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MUI W ß " M NFMD ZU R^ 1^ <G> G-^ für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den SLadLrath daselbst. 9. Dienstag, den 1. Februar 187 7 Tagesgeschichte. Berlin. Die vereinigten Fractioncn der Fortschrittspartei des Reichstags und des Abgeordnetenhauses beschlossen mit allen gegen eine Stimme, den Ankauf der Eisenbahnen durch das Reich abzulchnen. Unter den so oft und mit Recht als mustergültig hingestellten gesellschaftlichen Zuständen in der Schweiz zeigt sich als dunkler Schalten die bei einer großen Zahl von Gemeinden bestehende Ein richtung, die Beköstigung und Pflege der Greise und Kinder, welche allein und hilflos dastchen, öffentlich air den Mindestfordernden aus zubieten und zu vergeben. Ist der Pflegling ein Kind, so werden ge wöhnlich die Kräfte desselben übermäßig ansgebcutet, ist er ein Greis, so verbittern ihm seine Pfleger nicht selten die letzten schweren-Lebens lage durch Kränkungen und Entziehung der nöthigsteu Bedürfnisse. Der Schweizer Presse gebührt der Ruhm, die öffentliche Aufmerk samkeit auf Liesen Punkt gelenk^ zu haben; denn sie erhebt den Rus: „Wann wird man mit diesen barbarischen Gewohnheiten, die mit den Einrichtungen und Sitten eines freien Volkes so vollständig im Widerspruch stehen, endlich einmal ausräumen?" Aus Wien wird gegenüber anderweitigen Mittheilungcu bctr. die Form der Ueberrcichung der Note des Grafen Audrasiy in Kon stantinopel von gut unterrichteter Seite versichert, daß die Verhand lungen über diese Frage noch schweben. Jedoch sei cs jetzt schon außer Frage, daß die drei Kaisermächte einen idcnlifchen Vorgang beobachten werden. — Der Petersburger „GoloS" drückt in seiner Sonnabend-Nummer seine hohe Befriedigung über die Zustimmung der englischen Negierung zu der Reform-Note des Grafen Anorassy aus und hebt besonder» hervor, die Theilnahme Englands an dem europäischen Concert sei nicht bloß an sich nützlich sondern auch stets nolhwendig, nm den allgemeinen Frieden zu sichern und zu befestigen. Der „Elbf. Zt." geht aus Wien die interessante Nachricht zu, daß die Chefs der Jnsurrection in der Herzegowina am 23. v. eine Besprechung abhieltcn, in welcher die Frage erörtert ward, wie sich die Aufständischen zu benehmen hätten, wenn nach ersolgler Uebergabe der Andrassh'schen Reformnote in Konstantinopel an die Insurgenten die Aufforderung gerichtet werden sollte, die Waffen nicderzulegen. Es wurde der Beschluß gefaßt, einer solchen eventuellen Aufforderung in keinem Falle Folge zu geben. Bei der Berathung war auch ein montenegrinischer Serdar zugegen, der, wie behauptet wird, mit großer Entschiedenheit für die Fortführung des Kampfes unter allen Umständen eintrat. Serbien. Wenn man einer Belgrader Mittheilung des Kclet Nepe glauben darf, so ist Fürst Milan von Serbien des Regierens Mildes Er hat einer geheimen Versammlung von Notabililäten in seinem Palais einen Vortrag über die Lage gehalten und endigte an geblich mit der Bemerkung, daß er kein Rettungsmittel kenne, aus den Schwierigkeiten herauszukommen. Auch seine Getreuen wußten keinen Rath, und nach einer einstündigeu resultatlosen Berathung er- klärt^ der Fürst, daß er demnach seinen Platz verlaffen müsse. Er werde sich auf das Gut seiner Frau in Bessarabien (40 Werst von Kischenew) zurückziehen. Protich beantragte einen Staatsstreich, aber der Fürst antwortete: „Ich habe kein Geld! Ich habe bei der russischen Regierung versucht, Geld zu erhalten, aber vergebens." Der Fürst berief 6 Obersten zu sich, um sick über die Stimmung des Heeres zu orientiren. Alle erklärten, daß die Hälfte der Osficiere un- verläßlich sei. Einige ertheilten dem Fürsten den Rath, er möge sich in die Festung zurückziehen und in einem Manifeste dem Volke er klären, daß sich mit der gegenwärtigen Verfassung nicht regieren lasse. