Volltext Seite (XML)
Wchnckü für WMff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne i Nummern 10 Pf. ThmM, DM, Siebtnlkhn m- die Umgegenden. Imlsblnlt Inserate werdm Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltem CorpuSzeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Dienstag, den 26. Mai No. 42. Tagesgeschichte. " Geschäftsreisende und Hausirer. Manche Wahr nehmungen lassen darauf schließen, daß Geschäftsreisende sich vielfach nicht auf die Aufsuchung von Waarenbestellungen be schränken, sondern mitgeführte Waaren im Detail direkt ver kaufen und so einen dem Hausirergewerbe ähnlichen Gewerbe betrieb durchführen, ohne doch den erschwerenden Bedingungen zu unterliegen, welche die Gesetzgebung für den Hausirbetrieb un öffentlichen Interesse für nothwendig erachtet. Das Reichs amt des Innern hat aus Wahrnehmungen dieser Art Anlaß genommen, bei den Bundesregierungen anzufragen, welche Er- fahrungen in der Sache gemacht sind und inwieweit aus den thatsächlichen Vorgängen Mißstände sich ergeben haben, welche Abhilfe erheischen. Von dem Ergebnisse dieser Rundfrage wird es abhängen, ob der Weg der Gesetzgebung in der Sache zu betreten ist oder nicht. Sollte diese Frage aber auch in be jahendem Sinne entschieden werden, so dürfte doch nicht, wie in der Presse gemeldet wird, davon die Rede sein können, das Detailreisen und das hausirmäßige Aufsuchen von Waarenbe stellungen beim Publikum zu verbieten. Es dürfte sich vielmehr nur darum handeln, einen Gewerbebetrieb, welcher vom Stand punkte des öffentlichen Interesses dem Hausirgewerbe gleichzu stellen ist, auch rechtlich denjenigen Sondervorschriften, zu unter stellen, welche für das Hausirgewerbe selbst für nothwendig er achtet sind. In Wien hat der Weltpost-Congreß, bei welchem das Deutsche Reich durch den Staatssekretär Dr. v. Stephan vertreten ist, seinen Anfang genommen. Von fünf zu fünf Jahren soll dies Organ des „Weltpostvereins" satzungsgemäß in Wirksamkeit treten, uni die inzwischen neuerstandenen Be dürfnisse des Weltpostverkehrs zu prüfen und durch gemeinsame Entschließung aller dem Weltpostverein angehörigen Staaten zu erledigen. Der diesjährige Weltpost-Congreß ist der dritte, welcher seit Begründung des „Allgemeinen Postvereins" über haupt abgehalten wird. Der erste tagte zu Paris im Jahre 1878 und wandelte den „Allgemeinen Postverein" in einen „Weltpostverein" um. Der zweite Weltpost-Congreß versammelte sich alsdann zu Lissabon im Jahre 1885, wo bereits Wien zum Otte des nächsten Weltpost-Congreß bestimmt ivurde. Der für die gegenwärtigen Berathungen vorliegende Stoff ist ein sehr reichhaltiger. Postkarten mit bezahlter Rück antwort waren bisher nur in einem Theile der Weltpostvereins staaten zulässig; sie sollen künftig auf diese sämmüich ausge dehnt werden. Eine Versicherung von Werlhsendungen im in ternationalen Verkehr war nur bis zum Betrage von 10 000 Fr. für jeden Brief gestattet; in Zukunft soll dagegen die Ver sicherung an eine Werthgrenze nicht gebunden sein. Das Ge wicht für Postpackete mit und ohne Werthangabe im Weltpost- verkchr betrug bis jetzt 3 bu; es soll Hinfort auf Antrag Bel giens auf 5 K- erhöht werden. Nach dem Wunsche der Schweiz soll ferner diesen Packeten eine Rechnung für die in ihnen be förderten Waaren beigegeben werden dürfen, während endlich die deutsche Reichspostverwaltung den Antrag gestellt hat, solche Packete im Umfange von höchsten 1 m nach den Ländern des Weltpostvereins zu befördern. Den Schluß der Tagesordnung des Congreffeö bildete alsdann die Regelung der Bezugsbedingungen im internalen Zcitungöverkehr. Die erschienene päpstliche Encyklea über die soziale Frage erörtert die Pflichten des Staates und des Kapitals gegenüber den Arbeitern und Armen. Der Staat, so sagt der Papst, sei der oberste Schirmvogt aller gesellschaftlichen