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Bekanntmachung, //- die Einreichung der Anträge ans Bewilligung der Altersrente betreffend. / Mit Rücksicht auf die bis jetzt hier eingereichten, zum großen Theile sehr mangelhaften Anträge auf Bewilligung der Altersrente, sowie im Hinblicke auf die ungenügende Beibringung der zur Begründung des Anspruchs dienenden Beweisstücke wird für den Verwaltungsbezirk der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen zur Nachachtung hiermit bekannt gemacht, daß diejenigen versicherungspflichtigen Personen, welche das 70. Lebensjahr vollendet haben und den Anspruch auf Altersrente erheben, dem schriftlichen Anträge eine Geburtsbe scheinigung, die Quittungskarte, in welcher di- fällig gewordenen Beitragsmarken eingeklebt und vorschriftsmäßig entwerthet sein müssen, die Arbeitsbescheinigung vom 1. Januar 1888 bis zum Zeitpunkte der Einreichung des Antrages und eine Angabe darüber, ob der Antragsteller in den letzten 15 Jahren immer in Sachsen gewesen ist, oder ob er innerhalb dieses Zeitraumes auch außerhalb des Königreichs Sachsen in einem die Versicherungspflicht begründenden Arbeits- oder Dienstverhältnisse gestanden hat, (vergl. § 160 des Gesetzes) als Unterlagen beizufügen sind. ' Meißen, am 13. Januar 1891. Königliche Amtshauptmannschaft. von «Kirchbach. Aus der Zeit und für die Zeit, s. Seit langem hat nichts so sehr die evangelische Be völkerung Deutschlands in Bewegung gebracht, als der Antrag, den die Zentrumspartei im Dezember vorigen Jahres im Reichstag eingebracht hat, das Gesetz aufzuheben, das dem Jesuitenorden den Aufenthalt und die Thätigkeit im deutschen Reiche verbietet. Ueberall in evangelischen Gegenden sind zahlreich desuchte Versammlungen gehalten undPetitionen aufgestellt worden, die gegen jenen Antrag gerichtet waren. Die Petitionen, die zur Unterschrift ausgelegt wurden, sind von Tausenden Evangelischer unterzeichnet worden. Ganz be sonders massenhaft sind die Unterschriften in Würtemberg, wo sich die katholische Kirche in den letzten Jahren bedenklich auszubreiten strebt und von gewisser Seite in diesem Streben auch kräftig unterstützt wird. So ist cs begreiflich, daß dort die Petitionen gegen Wiederzulassung der Jesuiten mehr als 100000 Unterschriften gefunden haben. Auch bei uns in Sachsen sind diese Petitionen zahlreich unterzeichnet worden. Es wäre verkehrt, wenn wir meinen wollten, der Antrag der Zrntrumspartei berühre uns in Sachsen nicht. Allerdings sind förmliche Niederlassungen von geistlichen Orden bei uns durch die Landesverfassung verboten, aber das Eindringen einzelner Ordensangehöriger nicht verwehrt. Durch das Neichsgesetz gegen die Jesuiten und ähnliche Orden ist es möglich, auch dieses Eindringen zu hindern; denn das Reichs gesetz gestattet, auch die einzelnen Ordensangehörigen aus dem Gebiete des deutschen Reiches gänzlich zu verweisen, falls sie Ausländer sind, oder sie doch aus dem und jenem Orte zu entfernen, wenn sie Deutsche sind. Wenn das Reichsgesetz aufgehoben würde, so wären wir in Sachsen gegen das massenhafte Eindringen der einzelnen Jesuiten ebenso schutzlos, wie die andern deutschen Staaten. Denn das früher bei uns geltende Ausweisungsrecht kann kraft der Neichsverfasfung einem Deutschen gegenüber nicht mehr angewendet werden. Die Wied-rzulassung und die Thätigkeit der Jesuiten würde eine große Gefahr wie für unsre g es am mte nationale Entwicklung so besonders auch für unsre evangelische Kirche mit sich bringen. Denn seit der Gründung der „Gesellschaft Jesu" durch Ignaz Loyola im I. 1540 ist es bekanntlich das ausgesprochene Ziel dieses Ordens, dieKetzerei d. h. den Protestantismus auszurotten und die völlige unbeschränkte Herrschaft des Papstes in der Welt aufzurichten. Um diesen Zweck zu erreichen, scheuen sich die Jesuiten nicht, die verwerflichsten Mittel an- zuwcnden und finden alle Mittel geheiligt, sobald sie nur diesem Zwecks dienen. Wegen der abscheulichen Grundsätze, nach denen sie handeln, und vieler verbrecherischer Thaten, deren sie sich schuldig gemacht haben, ist der Orden nicht blos aus vielen Ländern vertrieben, sondern auch vom Papst Clemens 14. im I. 1773 aufgehoben worden. Leider thcilte Papst Pius 7. diese „unfehlbar" richtige Ansicht seines „unfehlbaren" Vorgängers nicht und stellte deshalb „aus Fürsorge für alle" im I. 1814 den Orden