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Sonnabend, 16. SeptemV« 1611 116« 6000 ullnli RmeSn Rr. T16. Sechster Jahrganp. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge »/nk-'ä '' mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. „ „ vn«,und v«k°s Ins«-... ü°«ve°c«-°^.tt^e^I«b.Ii kir»o». Sprechstunde d« Redaktion mit An-nahm« der Sonntag« nachmittag, von 4—5 Uhr. — Lelegrannn-Adreffe: Tageblatt Nueerzgeo.rg. Ferntzrecher es. j, Erzgeb. Seide in /, r >ciia«o. Für unverlangt eingesanbte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Bezug,preis: Durch unsere Boten frei in, Hau, monatlich so0fg. Bei der Geschäftsstelle abgebolt monatlich <0 pfg. und wöchentlich <0 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich ..»o Mk., monatlich so pfg. — Durch den Briefträger frei in» Hau, vierteljährlich i.gr Mk^, monatlich pfa. — Einzelne Nummer .o pfg. — Deutscher postzeitungrkatalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit LUwnahm« von Sonn- und Feiertagen. Insertion,prei,: Vie fiebengeivaltene Korpu»zeile oder deren Raum für Inserat« au, Bor und den «Ortschaften de» Bmtlhauptmannschaft Schwarzenberg «o Pfg., sonst >s Pfg. Reklamepetitzeile rs pfg. Bei grSßeren Abschlüssen ent- hirrchender Rabatt. Annahme von Anzeigen bi, spätesten, ?'/» Uhr vormittag». Für Aufnahme von «räßeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tag« vorher bet un» «tngehen. vlesr viMMku »eittd Außerdem liegt da» achtseitige illustrierte Sonntagsblatt bet. Lat Wichtigst« o»w Lage Aut dem Friedhof« tn Pirna fand gestern dieLrauer- feier fü die am !2. Zi-pxnb.'k de m Patrouillen- ritt verunglückten UIa »en, stall * l te zwe i l e I n t e r n a 1 i v n a l« Ko n s er e n j für Go- ztalvrrstcheiung ist gestern in Dreeke« zulum in c n g e t r»t e i. * Am Freitag erfolgte in Danzig durch o-n Malier die üb»,, gäbe der Le i d hu sa ,, n b rt g a d e an den deutschen Kronprinzen v Bebel hielt am Freitag auf dem Parteitag in Ina ein« große Rede über die Reich»tag«wahl»n. Der Zu st and de« Ministerpräsidenten Stolypin ist sehr befriedigend. Line Operation wird sich nicht nötig machen. IM»- Mutmaßliche Witterung am Samttag: Nordwestwind, meist heiter, etwa» Würmer, »ei« erheblicher -Überschlag. -Mr KriegSftMfaren und Friedendschalmeien. Bon verschiedenen Setten kommen Nachrichten über Krieg». Vorbereitungen. Belgien und Holland setzen angeblich ihre Festungen an der Deutschen Grenze in besten Verteidigungs zustand,- England kauft Kohlen über Kohlen, um seine Schlachtschiffe ausreichend mit Heizmaterial zu versorgen; und in Frankreich berauscht man sich an Manüoern und Flotten, paraden, wobei der unternehmungslustigste der gegenwärtigen französischen Minister, Herr Delcaffö, einmal über das andere versichert, daß Frankreich bereit (1870 hieß es erzbereit) sei. Alle diese Meldungen werden von Pari» und London aus tn die Welt gesetzt, um den Deutschen ein Gruseln zu verursachen. Wenn Belgien und Holland darauf bedacht sind, im Falle eine» Krie ges streng ihr« Neutralität zu wahren, so tun sie damit nur, was ihr Recht sowohl al» auch ihr« Pflicht ist. Daß sie dabei «in seitig zu Werke gingen und sich nur gegen einen deutschen Einfall rüsteten, nicht auch gegen einen französischen oder englischen, da. Die Märchen der Fra« Doselli. Die Memoiren der ehemaligen Kronprinzessin von Sachsen liegen jetzt bereits — einstweilen tn englischer Ausgabe — in Buchform vor. Der englische Band ist mit einer König», kröne geschmückt und heißt Ll? ovn Storv. Eine« der inter essantesten Kapitel (das man aber wie alle di« anderen mit größ ter Vorsicht der Glaubwürdigkeit der Erzählerin gegenüber lesen muß, denn in die Wahrheit