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Tharandt, Wolfen, SieöenLeßn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blauken'tein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Aaufbach, Kesielsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesielsdorf, Steinbach bei Mohorn, — Seeligstadt, Spechtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. ' Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsrrtionspreis 15 Pfg. pro viergespaltme Torpuszeile. rnif! und Perlaa von Marrin Berqer in MISdrun. — Verantwortlich für die Redaktion Marti» Brrgrr tzaieibn. No. 123. ! Dienstag, Sen 21. Oktober 1SV2. > «1. Jayrg. Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Fabrikanten Paul Richard Noetzold in Wilsdruff, in Firma „Wilsdruffer Dachziegel- und Klinkerfabrik Paul Noetzold", wird nach Abhaltung des Schlußtermines hierdurch aufgehoben. Wilsdruff, den 16. Oktober 1902. Aonigliches Amtsgericht. politische Rundscha«. Der Kaiser traf am Sonnabend in der zwölften Vormittagsstunde in Fehrbellin ein und wohnte dort der feierlichen Enthüllung des Tenlmales bei, welches dem Großen Kurfürsten, dem Sieger von Fehrbellin, aus dem Kanonenberge errichtet worden ist. Am gleichen Tage fand zu Myslowitz in Ober schlesien die Enthüllung der daselbst Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich errichteten Denkmäler in Gegenwart des deutschen Kronprinzen statt. Der Kronprinz nahm -dann an einem von der Stadt gegebenen Frühstück Theil und reiste hierauf nach Pleß zu einem Jagdbesuch beim Fürsten zu Pleß ab. Der Reichstag vermochte es auch in seiner Sonn- ubendsitzung noch nicht zu der vielfach erwarteten Abstimm ung über die Mindestzölle für Getreide zu bringen, trotz einer abermaligen ö^stündigen Dauer der Verhandlungen. Zunächst sprach am Sonnabend Abg. Dr. Pachnicke von der freisinnigen Vereinigung, er erklärte sich gegen die Regierungsvorlage und gegen die Kommissionsbeschlüsse. Ihm folgte Abg. v. Wangenheim, der Führer der hoch- sgrarischen Partei im Reichstage, er trat für den von ihm beantragten 7V? Mark-Zoll ein und versicherte, die Agrarier Würden für ihre Forderung bis zum Aeußersten kämpfen. Nunmehr ließ sich der badische Minister und Bundesraths- Levollmächtigte Dr. Buchenberger vernehmen, er empfahl in klarer und sachlicher Rede die Regierungsvorlage. Dann sprachen der Pole v. Dziembowski und der Antisemit Gäbel für die Kommissionsbeschlüsie, während ein bayerischer Bauernbündler den Antrag Wangenheim, eventuell den d Mark-Antrag Heim befürwortete. Zuletzt trat der So zialdemokrat Stadthagen als „Dauerredner" auf, in stun denlangen Ausführungen bekämpfte er die Reden der Ab geordneten Dr. Pasche, Graf Kanitz und v. Wangenheim zum Zolltarif, wobei sich der heißblütige Umsturzmann einen Ordnungsruf seitens des Vizepräsidenten Dr. Büsing holte, weil er die Vertheidiger des Antrages Wangenheim Diebe und Räuber nannte. Weiter donnerte er gegen Len Regierungsentwurf, wie gegen die Kommissionsbeschlüsse und schloß mit dem ironischen Vorschlag, das Reich solle Lie Großgrundbesitzer „auskaufen" und ihnen eine lebens längliche Rente gewähren. Montag 1 Uhr Fortsetzung dieser Debatte. Neuerdings wird ihr Schluß für Dienstag erwartet: allgemein glaubt man, daß der Reichstag den Kommissionsbeschlüssen zustimmen werde. Präsident Castro von Venezoela depeschirte an Len venezoelanischen Gesandten in New-Jork, er habe die Aufständischen bei La Viktoria völlig geschlagen, dieselben hätten 3000 Mann verloren. Der Kaiser von China empfing am Sonnabend in seinem Sommerpalast das diplomatische Korps und die fremden Truppenkommandanten. Der englische Gesandte satow war indessen nicht erschienen. Die Voereriführer in Berlin. Ueberwältigend sinddieSympathiekundgebungen seitens der Berliner und aus dem Reiche zusammengeströmten