wieder her. Seit dieser Zeit haben die Jesuiten immer mehr Macht in der römisch-katholischen Kirche erhalten. Die letzten Päpste sind vollständig in ihren Händen gewesen. Sie regieren eigentlich die Kirche. Die Person des Papstes ist Nebensache. Darum steht auch die katholische Kirche Deutsch lands und besonders die Zentrumspartei vollständig unter jesuitischem Einfluß. So gewiß sich ohne Zweifel viele Jesuiten in Deutschland ohne Ordenstracht auf halten und im Geheimen ihre Maulwurfsarbeit treiben, so ist ihr- Thätigkeit durch das Neichsgesetz doch gehindert — eben deshalb soll es fallen. Ob es geschehen wird oder nicht, läßt.sich jetzt kaum sagen. Wider Willen hat der Antrag des Zentrums unserm evangelischen Volk den Dienst geleistet, daß wir uns von neuem der Güter bewußt worden sind, welche wir unserm Luther und der Reformation verdanken und uns nie werden rauben lasten. „Evangelisches Volk, halte, was du durch Gottes Wort hast!" U. k. Tagesgeschichte. Die Thatsache, daß der Kaiser mitten drin in dem politischen und wirthschaftlichm Leben unseres Vaterlandes steht, und daß sein Urtheil maßgebend für die Entwickelung unserer politischen und sozialen Verhältnisse ist, zeigt der Umschwung, der sich in der Frage der Lebensmittelzölle in den leitenden Regierungs kreisen und in den konservativen Parteien zu vollziehen beginnt. Es ist kein Geheimniß mehr, daß der Kaiser grundsätzlicher Gegner der hohen Leiensmittelzölle ist, weil er erkannt hat, daß di- durch dieselben herbeigeführten ungesunden Zustände hauptsächlich den Nährboden für die Agitation der sozialistischen Partei bilden. In hochkonssrvativen Kreisen beginnt man jetzt nun auch einzusehen, daß die hohen Lebensmittelzölle in einer von oben proklamirten Aera der sozialen Reformen nicht aufrecht erhalten werden können. Wünschenswerth wäre es, wenn Brod und Fleisch und was sonst zu „täglichem Brode" gehört, bald wieder billiger würde, gar mancher Familienvater muß sich schinden, um für die Seinen nur das Allernöthigste verdienen zu können. Die theuren Lebensmittelpreise verderben die Lust zur Arbeit, deren Lohn nicht immer im Verhältniß zu den nothwendigen Ausgaben steht und schafft nur Unzufriedenheit. Baldige Abhilfe ist recht wünschenswerth! Es sind keine erhebenden Vorgänge, welche aus der jüngsten Reichstagssitzung gemeldet werden. Im Beginn derselben verlas der Präsident v. Levetzow die kaiser liche Kabinetsodre, welche ihm auf dm von ihm an den Kaiser zur Geburt des sechsten Sohnes namens des Reichstages dar gebrachten Glückwunsch zugegangen war. Während der Ver lesung dieser Kabinetsordre haben sich die Mitglieder, wie es üblich ist, wenn das Haus eine kaiserliche Botschaft entgegen nimmt, von ihren Sitzen erhoben, nur die Sozialdemo kraten und einige Freisinnige blieben sitzen. Wie über politische Dinge, so scheinen diese Leute auch über das, was sich ziemt und der Würde des Reichstages entspricht, eigen artige Anschauungen zu haben. Wir hätten gewünscht, daß ihnen der Gegensatz dieser Anschauungen zu denen aller mit einem lebendigen Gefühl für Sitte und Anstand, nationale Ehre und Würde begabten Deutschen möglichst schlagend im Reichstage selbst vor Augen geführt worden wäre. Ein nicht minder beschämender Vorgang ist die Art und Weise, in welcher der Abgeordnete Eugen Richter seinem wüthenden Haste gegen den Fürsten von Bismarck Ausdruck gab. Es ist erfreulich, daß wenigstens dieser Vorgang durch den Abgeordneten Buhl sofort gebührend gekennzeichnet wurde. Hinter der sicheren Schutzwehr der parlamentarischen Redefreiheit ist es kein Zeichen besonderen Muthss, einen Abwesenden anzugreifen. Das „bischen" Rente, welches den Arbeiterinvaliden schon jetzt sofort nach Inkrafttreten der Jnvaliditäts - und Altersversicherung zukommt, wird doch nicht so verächtlich, wie die demokratischen und sozialdemokratischen Preßstimmen es voraussagten, abgelchnt. Im Gegentheil beeilen sich die Renten berechtigten, ihrs Ansprüche anzumelden, und so sind allein in der Provinz Schlesien acht Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über dreihundert Anträge von Arbeitern über siebzig Jahren eingebracht worden und die Zahl der Anträge mehrt sich täglich. Das „bischen" Rente wird also jetzt schon als eine wahre Wohlthat empfunden und die Empfänger werden sicherlich für die ihnen entgegengebrachte Fürsorge dankbar