mischt sich viel Phantasie und Dich« ung) ist das, in dem die ehemalig« Kronprinzessin ihr plötzliche» Wtedererlcheinen tn Dresden und ihre Festnahme durch die dortig«nPoltz«ibehi!rden1m Dezember 1001 schildert: Tie erzählt darüber: Wir kamen nach Dresden ganz früh am Morgen; e, war kalt und nebelig, und die Sonne hing wie «in feuriger Ball in den Winternebeln. Al» ich über dte alte Brück« fuhr, wurde ich von der Erregung stark übermannt. Ich kam mir wie eine Träumerin in einer Traumstabt vor, bi» der Gedanke, daß ich fetzt meinen geliebten »Kindern nah« sei. mich wieder zu mir selber brachte. Ich ließ den Wagen am Laden meine» früh«, ren Friseur» halten; al» ich mutt- «intrat, kam er auf mich zu, um mich zu bedienen, und ich nahm meinen dichten Schleier hoch und blickt, ihn an. Der arm» Mann war so L«. troffen, daß rr einig, Sekunden lang nicht sprechen könnt», und al» er schließlich Wort, fand, «rrmocht» ,r nur zu stammeln: Unser« Luis«! Uns,r« Luis«! Al» ich üb,r d,n Markt nach dem Taschenbirgpalat» ging, wurde ich «in,n Mann ge wahr. der mich ftzlerte. Ich achtet, nicht daraus und eilt, dem Palasteingang zu: mit zitternden Fingern wollt» ich «den aus den elektrischen Knopfdrücken, al« mein« Hand plötzlich ergriffen wurde und ich den Mann sckh, der vorher mein, Aufmerksamkeit erregt hatte. G, zog den Hut und verbeugt» sich, Kaiserliche Hoheit! sagst« «r, St« könnttt den König oder di, königlichen Kinder nicht ftb.nl - wer sind Sie? - fragt, ich. Gr legitimiert» sich al« Kriminalist und sagt«: Ihr» Nn- kunst war un» bekannt, und Si» müssen sofort mit mir zu von ist tn Berlin nicht da» Geringste bekannt. Erführe man so etwa», so würde man nicht säumen, von der belgischen und der holländischen Regierung Aufklärungen zu verlangen. In Eng. land würden es manche Kreise, aber beileibe nicht alle, vielleicht gern Netzen, wenn e» zum Krieg käme. In Frankreich aber, die. sem Rentnerland,, will man keinen Krieg. Namentlich die Re gierungen wollen ihn nicht, denn sie hoben dabei in jedem Falle viel eu verlterrn, aber nicht» zu gewinnen. Berlieft der Krieg unglücklich, so würden sie sofort von der Bolkmvut yinweggefegt werden; verliefe er aber glücklich, so würde der General, der di» Siege erfochten, di« Zivilisten, di« jetzt Frankreich, Geschicke let. ten, zum Teufel jagen und sich an ihr« Stell« setzen. In dieser Beleuchtung muß man di, Nachrichten von den Kriegsvorberei. tungen sehen und — belächeln. Rich ig ist «», daß Wischen Frankreich und England »in geh«ime»Abkommensü, den Fall »ine» K'r.i r g e » gegen Deutschland besteht. An diese, Abkommen wurde man jüngst wieder gemahnt, al» der englisch« General French seine Besichtigung-reif« an der französischen Ostgrenze unternahm. Der englische Minister de» Auswärtigen hat zwar auf eine ent sprechend, Anfrage im Unterhaus« rundweg bestritten, daß Eng- land einen Geheinwertrag mit Frankreich geschloffen habe, doch will diese Ableugung nicht viel bedeuten. In diplomati schen Kreisen nimmt man allgemein an, daß zwischen Frank- reich und England füfden Fall, daß es zum Kriege mit Deutsch land kommt, militärische Vereinbarungen de. st« hen. Ei« find jedoch so gehalten, daß aus ist« di« Bezeich nung Vertrag nicht anwendbar ist. Diese Vorsicht erklärt sich au« dem Bedürfnis de» englischen Kabinett», dem Parla. mente gegenüber da» Vorhandensein eine» Gehetmver- trage» Lest rettenzukönnen. Aber auch wenn es ein soll che» Abll < r«n nicht gäbe, würd« man in den leitenden deutschen Kreisen keinen Augenblick daran zweifeln, daß «in deutsch-fran- zöstscher Krieg England gn der Seite Frankreichs sähe. Dte Franzosen wollen jedoch keinen Krieg; einmal au» den angeführ. ten Erwägungen