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Beilage M ^7 75 des Amts- und Wochenblattes sw Wilsdruff. Freitag den 21. September 1877. Tagesgeschichte. Die Berichte vom Rhein über die dortigen schön verlaufenen Kais er tage machen in den. weitesten Kreisen und gewiß nicht in Deutschland allein einen mächtigen Eindruck. Die treue Anhänglich keit und verehrungsvollc Liebe, welche alle Klassen der geistig leicht erreglichen Bevölkerung dem glorreichen Wiederbringer des Reichs mit begeistertem Ausdrucke entgegentrugen, übertraf in der hervorbrechcnden Einmüthigkeit dieses Ausdrucks in der That alle berechtigten Er wartungen. Zu vielen Tausenden strömte jeden Tag die Bevölkerung allerorten, wo der hohe Herr erschien, zusammen, und jubelte ihm entgegen und drängte sich an ihm heran, um der eben so imponiren- den wie leutseligen Erscheinung des Heldeugreises ihre Huldigungen darzubringen. Aus allen Theilen der Provinz gingen ihm Ergeben- heiisadrcssen zu. Die Feste, welche einzelne Städte ihm gaben, waren das Glänzendste, was sich ersinnen ließ. Kurz, der ganze Aufenthalt des Kaisers in der Nhciuprovinz bildete die Bestätigung der Ver sicherung, welche der Fürst von Wied demselben bei dem Ständefest in Düsseldorf im Namen der gesammten Bevölkerung gegeben;, daß dankbare Liebe und Verehrung das Herz eines jeden Rheinländers erfülle; und wenn der Kaiser diese Versicherung schon damals mit der Erklärung erwiderte, die Herzlichkeit, mit der d e Provinz ihn be grüßt habe, sei ihm ein neuer Beweis ihrer Anhänglichkeit und Treue, so wird dieses Wort jetzt noch richtiger den Eindruck wiedcrgebeu, den er von seinem Aufenthalt am Rhein empfangen. Berlin, 18. September. Die „Nordd. Ällg. Zeitung." meldet: Nach einer Salzburger Privaldepesche vou gestern Abend haben Fürst Bismarck und Andrassy zum heutigen Tage Wohnungen im „Hotel Europa" bestellt, die Begegnung beider Staatsmänner dürfte demnach heute schon stattfindeu. Der Botschafter Graf zu Münster ist gestern von Loudon nach Salzburg abgcreist. Die Lieferung von 65,000 Zelten für die russische Armee und zwar innerhalb vier Wochen, hat, wie man hört, eine wohlbe kannte Berliner Firma übernommen. Der betreffende Kontrakt ist am vorigen Sonntag abgeschlossen worden. Die Herstellung der Zelte, wobei ca. 1000 Personen beschäftigt werden, geschieht in für diesen Zweck gennelheten Räumen des Jndustnegebäude in der Komman- dautenstraße. Wieder ein Sieg der Türken und ein Umschlag in dem wechsel- reichen furchtbaren Ringen um Plewua, der dcu Kampf allem An schein nach auf einige Zeit zum Stillstand bringen wird. Die Türken haben am 13. September die von den Russen am 11. September erstümten Stellungen, Schanzen und Redoulcn (mit Ausnahme der von Grivitza, wie es scheint) zurückerobert. Es war wiederum ein furchtbar blutiger Kampf, in dem die Russen 6000 Mann au Lodten und Verwundeten verloren haben sollen. Die (engl.) Depeschen melden darüber: Die Türken haben am 13. Sept, die verlorenen Stellungen zurückerobert. Der russische General Skobeleff (der die belr. Stellungen am am 11. erstürmt hatte) forderte mehrmals Ver stärkungen, die im aber vou dein Unlerchef des Generalstabcs, Gene ral Lewitzkh, abgeschlagen wurden. Schließlich sandle General Koiloff aus eigene Verantwortung 1000 Mann zur Hülfe, sie trafen aber zu spät ein, ebenso wie ein ganzes Regiment, das vou dem Hauptquar tier zuletzt dem General Skobcloff nachgeschickt wurde. Die Russen Verloren die Schanzen und die Türken besetzten sie. Der Verlust und die Erschöpfung der Truppen ist so groß, daß die Erstürmung von Plcwna vorläufig von den Russen ausgegebcn worden ist und die Ankunft der Garden abgcwartel wird, die vor Ende September kaum erfolgen kann. Es wird wahrscheinlich eine regelmäßige Bela gerung von Plewua und seiner Werke uölhig, bei welcher Schaufel, Hacke und Krupp'sches Geschütz die Hauptarbeit werden verrichten müssen. Der Gang der Errcignisse vor Plcwna ist nach einer über- sichllcheu Darstellung des Berl. Tageblattes folgender: Am 3. Sept, fiel Lowatsch in die Hände der Russen und erleichterte den Angriff