Volltext Seite (XML)
Adorter Wochenblatt. Mittheilu«gen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Dreizehnter Jahrgang. Prtls für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Lbalcr, bei Bestellung det Blattet durch Botengelegcnheit: 2U Sieugroschen. 23. 1848. Der neue Bürgermeister In Amtshausen war der Bürgermeister mit Todt abgcgangcn. Es stand also in Kurzem die Wahl eines neuen Bürgermeisters bevor. Wie das nun überall der Fall ist, daß viel und häufig von dem neu zu Erwäh lenden gesprocheen wird, wenn ein derartiges Amt zur Erledigung kommt, so war dieß auch in Amtshausen. Dazu kam nocb, daß AmtshausenS wackere Bürger das Amt eines Bürgermeisters, namentlich bei ihren nicht unbedeutenden Verwaltungs-Verhältnissen und — in unserer gegenwärtigen Zeit, in seiner ganzen Wichtig keit würdigten, und von dem einen Wunsche beseelt waren, eine reckt glückliche Wahl zu treffen. So klein nämlich auch das deutsche Städtchen Amtshauscn ist, so bat es sich dock einen hübschen Ruf im engcrn und wei- teren Vaterlande'erworben; kenn es wurde in frühem Zeiten gar häufig von politisckcn Flüchtlingen durchzö ge», die durch ihren zeitweiligen Aufenthalt immer ei nige Saamenkörner auf dem empfänglichen Boden zu- ruckgclassen haben, und besonders haben Männer ent schiedener VvlkSlicbe und politischer Gesinnung Jahre lang unter ihnen gelebt und gewirkt. Dieser Ruf lhat Sen einfachen Bürgern von AmlShausen gar wohl, wenn sie wohin kamen, und man sie als ächte, deutsche Män ner begrüßte, eben weil sie aus dem kleinen — Amts hausen wären. Ja es wurde von vielen andern Städ ten, die weil umfänglicher sind, viel größere Handels- und Gewerbswichtigkeit besitzen, förmlich beneidet; denn wenn es sich um einen freien und freimüthigen Antrag an die Regierung handelte, wenn ein entscheidender Schritt in der Erlangung edler Volksrechte gclhan, wenn in schriftlicher und mündlicher Rede über Unge rechtigkeit, Unbilligkeit, womit das arme Volk behan delt werde, unerschrocken gesprochen wurde: da stand immer Amtshauscn oben an. Den guten Klang dieses RufeS sich nun fernerhin hell und rein zu erhalten, da ran lag unsern Amtshausner Bürgern als Männern deutscher Ehre vor Allem. Folgen wir ihnen in eine ihrer Versammlungen, und hören wir, was sie sprechen, und wir werden uns davon überzeugen. DaS gute Bier, das heute der freundliche Wirth aufgethan hatte, war wirklich nur Ncbenursache, weshalb sich heute in seinem geräumigen Lokale die Amtshausncr ungewöhn lich zahlreich eingefunden halten. Vielmehr lag der Grund in einer Aufforderung des StadtratHS und der Stadlvetordnclen, die ihren Mitbürgern in derselben erklärt hatten, sic könnten in einer Angelegenheit, wel che für sie Alle von so großer Wichtigkeit wäre, unmög lich für sich allein handeln. Wurden sie auch gesetzlich als diejenigen betrachtet, durch deren Entschließung sich der Gesammtwillc der Bürgerschaft ausspräche, so möch ten sie koch in diesem Falle am Allerwenigsten davon Gebrauch machen, weil sie die Verantwortung für eine zu große hielten, die sie nicht allein übernehmen möch ten, und weil sie überhaupt erst nach einer öffentlichen Besprechung mit der ganzen Bürgerschaft genau wissen könnten, was ihr Wunsch und ihr Wille sei. Lassen wir uns ja nicht von den noch wirr und bunt durch ein ander gehenden und tönenden Gesprächen abschrecken, die eher einen polnischen Reichstag, als eine ruhige und verständige Verhandlung erwarten lassen. Das ist ein mal nickt anders, und würde auch nicht einmal ein gu tes Zeichen sein. Dort sitzt ein Mann ruhig und mit stillvergnügtem Gesichte; wir müßten uns sehr irren, wenn sich dieser Mann über den Spektakel, wie ein steifer Zopf oder ein schönes Freihcitsmännchen, das Auge und Ohr nur für sich haben möchte, zu sagen be lieben, nicht reckt innig freute. Er sieht ja daraus, daß den Leuten der Gegenstand, um dessen willen sie zusam- mcngekommen sind, am Herzen liegt; er kann ja auS den Gesprächen nun entnehmen, was sie wollen, welche Wünsche die herrschenden seien, und was etwa zu er. gänzen, oder zu widerlegen, oder zu benutzen sei. CS Hal sich die Versammlung vielleicht in zwanzig und mehr Gruppen getheilt, die in der lebendigsten Unterhaltung über die Eigenschaften des neuen Bürgermeister begrif fen sind, und von denen fast Jede etwas Anderes zu« Sprache bringt. Aber unserm stillen Beobachter, dem übrigens, wie es sich von selbst versteht, das beste deut- sche Bürgcrherz unter der Weste schlägt, entgeht fast Nichts, und er wird schon seine Zeit wissen, wo er auf zustehen hat, um an seine theuern Mitbürger ein ver- ständiges und herzgewinnendes Wort zu richten. Seht, da sitzen gar nicht weil von ihm ein Paar Mordhähne. Wüßten wir nicht, daß sie die besten Leutchen von der Wclt, und noch dazu gute Freunde unter einander sind, wir würden alle Augenblicke glauben, daß sie sich einan der in die Haare gerielhen. „Bruder", sagt der Eine