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Sormabeud, 11. MSrz 1V11. lch» ^ooo utiute wnatn Nr. 5S. Sechster Jehrgaug. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge 0«antwortlich»- R-dakt-v« - srttz Rrnkolck. Für die Inserat« verantwortlich, Malter klrav». Beide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Nuenahm, der Sonntag» nachmittag» von st—r Uhr. — lele-rmmn-Ndrrffr: TagÄlatt Nuerrzgebirge. — Fernhrrechrr 5». Für unverlangt eingesandte Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. . Druck und Virtag I«. vwc»- a. veriäg« sw,Neckel» m. b. h. in Air« t. Erz geb. Bezog,prei»; Durch unser« Boten frei tnr^ao, monatlich ro 0fg. Bei der Geschäftsstelle abgeboltmonatlich sto pfg. und wöchentlich 10 0sg. — Bet der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich i.rolNk., monatlich so pfg. — Durch den Briefträger frer in» ksau» vierteljährlich t.-r Mk„ monatlich est pfa. — Einzelne Nummer so Pfg. — Deutsch« postzettungrkatalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, m« Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Insertion,preis: Die stebengeh-altene Xorxuszeil« od« deren Raum sür Inserate aus Rue und de« Ortschaften d« Bmtrhauxtmannschast Schwarzenberg ,0 Pfg., sonst ,i pfg. Reklamepetitzeile 2S pfg. Bei größeren Abschlüssen ent- tzrechender Rabatt. Annahme von Anzeigen bi, spätesten, z'/> Uhr vormittag». Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorh« bet un» «ingehen. Vies« »»«ei' » äßs 10 r«ttt» Außrrdem liegt da« achtsettige illustrierte Sonntag,blatt bei. Das Wichtigste vom Lage. Staat-Minister v Or. Beck äußert« fich gestern bei einer Besprechung der innerhalb de« Kultusministerium« eingesetzten KommtssionzurVorbereitungderSntrvurf« eine» Bolk«schulgesetze« mit den Beztr keschul- Inspektoren de« Lande« über den St an d d e, B olle- schulreform. Dir bayrische LanbeSsammlungzu Ehren de« 90. G e burtstages desPrintregentenhat 4'/, Milli onen Mark ergevin. Der GouverneurvonDeutsch-SüdwestafrikaDr' Seitz, der früher bereit« einmal von der Malaria be fallen war, erlitt jetzt einen nicht ungefährlichen Rückfall. Der Deputierte Deny« Tochi« benachrichtigte den französischen Minister de» Aeußeren, Lruppt, daß er ibn da darüber intervenieren werde, welchePolitlk die Regierung in Marokko zu bi folg en beabsichtige. Die Interpellation >oird am Donnerstag «ingebracht werde». Au« dem Wtlajctt Ldana werden groß« Neber- schwemmungr« infolge der Schneeschmelz« gemeldet. Zahlreich« Häuser und mehrer, Brücken der B ag- dadbah« wurden zerstört. O In Wisconsin (Amerika) wurden durch Explosion von Pulvermagazin 3S0 Personen verletzt und mehrere hundert Häuser zerstört. Priuzregerrt Luitpold. An diesem Sonntag erreicht der greise Verweser der Krone Bayern das SO. Lebensjahr. Nicht nur in Bayern, son- dern auch außerhalb der blau-weißen Grenzpsähl«, soweit die deutsche Zunge klingt, wird man an diesem Tage voller Sympathie des Prtnzregenten gedenken. Nicht immer war es so. Als vor Der Eindtttch. Humoreske von A. Rettlow. Nachbnuk o«rL-t«v Wenn man achtundzwanzig Jahre Polizeidienst getan hat, dann ist man mehr oder weniger «in mißtrauischer Mensch. Der Kanzleirat a. D. Willmers behauptete sogar, daß jeder Mensch mindestens einmal in seinem Leben gestohlen oder sonst was Polizeiwidriges ausgefressen habe. Er nannte das den gewissen dunklen Punkt. Dabet war der Kanzletrat durchaus kein Men schenfeind. Unter seinen Freunden und Bekannten galt er so gar für ein urgemütliches Haus. Nur an die amtliche Seele durfte man ihn nicht greifen — auch dann nicht, nachdem er seinen Sitz in der Krtminalabteilung II längst einer