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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der DeschLstsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3V AM., bet Postbestellung 2 RM. zuzüglich Abtrag« , ... . gebühr. Einzelnummern löRpsg.ANePoslanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und UN,ereAus. trügerund Deschüstsstellen ———— nehmen zu jeder Zeil Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen befiehl kein Anspruch aus Liescrung der Zeitung «der Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porlo beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Naumzeile 20Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reichs- Pfennig, die Sgespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachwrisungsgcbnhr 2V Reichspsennige. Do?* geschriebeneErscheinungs- tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. — Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzcigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Ra battanspr^ci, erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezo^en werden muß oder derAuftraggeber in Konkurs gerat. Anzeigen nehmen aUc Bc mlitHungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstremamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr 161, — 87.Jahrgang Tel-gr.-Adr..- .Amtsblatt« Wilsdrnff- Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 12.Juli 1928 Spions. Schon wieder eine neue Spionageaffäre in Deutsch land; diesmal ist es aber nicht ein Angehöriger irgend einer auswärtigen Macht, wie vor kurzem ein dänischer Hauptmann, der in unglaublich dummer Weise versuchte, in Deutschland hinter militärische Geheimnisse zu kom men, dabei aber Wohl zweifellos nicht im Interesse Däne marks, sondern seiner französischen Freunde handelte. Diesmal ist es ein Deutscher, ein höherer Regie rung s b e a m t e r, der als „modernster" Spion zu bezeichnen ist. Denn er versuchte Spiouage im deutschen Lustfahrtwesen zu treiben. Und die Macht, für die er arbeitete, waren unsere lieben Freunde im Osten, näm lich Sowjetrußland. Schon vor vierzehn Tagen ist er ver haftet worden und die Untersuchung ergab ein so über reiches Material, daß an seiner Schuld kaum zu zweifeln ist. Man kann nicht eigentlich sagen, daß es sich hierbei um eine Spionage militärischer Art handelt, weil ja in Deutschland militärisch verwendbare Luftfahrzeuge nicht hergestellt werden. Es ist mehr wirtschaftliche Spionage, deren Ergebnisse freilich für die Sowjetbehörden nicht bloß wirtschaftliche, sondern auch militärische Verwend barkeit haben können. Der Spion, ein Regierungs- baumcister Ludwig aus Berlin, war bei den großen deut schen Flugwerken in Dessau und Friedrichshafen beschäf tigt, zuletzt in der dem Reiche unterstehenden Versuchs anstalt für Luftfahrt, und er ist jetzt beschuldigt, in allen diesen Stellungen wissenschaftliche Arbeiten an die Berliner Sowjetve-rtretung ver kauft zu haben. Wir sind es in Deutschland gewöhnt, daß besonders nach dem Kriege bei uns von allen «inliegenden Mächten, darunter auch von solchen, die durch eine Art Freundschaft mit uns verknüpft sind, in ausgedehntestem Maße spwmert wird. Schade eigentlich, daß die Geschichte der Spionage in Deutschland während der Nachkriegszeit nie mals geschrieben wird, daß überhaupt Spionagegeschichten überall meist hinter verschlossenen Gerichtstüren ver handelt wurden und werden. Gewiß gibt es Bücher, dicke Wälzer über das Spionagewesen, beispielsweise über das im Kriege, und der Leiter des deutschen Nachrichtendienstes während jener Zeit ist selbst der Versasser eines außer ordentlich interessanten Buches über diese „geheimen Mächte", — aber er erzählt auch nur wohl einen ge ringen Bruchteil dessen, was er weiß und erfahren hat. Rücksichten