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MsdmfferTageblatt Nr. 190 — 90. Jahrgang Montag, den 17. August 1931 Wilsdrusf-DreSden Telegr.-Adr.: »Amtsblatt' Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Noffen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Ranmzeile 20 Slpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich»- Pfennig, die S gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgeblchr 20 Reichspfennige. Bor» geschriebeneTrscheinungs. tage und Platzvorschristrn werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeige«. annahmebisvorm.10Ubr. — Für die Richtigkeit d« durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatlansprv ch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ««Nsä W°ch°»dl°tt s-r -W«-dr°ff n Um^°nd Postscheck: Dresden 2640 Gelbstveraniwortung. „Das Sanierungsprogramm des Deutschen Städte- lages wird im Reichsfinanzministerium einer eingehenden Prüfung unterzogen werden; die endgültige Stellung nahme des Ministeriums zu den Vorschlägen des Städte tages wird aber noch eine Reihe von Tagen in Anspruch nehmen, so daß eine Entscheidung über die Behandlung der Vorschläge des Städtetages noch einige Zeit auf sich warten lassen dürste." Das ist die etwas kühle Antwort auf ein Programm, das doch in das Leben des Staats bürgers außerordentlich tief eingreift, denn wirtschaftlich und — steuerpolitisch ist der Staatsbürger ganz besonders eng verknüpft mit der Stadt, in der er wohnt, mit der Kommunalverwaltung, die fast täglich in sein Dasein, seine Wirtschaft, sein Handeln hineingreift. Darum ist es für jeden „Bürger" von größterWichtigkeit, wie die Städte sich bemühen, heutzutage einfach bemühen müssen, ebenso wie das Reich ein Sanierungsprogramm aufzustellen, das der Not der Gegenwart gerecht zu werden versucht. Denn bei diesem Versuch muß es bleiben, solange das Schicksal des Ganzen, also des Reiches aus dem Spiele steht. Als Ausgangspunkt für dieses Programm dient die Feststellung, daß die Städte schon im Jahre 1930 ein Defizit von 420 Millionen Mark in ihren Haushalten auf wiesen, und daß man für das laufende Jahr mit einem Fehlbetrag von mindestens 800 Millionen zu rechnen hat. Daran ist gleich die zweite Feststellung anzuschließen, daß die Kosten der Wohlsahrtsfürsorge von 605 Millionen — im Jahre 1930 auf über eine Milliarde gestiegen sind, an dererseits die Einnahmen aus Steuern und Abgaben ganz gewaltig gesunken sind. Dieser Rückgang der unmittel baren Kommunaleinnahmen wird aber bekanntlich noch verstärkt durch das Sinken der Einkünfte aus den Reichs steuern, von denen ein Teil den Kommunen überwiesen wird. VomReichhaben dieKommunen zwecks Ausgleichs dieser Fehlbeträge aber so gut Wie nichts zu erwarten Bisher erhielten sie für die Kosten der Wirtschaftsfürsorge nur insgesamt 60 Millionen aus der Reichskasse. Dabei sind die Städte zurzeit auch noch mit 2 Milliarden kurzfristig verschuldet, müssen aus Grund einer Notverordnung außerdem noch diese kurzfristigen Kredite abdecken, soweit sie bei den Sparkassen ausgenommen worden sind. Somit ist das Verlangen des Städretages das Reich solle den Kom munen einen ttberbrückung'szuschuß von 100 Millionen geben, wirklich nicht als „unbescheiden" zu betrachten. Es hat ja heute gar keinen Zweck, den Städten Vor würfe berechtigter oder unberechtigter Art wegen ihrer früheren Finanzgebarung zu machen. Es ist ebenso zweck los, heute darüber zu diskutieren, ob der frühere Reichs bankpräsident Dr. Schacht richtig oder falsch handelte, als er den Kommunen die Aufnahme langfristiger Anleihen fast unmöglich machte und ihnen nur den Weg der kurz fristigen Kreditaufnahme offen ließ. Beides