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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag!. Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 P, Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit lo Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderach, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 77. Donnerstag, den 5. Juli 1883. 8. Jahrq. politische Kundschau. Deutschland. Der Reichskanzler Fürst Bismarck hat, be gleitet von der Frau Fürstin und seinem ältesten Sohne, dem Grafen Wilhelm, am Montag Berlin verlassen lind sich zunächst nach Fried- richsruh begeben. Die parlamentarische Thätigkeit ruht nun bei uns gänzlich, da am Sonnabend die Session des Bundesrathes und am Montag der preußische .Landtag geschlossen worden ist. In den letzten Tagen ruhte der Schwerpunkt der Landtagsverhandlungen hauptsächlich beim Herrenhause, welches noch über die Canal-Borlage und die kirchen- politische Vorlage Beschluß zu fassen hatte. Ersteren Gesetzentwurf hat das Herrenhaus, abweichend von den Beschlüssen des Abgeordneten hauses, abgelehnt, so daß hierüber in der nächsten Session erst eine Verständigung zwischen beiden Häusern herbeigeführt werden muß; dagegen nahm das Herrenhaus die kirchenpolitische Vorlage nach der Fassung des Abgeordnetenhauses am Montag mit 64 gegen 16 Stimmen an. Ein kurzer Rückblick auf die nach beinahe 8 monat licher Dauer nunmehr zu Ende gegangene Session führt uns als die Hauptergebnisse derselben die Annahme des Gesetzentwurfes über die Aufhebung der zwei untersten Classensteuerstufen, die Annahme der Vorlage über die Secundärbahnen, die Verwaltungsgesetze, die wenigstens vom Abgeordnetenhause genehmigte Canal-Vorlage und die kirchenpolitische Vorlage vor Augen; außerdem sand noch eine ganze Reihe kleinerer Vorlagen, wie die brandenburgische Landgüter- Ordnung, das Staatsschuldbuch, die Subhastationsordnung u. s. w. die Zustimmung des Landtages. Das Facit am Ende der Session ist demnach, was practisch bedeutende Leistungen der Gesetzgebung anbelangt, ein recht befriedigendes und dies ist um so mehr anzu erkennen, als das Abgeordnetenhaus mit fortwährenden Störungen durch die Concurrenz des Reichstages zu kämpfen hatte. Ueber den Inhalt der jüngsten vaticanischen Note an die preußische Regierung ist noch nichts Authentisches bekannt geworden und sind deshalb die Meldungen verschiedener römischer Correspon- denten über diesen Gegenstand mit großer Vorsicht auszunehmen. Nach diesen Mittheilungen läge es in der Absicht des Vaticans, die Anzeigepflicht zu bewilligen, wenn der Staat die Forderungen der Curie bezüglich der Seminarien und der Jurisdiction der Bischöfe erfülle. Ein römischer Correspondent der „Schlesischen Zeitung" berichtet über eine Unterredung mit einem hohen kirchlichen Würden träger, in welcher derselbe mit größter Bestimmtheit erklärte, daß „wir am Vorabend eines inocius vivonäi mit der Curie stünden und trotz gewisser Warnungen von zur Fortsetzung des Kampfes ge neigter Seite sei der Papst selbst fest davon überzeugt, daß Preußen die vom Minister von Goßler vor dem Landtage abgegebenen Ver sicherungen auch vollinhaltlich erfüllen und dadurch die Handhabe zu Verhandlungen bezüglich Herbeiführung einer definitiven Verständigung gewähren würde." (Dem „Moniteur de Nome" zufolge enthält die Note drei Hauptpunkte. Sie drückt erstens ihr Erstaunen darüber aus, daß die preußische Regierung während der Verhandlungen mit Rom dem Landtage ein kirchenpolilisches Gesetz vorgelegt habe, be zeichnet zweitens die Herstellung eines Einvernehmens mit dem Vatican als das einzige Mittel, um zum Frieden zu gelangen und betont drittens bezüglich der Anzeigepflicht, daß diese nnr durch den Vatican zugestanden werden könne.) In den gastlichen Mauern der alten Hansestadt Hamburg wird zur Zeit das erste allgemeine deutsche Kriegerfest gefeiert, welches aus allen Gauen Deutschlands ungemein zahlreich beschickt ist. Es ist ein erhebender Gedanke, daß zum ersten Male Mitglieder sämmt- licher deutscher Kriegesvereine sich zusammengefunden haben, um sich zu einem baldigen gemeinsamen Zusammeustehen kameradschaftlich die Hand zu-reichen und darzuthun, daß die particularistischen Ten denzen, welche bei einzelnen Vereinen noch mehr oder minder Hervor schauen, allmälich den Anschauungen weichen, welche sich im Sinne einer engeren Verbindung der deutschen Kriegervereine geltend machen. Ob schon die Hamburger Festtage zur Gründung eines allgemeinen deutschen Kriegerbundes führen werden, ist zwar aus verschiedenen Gründen noch zu bezweifeln, sicherlich werden sie aber zur baldigen Ausführung dieser Idee lebhafte Anregung geben und die weitere Entwickelung des deutschen Kriegervereinswesens begünstigen. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Josef hat am Sonntag mit großem Gefolge eine längere Reise nach Steiermark und Krain angetreten, wozu die Jubelfeier der Vereinigung beider Provinzen mit den österreichischen Stammianden den Anlaß gegeben hat. In Graz, der Hauptstadt der „grünen" Steierinark, wo der Kaiser am Sonntag Abend eintraf, ist ihm ein ebenso glänzender wie herzlicher Empfang zu Theil gewordeu und auch an den Zwischenstationen wurden dem Monarchen begeisterte Ovationen dargebracht. Auf die Ansprache des Grazer Bürgermeisters erwiderte der Kaiser, daß er mit Freuden zur Feier des patriotischen Landesfestes gekommen sei und möglichst lange in Graz zu verweilen gedenken, wo er sich mit regeln Interesse von dem Aufblühen der Stadt und der Wohlfahrt ihrer Bewohner überzeugen werde. Abends ivurde dem Kaiser vor der Burg, wo er sein Absteigequartier genommen hat, vom Grazer Männergesangverein ein Ständchen gebracht. Die zahllosen vor der Burg versammelten Menschenmassen brachen, als der Herrscher auf dein Balkon erschien, in stürmische Jubelrufe aus. — Die Landtags- Wahlen der böhmischen Städtecurie haben für die deutsche Partei den Verlust der beiden letzten Mandate, welche sie noch in Prag be saß — für die Josefsstadt — herbeigeführt; im Uebrigen haben auch die Städtewahlen in dem gegenseitigen Besitzstände keine Veränder ungen hervorgerufen. Frankreich. Die legitimistischen Kreise Frankreichs sind durch die Nachricht von der abermaligen schweren Erkrankung des Grafen Chambord, des in Frohsdorf residirenden Prätendenten auf den französischen Thron, in nicht geringe Bestürzung versetzt worden. Der Graf von Paris ist am Montag in der französischen Hauptstadt angekommen, wo am genannten Tage alle Prinzen von Orleans anläßlich der ernsten Nachrichten aus Frohsdorf zu einem Familien- rathe zusammengetreten sind, der sich jedenfalls mit der Frage, wer nach dem eventuellen Ableben des Grafen Chambord die Nachfolge zu übernehmen habe, beschäftigt hat. Die französische Regierung soll fest entschlossen sein, falls nach dieser Richtung hin eine Kund gebung der Orleanisten erfolgt, die sofortige Ausweisung der ge summten Familie Orleans anzuordnen. Graf Heinrich Chambord wurde am 29. September 1820 als einziger Sohn des in ebendem selben Jahre ermordeten Herzogs Karl Ferdinand von Berry geboren und ist der Hauptvertreter der älteren Linie der Bourbons, weshalb ihn auch seine Anhänger als Heinrich V. bezeichnen. Da er kinderlos ist, so würden im Falle seines Ablebens die Chancen der Orleans allerdings steigen, soweit dies eben unter den heutigen Verhältnissen in Frankreich möglich ist. — Ueber die Krankheit des Grafen Cham bord meldet man aus Paris, daß dieselbe in einem sehr ernsten Magenleiden besteht, doch soll eine unmittelbare Gefahr für das Leben des Erkrankten nach ärztlichem Ausspruche ausgeschlossen sein. Rußland. General Gurko, der neuernannte Statthalter für das Königreich Polen, wird in diesen Tagen in Warschau erwartet. Man sieht hier der Ankunft Gurko's mit einer gewissen Beklemmung entgegen, da er, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem fein ge bildeten und milden Albedinski, als ein alter Haudegen von schroffen Manieren und rücksichtslosem Auftreten gilt. Falls sich diese Cha- racteristik bestätigt, so wäre die Ernennung Gurko's gerade kein glücklicher Griff der russischen Regierung, da sich gerade jetzt in Polen wiederum Anzeichen von Unzufriedenheit verschiedener Maß regeln der Petersburger Regierung regen. Rumänien. Die rumänische Regierung bemüht sich jetzt, die für Oesterreich so verletzenden Worte, welche jüngst der Senator Gradisteano in Jassy gesprochen hat, ihres aggressiven Characters zu entkleiden. Der „Romanul," das Amtsblatt der Bucarester Re gierung, erklärt in einer seiner letzten Nummern, daß die Regierung es für ihre Pflicht halte, solche Aeußerungen, wie sie in Jassy gethan morden seien, und ihnen entsprechende Tendenzen mit aller Energie und in amtlicher Weise zu verurtheilen. Hiermit scheint man aber in Wien nicht zufrieden zu sein, denn das officiöse „Fremden blatt" erklärt das amtliche Communiqe des „Romanul" als durchaus unzureichend und fordert von der rumänischen Regierung eine bündige und unzweideutige Erklärung.