auf Plcwna. Am 4. versuchten die Türken vergeblich, den Ort wieder zu nehmen. Am 5. und 6. Batteriebau und Ausrüstung der Werke mit schweren Geschützen unter Angriffen der Türken. Vom 7. bis 11. Artilleriekamps, am 8. Ausfall der Türken. Am 10. Abends Er stürmung türkischer Stellungen durch General Skobeleff, am 11. großer allgemeiner Kampf, Skobeleff erstürmte 3 türkische Redonteu, General Nedionoff das starke Werk bei Grivitza. — Am 12. Gcschütz- kampf, am 13. erobern die Türken ihre Stellungen und Werke zurück. Auch russenfrcundliche Blätter scheu die Lage der Dinge für die russische Armee sehr trübe an. So schreibt tue Wiener „Presse", an- knüpsend an die officielle Mitthciluug über die russisch-rumänischen Verluste bei Plcwna, welche bekanntlich aus wenigsteus 16,000 Mann geschätzt werden: „Man traut kaum seine» Augen, wenn man diese Ziffer überlegt nnd an die eine Grivitza-Redoule denkt, welche mit solchen Verlusten erobert und am 14. nur durch die Aufbietung der Reserven erhalten wurde. Es giebt keine gründlichere und verderb lichere Verurthcilung der russischen Kriegführung als diese Verlust- ziffer, welche nichts weniger sagt, als daß jeder sechste Mann die Front als todt oder verwundet vcrlasseu mußte. Ein Heer, welches solche Verluste aufweist, ohne den Kampfplatz zu verlassen, giebt da. mit zwar eine wirklich bewunderungswürdige Probe der Ausdauer und Tapferkeit seiner Soldaten, aber in jener schaudererregenden Ziffer liegt eine Anklage gegen den rassischen Gcneralstab und gegen Alles, was drum und dran hängt, für welche eine menschliche Ver antwortung schwer denkbar ist. Ein Verlust vou 16,000 Mann spricht nicht nur für die ausgemachte Unfähigkeit, sondern auch für den Hochmuth nnd die Gefühllosigkeit der russischewCommandanten, welche nicht Schlachten schlagen, sondein Schlächtereien ausführen." Ueberraschend kommt die allerdings vorläufig nur vou Constan- tinopel gemeldete Nachricht, daß es der unglaublichen Ausdauer und Zähigkeit Suleiman Paschas endlich gelungen sein soll, den Russen die wichtigste Position am Schipkapaß zu entreißen. Zwar wäre es fraglich, ob im Falle der Bestätigung dieser Nachricht damit die Russen gezwungen sind, den so leicht errungenen nnd so schwer behaupteten Paß zu räumen, dessen Behauptung fast ebenso sehr eine Ehrensache, als strategische Nothwendigkeit geworden ist. Der St. Nikolausbcrg (Sueti Nikola), aus dessen Bcfestigungswerke die Türken durch eiu förmliches Bombardement aus Mörsern die Russen vertrieben haben sollen, bildet das vorspringende Centruin der zur Verlheidigung angelegten Werke, die beiden links und rechts abzweigenden Höhcnzüge neigen sich nordwärts. Hinter dem St. Nikolausberge erhebt sich nun eine zweite ähnliche Gruppe, die auch von den Russen befestigt ist und aus welcher sie den Widerstand forlsetzen können, die aber, wenn die erste Stellung der Beschießung nicht hat widerstehen können, wahr- sckeinlich auch nicht durch die Defensive zu halten ist. Am nördlichen Fuße des Balkans sollen nach älteren Nachrichten eine bedeutende An zahl russischer Truppen stehen, die zum Theil direkt aus dem Innern Rußlands dorthin gegangen sind. Es fragt sich indcß, ob neuerdings nicht über einen Theil derselben anders verfügt ist. Die Lage würde aber noch verwickelter, wenn in der That ein türkisches Corps von Orkanie nordwärts aus Plewna vordränge, das, abgesehen von den stets zu erwartenden Einbrüchen Suleiman Paschas in Bulgarien, wieder russische Streitkräfte absorbircu würden. Die „N. Fr. Pr." meldet aus Loioon: Seit Mittwoch Abend, nachdem die Türken die von Skobeleff erstürmte Dvppelredoute wicder- croberlcu, machten die Russen keinen Versuch Plewua zu erobern, gaben jedoch ihre Stellungen nicht auf und begannen sich darin zu befestigen. „Daily News" melden von Sonntag Nachis: Skobeleff verlor nach eigener Aussage bei der Erstürmung der Nedoute 2000 Mann und Nachmittags durch ihre Festhaltung 1000 Mann. Seine Bataillone verschwanden wie durch Zauberei. Ein Bataillon Scharf schützen schmolz auf 160, eine Compagnie von 150 auf 40 Maun. Der Verlust au Offizieren