politischer Art müssen genommen werden und cs ist eine gewisse stillschweigende Übereinkunft zwischen den Staaten, es sich gegenseitig offiziell nicht übelzu nehmen, wenn wieder einmal ein Spionagefall „im In teresse einer fremden Macht" aufgedeckt wird. Deutschland ist für diese Tätigkeit natürlich ein be sonders begehrtes Objekt und im Rheinland, soweit es »och besetztes Gebiet ist, hat die französische Regierung ein wohlkonstrniertes S p i o n a g c s h st e m aufge- baut, von dem zahlreiche Fäden ins unbesetzte Gebiet hinüberlaufen. Im Osten haben wir einen in dieser Rich tung hin auch sehr tätigen Nachbarn vor allem in Polen; dort ist es vor allem die polnische Vertretung in Danzig, von der die Spionage nach Deutschland hinüber ausgeht, was noch den besonderen für Polen sehr angenehmen Vorzug hat, nicht strafbar zn sein, weil ja Danzig nicht deutsches Gebiet und die Spionage daher im „Ausland" tätig ist. Immerhin aber ist es den deutschen Behörden doch gelungen, gerade im Osten eine ganze Reihe von Spionagefällen aufzudecken, und der Sechste Senat des / Reichsgerichts in Leipzig, vor dem diese Landesverrats- I Prozesse geführt werden, hat reichliche Arbeit. Selbstverständlich gibt es auch eine deutsche mili- ' ärische A b w e h r o r g a n i s a t i o n, die im Reichs- wchrministcrium errichtet ist, aber — bei der-ganzen ziem lich schmutzigen Angelegenheit spielt ja das Geld meistens die entscheidende Nolle — angesichts der geringen hierfür zur Verfügung stehenden Mittel nur ungenügend zu arbeiten vermag. Alles, was übrigens von angeblichen deutschen Spionen im Ausland gemeldet ist, die sehr wenigen Geschichten, die darüber verbreitet worden sind, haben sich hinterher als Märchen heransgestellt. Wir sind eben nur auf Abwehr eingestellt. Leider gibt es aber in Deutschland Vaterlandsfeinde genug, die sich in der Hoff nung auf eine selbst nur geringe Geldentschädigung dafür bereit erklären, die Heimat an fremde Mächte zu verraten: fürchterlichstes Ausmaß nahm diese schmutzige Erscheinung ia besonders damals an, als ein paar Dollar oder Frank sür den Deutschen heißeste Sehnsucht und ein großes Ver mögen bedeuteten. Aber auch jetzt noch — und der Fall des Negicrungsbaumeisters Ludwig beweist dies aufs neue — sind solche Erscheinungen leider noch allzu häufig, müßte mit den schärfsten Strafen besonders dann dagegen vorgegangen werden, wenn nicht einmal die Not zur Er- lireisung dieses schmutzigen Gewerbes drängt. Sowjet- Rußland hat über jene Elemente, von denen behauptet wurde, sie hätten gemeinsame Sache mit dem Ausland ge- machi, Strafen von furchtbarer Schwere verhängt und voll- meckt. Bei uns konnten Spione nur im Kriege den ver- mcnten Tod finden. In Deutschland spielt aber bei Vatcr- ..hj'dsverrätereien leider auch die parteipolitische Zer- , 'Wuheit eine Rolle, die den Täter in den Augen mancher - jw ^um Märtyrer macht, wenn ihn die Schwere des Ge- trifft. Der Engländer aber hat einen anderen Gesenkte Steuern — Amnestie Einigung bei den Regierungsparteien Steuersenkung voraussichtlich 1. Oktober. Reichsfinanzminisier Dr. Hilferding verhandelte Mitt woch früh mit den Parteiführern nochmals über die Frage der Steuersenkung. Als Ergebnis dieser vorbereitenden Besprechung konnte verzeichnet werden, daß Sozialdemo kraten, Demokraten und Zentrum dem Steuerausschuß einen gemeinsamen Antrag vorzulegen beschlossen, wonach der gegenwärtig in Höhe von 15 Prozent bzw. höchstens 2 Mark monatlich erfolgende Abzug vom Steuerbetrag auf 25 Prozent bzw. 3 Mark erhöht werden soll. Unter diese Ermäßigung würden Einkommen bis zu 15 608 Mark jährlich fallen. Daneben soll eine weitere Ermäßigung der Steuerleistung durch eine Abrundung hrrbeigeführt werden. Die Neuregelung soll ab 1. Oktober in Kraft