Volltext Seite (XML)
1». Jahrgang. Donnerstag, -en 12. Mal 1-21. Nr. 1--. Älll»* UN»flnz-Ig-rfür /AHHltl »as Erzsedirs« >2^8! em..«, mu 5...-.e.u«. s.^ ."., Das Wichtigste vom Lage. Die Avanzosen treffen Wetter« Vvrbereitun- gen »um Einmarsch in da« Ruhrgebiet. * Aus.die Frage BottomlehS im Unterhaus«, ob im Hinblick auf di« Annahme de» Ultimatum» durch die deutsch« Regierung da» deutsch« Revara- tion-gesetz aufgehoben werd«, antwortete Llohd George verneinend. Die Lage in OLerschlesien ist unverändert ernst? die Festsetzung einer Demarkationslinie ist al» ein Bruch de» Versailler Friedens vertrage» anzusehen. » Englische Offiziere haben am Dienstag bei Kandrzin das Kommando über die im Kampfe gegen die polnischen Insurgenten befindlichen deutschen Abstimmungspolizeitrupven über nommen. Tie alliierten Regierungen haben (nach einer Londoner Meldung) mit Rücksicht auf die Lage kN Oberschlesien eine strenge Note an die polnische Regierung gerichtet. Preußen unä 6as Neichskabinett. ES war zu erwarten, daß die Sozialdemokraten ihren Eintritt in die Reichsregierung, von dem sie sä' seit langer Zett immer wieder nichts wissen wollten, auch von parteipolitischen Bedingungen ab hängig Machen würden. Es wurde denn auch sofort, als das Reichskabinett gesichert war, bekannt, daß.sie Sozialdemokraten eine entsprechende Umstel lung in Preußen verlangt hätten. Sie haben sich erst Mrzlich bei der preußischen Regierungsbildung mit Händen und Füßen gegen jedes Zusammengehen mir der Deutschen Volkspartei Gesperrt und wollten durch aus die alte Koalition, bestehend aus Zentrum, Temo- lraten und Sozialdemokraten, wieder Herstellen., Als die anderen beiden Koalitionsparteien das ableh- ien, blieben sie draußen. Jetzt hat sich die Deutsche BolkSpartet selbst aus der RetchSregierung zurückgezogen, und die Sozialdemokraten haben ihr dabei geholfen, so daß sie selbst in das Reichskabinett eintreten konnten, und nun verlangen sie nach dem Grundsatz der Homo genität die Angleichung der preußischen Regierungsver hältnisse an die des Reiches, und die beiden anderen Koalitionsparteien, die im Reich die frühere Koali tion mit den Sozialdemokraten wieder hergestellt haben, obwohl sie starke Bedenken dagegen hatten, können nun den Konsequenzen in Preußen nicht ausweichen. Wir haben also sowohl im Reiche als auch tn Drerrtzen einen Ruck nach links. Er ist die Nach wirkung der außenpolitischen Lage, infolge deren die Volkspartei aus der Reichsregierung ausgeschieden ist. Ter Zustand ist aus die Tauer weder im Reich noch in Preußen befriedigend, und man wird nach, wie vor da nach streben müssen, die BolkSpartet in beide Regierungen wieder hineinzubringen. Zu bedauern sind im Augenblick auch die drei preußischen Fachminister,, die der politischen Konstellation zum Op fer fallen dürften, nämlich Kultusminister Becker, Finanzminister SÜ misch und Minister für Landwirt schaft Wvrmboldt. Namentlich um die Arbeit des Minister- Becker, der ein bedeutender Gelehrter und außerdem «in tüchtiger Verwaltungsbeamter ist, dürfte e» schade sein, wenn eS nicht gelingen sollte, .seine wert volle Kraft an leitender Stelle dem preußischen Staat zu erhalten!' Daß.die Sozialdemokratie das Ministerium für Landwirtschaft und da» Innere wieder fordern wür de« war Vorauszusehen. Sie legt aus dies« beiden Porte feuilles nicht bloß.ressortmäßigen Wert, sondern sieht sozusagen eine Ehrenpflicht darin, ihre beiden Mit-, glieder Sievering und Braun wieder in führend« amtliche Stellen zu bringen? namentlich die Bekämpf fung des Putsche» tn Mitteldeutschland hat Severing groß« Sympathien tn der Partei erworben. Im übrigen scheint e», al- ob die