jüngeren Kraft abgetreten hatte. Wurde der Beamte in ihm geweckt, so war er zugeknöpft bis zu der weißen Halsbinde Hinauf, die er seit Urväterzeiten trug, und seine sonst gutmütigen Augen blick ten hinter der scharfen Brill« so ingrimmig, al» s«t er auf der Spur «ine» Kapitalverbrechen». Da» «ar heut« in ein«m so be- unruhtgenden Maße der Fall, daß der Obersteu«rkontroll«ur, der soeben beim Frühschoppen di« kitzlig« Stell, de» alten Herrn be rührt hatte, sich rein au» Verlegenheit noch «inen Schoppen be stellte, obwohl er sehr wohl wuA«, daß «r sich den Appetit zum Mittagessen verdarb. Kanzlelrat Willmer» räusperte zweimal heftig in di« hohl« Hand und ordnet« dann umständlich ^7. «in paar Verfilzen. Ma» Sie da sagen, Herr OLerkontroll«ur," erklärte er bedächtig, aber mit dem Blick «ine» Großinquisitor«, „interessiert mich nach zwei Richtungen hin. Zunächst natürlich al» Beamten, wissen Sie etwa, nähere« über den jungen Mann, den St« soeben er- wähnten?" „Herrje, «a» soll ich denn wissen!" rief der dick« Zöllner, indem er di« Schultern -ob und di« Arm« breit auf d«n lisch legte. „Ich hab« überhaupt nicht» gesagt." „Natürlich hat er nicht, gesagt," warf der Forstmeister «in, de« sich an der Unter- Haltung nur durch Bekräftigung de» Letztge-örten beteiligte — sofern nicht von der Jagd di, N-de war. Da« Antlitz des Kanz- beinahe «tnem Vierteljahrhundert Prinz Luitpold infolge des traurig«» Ereignisse» im Starnberger See und angesichts de» un heilbaren Leiden» de» jetzigen Königs Otto di« Regentschaft über- nehmen mußte, verhielt man sich im Bolle, namentlich in den Ge birgsgegenden, dem neuen H«rrn gegenüber recht kühl. Ja, die» Verhalten war sogar feindselig, di« wildesten Gerücht« wurden ausgesprengt, um sein« Stellung zu untergraben. Di« naive Bevölkerung glaubte nämlich an ein« Wiederkehr König Ludwig» II, wollte dessen Tod nicht glauben, und di« Re gierung stieß daher bei ihren Maßnahmen ost auf erbitterten Wi derstand. Allmählich verstand sich der Prinz-Regent aber doch duvchzusetzen, sein« Schlichtheit und Gradheit nahmen schon äußerlich für ihn «in uiü» heut« ist sich alle» einig, daß man kaum einen besseren Verwalter hätte finden können al» ihn. Politisch nach irgend einer Richtung hin zu wirken, hat der Prtnzregent geflissentlich vermieden, er be mühte sich, streng konstitutionell zu bletben und den Wünschen de» Volke« stet» nach Möglichkeit gerecht zu werden. In der Wahl seiner Ratgeber bewies er meist ein« glückliche Hand, e» kann mit Genugtuung konstatiert werden, doch während sei ner Herrschaft sich Bayern zu immer weiterer Blüte entwickelt Lat. Unter recht schwierigen Verhältnissen hatte der Prinzregent sein Amt angetreten, mancher Widerstand mußte überwunden werden, manche SchwiertSeiten galt r» zu beseitigen. Aber un verrückt ging der Prinz sein« Bahn« Infolge der unheilbaren Krankheit de» jetzigen König» taucht« m«hr wie einmal d«r Plan auf, dem Regenten di« K ö- nig»würd« definitiv zu überlassen und an di« Stell, de» Provisorium» «inen rechtegiltigen Zustand zu setzen, weil man die» für di« politisch« Entwicklung de, Lande» für vorteil hafter hielt. Prinz-Regent Luitpold hat sich derartigen Plän«n, deren Durchführung zweiffellos auch dis größten Schwierigkei ten mit sich gebracht hätte, stet» widersetzt, indem er die Anschau ung vertrat, daß er in seiner jetzigen Eigenschaft durchaus für das Wohl des Lande» wirken könne und dabei ist es denn auch geblie- ben. Charakteristisch für ihn ist auch sein Verchältniszum Reich. Er ist allezeit «in überzeugender Förderer des Reichsgedankens gewesen, hat es aber auch verstanden, stet» dieVorrechteBayernsmit