und -um anderen mit Rücksicht darauf, daß Frankreich den Hauptschauplatz dieses Kriege» abgeben und Frank reich derjenige Teil sein würde, der, bliebe Deutschland Sieger, auch für England bluten müßte. Das ganze Kriegsgeschret ist nicht ernst zu nehmen. Man will dadurch Deutschland nur bange machen. Während aus diese Weise für dte nötige Stimmung gesorgt wird, schreiten die deutsch.französischen Der- Handlungenfort. Soweit ist e» aber noch nicht, daß, wie man tn Pari» meint, Anfang nächster Woche da» Abkommen wegen der Abgrenzung der politischen und wirtschaftlichen Rechte tn Marokko fertig sein werd«. Wie schon betont, wird di« tn den Hauptzügen tn Berlin bereit» bekannte Antrqort der fran- zösischen Regierung eine d«utsche Entgegnung not- wendig machen, sodaß man auch tn der nächsten Woche noch verhandeln wird. Ungemein heiter berührt ««, wenn es tn den neuesten Pariser Meldungen heißt: Frankreich virlang«,un eingeschränkt, wirtschaftliche Gleichberechtigung aller Mächte im Scherifenreich. Nicht Frankreich, sondern Deutschland»«»- langtda », und Frankreich will eezugestrhen. Aber die Sicherheiten und Bürgschaften, die »in« Beeinträch tigung der wirtschaftlichen Gleichberechtigung durch Frankreich verhindern sollen, sind noch nicht in einem Maße ge geben, da» Deutschland in dieser Hinsicht beruhigen könnt«. Darüber wird die deutsche Entgegnung auf die französische Ant wort da» Nötige enthalten. Das ist der augenblickliche Stand der Marokkoverhandlungen. MobtltsierungsgwBcht« k« England« Di« Lag« wird für Deutschland sehr ernst. Die Terri torial» mobilisieren! so heißt es am Donnerstag M«, gerisch in den Londoner Abendblättern. Der kommandierende Offizier eine« Territorialbataillon» erhielt vom Kriegsamt den Befchl, die Sergeanten anzuweisen, di« Wohnungen aller Soll daten zur Kontrollierung der Adressen, zur Revision der Tournister und behufs Ausnahme eine» Verzeichnisses über die fehlenden Ausrüstungsstück« zu besuchen. Di« Arbeit muß bis 17. September vollendet sein. Di« kommandieren- den Offiziere und Adjutanten von Territorialtruppenteilen soll len in dauernder Verbindung mit dem Kriegsamt stehen und kürzlich über die Mobilisierung konferiert haben. Im Lager von Aldershot soll es auch recht rührig -ergehen. Go finden Trupp en Inspektionen statt. Gestern wurden feldmäßige Paraden absehalten, wobei die Tournister genau rividiert wurden. Die vom verkürzten Urlaub zuvü<Sehrenden Mannschaften «erden ärztlich untersucht und andere Vorsichts maßregeln getroffen. Auf Anfrage über die Gerücht«, daß io Devonport, Plymouth und Gosport von den heimischen Komma«, do» längere Urlaube verweigert werden, erklärt das Kriegsamt, kein« derartigen Befehle erlassen zu haben, fügte aber hinzu, daß die kommandierenden Offizier« der Distrikte in dieser Hinsicht weitgehende eigene Machtbefugnisse hätten, und daß es daher wohl möglich sei, daß sie solche Befehle gegeben haben. Di« vor Kirkwall liegende dritte Torpedojäger» flotiill« wurde benachrichtigt, daß sie sich bereit zu Hal» t e n habe, um auf einen innerhalb weniger Stunden eventuell erfolgenden Befehl sofort in Seo gehen zu können. Neuerliche Begegnung zwischen Kiderlen^Wächter und Lambo«. Die Begegnung de» französischen Botschafters Tambon mit Herrn v. Kiderlen-Wächter, di« eigentlich erst am heutigen Sonn. Ihrem Hotel zurückkehren l Als er so sprach, gab er ein Pfei. fensignal und zwei Schutzleute erschienen. Ich sah, daß Wider, stand nutzlos sein werd« und erwidert« nicht», aber ich glaube, dieser Augenblick war einer der erniedrigendsten und elendesten weine» Leben». Ich blickte zu den Räumen hinauf, die «ff Jahre lang mein Heim gewesen waren, aber ich iah wie