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Wochenblatt - für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 6.Freitag, den 21. Januar 1876. StadtgemeLnderathssitzung am 4. Januar 1876. 1. Feierliche Einweisung der neu-und bez. wiedergewählten Herren Stadtverordneten. Beschlüsse: 2. Eine Geschäftsordnung für die Sitzungen des Stadtgemeinde raths nicht aufzustellen. 3. Die Beschlüsse des Stadtgemeinderaths, insoweit solche nicht Geheimhaltung erfordern, im hiesigen Amts- und Wochenblatte zu veröffentlichen. StadtgemeLnderathssitzung am 7. Januar 1876. Wahl -er Ausschüsse. Es wurden gewählt: a., in den Ausschuß für das städtifche Cassen- und Rechnungs wesen die Herren Stadtverordneten Kaden, Berger und Uhle mann und 5er unterzeichnete Bürgermeister, b., in den Ausschuß für das Feuerlöfchwesen, die Wasserversorgung und das Bauwesen Herr Stadtrath Funke und die Herren Stadtverordneten Reiche, Bretschneider, Galle und Junge sowie der unterzeichnete Bürgermeister, c., in den Ausschuß für das Armen- und Krankenwefen Herr Stadtrath Funke und die Herren Stadtverordneten Junge, Loßner und Schönach, ä., in den Ausschuß für das Marktwesen Herr Stadtrath Hilfert und die Herren Stadtverordneten Loßner, Berger und Galle, s., in den Ausschuß für die Quartier- und sonstigen Militär leistungen Herr Stadtrath Funke und die Herren Stadtverord neten Junge, Schönach und Uhlemann sowie der unterzeichnete Bürgermeister, s, in den Ausschuß für die Aufstellung des Gewerbe- und Per sonalsteuerkatasters Herr Stadtrath Krippenstapcl und die Herren Stadtverordneten Kaden, Junge und Bretschneider, 8., in den Ausschuß für die Abschätzung zu den städtischen Ab gaben Herr Stadtrath Krippenstapel und die Herren Stadver- ordneten Junge, Reiche und Bretschneider sowie der unterzeich nete Bürgermeister und ll., in die Deputation für die städtische Sparkasse Herr Stadtver ordneter Kaden als wirkliches Mitglied und Herr Stadtver ordneter Uhlemann als Stellvertreter, aus der Bürgerschaft Herr Baumeister Partzsch als wirkliches Mitglied und Herr Baumeister Hoyer sun. als Stellvertreter. 2. Wählte man als Bezirksvorsteher und Armenpfleger die Herren Moritz Wehner, Karl Wehner, Friedrich August Legler, August Wehner, Adolph Major juo. und Friedrich Mütze und be schloß die Abgrenzung der Bezirke dem unterzeichneten Bürgermeister zu überlassen. 3. Will man den Kostenanschlag des Herrn Baumeister Hoyer jun. zu» Erbauung einer Wölbschleuße längs des Straßentractes zwischen dem sog. Freiberger Thore und der Saubachbrücke mit Nebenschleußen zunächst unter den Mitgliedern des Ausschusses für das Bauwesen circuliren lassen. Genehmigte 4. die Auszahlung einer Rechnung über eine eiserne Platte für die Marktschleuße. Erklärte sich 5. mit dem Inhalte einer Petition, die Einkommensteuer betreffend, einverstanden und beschloß eine Ausfertigung davon an die hohe Ständeverfammlung bez. an das Königl. Hohe Finanzministerium gelangen ZU lassen und beschloß endlich 6. inskünftige für das Schneeauswerfen auf den fiscalischen Straßen außer der Entschädigung aus der Staatskasse noch jeder Person pro Stunde fünf Pfennige aus der Stadtcasse zu gewähren. Wilsdruff, am 19. Januar 1876. Der Stadtqemeinderath. Kicker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Die „Wiener Presse" briugt die Fortsetzung der Abhandlung eines „deutschen Staatsmannes" über die Orientfrage. Der Verfasser führt aus, daß bei den oft sich kreuzenden Wegen Oesterreichs und Ruß lands auf der Balkanhalbinsel Deutschland naturgemäß die Ver mittlerrolle und zwar eine Oesterreich günstige Vermittlerolle zufalle. Ueber die positiven Aufgaben Oesterreichs im Orient fchreibt der Essayist: „Wenn Rußland als