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Amts- und Anzeigeblatt für den -MD-- Wik des Ämtsgmchis Libmftsck sersionSpreiS: die kleinsp. ten, sowie bei allen Reich S- Z-le io Pf und dessen Umgebung. P°st-nst°l °n Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. 38. Jahrgang. M 80. Dienstag, den 9. Juli 1880. Die Zahlmeister Prozesse, welche mit dem kürzlich beendeten Prozeß und der Verurtheilung der Militärlieferanten Wollanck und Hagemann in Berlin ihren Abschluß fanden, haben einen ungemein peinlichen Eindruck gemacht und ge rechtes Aufsehen erregt. Jahrelang hatte sich die Untersuchung hingezogen und die Arbeit des Staats anwalts und der Gerichte war eine ungemein um fangreiche gewesen. Es kamen bei den Verhandlungen Dinge zur Sprache, welche der so oft gelobten .Strammheit" der Disziplin und des Beamtenthums Abbruch thun mußten. Trotzdem aber wird der Pro zeß sicherlich sehr heilsam wirken: er ist ein Warn signal für viele! Die unerbittliche Strenge, mit der das Gericht die geringsten Einzelheiten aufgedeckt hat, zeigte wiederum, daß es „noch Richter in Berlin giebt." Der Zudrang zur Zahlmeisterkarriere ist ein recht bedeutender, obwohl der Zahlmeister zwar als Offizier, aber noch unter dem jüngsten Sekondeleutnant rangirt, das Gehalt in seinen verschiedenen Abstufungen auch nicht allzuverlockend ist und die ExamenSanforder- ungen ungewöhnlich strenge sind. Woher nun der starke Wettbewerb, wenn man die Ueberfüllung auch vieler anderer Berufe außer acht läßt? Die Antwort darauf ist bald gegcbeu. Das, was jetzt zur gericht lichen Kenntniß und Bestrafung gekommen ist, war gerüchtweise im großen Publikum seit langem bekannt; daß die Zahlmeister „bei den Lieferungen viel ver dienen," fand man fast selbstverständlich, denn man betrachtete sie nicht als Militärs, sondern als eine Bereinigung vom Soldaten, Beamten und Kaufmann. Wenn das große Publikum wie eben gesagt über die hohen Einkünfte der Zahlmeister dachte, so ist das natürlich für die jetzt in jenem Sinne als schuldig Befundenen nicht der geringste Entschuldigungsgrund. Denn selbstverständlich waren s i e über ihre Pflichten nicht im Zweifel. Die Erörterungen, welche jener Prozeß in drr Presse gefunden hat, gingen zum Theil von der An nahme aus, daß die Mannschaften die Zuwendung der Tantiemen an die Zahlmeister haben entgelten müssen, indem sich die Lieferanten durch minderwerthe Beschaffenheit der gelieferten Lebensmittel schadlos gehalten hätten. Die Verhandlungen haben hierfür nicht nur keinen Beweis erbracht, sondern die An nahme ist auch an und für sich schon sehr unwahr scheinlich. Im Konkurrenzkämpfe bringt der Einzelne gern ein Opfer — das ist allgemein bekannt — und die aus Offizieren bestehenden Menage-Kommissionen, gegen welche auch nicht der leiseste Hauch eines Ver dachtes laut geworden ist, sorgen wohl dafür, daß den Mannschaften dasjenige zu theil wird, was sie rechtlich zu beanspruchen haben. Hieraus und aus dem Umstand, daß die Zahl meister keine Lieferungen zu vergeben haben, ergiebt sich, daß von einer „Bestechung" im gemeinen Sinne in allen den vorgelegenen Prozeßfällen nicht wohl die Rede ist; daß es sich vielmehr um einen „Brauch" handelte, der das Licht zu scheuen hatte und immer hin als Mißbrauch gelten muß. Es sind keine Verbrechen begangen worden, kaum schwerwiegende Vergehen — es ist die Uebertragung des Trinkgeld- Unwesens in amtliche Kreise. So großes Aergerniß die Prozesse auch erregt haben, so werden sie andererseits nicht ohne heilsame Folgen bleiben. Zunächst werden sie sicherlich dem nicht nur unter den Zahlmeistern bekannten Uebel der Annahme von Geschenken für eine bestimmte Art der Ausübung amtlicher Pflichten steuern. Wie die Heeresverwaltung schon auf Grund der Prozesse vor den Militärgerichten durch die Besoldungs-Erhöhung Abhilfe gesucht hat, so ist ohne Zweifel seitdem auch eine strengere Aufsicht eingetreten; dieselbe wird auf allen den Gebieten anzuordnen sein, auf denen