durch «inen Tränenschleier. Ich nahm aber voll meinen Mut zu Hilfe und benahm mich mit der Würde einer Enkelin der M aria TH eresi a. Der Polizist gelettete mich zum Hotel Bellsvue gegenüber der Oper; auch da war mein vertrauter Boden, und ich gedacht« der Tage, wo ich im könig lichen Wogen dahin fuhr und mir ntemal» träumen ließ, daß ich einmal tn meiner eigenen Hauptstadt zuFuß arretiert werden sollt,. Im Hotel besuchte mich der Polizetchef; er bemühte sich nicht, den Hut abzunehmen und sagte: Frau Gräfin, ich bin vom Ministerium gesandt, Ihnen «inen Sonder-ug anzu« bi«t«n, so daß St« Dresden sofort verlassen können. Ich trat tn die MM« de» Zimmer» vor: Sie irren sich, »inen Gztrozug können Si« nur einer Königin anbitten, «tn« Grill sin Monttgnoso darf «inen solchen nicht benutzen. Kehren Si» zu den Ministern zurück und sagen Sie ihnen, daß Luis« von Sachsen die Zeit ihrer Abretft selbst bestimmt. Aber St, können den Ministern auch sagen, daß sie nicht» zu b«. fürchten brauchen. Ich «erd, nicht an da« Volk appellieren; metn einziger Wunsch ist, meinen Mann und mein« Kinder zu sehen. Luis« erzählt dann, daß st» «inen Brief an den König schrieb, der diesem auf einer Jagd zuaestellt wurde, die tn aller Sil« arrangiert worden «ar, um den König von Dreeden fernzu- halten. Ich erfuhr dann, setzt sie hinzu, daß der Knötg, al» er An la», fast ohnmächtig wurde und sofort «inen wagen zu, Rückfahrt »«fahl, da,rmichtus«-»n«än1cht». Mein» Feind» hat ten die» erwartet, so wurde -em König gesagt, ich fet berttt» ab- g,reist. Schließlich, berichtet ste, hat, si, Lei der wachftndln S». reauug der Bevölkerung zu der»« Guvsten auf Drängen da» / Polizeichef» sich zur Abreise entschlossen. Darüber lautet ihr Bericht: Kaiserlich« Hoheit, rief er, ich bitte Sie, Drriden zu verlas, sen .... ich flche Sie an, nicht die Utsache von Blut, vergießen zu sein. — All da» ist Ihr eigener Fehler, , sagte ich kühl. Was konnten Sie sonst erwarten? Da ich aber mein Volk keiner Unbill aussetzen will, werde ich das Hotel verlassen — nach dem Mittagessen, Als wir dann das Vesti bül erreichten, erblickte mich die am Eingang angesammelte Volksmenge und «in furchtbarer Schrei stieg auf: Unsere Luise! Dann sah ich «ine Szene, dte ich nie vergessen werde. Der ganze Platz voll Menschen; die Luft von erregten Rufen er füllt. Al» metn Wagen erschien, durchbrach die Menge die Ab sperrung und stürzte zu dem Fahrzeug. Luise bleib bet uns! riefen st«. Einige liefen zu den Köpfen der Pferd« und suchten den Kutscher vom Bock zu reißen, ander« drängten sich vor, meine Hand zu fassen. Ich stand im Wagen auf und versucht« zu sprechen. Mn wilde» Stimmengewirr erhob sich: Lassen Sie da» Volk «tffen, wie Sie behandelt worden sind! Schreiben Sie ein Manifest und rechtfertigen St« sich! Fürchten Si« sich nicht, ganz Sachsen ist mit Mnenl Still! sagt« ich, sobald ich mich verständlich machen konnte. Macht keinen Tumult. Ich lieb» Such von ganzem Herzen. Denkt an mich al» »in, unglücklich» Mutter, »ine» Tage» werd» ich reden und Such all» die Wahrheit wissen lassen. Dann ging» zum Bahnhof, von dort nach Leipzig, wo die Studenten in Trauer zur Begrüßung erschienen (?) und dann im D-Zug nach Frankfurt. Der Zug war dicht besetzt, berichtet Luis«, und hätte mir nicht ein Herr höMcherwetft seinen Platz angeboten, so hätte ich di, -anz, Reift stehend machen müssen. Aber noch auf der traurigen Fahrt Sangen ihr die Ruf« Luisel in den Ohren nach. Soweit diese» Kapitel, da, M Haltig ist, wie dft andnen von uns schon im «UM, «n»ff»ntlicht,n. Di» unalmLltchpen Erinnerungen -at sich Ara» Tsselli ah« für dt» Schluß! apttel ihrer Aufzeichnung« aufgchpart. Sie tt-ählt von d« verzoll