treten. Der Steuerausschuß des Reichstages beriet später die Frage der Lohnsteuersenkung. Neben den Anträgen der Sozialdemokraten, der Demokraten und des Zentrums lag ein kommunistischer Antrag vor, den Reichsfinanzminister Dr. Hilferding wegen seiner finanziellen Auswirkungen als unmöglich bezeichnete. Der Antrag hatte gefordert, daß bei einem Einkommen unter 5000 Mark 1200 Mark steuer frei gelassen werden sollten. Von der Deutfchen Volkspartei wurde erklärt, sie werde sich der Lohn steuersenkung nicht entziehen, halte es aber für richtig, die Angelegenheit im Zusammenhangs mit anderen Steuer- fragsn im Herbst zu behandeln. Die Beratungen werden Donnerstag fortgesetzt. * Vorschläge für Herr Sirafnachlaß. Der R e i ch s t a g s a u s s ch u ß für Amnestie. Der Reichstagsausschuß für Rechtspflege trat in die Beratungen über die Anträge über eine allgemeine Am nestie für das Reich ein. Es wird Straferlaß gewährt für die beim Inkraft treten des Gesetzes rechtskräftig erkannten und noch nicht vervußlen Strafen, vtc von Gerüchten des Reiches oder der Länder wegen Straftaten verhängt wurden, die aus poli tischen Beweggründen begangen worden sind oder die wegen Zuwiderhandlungen gegen das Militärstrafgesetz von Militärgerichten bis zum 1. Oktober 1920 rechts kräftig erkannt worden sind. Anhängige Verfahren wer den eingestellt, wenn die Tat vor dem 1. Januar 1928 be gangen ist; neue Verfahren werden nicht eingeleitet. — Ausgeschlossen von der Straffreiheit sind Landesverrat und Verrat militärischer Geheimnisse, wenn die Tat aus Eigennutz begangen ist: ferner Verbrechen aeaen das Leben und solche Straftaten, zu deren Durchführung der Täter ein Verbrechen gegen das Leben begangen hat. Strafen wegen Verbrechens gegen das Leben werden ge mildert. Freiheitsstrafen werden auf die Hälfte herab gesetzt, dabei tritt an die Stelle von Zuchthaus Gefängnis. Lebenslängliche Zuchthausstrafen werden in Gefängnis von 7)z- Jahren umgcwandelt. Ist bereits ein Gnaden- crweis erfolgt, so tritt die Milderung bei der im Gnaden- erweis festgesetzten Strafe ein. Erlittene Untersuchungs haft und erlittene Strafhaft werden auf die gemilderte Strafe angerechnet. Bei Teilstrafen sollen entsprechende Maßnahmen eintreten. Der Antrag der Regierungsparteien wurde unter Ablehnung aller Anträge mit allen gegen die Stimme der Bayerischen Volkspartei angenommen. Zugestimmt wurde auch der Entschließung, die Neichsregierung möge bei den Ländern dahin wirken, daß Personen, die aus wirtschaft licher Rot oder aus Anlaß des passiven Widerstandes straffällig geworden seien, bei der Ausübung des Gnaden rechts in besonders wohlwollender Weise berücksichtigt würben. Wohnungsbau. Uber den Stand des Wohnungsbaues sprach Neichs- arbeitsminister Wiss eil im Wohnungsausschuß des Reichstages. Er will prüfen, für welche Schichten der Be völkerung und in welchen Gebieten die Wohnungsnot am größten sei. Notwendig sei es, eine dauernde gesetzliche Grundlage zu finden. Dringlich sei auch die Förderung der Rationalisierung des Wohnungsbaues. ch Das Gesetz über den Nationalfeiertag wird verschoben Berlin, 11. Juki. Der gestern vom Reichstag in erster Lesung erledigte Gesetzentwurf über den Nationalfeiertag ist heute dem Rechtsausschuß zugegangen. 