sein. Diese Dankbarkeit freilich wäre um so sicherer zu erwarten, wenn die Aufreizungen zur Unzufriedenheit über die „geringfügige Pfennig rente" von den freisinnigen und sozialdemokratischen Blättern eingestellt würde. Das sollte um so eher geschehen, je mehr man jetzt schon die Gesammtwirkung der Versicherung in's Auge zu fassen vermag. Die Versicherung umfaßt gegenwärtig etwa zwölf Millionen Versicherte und über hundert- undzwanzigtausend Personen werden bereits im laufenden Jahre Altersrente beziehen. Die Beträge werden von Anfang an ohne den Reichszuschuß etwa hundertzwanzig Millionen Mark jährlich betragen. Davon aber werden voraussichtlich die Arbeitgeber mindestens die Hälfte aus eigenen Mitteln zahlen. Was die Leistungen der Arbeitgeber für die Arbeiter- versichrrungen überhaupt betrifft, so sind für die Kranken-und Unfallversicherung zusammen im Jahre 1888 schon mehr als hundert Millionen Mark Beiträge gezahlt worden, von denen auch die reichliche Hälfte den Arbeitgebern zugefallen ist. Im Jahre 1891 also werden die Unternehmer insgesammt mindestens hundertzwanzig Millionen beizusteuern haben. Was wollen gegen solche Zahlen die gepriesenen Unterstützungen englischer und amerikanischer Gewerksvereine sagen! Werden die Arbeiter nun nicht endlich zu begreifen anfangen, auf welcher Seite diejenigen zu suchen sind, die ohne Geräusch aber mit größter Gewissenhaftigkeit und mit unversiegbarem Wohlwollen unaus gesetzt bestrebt sind, ihre Lage zu verbessern und an der Ge staltung einer sorgenfreien Existenz der Arbeiter zu schaffen? Was in dieser Hinsicht und von dieser Seite versprochen worden ist, das wird auch treu und ehrlich zur Ausführung gebracht. Als eine sofort in die Augen fallende Wirkung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung ist zu ver zeichnen, daß in der schleswig-holsteinischen Dorfgemeinde Schütze, welche nur etwa 500 Einwohner zählt, für 12 über 70 Jahre alte Personen beim Landrathsamte der Antrag auf Bewilligung der Altersrente gestellt wurde. Nothstand in der Arbeiterbevölkerung. Der anhaltende strenge Winter, die stark verminderte Bauthätigkeit und auch die plan- und ziellosen Streikes haben einen großen Nothstand unter der Berliner Arbeiterbevölkerung hervorgerufen. Auf den Leihämtern ist fortgesetzt ein ganz gewaltiger An drang von Arbeiterfrauen, welche die letzte Habe versetzen; in den kleinen Vorkostkellern des O., N. und NO. werden auch schließlich von den Arbeitern Kartoffeln begehrt und die auch meistens noch auf Kredit. Bei den Pferdebahndepots fanden sich am Morgen des ersten großen Schneefalls Tau sende ein, die um Arbeit nachsuchten; in der Zimmerstraße, wo das „Jntelligensblatt" ausgegcben wird, mehren sich von Tag zu Tag die ReDen der blaßwangigen Frauen und Männer, die mit fieberhafter Eile die Stellengesuche durch fliegen; Leute, die mit der Arbeiterbevölkerung engste Fühlung unterhalten, behaupten, daß insbesondere unter den Malern, Tischlern und Maurern die Noth am größten ist, wenngleich solche Zustände, wie sie aus dem Osten Londons gemeldet werden, uns zum Glück erspart worden sind. Den Nothstand wollen nun die Sozialdemokraten zu Agitationszwecken aus nutzen, es sollen Versammlungen von Arbeitslosen stattfinden, in denen zweifellos die Agitatoren die Verhältnisse noch viel schwärzer malen werden, als sie wirklich sind. Hoffentlich werden die Agitatoren den Arbeitslosen sagen, daß die von sozialdemokratischer Seite inscenirten planlosen Streiks und andere Brandschatzungen den Nothstand verschärft haben. Das Recht der Nothwehr gegen Beleidigungen von der Kanzel. — Eine eigenthümliche Frage ist vom Reichsgericht vor Kurzem entschieden worden, die Frage nämlich, inwieweit gegen injuriöse Ausfälle von der Kanzel herab ein Recht der Nothwehr von Seiten des Angegriffenen bestehe. Der Fall, um den es sich dabei handelte, ist folgender. Ein Geistlicher im Großherzogthum Baden hatte in seiner Predigt gegen den Bürgermeister des Ortes beleidigende Aeußerungen gethan. Darauf erhob sich der in der Kirche anwesende Bürger meister und rief dem Prediger mit lauter Stimme „Ruhe" zu. Der Bürgermeister wurde wegen Störung des Gottesdienste- in Untersuchung gezogen, vom Landgerichte aber freigesprochen. Da die Staatsanwaltschaft Revision einlegte, kam die Sache vor das Reichsgericht, das die Revision mit folgender interessanten