Entschiedenheit wahrzunehmen. Es hat verschiedentlich nicht an Verstimmungen -wischen München und Berlin gefehlt, man hat in der Jsarstadt manche Maßnah men scharf mißbilligt, die von der Spree kamen und ebenso hat manche» in München gefallene Wort in Berlin verschnupft. Aber auf beiden Seiten ging man schließlich doch über den Geist der Kleinlichkeit hinweg und reichte sich um so freundschaftlicher wie- der di« Hand. Im besonderen auf dem Gebiete des Heer» letrats verfinsterte stch mehr und mehr. „Weichen Sie mir nicht au«, meine Herren! Da» würde Ihnen Lei mir nicht» nützen. Bei mir nicht," wiederholt« er mit erhobener Stimme. In selbst, vergessener Geschäftigkeit begann er dem Oberkontrolleur zunächst da» Nationale abzufragen. „Wissen Sie was, Willmers," be merkte dieser trocken, ,/Lie find «in alt«r Dröhnbartel, der sich immer noch nicht daran gewöhnen kann, daß er mit dem Kronen- ordon IV. Klasse und der gesetzmäßigen Pension dem amtlichen Verkehr mit Spitzbuben entzogen ist. St« sind doch hi«r nicht in der Krtminalabteilung II, sondern am gemütlichen 11 Uhr-Tisch im Goldenen Frosch" „Allerdings, aber in meiner Eigenschaft al» Beamter —„Diese Eigenschaft haben Sie eben »ich mehr, Donnerschock, nochmal!" rief der Kontrolleur, indem er sein Glas von sich schob, um «» gleich wieder heranzuziehen. ,^lnd daß Sie da, immer vergessen, ist naHerade ungemütlich Wenn man hier mal «in Wort fallen läßt, Dill man doch nicht im nächsten Moment beim Schlafittchen gefaßt und sozusagen amtlich verhört w«rd«n!" „Aber Si« müssen mir doch zugeben, daß die Sach« im höchsten Grad« verdächtig ist!" begehrt« Emmerich Willmer» auf. ,Mr nicht» gebe ich zu," erwiderte der Kontra!» leur. „Ich hab« weiter nicht, gesagt, al» daß sich der junge Sng. länder nun schon mbt Tag« in unserm still«» Vorort aufhält, ohne daß ein Mensch 'n« Ahnung hat, wa» er hier will oder tr.'M Das ist vielleicht auffallend, aber doch nicht gleich ver dächtig. Sir wissen ja, wie da» in unserm Oertchen ist — wenn ms! «in Fremder länger als vftrurdzwanzta Stunden bleibt, so schläft man keine Rächt mehr, Li» man qveiß, woher er ist, wie er ?<ißt, welchen Zweck fein Aufenthalt Lat und so wetter. Und nun gar di« Weiber! Mcin« yraueneleut« haben mich schon halb tot gemacht mit Fragen nach di«f«m mysteriösen Mister Fullbrtght, der alle Mittag Lei der Tadle d'hot« «in« Flasch« Champagner tutscht, während unsereiner nur bet Kaiser» Ge- burtrtag sich «in« halb« deutschen Schaumwein leistet. Da, ist da» Ganz« — und «egen so etwa, lass« ich mich nicht zu Proto- koll vernehmen. — Fritz zahlen!" »Fritz zahlen!" echot« der Forstmeister, obwohl er der einzig« war, der noch fitzen blieb. Di« anderen Herren verkrümmelten sich. E, war «in alter wesen» hat Bayern unter dem Regenten in vielen Punkten große» Entgegenkommen bewiesen, sehr zum Aerger der auch nach dem Ableben de» Vreußenfresser» Sigel noch immer nicht gan- ausgestorbenen Partikulartsten. E» sei nur an di« Aufgabe der früheren bayerischen Militärgerichtsordnung und Schaffung eine» bayerischen Senats am RetchsmilttärgerM erinnert, an Uni- formfragen und dergleichen m«hr. Mögen da, auch nur »um Teil Aeuherlichkeiten gewesen sein, sie zeigten die treue deutsche Gesinnungde» Regenten und nicht im letzten Hinblick hierauf begeht man auch außerhalb Bayern» den Ehrentag de» Prinz regenten mit dem Wunsch«, daß er seinem Land« zu segensreichem Wirken noch recht lang« erhalten bleiben möge. Wie di« Norddeutsche Allgemein« Zeitung meldet, hat d«r Kaiser außer der Verleihung de» Schwarzen Ldl«rord«n» an den Grafen von und zu L«rchenftld zu dem bevorstehend«» neun zigjährigen