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Milan einwilligen wird. Ueberhaupt ist der Fürst sehr verzagt. Auch der Krieg wäre ihm nicht genehm und er würde kaum seine Einwilligung zu demselben geben. Wie die „Politische Correspondenz" von angeblich vollkommen berufener Seite aus Belgrad erfährt, wäre die Nachricht, daß Fürst Milan das Land zu verlassen beabsichtige, eine leichtfertige oder übelwollende Insinuation. Die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage der Dinge seien durchaus nicht so gefahrvoll, wie im vorigen Herbste, der Bestand der herrschenden Dynastie sei in dem Kampfe der Parteien ganz unberührt geblieben und alle Parteien seien einig darüber, daß in einem eventuellen Wechsel in der Person des Re genten das größte Unglück erblickt werden müße, das Serbien zu- stoßen könnte. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Dresden. Das Ministerium des Innern hat an sämmlliche Amtshauptmannschaften und Stadträthe nachstehende Verordnung er lassen: Als Grundlage eines anzufcrtigendcn genauen Ortsverzeich nisses sind von dem damit beauftragten statistischen Bureau des Ministeriums des Innern zunächst Verzeichnisse der Zubchörung jeder einzelnen Gemeinde bez. der selbständigen Gutsbezirke aufgestellt worden. Um sich der Richtigkeit dieser Verzeichnisse vollkommen zu versichern, werden dieselben den Amtshauptmaunschasten, sowie den Stadträthen sämmtlicher Städte von dem statistischen Bureau dircct übersendet werden. Die genannten Behörden haben solche, soweit nöthig, unter Befragung der Gemeindevorstände und der Besitzer selbständiger Güter sorgfältig zu prüfen, nach Befinden zu berichtigen und sodann, durch ihre Unterschrift beglaubigt, übrigens bei Rückgabe der ihnen bei deren Empfang zugegangenen Lieferscheine alphabetisch geordnet, spätestens den 15. März laufenden Jahres an das statistische Bureau zurückzu- scnden. — Die Aushändigung der Medaillen und Diplome an die bei der jüngsten Gewerbe- und Industrie-Ausstellung Prämiirten soll nun bestimm: Ende oieses Monals erfolgen. Zittau. Vor den Schranken des hiesigen Bezirksgcrichs stand in diesen Tagen der ehemalige Rendant beim Genchtsamt Ebers bach, Karl Friedrich Herrmann Baßler, SO Jahre alt und gebürtig aus Colditz, welcher der Unterschlagung amtlicher Gelder in Höhe von etwa 12,000 Mark und der Urkundenfälschung angeklagt ist. Baßler hatte in der Voruntersuchung umfassende Geständnisse abge legt, in der Verhandlung vor dem Bezirksgericht aber nahm er diese Geständnisse vollständig zurück und gab an, das Geld sei ihm ge stohlen worden. Der Gerichtshof beschloß, die Untersuchung auf Grund von § 37 des Geschwornengcsctzes an die Anklagekammer Bautzen wiederum zurück zu geben. Leipzig, 29. Januar. Soeben erfahren wir, daß hier in der Bayrischen Straße Nr. 8 ein Dienstmädchen ermordet worden ist. Etwas 'Näheres über den Sachverhalt ist noch unbekannt.— Der hiesige Stadlralh macht in einer Bekanntmachung auf das wüste Treiben der Schüler der Fortbildungsschule aufmerksam und ordnet strenge Maßregeln dagegen an. Ein anderer Uebelstand, welcher mit der Einrichtung der Fortbildungsschule in bedauerlicher Weise aus getreten ist, ist der, daß Lehrherrn und Prinzipale alle die jenigen Knaben, welche zum Besuche der Fortbildungsschule verpflichtet siud, entlassen und dafür Nichtsachsen annehmen. Es ist dadurch einem inländischen Knaben vor vollendetem 16. Jahre sehr schwer, wenn nicht geradezu unmöglich geworden, in Leipzig Arbeit oder einen Lehrherrn zu bekommen. Dieser Zustand winde nicht eingetreten sein, wenn die Einrichtung der Fortbildungsschule» von Reichswegen er folgt wäre. In Geyer brach am 2. December v. I. auf dem Futterboden des zum Ralhhaus gehörigen Stallgebäudes Feuer auS. Bei der Lage des Stallgebäudes war große Gefahr für das Rathhaus selbst und andere benachbarte Gebäude vorhanden, doch gelang cs, das Feuer auf das Stallgebäude zu beschränken, Immerhin betrug der angerichtete Schaden etwa 6000 Mark. Nach den Umständen mußte vorjätzliche Brandstiftuug angenommen werden, und es richtete sich der Verdacht alsbald auf deu 26jährigeu Handarbeiter Karl August Schmiedel aus Geyer, welcher bereits mehrfach wegen Diebstahls, Betrugs und Unterschlagung bestraft worden war, seit seiner erst am 25. v. I. erfolgten Entlassung aus dem Gerichtsgefänguiß in Ehren-