ist für die Julunft versperrt und es kommt nur daraus an, wie die Dinge augenblicklich stehen und saniert werden können. diese Sanierung kommt es an. uns darauf, daß die Städte das von ihnen vorgelegte " "un auch restlos durchführen. ../"gesehen von der Einschränkung der kommunal- polrttlchen Betätigung auf Gebieten die nach wie vor den Städteverwaltungen Vorbehalten bleiben, also dem Schul- und Bildungswe,en, der Wohlfahrts- und Gesundheits fürsorge, der Versorgung mit Gas Wasser und Elektrizi tät, Verkehr usw. ist im Sanierungs'programm des Städte tages die bewußte Ruckentwicklung der kommunalen Wirt schaftsbetriebe sonstiger Ari entscheidend Die Betriebe der „öffentlichen Hand" sollen überall dort wo sie nicht wirklich gewinnbringend sind, abgebaut werden. Das wird im Reichsfinanzminlsterium durchaus Zustimmung finden; denn dort ist man gerade dabei, festzustcllen, wie hoch die Einnahmen der Reichskasse werden würden, wenn diese Betriebe der öffentlichen Hand ebenso hoch besteuert werden wie die Privatbetriebe. Die überall vorhandene Tendenz zur „Kommunalisierung" irgendwelcher Zweige der wirtschaftlichen Betätigung soll also zum mindesten an die Feststellung gebunden werden, ob der öffentliche Betrieb vom Standpunkt der Wirtschaftlichkeit und Ren tabilität aus als empfehlenswert zu betrachten ist oder nicht. Was Zuschüsse versteckter oder offener Art anlangt, was sich nicht selbst erhalten kann, soll abgebaut werden, ist der rein privatwirtschaftlichen Betätigung zu überlassen. Die Masseu„versorgung", also, wenn man will: Die soziale Tendenz dieser „Kommunalisierung" hat der Abwägung zu weichen, wie mit den geringsten Kosten ein möglichst großer Nutzeffekt zu erzielen ist. Es soll nichts mehr „ge schenkt" werden. Eine große Reihe von Städten steht schon jetzt unter „Zwanqsverwaltung" durch die Landesbehörden. Das wird solange nicht anders werden, als ins die Städte selbst sich saniert haben, also finanziell wieder aus eigenen Füßen stehen ^ie Städte - das Hergt aber ihre Burger! Man har gerade in der Gegenwart so^oft und mit Recht das Lebenswerk des Freiherrn vom stein gefeiert^ was er anstrebte, war der Aufbau des Staates auf die Selbst verwaltung der Bürger und darüber der Kommunem Tue Städte waren für ihn die Zellen, aus denen sich der staat zusammensetzt. Und er war Gegner des „Regierens von oben berunter". So will das Sanicrungsprogramm der Jie Will StWltMrWllliW Langfristige Kredite unbedingt notwendig Das Gesamtergebnis der bisherigen Einzelbe sprechungen ist dem Wiggin-Ausschuß, also dem von der Londoner Konferenz empfohlenen Finanzsachverständigen- Ausschuß, vorgelegt worden. Die von den Gläubigerver tretern in ihren Vorschlägen angegebenen Zahlen und Statistiken decken sich im großen und ganzen mit den auch von Deutschland im Melchior-Bericht unterbreiteten Zif fern. Dr. Melchior hat eingehend die Möglichkeiten dar gelegt, wieweit sich Deutschland aus eigenen Mitteln helfen kann, vorausgesetzt, daß die gegenwärtig laufenden kurzfristigen Kredite, die, ziemlich weit gefaßt, sich auf 6 Milliarden Mark belaufen, auf 6 Monate verlängert werden. Über den Begriff „mittelfristig" oder „langfristig" gehen die Meinungen sehr auseinander. Dr. Melchior hat die Not wendigkeit nachgewiesen, das; Deutschland, wenn es nicht wirtschaftlich auf ein Minimum reduziert werden soll, unbedingt eine lang fristige Anleihe braucht, über deren Höhe jedoch Genaueres noch nicht zu erfahren ist. Man spricht von einer Milliarde Mark, doch scheint die Ziffer zu niedrig zu sein. Grundsätzlich ist man sich über die sechsmonatige Ver längerung der Kredite einig. Die Entscheidung über die Verlängerung der