8n der Donnerstag- sitzunq des Ausschusses wird der Vorsitzende, Abg. Dr. Kahl, von diesem Eingang Mitteilung machen. Es ist als sicher anzu- nehmen, daß der Ausschuß beschließen wird, in die Verhandlun gen über diese Vorlage erst im Herbst einzutreten, so daß die Frage des Nationalseiertages vorläufig nicht zur Erledigung kommen kann. Es werden also auch in diesem Jahre wie in den Vorjahren ohne gesetzliche Regelung von einzelnen Negierungen Verfas- sungsfeiern veranstaltet werden. Welche Stellung bei dieser Lage die preußische Staatsrcgierung einnehmen wird, steht noch nicht fest; doch dürfte kaum mit einer neuen prußischen Flaggenverord nung zu rechnen sein, auch nicht mit einer Verordnung, die sich nur auf den 11. August beziehen wird. Grundsatz, der vielleicht übertrieben erscheint, ihn aber in der nun einmal auf Kampf eingestellten Welt vorwärts gebracht hat, „Ri§dt vr vroux, MV emwtrx" — „Recht oder Unrecht — die Hauptsache ist mein Vaterland". „Bremen"-Flieger-Kränze für Ebert. Die Dessauer Sozialdemokraten gegen Köhl und Hünefeld. Hauptmann Köhl ist von Frankfurt a. M. mit der „Europa" nach Berlin abgeflogen. Er hat vor dem Start die Absicht kundgegeben, eine» Umweg über Heidelberg zu machen, um über dem Grabe des Reichspräsidenten Ebert in seinem und v. Hüncfclds Namen zwei Kränze abzuwcrfen. Am 24. Juli wollen die Ozeanflieger nach Dessau kommen. Dort hat aber inzwischen die sozialdemokratische Fraktion des Gemeinderates dem Magistrat einen Be schluß übermittelt, in dem es heißt, daß die Empfangs feierlichkeiten für die Ozeanflieger mehr und mehr in den Dienst einer republikfeindlichen Propaganda gestellt worden seien. Die sozialdemokratische Fraktion lehne des halb nicht nur jede Beteiligung an den geplanten Emp fangsfeierlichkeiten in Dessau ab, sondern erhebe auch Ein spruch gegen die Bewilligung von städtischen Mitteln für diese Feierlichkeiten. Zu diesem Zweck beantrage sie die Einberufung einer außerordentlichen Gemeinderatssitzung. Der Kranzabwurs Köhls in Heidelberg. Heidelberg. Der Ozeanflieger Hauptmann Köhl machte bei seinem Fluge von Frankfurt nach Berlin einen Umweg über Heidelberg und warf hier über dem Bergfriedhof zwei Kränze <von Köhl und von Hünefeld) mit Schleifen in den Reichsfarben für den verstorbenen Reichspräsidenten Ebert ab. Sie trugen die Aufschrift: „Dem ersten Reichspräsidenten zum Gedenken!" Das Flugzeug flog sehr niedrig, so daß die beiden Kränze richtig auf dem Bergfriedhof niederfielen Sie wurden dann am Grabe Eberls niedergelegt. Das Flugzeug beschrieb noch einen Bogen über Heidelberg und flog dann in der Rich tung nach Berlin weiter. Jie deutsche Antwort «ns die Kellogg note Verreicht. Berlin, 11. Juli. Wie die TU. erfährt, ist die Antwort der deutschen Regierung auf die letzte amerikanische Note vom 23. Juni über den Abschluß eines internationalen Paktes zur Aechtung de-; Krieges am. Mittwoch nachmittag dem amerikani schen Botschafter überreicht worden. Die Note wird Freitag ver öffentlicht werden. Hoffnungslose Lane der „Ltalia"-Mannschast. Dr. Eharcot will Amundsen suchen. Wie aus Kingsbay gemeldet wird, hat sich der russische Eisbrecher „Krassin" dem Lager der „Jtaliä"-Mann- schaft bis auf zwei Seemeilen genähert, kommt jedoch in folge des dichten Packeises nicht mehr weiter und wird unter Umständen gezwungen sein, die ganze Fahrt anfzugeben und in die Hinlopen-Straße zurückzukehren, um an der Ostküste einen neuen Versuch zum Vordringen zu unter nehmen. Man nimmt mit Bestimmtheit an, daß nnr noch drei Verunglückte im Lager Nobiles vorhanden sind. Ein Mitglied der Gruppe soll sich in geistiger Verwirrung vom Lager entfernt haben. Die Rückbeordernng des großen schwedischen Fokkerflugzeugcs „Uppland" nach Stockholm gilt als ver erste Schritt für die Einstellung des ganzen schwedischen Hilfsunternellmeus. Man hat tatsächlich alle Hoffnung anfgeg eben, die Verschollenen noch zu retten. In Saint Servan ist das Polarschiff „P ourquois p a s" ausgelaufen, um seine Polarfahrt anzutreten und nach Amundsen und dem französischen Flieger Guilbaud zu suchen Der Leiter der Expedition, Dr. Charcot, erklärte, er hoffe, die beiden Vermißten nnd ihre Freunde noch lebend aufrufinden. Die Rückkehr des Schiffes ist für Mitte September vorgesehen.