Sach« nicht überstürzt werden wird. Die unbesetzten Reichsministerien. Da, Außennpnisterium 8»<n«ralvtr«ltor L««o augebote«. Bei der Raschheit, mit der da» neu« R«ich»ka bln« tt gebildet werden mutzt«, sind drei Ministerien unbesetzt geblieben. La» Außenministerium, dessen provisorische Leitung Reichskanzler Lr. Wirth tnnehat. .soll zunächst dem Generaldirektor der Ham- burg-Amerika-Linte, Cuno angeboten werden General direktor Cuno befindet sich Mrzeit auf. einer Reis« nach Amerika, und eine Antwort auf Hie Tepesche.de» Reichs kanzler», die Cuno die Nachfolge Tr. Simon» antrug, ist Mch nicht eingetragen- Auch wenn er da» Amt nicht anntmmt, will man da» Außenministerium tedenfall» «irrer Persönlichkeit Vorbehalten, .die Beziehungen zü Amerika hat und für eine großzügige wirtschafts politisch« Tätigkeit geeignet wäre/ Besonder» da» Zen- tvum würde eine Miniyerschaft Cuno» begrüßen. Cuno hat bi» -nm Jahre * .2 ReichSfinanzverwal- tung angehvrt, ist dann in Hamourg-Amerika-Linie eingetreten und war al» Svchvexständtger Mitglied der deutschen Friedensdelegation tn Versailles.. Ta» zweit« unbesetzt« Ministerium ist.da» Reichsfinanz- Ministerium. Lieser Posten ist heute besonder wichtig und schwierig, well der neu« ReichSftnanzmi- niyer die auf Grund de» Ultimatum» zu leistenden Zah lungen, zunächst Hie bi» Ende diese» Monar» abzu geltend« ein« Milliarde Gokdmark, herbeizuschaffen hat. Ta durch di« Annahme de» Ultimatum» neu« Steu ern notwendig sein Werden, wird der neue Reich »ft- nanzmtnister ein umfassendes Programm vorigen müs sen., Da» dritte unbesetzt« Ministerium, das Wieder« aus-bauministerium, das bisher von einem Staats sekretär geleitet wurde, soll nun endgültig besetzt wer den. Besonder» wichtig erscheint heute auch die Be setzung des Bvtschafterposten» in Washington, da nach der Annahme des Ultimatums in kurzer Frist die Erklärung des FriedenSzustandeS zwischen Deutsch land und den Bereinigten Staaten zu erwarten ist. Tie Besetzung per deutschen Botschaft tn Amerika wird zu den wichtigsten ersten Amtshandlungen des neuen Außen ministers gehören, und auch Lier setzt man auf die Per son des Generaldirektors Cuno, der vorzüglich« Be ziehungen zu den führenden Kreisen der amerikanischen Wirtschaft hat, große Hoffnungen. . französische Pressestimmen. Da« neu« Kabinett. — Die Annahme ve» Ultimatum, TaS neue deutsche Reichskabinett und der vorgestrige Beschluß des Reichstages werden von der Pariser Presse besprochen/ Pertinax. schreibt im Echo de Paris, ob der Regierungschef Eberth Scheidemann, Bauer. Müller. Fehrenbach oder Wirth heiße, ob die Diehrtzeits sozialdemokratie an der Kombinatton teilnehm« oder ob die.Volkspartei sie ersetze, das Personal, das vorüber ziehe, ändere nichts. Es sei kein Anlaß vorhanden!,, auf .eine plötzliche und vollständige Bekehrung des deut schen Volkes und seiner Führer zu rechnen. Petit Par isien sagt: Man Weitz, daß Wirth als aller egy ErzbergerS gilt. Mit der Bizekanzlerschaft, dem Innenministerium und dem Aeichsschatzministerium ha ben sich die Sozialdemokraten erstklassige Rollen zuge teilt. Ein rascher Blick aus die Ministerliste gestattet, anzukünden, -aß.in der Frage derEntwafsnun g^rnd besonders tn der Frage der Anwendung-« Steuer gesetze von den 125 Abgeordneten der beiden konser vativen Parteien eine heftig« Opposition sich bemerkbar machen und von den Unäbhängigen und der äußersten Linken dauernde Kritik geübt werden wird. Ta» Kabi nett hat eine Mehrheit von 20—30 Stimmen und wird infolgedessen auf Grund des reaktionären. Widerstandes keine starke Regierung.sein können. Sie wird nur lebensfähig sein, wenn man ihr im Au»lande ihre Aufgabe