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MsdmfferTageblalt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, G» .VilSdrnffer TL-eblatt" erscheint täglich nachm. 8 Uhr für den folgende» Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in tz« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Voten 2,30 Mir., bei Postbeftellung »V«. Ä«Boftanstck"i Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Poftbotm midunsmAu^ GLger und Geschäftsstellen — - — nehmen zu jeder Zeit Be- MLnngen ent-e-eA. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung d« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Lürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. L»zeigknpr«t,: di« 8»«sp»u«»e «»»»!,eil« MKoldpfennig, di« 2g«IpaIIr»rF«Nedn amtliche» Bekanntmachungen 40 Kold- Pfennig, dir ZgelpaNenkAetlamezeNe im textlichen Teile ION Doldpsennig. Nachwcisungsgedühr 20 Goldpsennige. Boe- geschriedeneikrscheinungs- tag« und PlatzvoNchrifte« werden nach MSgl'chliett Aernfprechör - Ämt Äbllsdruff 9!r. 6 berücksichtigt. Bn,«!«en- annahme dis norm. l(! Ulli Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelte» Antigen übernehmen wir deine Garantie. Aeder Rabattanspruch erlischt, wenn dcr Betrag durch Klage eingezogen werden muh oder der Auftraggeberin Konkurs gerül. Anzeigen nehinen alle Dermitllungsftellen entgegen. 0as Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmanuschast Meißen, de» Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Noffe« Nn. 15.— 84 Jahrgang Tclcgr.-Adr.: .Amtsblatt» Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonntag den l8 Januarl925 Neichsgrün-ung. Ein Gedenkwort zum 18. Januar, Am Deutschen Eck inKoblenz, dort, wo die Wogen der Mosel sich mit denen des Rheins vermählen, steht das gewaltige Neiterdenkmal Kaiser Wilhelms I., des Reichs- gründers. Am Sockel liest man die mahnende Inschrift, die Verse Schenkendorfs: Nimmer wird das Reich zerstöret, Wenn ihr einig seid und treu. Jetzt überflattert dieses Denkmal die blau-weiß-rote fran zösische Trikolore hoch oben auf dem Ehrenbreitenstein und französische Trompeten durchgellen die Straßen von Koblenz, überfluten mit ihren schrillen Klängen das Denk mal. Und weiter rheinaufwärts blickt noch immer vom hohen Berge die Germania des Niederwalddenkmals herüber gen Westen, auf das Schwert gestützt. Doch der Sang ist verschollen, der Klang ist ver- «ruscht —, uneins ward das Reich. Die Kaiserkrone sank und das Schwert ward zerbrochen. Doch auf eins vertraute man: die äußere Einigkeit. Aber auch sie blieb nicht ganz; das deutsche Münster in Straßburg, das deutsche Elsaß und das deutsche Metz gerieten ebenso in die Hand fremder Eroberer wie fern im Osten die Kaiserpfalz in Posen mit den Landen ringsum und die Weichsel ward ein polnischer Strom. Und was in Ober- schlesien jahrhundertelange deutsche Arbeit geschaffen hatte, ward uns entrissen und einem fremden Volke hin geworfen. Was, blieb, ist nur der Rest von dem Großen was der 18. Januar 1871 uns gebracht hat. Nicht unwert waren wir der Väter und es ist unrecht, schwerstes Unrecht, wenn man das deutsche Volk dec- Nicdcrganges beschuldigt in der Wende des 19. Jahr Hunderts, daß wir über Äußerlichkeiten, über die Gier nach Geld und Gut, nach Macht und fremden Ländern uns selbst und unser Innerstes vergessen hätten, daß die Fassade des Gebäudes, das am 18. Januar 1871 ge gründet war, Wohl schön blieb und immer prachtvoller wurde —, daß es aber dahinter im Gebälk krachte, daß allmählich vermorschte, was die Väter geschaffen hatten. Unrecht ist es, so zu urteilen über die Zeit, die dem Kriege voranging, denn der Krieg ist der beste Beweis gegen diese Beschuldigung. Wenn wirklich unser Volk so materiell, so eigensüchtig, so innerlich faul gewesen wäre, wie