die Voraussetzungen ähnlicher Verfehlungen, wie die der betreffenden Zahlmeister, vorhanden sind. Die öffent liche Gerichtsverhandlung, welche diese Mahnung an die Vorgesetzten verschiedenster Ressorts enthält, wird aber auch durch sich selbst hoffentlich zur Heilung de« UebelS, wo eS besteht, beigetragen haben: sowohl ab schreckend durch Verschärfung der Besorgniß vor den kriminellen Folgen, welche auch eine Anzahl Zeuge» aus dem jüngsten Prozeß noch treffen werden, als auch durch Aufrüttelung des hie und da vielleicht ein geschlummerten Ehrgefühls. Auf die Allgemeinheit unseres Beamtenstandes dagegen kann der Prozeß jedoch einen Makel nicht werfen. Hagesgeschichte. — Deutschland. Kaiser Wilhelm hat den leitenden Ministern von Bayern und Würt temberg kürzlich den Schwarzen Adlerordcn ver liehen, die höchste Auszeichnung, über die er als König von Preußen zu verfügen hat. Ueber die Vor geschichte dieser Verleihung erfahren wir, daß letztere der eigenen Entschließung des Kaisers entstammt, der damit der unentwegt reichstreuen Politik jener beiden süddeutschen Staaten seine Anerkennung ausdrücken wollte. Der Kaiser theilte diese seine Absicht dem Reichskanzler mit, der sofort und freudig zustimmte. Auf Veranlassung des Fürsten Bismarck soll es dann geschehen sein, daß als Zeitpunkt dieser Ordensver leihungen das jüngst stattgefundene Regierungsjubi läum des Königs von Württemberg gewählt wurde. In Bayern und Württemberg haben diese Auszeich nungen, auch an den allerhöchsten Stellen einen vortrefflichen Eindruck gemacht. — Von der Kaiserreise meldet man aus Christiania, 6. Juli: Kaiser Wilhelm ritt heute nach Buarbrä, dem interessantesten Theil der Folgefond- Gletscher, und beabsichtigt, sich Abends nach Eidfjord zu begeben, um den großartigsten Wasserfall Norwe gens, VöringfoS zu besichtigen. — Eine Kopenhage ner Korrespondenz weiß zu melden: „Obschon der deutsche Kaiser im strengsten Jncognito nach den Lo- foden reist, wurden dennoch auf allen dänischen und schwedischen Küstenplätzen, an welchen das kaiserliche Schiff bisher sichtbar wurde, Salutschüsse zur Be grüßung gelöst. Es verlautet, daß Kaiser Wilhelm auf der Rückkehr von den Lofoden einen mehrtägigen Landausflug durch die inneren Fjord- und Gebirgs landschaften des nördlichen Norwegens unternehmen will. Wo der Kaiser an Land zu gehen gedenkt und wo er sich wieder an Bord begeben wird, ist noch unbestimmt." — Berlin. Die „Nordd. Allg. Ztg." erläßt fol gende Warnung: Nachdem nunmehr die Prospekte veröffentlicht worden sind, wonach eine gewisse Anzahl russischer 4-proz. Prioritäts-Obligationen zum Zwecke der Convertirung einer Anzahl 5-proz. Obligationen zur Ausgabe gelangen soll, verweisen wir darauf, daß die Inhaber der Obligationen an den bekannt zu ge benden Zahlstellen die Baarzahlung des Nominal- werthes ihrer Obligationen in Empfang nehmen kön nen. Wir empfehlen den Inhabern an, die ihnen offerirte Rückzahlung zu acceptiren und sich nicht durch Annahme der ihnen gleichzeitig «»gebotenen Conver sion einen neuen Besitzstand russischer Papiere unter schlechteren Zinsbedingungen als denjenigen ihres früheren Besitzes zu schaffen. — Oesterreich. Der „Magdb. Ztg." wird aus Wien gemeldet: Kaiser Franz Josef, welcher wegen der Hoftrauer an der Wcttinfeicr nicht Theil nehmen konnte, wird auf der Rückreise von Berlin den Kö nig von Sachsen in Dresden besuchen. — Frankreich. Der „Krzztg." wird aus Paris eine Mittheilung übermittelt, wonach augenblicklich der russische und der französische Kriegs minister und der französische General Miribel in Vichy in demselben Hotel wohnen. Die „Krzztg." bemerkt dazu: „Sollten die beiden Kriegsminister und der Chef des großen Generalstabes wirklich nur zu dem Zweck in Vichy in einem Hotel zusammengewohnt haben, um sich über ihre Leiden und die Wirkung der Wasser von Vichy auf dieselben auf dem Laufen den zu erhalten?" Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 8. Juli. Eine Nachricht, wie sie erschütternder nicht sein kann, tras gestern in hiesiger Stadt ein. Auf einer Vergnügungsreise in die Alpen begriffen sind gestern früh gegen 8 Uhr bei einem auf der Station Röhrmoos bei München stattgehabten Eisenbahnunglück Herr Oberforstmeister Beyreuther, Herr Oberzollinspector I)r. Jung und Herr Postdirector Röntsch mit Frau, sämmtlich von hier, tödtlich verunglückt, während Frau Ober forstmeister Beyreuther und Frau Oberzollinspector Jung schwer verletzt, wurden. In Gesellschaft der genannten Herrschaften befand sich noch ein Leutnant Stoll, welcher gleichfalls todt ist. Das Unglück ge schah durch falsche Weichenstellung und sind bei dem selben 8 Passagiere getödtet und 1 l verwundet worden. Die Verwundeten haben im städtischen Krankenhause in München Aufnahme gefunden. — Die Nachricht von dem Unglück wirkte in hiesiger Stadt wie ein allgemeiner Schrecken und giebt sich für die Hinter bliebenen der Verunglückten die allgemeinste Theil- nahme kund. Aus München meldet man über den Unglücks fall: Das Eisenbahnunglück bei Röhrmoos erfolgte während ausnahmsweiser verlegter Kreuzung durch falsche Weichenstellung. Der Frankfurter Schnellzug fuhr in Sackgeleise auf vier Waggons. Ein bayrischer Waggon 2. Classe wurde durch einen auffahrenden sächsischen Güterwagen fürchterlich zertrümmert. Das Aussehen der Leichen ist entsetzlich. Bezirksamtinann Schöller aus Pfaffenhofen stieg 7 Uhr 26 Min. im Zuge ein, 20 Minuten später war er eine Leiche. Der Wechselwärter ist geflüchtet. Weiter wurde ag- noscirt: todt Optikersgattin Merker aus Wien mit Kind; von den Schwerverwundeten ist einer auf dem Transport gestorben. Es herrscht furchtbare Aufreg ung. Die Unglückstätte bietet einen gräßlichen An blick. Einige Reisende lebten noch 2 Stunden, bis der Trümmerhaufen entwirrt war, starben aber wäh rend der Freilegung. Lwei Verwundete wurden nach Ingolstadt gebracht. — Eibenstock, 8. Juli. An der gestern in Bockau abgchaltenen Turnfahrt des Erz gebirgsgaues betheiligten sich ca. 350—400 Turner, wovon 154 die Freiübungen mitmachten. Am Wettturnen betheiligten sich ca. 70. Von den 12 errungenen Preisen fielen 3 auf Mitglieder des hiesigen Turnvereins, und zwar auf die Herren Zeich ner Alban Seidel, Commis Richard Ficker und Copist Paul Hendel. Es freut uns dies erwähnen zu können; ist es doch ein Zeichen dafür, daß die edle Turnerei in unserer Stadt nach wie vor treue und strebsame Anhänger findet. — Dresden. Die Ankunft des Kaisers zu den Manövern ist, wie gemeldet, auf den 5. September angesetzt, der Aufenthalt ist auf mehrere Tage bemessen. Da die Ankunft des Kaisers als der erste offizielle Besuch in Dresden nach der Thron besteigung angesehen wird, soll sie demgemäß auch in besonderer Weise gefeiert werden, obwohl Kaiser Wil helm II. bereits drei Mal seit vorigem Jahre dem Königlich sächsischen Hofe Besuche abgestattet hat. Das erste Mal machte der Kaiser seinen Besuch in Pillnitz, das zweite Mal in Strehlen; beide Male wurden Dresden, die eigentliche Residenz, nur berührt, und am 18. Juni galt die Anwesenheit des Kaisers der Feier des 800jährigen Wettin-Jubiläums. — Leipzig, den 6. Juli. Der Verein der Leipziger Gastwirthe nahm in einer heute einberuf enen, sehr zahlreich besuchten Versammlung Stellung zu der von der Fleischer-Innung beabsichtigten Er höhung der Fleischpreise. In einer durch reiches statistisches Material belegten Ausführung des Vorsitzenden, Herrn Conrad, wurde bewiesen, daß wir z. Z. in Leipzig die höchsten Fleischpreise haben und die Fleischer trotz der Herabminderung der Fleisch preise von 14 Pf. pro Pfund lebendes Gewicht in den letzten 6 Jahren nur eine Preisermäßigung von 2 Pf. pro Pfund haben eintreten lassen. Da diese Zustände auf die Dauer unhaltbar, so beschloß der Verein, Angesichts der drohenden abermaligen Preis steigerung, die Bildung eines eigenen Fleischkonsum- Vereins, falls die Unterhandlungen wegen Lieferung von billigerem Fleisch mit den der Innung nicht an-