Dollarrediskontkredite liegt jedoch bei den Zentralbanken, nicht bei dem Finanzsachverständigen- ausschuß. * Keine Aeise der Finanzsachverständigen nach Berlin. Die Finanzsachverständigen haben ihren Bericht über die bisher geleistete Arbeit zu einem großen Teil schon fertig gestellt. Der Bericht umfaßt hauptsächlich das Er gebnis der Untersuchungen über die deutschen Kredit bedürfnisse und -Möglichkeiten. Auf eine Reise der Finanz sachverständigen nach Berlin würde endgültig verzichtet. Weitere Entlastung der Aeichsbank. Wieder 4vprozentige Notendeüung? Die Kapitalanlage der Neichsbank Hal seit dem letzten Ausweis eine weitere beträchtliche Ent lastung erfahren. Wie verlautet, wird auf Grund der Entwicklung bis zum 13. d. Mts. damit zu rechnen sein, daß im Medioausweis der Reichsbank wieder eine vier zigprozentige Deckung der Noten durch Gold und Devisen erreicht oder sogar leicht überschritten wird. Analog der Entlastung aus Wechsel- und Scheckkonto hat sich auch der Notenumlauf weiter vermindert. Aber auch die Giroguthaben, die am 7. August die immer hin noch beträchtliche Höhe von 781 Millionen aufweisen, sind stärker zurückgegangen. Die Möglichkeit eines Ab baues des hohen Lombardsatzes besteht weiterhin, doch sind diesbezügliche Entscheidungen noch nicht gefallen. * Wann werden die dörsen wieder geöffnet? Wie von zuständiger Seite erklärt wird, erscheint es durchaus noch zweifelhaft, daß eine Wiedereröffnung der Börsen noch in diesem Monat stattfinden wird. Eine ministerielle Entscheidung ist demnächst zu erwarten. So wohl in Kreisen des Ministeriums als auch von anderer Seite scheinen wegen einer Börseneröffnung am 20. August noch Bedenken zu bestehen. Wird das Neich den Gemeinden Helsen? 11- Milliarden Gemeindedefizit Reichsfinanzminister Dietrich sprach kürzlich ausführ lich über die Entwicklung der Finanzkrise und über die augenblickliche Wirtschaftslage. Minister Dietrich erklärte nach einem Rückblick aus den Hoover-Plan und die Londoner Verhandlungen: Trotz aller Komplikationen die die Verhandlungen in den letzten Wochen brachten, bleibt das Endergebnis bestehen, daß »ie Kassen des Deut schen Reiches und der Reichsbahn keine Reichsgelder aus zuzahlen brauchen. Wir haben immer auf dem Standpunkt gestanden, daß die Londoner Konferenz nicht einen endgültigen Abschluß bedeutet. Wir haben jetzt das Zwischenspiel in Basel erlebt. Wie die Baseler Entscheidung auch ausfällt: über das Reparationsproblem wird früher oder später weiter verhandelt werden müssen. Städte endlich wieder die Grundlage zu jener Selbstver waltung schaffen, die vor allem Selbstverantwortung heißt, und aus der Erfüllung von Pflichten den Anspruch auf Rechte herleiten will. Der Minister rechtfertigte die Stützung der Großbanken mit der Notwendigkeit, die verhängnis vollen Folgen für die allgemeine Wirtschaft zu vermeiden, die sich aus einem Zusammenbruch größerer Bankinstitute ergeben hätten. Er fuhr fort mit der Erklärung, daß sich dank der Besonnenheit des deutschen Volkes die akute Zahlungsmittelknapphei1 habe beheben lassen. Wenn am 1. September die Gehälter noch nicht voll ausgezahlt werden könnten, so sei doch zu hoffen, daß schon am 1. Oktober die Ge Haltszahlungen in der üblichen Weise stattfinden würden. Schwieriger sei die Lage bei den Ländern und Gemeinden, deren Finanzbedarf eine starke Steigerung erfahren habe. Das Reich habe die Ausgaben für eigene Zwecke seit 1928 um 550 Millionen herunterschrauben können, obwohl gleich zeitig die Reichsausgaben für die Arbeitslosen um 840 Millionen gesteigert worden seien. Wenn die Länder und Gemeinden die Einstufung der Beamten und Angestellten dem Reiche