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m. 1^, .26. Jahrgang Auer Tageblatt LLLZ Anzeiger sür öas Erzgebirge — Donnerstag, äen 26. November l93i der Zer Deutsche Bemntenbmid zu den Leitsiitzeu des Wirtschastsbeirats Berlin, 24. November. Der Deutsche Beamtenbund hat heute folgendes Telegramm an die Reichsregierung z, H. des Reichskanzlers Dr. Brüning gerichtet Die Bundesleitung des Deutschen Beamtenbundes hat heut« zu dem Ergebnis der Beratungen des Wirtschaftsbeirats Stellung genommen. Da kein Vertreter der organisierten Beamtenschaft in den Beirat berufen wurde, war sie bei ihrer Beurteilung aus den amtlichen Bericht angewiesen. Danach ist die Senkung der Löhne und Gehälter als unvermeidlich angesehen worden, während die für die Erhaltung des Realeinkommens notwendige Senkung der Lebenshaltungskosten auf den verschiedensten Gebieten zwar als ! wichtig erkannt worden ist, jedoch ohne daß durchgreifende Matz- nahmen vorgeschlagen werden. Diese Auffassung erfüllt uns mit ernster Sorge, weil die Stärkung der Kaufkraft durch erhebliche Preissenkung Voraussetzung für die Wiederbelebung der Wirt- schäft und die Gesundung der Staatsfinanzlen- ist. Außerdem hat die Art, wie die mehrfachen Einkommensschmälerungen und Nechtsml'nderungen in Reich, Ländern und Gemeinden vorge nommen wurden, die Beamtenschaft außerordentlich erregt. Aus alledem haben war den dringenden Wunsch nach einer Aussprache mit dem Herrn Reichskanzler, die wir mit Rücksicht auf die bevor stehenden Entscheidungen der Reichsregierung für die nächsten ! Tage erwarten. Reue Richtlinien für die landwirt schaftliche Siedlung Berlin, 24. November. In Heft 33 de« Reichsarbeitg. blatte, vom 25. November 1931 werden neue Richtlinien für die landwirtschaftliche Siedlung veröffentlicht. In diesen Nicht- ltnien, die das Reich gemeinsam mit Preußen als dem einzigen an der Deutschen Siedlungsbwnk beteiligten Land aufgestellt hat, und die nach Fühlungnahme auch mit den übrigen Ländern für das ganze Reich in Kraft gesetzt werden, werden neue Wege der Siedelung vorgezeichnel. Bisherige Siedlungsfovm und Sied lungsverfahren werden weitgehend umgestaltet. Die neuen Be stimmungen erstreben eine Verbilligung, Vereinfachung und Be schleunigung der Siedelung und suchen damit Forderungen der Kreise zu erfüllen, in denen heute das größte Siedlungsbedürsnts besteht. Das sind die minderbemittelten Schichten der ländlichen Bevölkerung, insbesondere die Landarbeiter und Handwerker Anbausiedlung und Gruppensiedlung stehen im Mittelpunkt der neuen Richtlinien. Dem Siedlungsbewerber wird nicht mehr eine vollkommen ausgebaute Bauernstelle übergeben. Die Stelle wird vielmehr nur in einem Zustand bereitgestellt, wie sie der dringendste Mrtschaftsbedarf für die ersten Jahre erfordert, d. h. neue d»a v«»annen, pno im uau,e ^geführt worden, sie hatten zunächst den und die Aufgabengebiete für die einzelnen Kessort, abzugrenzen, damit diese an die praktische Arbeit gehen Ad * Entwürfe auszuarbeiten, für die die Leitsätze des Wirtschaftsbeirates die grundsätzlichen Unterlagen geliefert haben. """ damit öu rechnen, daß die nächsten zehn Tage eine MA^°2/eratungen in den Ministerien, Ehefbesprechungen, Minifterbefprechuygen und Kabinettssitzungen bringen werden. Au» dieser Aufgabenverteilung ergibt sich schon, daß die kommende Notverordnung