Bußprediger es behaupten, so wäre der heroischste Widerstand, den je die Weltgeschichte sah, dieser Widerstand von über 50 Monaten gegen eine Welt von Feinden, nicht möglich gewesen. Jene Tage des Anfang August 1914, da alles zu den Fahnen eilte, gleichgültig ob hoch ob niedrig, ob politisch rechts- oder linksstehend, nur um das Leben hinzugeben für das Vaterland, um einig zu sein und treu, — das alles wäre eine Undenkbarkeit, wäre un vorstellbar, wäre unwirklich. Aber das war da. Das ist geschehen, und dieses Ge schehnis und all das, was hernach kam, bewies, daß wir der Väter nicht unwürdig waren. Keine Schande ist es, einer Welt von Feinden zu unterliegen, von Hunger zer- mürbt, von Krankheit gebrochen. Nur wenu das, was das Volk erst zur Nation macht, die Einigkeit unterein ander und Treue gegen das, was war und was geschaffen wurde —, wenn das verlorengeht oder wenn es nicht wiedergesunden wird, dann erst wird das Reich zerstört. Richt Feiertag ist der 18. Januar, sondern Gedenktag. Ist ein Tag innerer Einkehr und des Sichbesinnens. Allzu ost wird das letzte und höchste Ziel eines Volkes, wirkliche G e m e i n s ch a f t zu sein, als parteipolitisches Schlagwort in den Mund genommen und verliert dadurch den tiefen Sinn, den es hat, nämlich Schicksalsgemeinschaft derer zu sein, die auf dem Boden gleichen Volkstums, gleichen Blutes, gleicher Sprache und Kultur stehen, und die hier- onrch zusammengeschmiedet sind für die Zeit ihres Daseins. Wir sind wieder auswärts gekommen seit jenen Tagen, da die Katastrophe das Reich zerstört zu haben schien. Jene, die draußen an der Front, drinnen im Lande ausharrten in der Treue zum Volks um, retteten das Reich. Nicht äußere Formen retteten die Einheit, sondern nur die Tat aller, die ihr Leben einzusetzen gewillt waren zur Erhaltung der Ration. Und wieder bewies das die Wahrheit jenes Wortes, das Goethes Faust in einsamer Zelle spricht: Im Anfang war dieTat. Das Kabinett Luther. »Uabomus kapam" — „Wir haben einen Papst" so verkündet der Sekretär des Kardinale konklaves, wenn der Papst gewählt ist, verkündet es von dem Balkon am Va tikan, der hinanssieht auf den Riesenplatz vor St. Peter. Wir haben einen Reichskanzler, so ist uns jetzt verkündet worden. Es ist dem bisherigen Finanzminister Dr. Luther gelungen, ein Kabinett zustande zu bringen, das vielleicht eine parlamentarische Mehrheit hat. Der bisherige Reichskanzler Marx hat sich nach diesem Ziel seit Monaten abgemüht, aber er konnte den Entschluß sicht finden, das herbeizusühren, was jetzt geworden ist: eine Negierung der Parteien von den Deutschnationalen bis zum Zentrum einschließlich. Und so scheidet mit ihm «im Wann aus. der über ein Jabr die löeituna der deutschen Regierungserklärung ertt am Montag. Wichtige Miflnim noch unbesetzt. Berlin, 16. Januar Für heute nachmittag 6 Uhr war die Vorstellung des neuen Kabinetts im Reichstag und die Programm erklärung vorgesehen. Nachmittags wurde jedoch amtlich niitgeteilt: Die für die heutige Reichstagssitzung vorgesehene Abgabe einer Erklärung der neuen Reichsregierung ist auf Montag abend 6 Uhr vertagt worden, da unerwarte terweise die Verhandlungen über die Besetzung wichtiger Ministerien, insbesondere des Reichsfinanz- und Reichs justizministerium, noch nicht abgeschlossen werden konnten. Der Reichstag selbst trat abends um 6 Uhr zusam men, doch wurden bei der Beratung lediglich kleinere Vorlagen von geringer Bedeutung zur Erledigung ge bracht. » NrueVScbwierigkeiten in cien aeutlkd-lrsnröl. KNrtlcbstts- vrrbsnaiungen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 17. Januar. Die deutsch-französischen Wirtschafts verhandlungen sind auf einem überaus kritischen Punkt angelangt. § Die französische Delegation mit Handelsminister Reynaldi an der j