Geburtstag de» Prtnzregenten Luitpold von Bayern folgend« Ord«n»au»zetchnungen verliehen: die Brillanten zum Großkreuz de» Roten Adlerorden» Seiner Exzellenz dem Staat». Minister de« Königlichen Hause» und de, Aeuhern, Grafen v. Pod«vil»-Dürntz; den Roten Adlerorden 1. Klasse dem Staats- Minister der Justiz Ritter v- Miltner und dem Staatsminister für Verkehreangelegenheiten Ritter von Frauendorfer; den Kro nenorden 1. Klass« dem Staatsrat und Ritter Edl«r w Lößl; den Kronenorden r. Klass« dem Ministerialrat Ritt«, v. Müller. -- Der Reichskanzler Dr. v. «Mhmann-Hollweg besucht« geftern nachmittag d«n bayerischen Gesandten Grafen von und zu Ler chenfeld und überbracht« ihm persönlich die Insignien de» Schwar zen Adlerordenu, Auf Befehl de» Kaiser, werd«» au» Anlaß de» SV. Ge burtstages de» Prinzregenten Luitpold von Bayern am Sonntag, den 12. März, sämtliche Staatsgebäude in Berlin Flaggenschmuck tragen. Im Berchtesgadener Land, dem Lieblingsland de» Prinzregenten Luitpold von Bayern, erhalten di« am Sonntag, den 12. März diese» Jahre», auf di« Wett kommenden Knaben, ehelicher und unehelicher Geburt, von einem unbekannten Spender «inSparkas senbuchüber ISO K. Di« Nachfrage nach Jubiläumlpvstkarten führt« in Nürnberg gestern auf den Postanstalten zu einem derart lebens- gefährlichem Gedränge, sodaß teilweise die Schutzmanns posten etngreifen mußten. In einer Anzahl Postanstalten wurden und löblicher Brauch am 11 llhr-Etammtisch im Goldenen Frosch, daß man Lei drohenden Difierenzen einfach auseinanderging, um am nächsten Tag« wieder anzutreten, al» wenn nicht» vor gefallen wäre. Bet dem Kanzleirat Emmerich Willmers blieb diesmal «in stärkerer Stachel sitzen, al« sonst — au« verschiedenen Gründen. Einmal fühlte er seine EtammttfchÄutorttät ernst lich erschüttert. Nach seiner Ueberzeugung stand «in Polizeimann hoch über allen anderen Beamten, und wenn dies« sich dagegen auflehnten, so geschah das auf Kosten der sittlichen Weltordnung. Uber er wollte seine Position schon wtedergewinnenl Dazu war vor allen Dingen nötig, daß «r dem verdächtigen Engländer auf den Grund kam. Und dem einstig«» Bureauchef der Kriminal- abtetlung II sollt« da» gewiß nicht schwer fallen — obwohl di« Sache gerade für ihn ein« recht kitzlige Seite hatte. Di« einzig« gesellschaftliche Beziehung, die der junge Engländer gleich am zweiten Tag, seiner Anwesenheit anzuknüpsen versucht hatte, war — Lei Kanzletrats gewesen. Wie Emmerich Willmer, zu der Ehr« kam, war ihm bis zur Stunde unklar geblieben — und da- schien ihm jetzt auf dem Nachhauseweg, ein neu,», schwrr- wiegende» Verdachtsmoment. Ein Engländer war ohnehin schon verdächtig. In London wohnen notorisch di« meisten und größ ten Spitzbuben. Dieser jung« Mann whrt, etwa» Poltzetwtdri- g«, im Schild«, und so hatte «, zunächst gesucht, da, «ach« Auge d-s Gesetze» durch Liebenswürdigkeit zu trüben. Da» Latte Lei ihm, dem Kanzletrat, natürlich nicht gyogen — aber hinter die weibileut« schien er sich gesteckt zu haben. LUd«, di« erst vo, vier Wsochrn au« d«r Pension gekommen war, und ihr« Mama schwuren auf Miste, Fullbrtght. Ihr dritte, Wort war Mister Fullbrtght. < Zu Haus« angelangt, wurde d«r Kanzletrat von seiner Gat- ttn gleich im Flur mit d«r Anrede begrüßt: .Mißt du, Männe, der Mister Fullbright —1" Gleichzeitig öfinet« sich auch di« Stu- Lentür, aus der Fräulein Tilde da» blonde Köpfchen steckt«: „Papachen, Mist« FullLricht —" Auf ein« energisch« Handbe- Degung dD Gatten und Vater» schwiegen Seid« und sahen sich erschrocken an. Er bemerkt« da« — und fein Argwohn «uch«. Gan, gegen sein« Gewohnheit Lettat er im Petz und den Hut auf dem