etwas erleichtert. TaS Kabinett war vielleicht! gegenwärtig die am wenigsten schlechte Kombi nation, wenn man Deutschland nicht den Stinnes, Helf- fertch, Ludendorff und Konsorten ausliefern will. Pe tit Journal äußert u. a.: Ttecdrohenden Zwangsmaß nahmen und die Ungewißheit, .ob man auf ein Nachgeben rechnen könne, haben dem deutschen Volke das Ohr für die aufreizenden Reden der Alldeutschen geschlossen. Tie Entente verdankt dies« günsttg« Erkenntnis Her Evergie -er französischen Haltung. In ge wissen deutschen Kreisen sagt man dem Kabinett nur ein« kurze Lebensdauer voraus, aber Tr. Wirth ist gerissen, Und wird nicht verfehlen, die Hindernisse, die er auf seinem Wege vorfind^n wird, zu überwinden. Journal erklärt, Deutschland werde also eine neu« Unterschrift zu denen fügen, die «» schon gegeben habe. Aber diesmal müsse es genau wissen, daß .es auf .Vie Stunde die Verpflichtungen auSMHren müsse, di« «S übernommen habe. Ein genauer Kalender sei ausge stellt, und an jedem Verfalltage werde di« Entente, .ob eS sich-mun um die Reparationen oder um die Ent waffnung handle,, sich einer Realität gegenüber befinden. Tie Situation iy^noch lange nicht geklärt, schreibt Jntransigeant, wenn Deutschland ja sagt und infolgedessen die Besetzung de» Ruhrgebiet«» auf geschoben (!) wird. Wir haben gute Gründe, die Auf richtigkeit Deutsch land» anzuzweifeln. (!) Temschland wird -um Scheine nach geben, und die Soldaten werden unter den Waffen gehalten werden müssen. Wenn die Anwendung der Gewalt für mehrere «Wochen auspescho ben wird, so müssen wir doch Haffen, daß da- ange spannt« Seil nichlt locker werd«. Ter Kalender enthält eine Reih« von gefährlichen Zeitpunkte«, die zu neuen Krisen führen können/ Mit Bezug, auf die Wiedergut machung wird im Mai di« Summe von 81 Milliar den Goldmark fällig, oder aber e» müssen dafür fremde Sicherheiten oder LretmonatSschatzscheine ausge liefert Werden, im November Bon» für 88 Mil liarden, sowie solche sür 82 Milliarden, die jedoch nicht sofort in Umlauf gelangen. Am 15. Ok tober wird di« «rst« Biertelsahr-zahlung d«r festgesetzten jährlichen Summe erwartet. Mitt« No vember wird di« «rst« Zahlung auf di« deut sche Ausfuhr gefordert. Wa» di« Abrüstung und di« Auslieferung von Kriegsmaterial und die KV iegSver breche rprozess« anbelangt, sv sind diese Angelegenheiten seit langem überfällig, und dir, sofortige Erledigung dieser Punkte ist angenommen wor den.' ES ist »in« ansehnliche Liste kritischer Daten allein in diesem Jähr«. und andere ebenso kritische werden fol gen.' wir zweifeln daher daran, daß «ine setztg» Ab nahme Deutschland» «in« sichera »ndgültig» Re gelung Lewährleistet. Eine Demarkationslinie in Vberschlesien? Die Schief. vollSztg. berichtet r SS verlautet, daß di« Verhandlungen der Insurgenten mit der Interalliierten Kommission wegen einer Demarkationslinie vor dem Abschluß stehen, Di« De- markattonsllnie soll van Tzierzowitz über Uhjest-Thost —Zwadzkai—Guttentag—Bodzanowitz laufen. Tie inter alliierten Truppen sollen, .wenn die »erhandlunpen zwischen Lerond und den Insurgenten zu «in«r Verein barung führen, sich über diese Linie zurückziehen. Kor- fanth soll in einem neuen Aufruf Arbeiter und Be amt« zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgesordert ha- ben.' Der polnische Tagesbericht der Grupp« Osten stellt das Eingreifen etner ReichSwehrab teilung in den Kämpfen bei Pogorzoklotk und Turawa fest mit dem Hinzufügen, diese Beteiligung von Reichswehr habe eine neue Log« geschaffen, der di« polnische Regierung so fort Rechnung tragen werde. Die Absichten der pol nischen Leitung liegen aber klar auf der Hand. Sie will damit der