Spitze lehnte die von deutscher Seite vorgestern ihr überreichten ! Vorschläge grundsätzlich ab und erklärte, daß sie sich von ihrem : zuletzt eingenommenen Standpunkt nicht entfernen könne. Da- ' nach wird Deutschland für eine lange llebergangszeit, wahrschein lich bis 1. Dezember dieses Jahres in den französischen Zollsätzen unterschiedlich behandelt. Auf deutscher Seite wird dagegen gel- : tend gemacht, daß sich beide Parteien im ersten Stadium der Ver handlungen und namentlich in dem gemeinsam unterzeichneten Protokoll vom 12. Dezember vorigen Jahres die gegenseitige Meistbegünstigung oder zum mindesten eine der Meistbegün^ stigung nahekommende Zollbehandlung zugesichert haben. Die französischen Vertreter erklärten jedoch auf Grund ihrer Gesetz gebung, dieses Versprechen zum mindesten für eine längere Urber- gangszeit nicht halten zu können. Zum Schluß der gestrigen Aussprache erklärte Staatssekretär Trendelenburg, er müsse erst : mit der neuen Regierung in Berlin in Fühlung treten, ehe er ! sich bindend äußern könne. Es wurde eine neue Zusammenkunft vorläufig nicht festgesetzt. Politik in Händen hctttc. Ob Freund, ob Gegner seiner Politik —, eins haben beide Seiten dem jetzt scheidenden Reichskanzler zugestanden: er ist ein Mann, der das Beste wollte, er ist auch ein Mann, der persönlich unantastbar ist und der niemals ein Opfer seiner Überzeugung gebracht hat. Er ist gescheitert daran, daß seine Außenpolitik mit einem schrillen Mißerfolg endete, der nicht verschuldet war, aber kommen mußte, weil sich die Politik nicht so abspielt, wie man es wünscht, sondern nach außerhalb von uns liegenden Gesetzen. Vom Kabinett Marx sind nun mehrere Minister in das Kabinett Luther hinübergegangen, in erster Linie der Außenminister Dr. Stresemann. Unsere gesamte Außenpolitik basiert auf dem Londoner Pakt und es ist von Vorteil, daß Dr. Luther bei den Verhandlungen über dieses Übereinkommen gleichfalls in London gewesen ist und dort einen überaus günstigen Eindruck bei den Staats männern der Entente hervorgerufen hat. Es ist anzu nehmen, daß beide Männer, Luther und Stresemann, ans dem Felde unserer Außenpolitik einheitlicher arbeiten werden, als das in den letzten Wochen des Kabinetts Marx geschehen ist. Auch der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns ist eine Persönlichkeit, die auf diesem Posten bereits seit 1920 steht. Dr. Brauns ist bekanntlich katho- licher Geistlicher, war Direktor des Wolksvereins sür das katholische Deutschland in M.-Gladbach und ist feit 1919 Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstages. Ferner sind die beiden Minister Dr. Geßler und Graf Kanitz als Wehr- bzw. Ernährungsministsr in das neue Kabinett hinübergegangen. Jener ist seit 1919 Minister, und zwar Zuerst für den Wiederaufbau, dann seil März 1920, im Kabinett Müller, wurde er Neichs- wehrminister und hat diesen Posten seit dieser Zeit unter dem Beifall aller Parteien innegehabt. Er ist in einer etwas eigentümlichen Stellung im Kabinett. Seine Par tei die demokratische, hat erklärt, und zwar unter Be- nutznna des halbamtlichen Wolff'fchen Telegraphcn- burcaus, daß sie dem neuen Ministerium gegenüber zu nächst eine abwartende Stellung bewahren wolle; es ist also nicht richtig, wie vielfach verbreitet wurde, daß die Demokraten dem neuen Ministerium ihr Mißtrauen aus- spreche» werden. Neue belgische Todesurteile gegen deutsche Kriegsteilnehmer. Eigener Fernsprechdiensl des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 17. Januar. Wie aus Brüssel gemeldet wird, hat das Kriegsgericht in Namur Adwesenheilsurteile gefällt. Der Major Heyne vom 8. Husarenregiment und Hauptmann Collani sind zum Tode verurteilt worden. Major Heyne wird zur Last gelegt, während des Krieges einen 18jährigen Bankangestellten ermordet zu haben. Hauptmann Collani wird beschuldigt, den Seelsorger der Taubstummenanstalt in Bougnies in bestialischer Weise umgebracht zu haben. Der Oberst Mimplan, dem zur Last gelegt wird, daß er vier Häuser in B. niederbrennen ließ, wurde von demselben Kriegsgericht zu 26 Jahren schweren Ker kers verurteilt. Keine Abrüstungskonferenz. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 17. Januar. Nach einer Meldung aus Washing ton werden die Meldungen, daß Präsident Coolidge im Laufe des kommenden Sommers eine Abrüstungskonferenz abzuhalten gedenke, von der amerikanischen Regierung dementiert. Coolidge will zunächst abwarten, ob der Völkerbund eine Entwassnungs- konferenz einberufen werde. Ein Ausruf der ukrainischen Abgeordneten und Senatoren in Polen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Warschau, 17. Januar. Die ukrainischen Abgeordneten und Senatoren haben an das ukrainische Volk einen Aufruf ge richtet, in dem über die Schikanen der Sejmmehrheit Klage ge führt wird. Das Manifest wurde beschlagnahmt, sein Wortlaut soll jedoch in einer Sejminterpellation wiedergegeben werden. Braud eines großen Oel- und Benzin- iagers in Chika?o Neuyork, 17. Januar. In Chikago brach auf dem Oel- lager des großen Warenhauses Varsnik ein Brand aus. Die Explosion der Oel- und Benzinbehälter rief eine ungeheure Panik hervor. Angestellte und Besucher des Warenhauses kämpf ten um die Ausgänge. Das brennende Oel lief aus die Straße. Rettungskommandos und Löschmannschaften eilten zur Brand stelle und bemühten sich, die Verwirrung zu lösen. Sämtliche Fensterscheiben der umliegenden Häuser sind zertrümmert. Die Zahl der Toten und Verletzten ist noch nicht bekannt. Die markanteste Persönlichkeit unter den neuen Männern im Kabinett ist der Vorsitzende der deutsch- nationalen Reichstagssraktion Martin Schiele, Nitter- guispüchter auf Schollene bei Rathenow in der Altmark. Schiele wurde 1914 bei der Neuwahl für Jerichow I und U ausgestellt und es war geradezu unerhört sür die damaligen Begriffe, namentlich für einen konservativen Reichstagskandidaten, daß er damals nicht weniger wie 124 Wahlversammlungen abgehalten hat. Schiele hat sich schon als junges Fraktionsmitglied durchgesetzt und wurde Geschäftsführer der konservativen Fraktion, er war dann Mitglied der Nationalversammlung und des Reichs tages. Vor kurzem wurde er Vorsitzender der deutsch- nationalen Fraktion und ist bei den zahlreichen Minister krisen der letzten Jahre immer wieder als Kandidat für das Ernährungsministerium genannt worden. Reichswirtschaftsminister ist gleichfalls ein Deutsch nationaler geworden, der frühere Ministerialdirektor im Handelsministerium Neuhaus. Er hat 1919, als die Beamten auf die Verfassung vereidigt wurden, den Treu eid nicht schwören wollen und hat deshalb damals seinen Abschied eingereicht. Auch Marx hat ihn als Kandidaten sür dieses Ministerium in Vorschlag gebracht, als er in der ersten Januarwoche um die Neubildung seines Kabi netts bemüht war. Reichspostminister wird der Bayer Stingl, der gleichfalls keine unbekannte Persönlichkeit mehr ist, denn er hat im Kabinett Cuno den gleichen Posten innegeüabt. Er ist Vertrauensmann der Bayerischen Volkspartei, hat aber seine Veamtenlausbahn in der Postverwaltung zu- rüclgelcgt, ist also gleichzeitig auch Fachministcr. Über die Aussichten des Kabinetts läßt sich Zur Stunde ein endgültiges Urteil noch nicht sätten. Fest steht, daß das Zentrum nicht geschlossen sür das Kabinett eiutreten wird, sondern daß sich in der entscheidenden Ab- stimmnng mehrere Mitglieder seines linken Flügels der Stimme enthalten werden. Nur eine knappe Mehrheit hat as Kabinett. Es muß ihm überlassen werden, diese Mehrheit zu stärken durch die Taten, die man von ihm rw artet.