entsprechend vorgenommen 'hätten, so würde eine wesentliche Erleichterung schon ein getreten sein. Wenn jetzt eine R e i ch s h i l f e für die Ge meinden verlangt werde, so sei eine Erklärung dazu im gegenwärtigen Augenblick sehr schwierig, weil wir noch unter den Nachwirkungen der Geldkrise stünden und nicht wüßten, wie sich die Einnahmen an Steuern in den nächsten Monaten entwickeln würden. Infolge der Ersparnisse der Reparationen werde es aber vielleicht möglich fein, den Gemeinden, die eine be sonders schwere Last durch die Erwerbslosen zu tragen hätten, zu helfen. Der preußische Finanzminister Dr. Höpker- Aschoss erklärte in einer Schilderung der Finanzlage der Länder und der Gemeinden, es bleibe infolge der ge kürzten Reichsüberweisungen, der Mindereingänge bei der Hauszinssteuer, bei der Gewerbesteuer und bei der Forstverwaltung sowie infolge der gesteigerten Lasten für die Wohlfahrtserwerbslosen eine Spanne von 1,6 Milliarden Mark, die trotz größter Sparsamkeit nicht ausgeglichen werden könne. Deshalb bedürfe es besonderer Maßnahmen, um die Notlage der Gemeinden zu beseitigen. Frankreich verzichtet auf nichts. Flandirr über Wirtschaft«-«. Fivavzfragen Paris, 16. Argust. Finanzminister Flandin hat einem Vertreter des „Echo de Paris" gegenüber Erklärungen über dis wirtschaftliche und finanzielle Lage abgegeben, die am Mvntag- mvrgen veröffentlicht werden. In seinen Erklärungen nimmt er Bezug aus den Feldzug, der gegenwärtig für die allgemeine Anul- lierung der Kriegsschulden und der Reparationen geführt wird. Gegen die bereits vorgesehene Möglichkeit, daß eine Herabsetzung der'französischen Kriegsschulden gegenüber seinen Gläubigern auch Deutschland zugute komme, habe Frankreich nichts einzuwenden. Was jedoch den rein französischen Anteil der deutschen Repara- lionszahÄngen anbetreffe, so gleiche er die Wiederherstellung der Kriegsschäden nicht aus. Niemand in Frankreich, welcher Par tei er angehöre, habe jemals zugegeben, das; Frankreich auf ein Recht verzichten könne, das nicht allein in den Verträgen niedergelegt sei, sondern das den Gerechtigkeitswillen des Ge wissens der Völker ausdrücke. Zur Ueberwindung der gegenwär tigen Krise hält FinanMinister Flandin es für notwendig, daß der Kredit wlederhergestellt werde u. dazu sei Wiederherstellung des Vertrauens das sichere Mittel. Es müsse neues Kapital gebildet werden, indem man die Verschwendungssucht der Staaten und der Einzelpersonen aus allen Gebieten vermindere. Zur Organisierung des Warenhandels hält Flandin für notwendig, auf den Wirt schaftskrieg zu verzichten, der sich u. a. in Dumpings, Tarifgestal tung, Verboten, Ausfuhrprämien äußere. Zum Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch müsse man zwar Kapitalien in den neuen Ländern investieren, aber vorsichtig, und man müsse davon absehen, Überleistungs fähige Produktionsmittel und absurde Lager haltungen künstlich zu finanzieren. Vie nolWenMge Revision. Washington, 16. August. Die Frage, was ge chehen werde, wenn das Hooverjahr abgelaufen sei, wird lnh'Lsigeu politischen und finanziellen Kreisen lebhaft erörtert. Die Asso- cated Preß verbreitet eine Meldung der Neuyorker Evemng Post, nach der in maßgebenden Wallstreetkreisen die Ansicht herrsche, daß die Welk niemals zu der Basis zuruckkehren werde, die vor dem Vorschlag Hoovers, einen Zahlungsaufschub der be stehenden Ä'riesschulden zu gewähren, bestanden habe. Persön lichkeiten die kürzlich aus Europa zuruckkehrten, hatten erklärt, dies sei eine in alle» großen Hauptstädten angenommene Tat sache. Diese Persönlichkeiten seien der Ansicht, daß, wer etwa vermute, Deutschland könnte oder würde in eine Rückkehr zu