Klassen. Ihm allein liege es ob, die Beziehungen zwischen denselben zu regeln und den Lehrsatz des heiligen Thomas von Aquino von der ausglcichenden Gerechtigkeit wahr machen. Jede Schule, möge sie liberal oder konservativ sein, welche dieses höchste Amt des Staates leugne oder bestreite, sei verderblich und darum auch die auf den nackten Kampf um's Leben begründete Schule von Manchester durchaus zu verwerfen. Es bleibe eine natürliche, aus aller menschlichen Ordnung hervorgehende Pflicht des Staates, seine Mitglieoer, insbesondere aber die Armen und Bedrückten, in seinen Schutz zu nehmen. In seinen „Erinnerungen an Kaiser Wilhelm i. und Gastein" erzählt Hofprediger Frommel folgenden liebenswürdigen Zug aus dem Curaufenthalt des verstorbenen Monarchen in seinem Lieblingöbate: Damals, anfangs der siebziger Jahre, war zwar das „Badeschloß" noch kein Hotel, wohl aber wohnten andere Curgäste mit dem Kaiser zugleich in demselben. Es lag umen ein kranker Badegast im Erdgeschoß. Es gab Tage in Gastein wo es mit Kübeln goß, sodaß an ein Ausgehen nicht zu denken war. Und doch sollte der hohe Herr sich Bewegung machen. Er benutzte darum die ganze Flucht von Zimmern, um auf- und abzugehen. Als der Kammerdiener den Kaiser nicht niehr promeniren hörte, ging er hinein, uni etwas zu bringen. Aber welch' Bild entrollte sich ihm! Der Kaiser legte, sich bückend, einen Teppich neben den anderen im Schweiße des An gesichts. „Aber Majestät, was thun Sie da, warum lassen Sie mich das nicht thun?" Lächelnd sagte der Kaiser: „Ja, das habe ich nun einmal selber gemacht. Da unten wohnt ein schwerkranker Badegast, der zu Bette liegt und wenig schlafen kann. Da habe ich die Teppiche alle zusammengelegt, damit der Mann mich beim Gehen nicht hört, da geht sich's doch leichter und man macht sich so was am besten selbst." Ueber die Lage der Sozialdemokratie in Hamburg schreibt man von dort: Es ist bezeichnend für die hiesige Sozialdemo kratie, daß mehrere der in den letzten Wochen, abgehaltenen Versammlungen einerseits nicht nur schwach besucht waren, son dern daß am Donnerstag in Altona und am Freitag in Ham burg zwei einberufene Versammlungen, letztere mit einem Vor trage über das Thema „Emanzipationskampf der Arbeiterpattei", überhaupt nicht stattfinden konnten, weil kaum ein Dutzend von Zuhörern erschienen war. In beiden Fällen handelte es sich um Vorträge bekannter Agitatoren. Seit 'Jahresfrist sind in Hamburg-Altona alle eingeleiteten Arbeitseinstellungen erfolg los verlaufen, ein Resultat, welches manchen Arbeiter doch stutzig gemacht haben dürfte. Der Bergarbeiterstreik in Rheinland-Westfalen ist beendet, wenn auch hie und da noch ein Aufflackern der Be wegung sich wahrnehmbar macht. Aber auch in Belgien hat der Ausstand nunmehr sein Ende erreicht. Hier wie dort trat sehr bald zu Tage, daß der Streik finanziell nicht gehörig vor bereitet war, daß es an den Mitteln fehlte, um die hundert tausende feiernder Arbeiter während der Zeit der unfreiwilligen Muße zu erhalten. Und so kam es, daß in den letzten Tagen immer mehr Arbeiter, von der Noth gedrängt, zu ihrer gewöhn lichen Beschäftigung zurückkehrten. Der Generalrath hat, wie jetzt feststeht, das Aufhören des Streiks beschlossen, weil die Centralsektion der Kammer sich prinzipiell für die Verfassungs revision erklärt habe. Selbstverständlich ist dies nur ein Vor wand, um das Fiasko zu verdecken, welches die Streikbewegung bedrohte, denn erstens war der derzeitige Ausstand gar nicht des allgemeinen Stimmrechtes wegen begonnen worden —, für letzteres sollte besonders demonstrirt werden —, und zweitens sind die bezüglich des Wahlrechtes von der Centralsektion gefaßten Be schlüsse keineswegs danach angethan, die politischen Forderungen der Arbeiter zu befriedigen. Die Arbeiter verlangen das all gemeine direkte