eine ganze Reihe von Einzelvorlagen enthalten, also auch wieder recht umfangreich sein wird. In unterrichteten -Nelsen rechnet man damit, daß das Kabinett trotz der außer' »»ßntttch starken Lrbeitsansprüche, die diese Aufgabe an alle Ve> teiligren stellt, vor dem Beginn der Baseler Verhandlungen, also -etwa am b. oder K. Dezember fertig werden wird. Die Haltung der SPD. Berlin, 24. November. Der Vorstand der sozialdemokra tischen Reichstagsfraktion nahm heute die bei der gestrigen Be sprechung mit dem Reichskanzler den sozialdemokratischen Vertre- teru abgegebenen Erklärungen entgegen. In der Aussprache wurde, wie von der Fraktion mitgeteilt wird, in erster Linie die durch die Thesen der Reichsregierung über die Gestaltung des Tarifrechts und den Lohnabbau sich ergebenden Gefahren für die Lebenshaltung der Massen des Volkes erörtert. Einmütig gebil- ligt wurde, wie das Nachrichtenbüro des VDZ. hört, die ent schiedene Warnung des Vorsitzenden der Fraktion, Dr. Vreitscheid, mit der die letzte Besprechung mit der Reichsregierung cingeleitei wurde. Eine Aushöhlung des Tarifrechts und eine wettere Sen kung des Reallohns verschärfe die innerpolitischen Spannungen, führe zu weiterer wirtschaftlicher Drosselung und Arbeitslosigkeit und ruf« größte Gefahren hervor. Entsprechend dem Beschlüsse des Reichstages vom 16. Oktobe seien alle Pläne auf Aushöhlung des Tarifrechts abzulehnen und die Angriffe auf die Unabdingbarkeit des Tarifvertrags abzuwehren. Die sozialdemokratische Reichs tagsfraktion tritt am 1. Dezember zusammen. des Wirtschaftsbeirates angedeutet Word?« sind. Ter NuSschußvorsitzcnde Abg. Lipinski (Soz.) begründete dann einen sozialdemokratischen Antrag, der die Her absetzung der Tilgungsraten für alle Hypotheken ver langt und eine ganze Reihe weiterer wohnungspoli tischer Forderungen aufstellt. Abg. Lambach (Ehr.- Svz.) führte bet der Begründung eines Antrages autf Senkung der überteuerten Neubaumteten aus, die Mietverbilligung könne durch zeitweisen Verzicht auf die Zinsen und Tilgungsraten bei HauSzinSsteuerhihpo- theken herbeigesührt werden. Weitere Anträge auf Ausstellung und Durchführung eines WohnungSbaupro- arammS lagen vor von den Kommunisten und der Deut- schen Volkspartet. Zu den Anträgen auf Streichung der HauszinSsteuerhhpothekenverzinsung für Häuser im Werte von weniger als 5000 RM erklärte Abg. Winne feld (D VP.), daß dadurch ein ungerechter Unterschied zwischen Land und Stadt bet sozial gleichgestellten Be- wohnern der Häuser herbeigeführt würde. 4,84 Millionen Arbeitslose Berlin, 24. Nov. Die Zähl der Arbeitslosen in der ersten Hälfte des Monats November ist um rund 220 000 auf rund 4 840 000 gestiegen. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger tst um 63 OOO.die der Bezieher der Krisenfürsorge um SO OOO gewachsen. Berlin, 24. Nov. Zu den oben gemeldeten Zahlen über die Arbettsmarktlage im «eiche ist noch Vie Gen ^abinenzberalungen über dir neue Notverordnung Englische Blätterstimme« London, 24. Nov. Die heutig« Nummer der „Times" bringt im Finanziell eine Betrachtung über den bevorstehenden Zusammentritt des Beratenden Sonderaus schusses der BIZ., worin sie sich nachdrücklich str -ine Pa rität der privaten- vor den ReparationSschuldeneinsetzt. Sie beruft sich auf die Erklärung der Londoner Mtntsterkonfe. renz vom 23. Juli