seine Pflicht betont hat, seinen Glau bensgenossen in der Türkei eine hülfreiche Hand zu bieten, damit diesen ein menschliches Dasein begründet werde — so gilt von Oester reich in den Augen der Welt und in denen seiner eigenen und nicht blos der slavischen Unterthanen die gleiche Pflicht in verstärktem Maße. Während Rußland zu verpflichtenden Sympathien nur für die griegisch-katholifchen Glaubensgenossen sich bekennt und diesen sein Protectorat fortdauernd gewährt, fo sehr auch seine offieielle Action in dieser Hinsicht durch den Pariser Frieden vom 30. März 1856 beschränkt worden, so hat dagegen Oesterreich den Beruf, allen christ lichen Religionsparteien in der Türkei, welche in der österreichischen Monarchie massenhaft Genossen zählen, seinen Schutz, soweit es in seiner Macht steht, angedeihen zu lassen. Oesterreich wird sich nach der Natur seiner Zusammensetzung und Gestaltung in entschiedenerer Weise als bisher mit Rußland auf den Wettlauf um den Preis dafür einlassen müssen, welche von beiden an die Türkei grenzenden Mächte am meisten dazu beizutragen vermag, den christlichen und slavischen Bevölkerungen der Türkei ein menschenwürdiges Dasein zu verschaffen. Oesterreich darf sich in dieser Hinsicht von Rußland nicht in das Schlepptau nehmen lassen, sondern muß demselben, wenn es den An sprüchen seiner eigenen Unterthanen und seiner europäischen Be stimmung gerecht werden will, womöglich voraus sein." Aus Florenz wird berichtet, daß ein ungeheurer Schneefall in Italien viel Verwirrung, Unterbrechung der Eisenbahn- und Post- linien und Kosten verursacht hat. Aus den Apenninen liegen Un massen von Schnee. Die Eisenbahnzüge aus jenen Gegenden treffen alle verspätet ein. Bei Poreita sind mehr als 250 Arbeiter beschäftigt, die unfahrbahren Wege vom Schnee zn befreien. Von Bologna und Pistoia gingen weitere Schaaren von Arbeitern zur Verstärkung ab. In Florenz, wo der Schnee so hoch lag, daß man sich in einer deutschen Stadt hätte glauben können, hat die Municipalpolizei den ersten Tag 1000 Mann zur Wegschaufelung des Schnees anstellen müssen, und den zweiten 780 Mann mit 350 Karren und Karren- fchiebern, die 3600 Karren von Schnee in den Arno schütteten. Die ungefähre Ausgabe des Municipiums hierfür betrug etwa 9000 Franken. So theuer ist der italienische Schnee. Aus Kiew, 6. Januar, erhält die „N. Fr. Pr." nachstehende Mittheilung: Der Großindustrielle A. Ak. Bradsky in Odessa, Mit glied des Präsidiums der Stadtvertretnng, Gemeinderath, Präsident der Gasbeleuchtungsactiengesellschaft, ein Mann, der sich wegen seines Wohlthätigkeitssinnes allgemeinster Achtung erfreute, erhielt am Syl vesterabend den Besuch eines Polizeilieutenants, der dem Ueber- raschten einen kaiserlichen Ukas vorwies, wonach Bradsky nach Sibirien verbannt sei. Gegen diesen Ukas gab es keinen Widerstand. Der kränkliche, dreiuudsechzigjährige Mann, der keine Ahnung über den Grund seiner Verbannung hatte, wurde auf die Bahn gebracht und trat unter großer polizeilicher Begleitung die Reise nach Sibirien an. Am 6. Jan. kam derselbe in Kiew an. Die Kunde davon hatte sich rasch verbreitet. Tausende von Menschen strömten zur Bahn und es kam zu argen Demonstrationen. Fenster und Thüren des Stations gebäudes wurden eingeschlagen und erst nachdem der Zug mit dem lebendig zu Begrabenden davonbrauste, verlor sich die bis aufs Höchste erbitterte Menge. Niemand weiß, warum Bradsky verbannt wurde. Es ging kein Prozeß voran, Bradsky hatte keine gerichtliche Ver nehmung, er galt stets als unbescholten, und man nimmt an, daß Bradsky das Opfer niedriger Rachsucht eines hohen Pvlizeibeamten ist. (Wie es heißt, soll Bradsky Waffenlieferungen nach der Türkei effectuirt haben.)