Bevölkerung gewesen. Ueber den Empfang am Donners tag haben wir schon in letzter Nr. berichtet. Inden frühen Morgenstunden am Freitag war vor dem „Boerenhotel", wie der Volksmund das Hotel Prinz Albrecht sofort ge tauft hat, ungeheure Menschenmengen versammelt; die Polizei hatte Mühe, den Verkehr aufrecht zu erhalten. Zahlreiche und große Geldspenden, darunter viele von be kannten Persönlichkeiten, hohen Beamten und namhaften Politikern liefen im Laufe des Tages bei den Generalen ein, mit der Bitte, sie in ihrem Sinne für ihr unglückliches Volk zu verwenden. Als gegen zwölf Uhr die Jubelrufe der Menge immer lauter anschwollen, erschienen die Generale auf dcmBalkon desHotels und wurden von nicht endenwollcnden Hochrufen begrüßt. Jn den gegen überliegenden Häusern waren sämmtliche Fenster von Leuten besetzt, die stundenlang ihren Standpunkt nicht verließen, um einen Blick der Generale zu erhaschen. Diese Fenster plätze sind theilweise zu sehr hohen Preisen — es sollen bis zu 50 Mark sür ein Fenster gezahlt worden sein — vermiethet worden. Als die Generale das Hotel verließen, richteten sich zahllose photographische Apparate aus dem Publikum auf sie. Im Hoteleingang und vor der Treppe, die zu den Zimmern der Generale führte, drängten sich die zahlreichen Verehrer — darunter auch viele Damen — der Helden Südafrikas. Als diese oben auf der Treppe erschienen, entblößten sich alle Häupterund betäub ende Hochrufe brausten den Gefeierten entgegen. Jeder wollte ihnen die Hand drücken; jeder ihnen in die treuen Augen sehen. Die Scenen elementarer Begeisterung haben auf die schlichten Männer tiefen Eindruck gemacht. Während Dewet den ihn umdrängenden Damen seine Hände überließ, und manchex Kuß von holdemMunde auf dieHand gedrückt wurde, in der jahrelang das Geschick seines Vaterlandes geruht hat, rollten dicke Thränen über Dewets Wangen. Der starke Held, der vor der Feinde Dräuen nie gezittert, vor der begeisterten Huldig ung deutscher Frauen zerschmolz er in tiefer Er griffenheit über so viele ihm dargebrachte Liebe und Bewunderung. Hierauf bestiegen die drei Generale den Wagen, der sie zum Reichstag führte. Nach der Besichtigung des Bismarckdenkmals, wo die Helden des Schlachtfeldes in stummer Bewunderung vor dem Standbilde des Meisters der Staalskunst verweilten, betraten die Generale das Reichstagsgebäude. Kaum hatten sie die klein e rothe Vorhalle erreicht, als sich eine Seitenthür öffnete. Fürst Herbert Bismarck trat heraus. Durch Herrn Dr. Liman ersolgte die Vorstellung: „Fürst Herbert Bismarck, General Botha, General Dewet, General De- larey." Selbst der still sinnende Delarey wurde ganz lebendig und griff mit beiden Händen zu, als er des Fürsten ausgestreckte Hand sah. Und nun übernahm Fürst Herbert selbst die Führung. Da die Generale bereits ge frühstückt hatten, wurde vorgeschlagen, eine Tasse Kaffee zu trinken; und die Generale willigten lachend auf den „Koffce" ein. Hinüber ging es also in das Hintere Speise- zimmer, in dem die beiden konservativen Fraktionen mit dem Bundesrath zusammen ihre Zelte aufgeschlagen haben. Und nun strömte alsbald die Hälfte der Abgeordneten herbei. HauptfächlichdieKonservativen, daneben auch einige national- liberale und Centrumsabgeordnete. Die Linke hielt sich fern. Fern hielt sich auch Graf Ballestrem, des deutschen Reichstags Präsident; er ließ sich anscheinend durch Ge- heimrath Knaack vertreten; soll übrigens vor zwei Tagen, aufmerksam gemacht auf das Kommen der Generale, ge sagt haben: „Ich bin nicht neugierig." Fürst Bismarck unterhielt sich mit Botha längere Zeit in englischer Sprache. Die Situation wurde photographisch ausgenommen. So dann wohnten die Generale auch noch der Sitzung bei, und zwar in der für die Abgeordneten der deutschen Land tage reservirten Loge. Alsbald standen nicht nur die Be sucher