ds. IS., auf der daS ^illhalteMmmnen aufbaute. Daran anschließend erörtert sie ^ wirtschaft- ltchen Voraussetzungen der Reparatt^Szah^ aus dem Überschuß der Ausfuhr überdie Einfuhr bezahlt werden können, und kommt zu dem Schluß, da^ weil d^ Ausfuhr nur durch die Deutschland gewährten privaten Kredite ermöglicht worden sei, die Natur der Dinge den privaten Schulden einen Vorrang vor den N^arations schuld en gebe. In ähnlichem Sinne schreibt auch -Finan cial Times", die erklärt, daß, wenn DeuMand bet der Zahlung der privaten Schulden nicht unterstützt werde, ReparaÜonL-ahlmtgen unmöglich würden. nachzutragenr Don den am 81. Oktober d Zf «. zählten rund 4028 000 Arbettslosen erhielten rund 17 v. H. keine Unterstützung, von den zu jenem Zett- punkt unterstützten Arbeitslosen entfielen etwa v. D-"uf Arbeitslosenversicherung und «rtsenfürsorge. etwa 84 v. H. auf die öffentlich« Fürsorge. Im Stein- kohlenbergbau des Ruhrgebietes kam in der ersten No« vemberhälfte die rückläufige Bewegung zum ersten Mal seit Monaten zum Stillstand. Entlassungen erfolgten nur noch vereinzelt, und die ZahL der Feierschichten ging zurück. Die Entlassungen aus den meisten Zwei gen des Maschinenbaues und der Kleineisenindustrte setzten sich fort. Dagegen hatten Betriebe der Metall- Verarbeitung vielfach besser zu tun. Die gute Beschäf. trgung in der Möbelindustrie scheint ihren Höhepunkt zu haben. Kleine Vorlage« im Reichsrat Berlin, 24. Nov. Der ReichSrat hält am Donners tag wieder eine Vollsitzung ab, in der er sich u. a. mit einer Ausführungsverordnung zu dem Gesetz über Zuschüsse des Reiches für die Ansiedlung von Landarbeitern beschäftigt. Ferner soll das Gesetz über die Vorführung ausländischer Bildstreifen um ein halbes Jahr verlängert werden. Wet ter wird der Reichsrat eine neue Mtlitäreisenbahnordnung, eine Aenderuug der RechtsanwaltSordnuna und eine Aen- dcrung der Entschädigungen für Schöffe, Geschworene und Vertrauenspersonen beraten. In den Ausschüssen wird in nächster Zeit vor allem über die Verteilung der Wohlfahrtslasten auf Länder und Gemeinden und über das Zugabeweson beraten werden. Diese Beratungen dürften einige Zeit in Anspruch nehmen, so daß die Entscheidung erst in einer neuen Vollsitzung in etwa 14 Tagen fallen wird. Der freiwillige Arbeitsdienst Berlin, 24. Nov. Die Einrichtung des freiwilli gen Arbeitsdienstes Hut beim. Landesaribeitsamt Westfalen guten Anklang gefunden. Die Meldungen zu diesen Ar beiten laufen in solcher Zahl ein, daß die eingeleiteten Maß nahmen nicht ausreichen, um alle Dienstwilligen zu beschäf tigen. Zur Zeit sind 46 Maßnahmen (Bodenverbesserung, Wegebau usw.) genehmigt und größtenteils bereits in An griff genommen. Dadurch können rund 2000 Arbeitsdienst willige beschäftigt werden. Beginn der deutsch-italienischen WirtschaftSverhaudlungen am Freitag Berlin, 24. Nov. Die deutsch-italienischen Ver handlungen über ein Zusatzabkommen zum deutsch-italieni schen Handelsvertrag werden voraussichtlich am Freitag in Nom beginnen. Eine Delegation reist am 25. November nach Rom ab. Umzugsverbot in Thüringen Weimar, 24. Nov. Das thüringische Kabinett hat am Dienstag das vom Innenministerium in Aussicht ge nommene polizeiliche Verbot von öffentlichen Umzügen und von Geländeübungen in der Zeit zwischen 17 Uhr und 7 Uhr gebilligt. Ferner erklärte sich das Kabinett damit