Stimmrecht, wie es in Frankreich und Deutsch land in Kraft ist. Das weist nicht blos die herrschende klerikale Pattei zurück, sondern auch die Altliberalen halten den Sprung von dem gegenwärtigen hohen Wahlzensus zu dem unbeschränkten Stimmrecht für ein zu gewagtes Experiment. Das allgemeine Stimmrecht hat also vorläufig keine Aussicht, auf verfassungs mäßigem Wege, das heißt mit Zustimmung der gegenwärtig zur Gesetzgebung berufenen Faktoren, in Belgien eingeführt zu werden, es ist nur eine Wahlreform zu gewärtigen, welche eine erhebliche Ausdehnung des Wahlrechts ausspricht. Ueber ein Eisenbahnunglück bei Kirchlengern meldet der amtliche „Reichsanzeiger": Am 22. Mai um 2 Uhr 35 Min. Nachmittags stieß der von Löhne nach Osnabrück fahrende Personenzug Nr. 234 auf Station Kirchlengern mit dem von Osnabrück kommenden und gleichzeitig in die Station einfahrenden Sonderzug des Cirkus Carrs am Ende des Bahnhofes zusammen, indem der dienstthuende Stations-Beamte vorschriftswidrig das Einfahrtssignal gegeben und der Lokomotivführer des Personen zuges zu spät gebremst hatte. Drei Personen des Sonderzuges und die in demselben befindliche Frau Carrs sind getödtet. 10 Mitglieder der Cirkusgesellschaft sind schwer, mehrere andere leicht verletzt. Unter den Beamten und Passagieren des Personen- zuges sind nur leichte Verletzungen vorgekommen. Für schleunige Herbeiholung ärztlicher Hilfe ward Sorge getragen. Die sämmt- lichen Verwundeten wurden in einem Sanitätszuge unter Be gleitung von zwei Aerzten nach Hannover zur Aufnahme im dortigen Krankenhause übergeführt. Der Stationsassistent, welcher den bestehenden Vorschriften zuwider beide Züge gleichzeitig hat einlaufen lassen, ist sofort seines Dienstes enthoben und verhaftet worden. Gegen den Lokomotivführer des Personenzuges, welcher letzteren nicht rechtzeitig und an richtiger Stelle zum Haltenge bracht hat, ist das Strafverfahren eingeleitet worden. Ueber das Eisenbahnunglück werden noch folgende Einzelheiten berichtet: Der Wagen, in dem sich die Familie Carr.' und ein Theil des Personals befanden, wurde über den Packwagen hinweg auf den Tender geschoben, schlug dann um und stürzte, mit den Rädem nach oben, die Böschung des Bahndammes hinunter, wobei Direktor Carrs herausgeschleudert und am Gesicht, Arm und Knie verletzt wurde. Frau Carrs ward zerschmettert als Leiche unter den Wagentrümmern hervorgezogen. 3 Kinder sind leicht verletzt, ein 2 jähriger Knabe fiel unter die Bank und blieb unversehrt. Wie aus Wiener Meldungen hervorgeht, ist man dort von 1894. dem Vorgehen der serbischen Regierung gegen die Königin Mutter Natalie nichts weniger als erbaut. Fürs erste glaubt man nämlich — unseres Erachtens mit Recht — überhaupt bezweifeln zu sollen, daß für die serbische Regiemng ein zwingen des politisches Motiv vorhanden war, um die gewaltsame Ent fernung der Königin Natalie aus dem Lande zu betreiben und fürs zweite findet man, daß das Belgrader Cabinet, wenn es schon auf die Ausweisung nicht verzichten zu dürfen vermeinte, jedenfalls mit größerer Schonung und geringerer Ungeschicklich keit hätte vorgehen müssen. Habe es bisher in unterrichteten Kreisen als ausgemacht gegolten, daß die Königin-Mutter keinen Einfluß auf die Regierungshandlungen des radikalen Ministeriums übe, so habe jetzt allerdings die Königinfrage unleugbare politische Wichtigkeit gewonnen und es könne nur lebhaft bedauert werden, daß ebenso ungeschickter wie unnützer Weise im Nachbarstaate Serbien ein Zustand hochgradiger Aufregung Hervorgemfen worden sei. — Es fällt in derThat schwer, eine Halbwegs ausreichende Erklärung zu finden, wamm die serbische Regiemng und die in diesem Falle in vielleicht noch höherem Grade verantwortliche serbische Regentschaft es nicht vorzogen, die Ausführung der be kannten Resolutton der Skupschttna in Bezug auf