werden. Man glaubr in Reichstagskreisen jetzt allgemein, daß der Schluß der gegenwärtigen Tagung spätestens am Freitag, den 24. d. M. erfolgen und daß bis dahin nur das Allerdringendste noch erledigt werden wird. Der Reichstag befaßte sich am Montag zum ersten Male mit den neuen Gesetzentwürfen über den Sclavenhandel und über die Schutztruppe für Kamerun. Erstere Vor lage bezweckt eine strafrechtliche Behandlung des Sklavenraubes und Sklavenhandels, im Speziellen bedroht sie Theilnahme am Sclavenraub mit Zuchthaus, mit Todesstrafe aber, wenn hier« bei der Tod eines Menschen herbeigeführt worden ist. Die Generaldebatte über den Entwurf ließ erkennen, daß demselben auf keiner eite grundsätzliche Bedenken entgegengebracht werden. Nur der Generalredner der Sozialdemokraten, Herr Molkenbuhr, hatte allerhand an der Vorlage zu bemängeln und meinte, fie würde ihren Zwecken nicht entsprechen. Zu der sich sofort an> schließenden zweiten Lesung lagen vom Centrum wie von Seiten der Sozialdemokraten Abänderungsanträgc vor. Abg. Gröber (Centrum) beantragt, bei 8 1 anstatt „Theilnahme" (am Sklavenraube) die Worte zu setzen „vorsätzliche Mitwirkung", während Abg. Stadthagen die Streichung der ausgesprochenen eventuellen Todesstrafe beantragt. Das Haus genehmigte nach