einverstanden, daß für Anzeigen, die zur Auffindung von Waffen und Sprengstofflagern führen, Belohnungen aus gesetzt werden. Es handelt sich bei diesen Kabinettsbeschlüs» sen um Leilbestimmungen einer Verordnung, die in den nächsten Tagen zu erwarten ist und welche im wesentlichen dem preußischen Vorgehen angepaßt sein wird. Spreng stoff-Funde, die noch dieser Tage in Gräfenroda gemacht worden sind und die Häufung von Zusammenstößen zwt- schen politischen Gegnern haben nach einer Auskunft de» thüringischen Innenministeriums die Verordnung ver anlaßt. Abgeordneter Ladender» legt leine Varteiämter nieder Berlin, 24. Nov. Der bisherige Vorsitzende - wirtschaftSparteilichen Fraktion im preußischen Landtag, Abgeordneter Ladendorsf, hat in der FraktionSsitznng am DienStag mitgeteilt, daß er seine sämtlichen Partetämter, insbesondere auch da« de» Vorsitzenden der Landtag«, fraktton, bi« zur restlosen Klärung des gegen ihn im Au- sammenhang mit dem Zusammenbruch der Berliner Bank für Handel und Grundbesitz eingeleiteten Verfahrens nieder- gelegt habe. Am Mittwoch wird sich der GeschästsordnungS- auSschuß de» preußischen Landtags mit dem Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Lad ndorff, der selbst um beschleunigte Erledigung gebeten ha., beschäf- tigen. Mvhimngsausschub des Reichstages Berlin, 24. Nov, Der WohnungSauSschuß des Reichstage» setzte Heute die Beratung der Anträge ver- schieden» Parteien auf Förderung des Kleinwohnung», baue», Senkung der überhöhten Neubaumt-'en und Aufstellung eine» WoHnungSbauProgrammS fort. G» wurde beschlossen, die Regierung aufzufordern, am Mittwoch dem Ausschuß Auskunft zu geben über di« ReaterungSpläne in der Wo^ung^oltttk, wie sie in der «»sprach« de» Reichskanzler« in de« Schlußsitzung gemäß bewirtschaftet werden. Die neuen Richtlinien tragen mehr als bisher deri tatsäch. < des Reiches und dem vorhandenen Siedlungs- bedurfnis Rechnung. Sie werden dadurch mittelbar und uumit- teibar eine wirksame Hilfe im Kampfe gegen die Arbeitslosigkeit ottoen. Gewerkschaftsring zum Verhandlungs ergebnis des Wirtschaftsbeirates Berlin, 24. November. Der Gesamtvorstand des srelhett. lich nationalen Gewerkschaftsringes nahm den Bericht eines Ver treters im Wirtschafts'beirat über den Verlauf der Verhand lungen entgegen und gab seiner Enttäuschung über das Ergebnis Ausdruck. Eine, vom gewerkschaftlichen Pressedienst verbreitete einmütige Entschließung besagt, die von der Reichsregierung for- mulierten Leitsätze zeigten, daß man nicht bis zu den Kernfragen der Krise vorgedrungcn sei. Solange immer nur einseitig an Lohn und Gehalt herangegangen würde, müsse sich die katastrophale Schrumpfung des Jnlandsmarktes fortsetzen. Wenn der deutschen Wirtschaft nur der Weg einer allgemeinen Senkung aller Ge stehungskosten bliebe, dann sei eine Durchführung Voraussetzung, die mindestens die jetzige Kaufkraft des Arbeitnehmereinkommens erhalte. Dieses Ziel könne die Reichsregierung erreichen, wenn sie den stärksten Druck auf alle anderen Selbstkostenfaktoren aus übe. Der Eewerkschaftsring erwarte, daß sich die Reichsregierung allen entgegenstehenden Arbeitgebereinflüssen verschließe. Er warne vor Erlaß der Notverordnungen noch einmal eindringlich vor jeder Fortsetzung der für die ganze Wirtschaft verhängnis vollen Politik der einseitigen Massenbelastung.