auf allen Tribünen von ihren Plätzen auf und reckten sich beinahe die Hälse aus, um von den Gästen etwas zu sehen, auch die Abgeordneten, deren Zahl sich plötzlich auffällig vermehrte, wandten, einschließlich der Parteigenossen des Redners, diesem den Rücken zu und blickten zu Botha, Dewet und Delarey hinauf, die in der vordersten Bank Platz genommen hatten. Ja selbst die Stenographen, die sonst selbst in den bewegtesten Momenten ruhig und unentwegt ihres Amtes walten, konnten sich nicht enthalten, die Blicke von den vor ihnen liegenden Blättern nach oben schweifen zu lassen. Wenn man vorher bedauert hatte, daß die Generale der deutschen Sprache nicht mächtig sind, in diesem Moment hat es gewiß Nie mand schmerzlich empfunden, denn als die Generale den Sitzungssaal betraten, fand gerade die Dauerrede des Sozialisten Antrick statt. Vom Reichstagsgebäude fuhren die Generale zum Denkmal Kaiser Wilhelms l. Den Höhepunkt ihres Berliner Aufenthaltes bildete wohl aber die am Freitag Nachmittag in der Philharmonie abgehaltene große Versammlung. Alles, was zur geistigen Elite der Reichshauptstadt gerechnet werden kann, war anwesend. Beim Eintritt der Generale stimmte ein Sängerchor unter Orgelbegleitung eine Begrüßungshymne an. Es folgte ein Hoch auf den Kaiser und der Gesang der Nationalhymne. Dann ergriff der Vorsitzende das Wort zu einer warm empfundenen Ansprache und General Botha antwortete in nachstehender Rede: „Wir danken Ihnen für Alles, was Sie an uns gethan haben, durch Sympathie, wie durch Gaben. Heute durften wir die Frauenhände drücken, die für uns ge arbeitet haben. Das war uns ein besonders erhebender Augenblick. Dank Allen, Allen! Ich denke heute auch an die Deutschen, die in unseren Reihen für uns gefochten, für uns sich haben verwunden und todtschießen lassen. Deutschland kann stolz sein auf sie! Sie haben sich aus gezeichnet gehallen und es that uns weh, beim Friedens schlüsse ihnen nicht einmal das Geld zur Ueberfahrt geben zu können. Es ist heute so freundlich des Präsidenten Krüger gedacht worden. Er hat schwer gelitten durch den Krieg. Er konnte nicht mit uns gehen, er mußte hinüber nach Europa, lind was stand in den Zeitungen? Er sei mit den Millionen ausgerissen. (Lebhafte Pfui rufe.) Ich kann als Mitglied der Regierung und als Mann die Versicherung geben, daß diese Redereien absolut un wahr sind. (Lebhafter Beifall.) Krüger hat uns noch 40000Pfund geborgt von dem Erlöse seiner Farm! Leider hat man diese Schuld nicht als Staatsschuld an erkannt und zurückgezahlt. (Psui!) Und da sagt man noch, Krüger sei mit Millionen durchgegangen? (Pfui!) Ich will kein stärkeres Wort gebrauchen; aber es ist eine Unwahrheit! (Lebhafte Zustimmung.) Als ich von Krüger von der portugiesischen Grenze zurückkehrte, fand ich schon die Pamphlete vor: Legt nur die Waffen nieder, denn Krüger ist mit dem Staatsschätze geflüchtet und Botha liegt ernstlich krank in einem englischen Hospital! (Heiterkeit.) Nun, ich habe nie im Hospital unseres Gegners gelegen! (Dröhnender Beifall.) Sie haben auch den Präsidenten Steijn erwähnt. Er ist der Mann, er ist der Staatsmann des Krieges gewesen, der bis ans Ende fest gestanden hat und nicht gewankt und gewichen ist. Und wenn Sie das Volk rühmen, das Wunder der Tapferkeit vollbracht hat, ich sage Ihnen: der Mann, der diesen Ruhm mit begründen half, war der Präsident Steijn! (Donnernder Beifall.) Steijn ist ein Opfer des Krieges geworden. Wenn ich an den Mann denke, so zittert mein Herz vor Wehmuth. Der Krieg hat Dinge an den Tag gebracht, die keine zivilisirte Macht je erwartet hat. Aber unser Volk hat Alles geopfert in diesem Kampfe gegen die gewaltige Uebermacht. Ohne zu rühmen, darf ich sagen: wir haben Alles gethan, was wir konnten, um die Nation zu retten. (Dröhnender Beifall.) Aber wir haben auch dabei