die Königin- Mutter noch weiter zu vertagen. Die Rücksicht auf ein dem Ex-Könige Milan gegebenes Versprechen .chatte eine plötzliche so energische Aktton sicherlich um so weniger erheischt, als die Umstände, unter denen Milan das letzte Mal das Land ver lassen hatte, wahrscheinlich nicht darnach angethan waren, ihm die Sympathien der serbischen Natton zurück zu gewinnen. Das serbische Volk würde einen etwaigen „Wortbruch" der Regiemng zu Gunsten der Königin Natalie ohne Zweifel geme verziehen haben und die Skupschttna hätte deshalb dem Cabinet Pafltsch auch kein Mißtrauensvotum ertheilt. Die Rücksicht auf die Wünsche Milan's war also doch kaum maßgebend. Dagegen ist es allerdings kein Geheimniß, daß zwischen der Königin-Mutter einerseits und den Regenten Ristitsch und Protttsch andererseits nichts weniger als freundliche Beziehungen obwalten, und die Königin Natalie als Frau und Mutter es insbesondere Ristitsch nicht verzeihen kann, daß dieser ihrer Ueberzeugung nach die Ehescheidungsangelegenheit benutzte, um sich bei König Milan wieder zu insinuiren und dadurch aus der Muße unfreiwillig«: Privatlebens wieder zur Macht zu gelangen. Ebenso weiß man, daß die Königin Natalie den ehemaligen Ministerpräsidenten und Führer der Fortschrittspartei, Garaschanin, in ihr Vertrauen zog, weil sie ihm als Königin, Frau und Mutter dafür Dank wußte, daß er in der Ehescheidungsangelegenheit sich nicht zum Werkzeug der Willkür des Exkönigs hergab. Möglich, daß Garaschanin, der ja noch nicht alle Hoffnungen aufgegeben hat, wieder eine maßgebende politische Rolle zu spielen, das ihm von der Königin - Mutter geschenkte persönliche Vertrauen zu politischen Zwecken benutzte und dadurch auch das Mißtrauen des radikalen Cabinets auf die Königin lenkte, so daß die Minister Pasitsch und Gjaja, welche mit Ristitsch sonst nicht gerade Harmoniken, für die Intentionen des ersten Regenten gefügiger wurden — will man aber in den Kreisen der serbischen Regentschaft und Regierung aufrichtig gegen sich selbst sein, so wird man sich heute gestehen müssen, daß man, indem man die Popularität der Königin-Mutter gewaltig unterschätzte und die Gefühle auch des politisch indifferenten Theiles der serbischen Bevölkerung schwer verletzte, nicht erschütterte, sondern auch der königl. Regentschaft jenes Maß nationaler Sympathie schmälerte, dessen sie zur er sprießlichen Oberleitung der Staatsgeschäfte bedarf. Prag, 22. Mai. Vorgestern wurde auf dem hiesigen Ausstellungsplatze ein Ausstellungsbesucher aus Berlin von einer Gmppe tschechischer Studenten überfallen und blutig ge schlagen; er mußte ärztliche Hülse in Anspruch nehmen. Die Veranlassung des Ueberfalls war, daß der Berliner, welcher ein großes Berliner Haus vertritt, deutsch sprach und auf die Zu rufe der tschechischen Studenten, er solle tschechisch reden, ant wortete, daß er Berliner sei und nicht tchechisch könne. Die Studenten erwiderten, man brauche auf der Ausstellung keine Berliner, wer nicht tschechisch könne, möge zu Hause bleiben. Die tschechischen Studenten versetzten sodann dem Berliner einen Faustschlag in's Gesicht und verletzten ihn am Auge. Der Vorfall erregt großes Aufsehen, weshalb die tschechischen 1 Blätter über denselben nachttäglich berichten. Die polizeiliche Untersuchung ist bereits eingeleitet. Der Führer der tschechischen Studenten war der Sohn des Abgeordneten Eduard Gregr. Die Studenten waren angeblich betrunken. Ein neuer Wandel im belgischen Ausstande! Der Generalrath hat die Fortführung des Ausstandes beschlossen. An einzelnen Stellen wird die Arbeit wieder ausgenommen, an anderen Stellen wird der Ausstand unterhalten und an noch anderen Stellen werden neue Ausstände in Szene gesetzt; vor Allem wird in Brüssel selbst gewühlt. Das ganze Land und besonders die Hauptstadt werden in fortdauernder Aufregung