ist ungewöhnlich stark, nur ein Regiments kommandeur und kaum ein einziger Bataillvnschcf überlebten den Tag. Skobeleff blieb unversehrt, obzwar er sich stark exponirle. Am längsten hielt sich ein junger Offizier mit ciner Handvoll Leute in der Rcdoute. Sie fielen Alle, da sic sich zu fliehen weigerten. Skobeleff war sehr erbittert über die Verweigerung der Verstärkungen. Scin Degen war zerbrochen, seine Uniform kolhbespritzt, sein Gesicht pulvergeschwürzt. Er sagte: Ich habe mein Bestes gelhan, mehr vermochte ich nicht. Mein Detachement ist halb vernichtet, meine Regimenter cxistircn nicht mehr, ich habe keine Offiziere übrig, ich verlor drei Geschütze. Ich tadle Niemanden, es war der Wille Gottes. Bukarest, 17. September. Heute Abend wurde die von den Rumänen bei Erstürmung der Redoule Grivitza erbeulete und hierher gesendete türkische Fahne auf dem Bahnhof feierlich eingeholt nnd wird heute der Fürstin überreicht werden. Die erste Abthcilung der russischen Garden ist eben eingezogen, auch die Spitzen der in Polen gestandenen russischen Truppen überschritten bereits die rumänische Grenze. Eine Depesche, welche dem „Manchester Guardian" uulcrm 12. d. aus Cettinje zugchl, bestätigt serner, im Gegensatz zu einer Meldung des „Correspondenz-Bürcaus," die frühere Mltthcilung aus Skutari von einem vom 15. d. errungenen Erfolge der Montenegriner Es ist, lautet die allerdings sehr emphatische Meldung des englischen Blattes ein neuer glorreicher montenegrischer Sieg zu melden. Die Wojwoden Pcjevitz und Sozitza besiegten gestern Hafiz Pascha in der Nähe von Zezen, an der östlichen Grenze von Montenegro. 600 Türken wurden gelobtet und 100 zu Gefaugeueu gemacht. Ein Theil der türkischen Armee mit drei Kanonen wurde umzingelt und man erwartet deren Ucbcrgabe. Ocrtlichcs und Sächsisches. Wilsdruff. Wir erinnern hierdurch die Gewerbetreibenden unserer Stabt nnd des Gerichlsamlsbezirk nochmals an die nächsten Montag den 24. Sept., von früh 9 bis Nacbm. I Uhr an hiesiger RalhsexpediliousstcUe stanfindcnde Wahl zweier Wahlmänner zur Ergänzuugswahl der Gewerbekammer Dresden nnd bemerken da bei, daß aus dem Stimmzcltcl die Namcu zweier jGewcrbtreibcnden deutlich verzeichnet sein müssen. Die Wahlen zur Gcwerbekammer sind keinesfalls so bedeutungslos, als wie cs von vielen Gcwerb- treibenden geglaubt wird, es dürste daher sehr zu wünschen sein, daß bei der Wahl vou Wahlmäm er» nächsten Montag ein regeres In teresse an der Sache sich kund gäbe. Im Ucbrigen verweisen wir noch auf die betreffende Bekanntmachung in No. 71 und 72 d. Bl. — Wir erfüllen einen stillen Wunsch unseres Stadtmusikchors, wenn wir unsere geehrten Leser an dieser Stelle noch besonders auf das heute Abend im Löwen statlfindeude Concert aufmerksam machen und zum Besuche desselben ausmuntern. Der Verein sächsischer Gastwirthe hat eine der nächsten Ständeversammlung vorzulegendc Petition vorbereitet. Dieselbe richtet sich gegen einige dem Gastwirthstande anserlegte Beschränkungen und Lasten, als z. B. die polizeiliche Bestimmung, daß zur Abhaltzung von Tanzmusiken und Concerlen besondere Erlaubniß eingeholt werden muß, unb serner gegen die Auferlegung von besonderen Steuern ans zum Ausschank gelangendes Bier. Die Pelcnten erachten solche Lokal» bestimmuugen nicht vereinbar mit dem Geiste der Gewcrbefreiheit. Die Petition schließt mit dem Ersuchen: „Die hohe Ständevcr- sammlung wolle sich bei der hohen StaatSreaicrung oahin verwenden, daß die Lvkalbchördcn durch eine Gcneralverordnung angewiesen I werden möchten, sich der besonderen Besteuerung und anderer Be schränkungen des Schankgcwcrbes, die mit der deutschen Gewerbe ordnung in Widersprich stehen, zu enthalten." Glashütte. Am 14. September gelangte aus Wiesbaden, wo der deutsche Uhrmachertag des Centralverbandes der deutschen Uhr macher abgehalten wurde, durch M. Großmann, der, wie wir be reits meldeten, zur Zeit sich dort befindet, die Nachricht nach hier, daß Glashütte einstimmig als Ort gewählt ist, an welchem die deutsche Uhrmachcrschule gegründet werden soll, und soll dieselbe vom I. April 1878 au in's Leben treten.