polnischen Regierung einen Kriegs gründ in die Hand drücken. Deshalb hat Korfanth schon in einer Note an die Mächte behauptet, die Waffen der Insurgenten stammte« von deutscher Seit«, obgleich der polnische Befehlshaber ausdrücklich feststellt, daß «S sich um Polnische Waffen handelt, di« seit dem letzten Auf stand verborgen gehalten worden waren. In Verbin dung mit den Absichten der polnischen Leitung ist fol gende MMmng, die gleichfalls der Schief. BolkS^g. zuging, MchtenSwertk General Haller hab« sich an di« Spitze der polnischen LandesschützenkorpS gestellt und beabsichtige, gegen die Warschauer Regie r'« ng porzugehen. jDie Times melden au» Beuchen: Di« Verhandlun gen zwischen der interalliierten Kommission und -en polnischen Aufständischen hätten zur Anerkennung der Korfanth.Linie al» Demarkationslinie der Aufstandsbewegung geführt. Ti« interalliiert« Kom mission übernahm die Verantwortung Mr die Ober- aü f.sicht des Gebiet«-. Tie Aufständischen behielten jedoch die Kontrolle der Eisenbahnen. Wie da» Blatt weiter meldet, ist die Demütigung der Alliierten in Oberschlesien vollständig. In Beuchen befindet sich ein Bataillon französischer Jäger mit Tank» Mr Auf rechterhaltung der Ordnung. Trotzdem konnten di« be- waffneten Aufständischen ungestraft di« ganz« Nacht hin durch die Stadt durch Schießereien wachhalten. Dtp Autorität des britischen Kontrolleurs des Beuchener Stadtkreises wird auf .die vier Wände seines Hause» beschränkt. ' : Kvefanch emtektteet. Korfanth erklärte in einer Unterredung mtt dem Berichterstatter der Daily Mail, in einer Woche wür den seine Streitkräfte die gesamte Provinz, die sie annektieren würden, besetzt halten. Vie Lage km /iufruhrgeblet. In der Lage Oberschlesiens ist eine wesentliche Aen- derung nicht eingetreten. Wenn e» auch gelungen ist, den Polen den Hafen von Kofel, den sie am Diens tag besetzt hatten, wieder ävzunehmen, so ffnd doch große Mengen von Lebensmitteln in di» Hände -er Po len gefallen, so u. a. 40000 Zentner Mehl, die zur Linderung -er LebenSmittelnot -ort aufgespetchert wor- den waren. Li« Tat zeigt, welche Schwierigkeiten Mr Durchführung der geplanten LebenSmittelaktwa M kämpfen sind. Gegenüber der polnischen Meldung, daß betWen Kämpfen von Pogorelletz.und Btrawa Reichs- Wehrabteilungen festgestellt worden tztür, ,wird von zuständiger Stelle erklärt, .daß nicht ein eini ger Reichswehrsoldat an den Kämpfen in Ober schlesien teilgenommen hat. Li« lügnerische Darstellung der polnischen Aufrührer hat nur den Zweck, die Teil nahme polnischer regulärer Truppen an d«n Kämpfen in Oberschlesien zu rechtfertigen. Die «etq*n»ter»a» »nd Vbeffchlestr». Ter deutsche Bevollmächtigte für die obrrschiesifche Abstimmung Fürst Hatzfeld ist gestern zur Bericht- erstattung in Berlin etngetroffen. Vte Vemütigung öer Mlerteo I« Gbrrjchlefieo. Di« Lrbitt«ritttg der Ataltmer «ad Ter Time» zufolge können Worte die Erbitte rung und Entrüstung der britischen und ita- lientfchen Vertreter nicht schildern. Seit Mona ten sei die Parteinahme der Franzosen zugunsten -er Polen bekannt. Tie Italiener, die 80 oder .40 Mann an Toten verloren hätten, würde«dem gli chen Blatte zufolge kaum gleichgültig verharre». Die Morning Post meldet au» Rom, in amtlichen ita lienischen Kreisen werde den Berichten au» Ober schlesien große Brdeutung betgemessen. Der nach der italienischen konstitutionellen Praxi» ungewöhnliche Schritt de» König», der Graf Sforza nach dem Out ri nal berief und den Wunsch ausdrückte, über di« Er- eignisße auf der Londoner Konferenz und über die Hab tung der Alliierte« gegenüber den letzte« EretgniFan eingehend unterrichtet zu werden, kann al» ein Beweis