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WenM für Wilsdruff Tharandt, Uchen, Ziebenlehn »nd die Umgegenden. Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstaas, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. No. 143. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Sonnabend, den 4. Dezember 18S7. Donnerstag, den y. dies. Alton., w Ahr Vormittags gelangt im hiesigen Orte, Bahnhofstraße Nr. 127 ein Ofen zur öffentlichen Versteigerung. Wilsdruff, den 1. Dezember 1897. Sekr. Busch, Ger.-Vollz. Tagesgeschichte. Die Thronrede, mit welcher der Kaiser am Dienstag die letzte Session des gegenwärtigen Reichstages eröffnet hat, trägt den Charakter großer Ruhe — man könnte sagen Nüchternheit — und Sachlichkeit des Tones. Vielleicht hätte man der Kaiserlichen Kundgebung hie nnd da etwas mehr Wärme und Lebendigkeit im Ausdruck wünschen können, im Großen und Ganzen jedoch macht ihre ruhige, sachliche Sprache einen nicht ungünstigen Ein druck. Jedenfalls findet sich in der gestimmten Thronrede von „Koufliktslust" nirgends eine Spur vor, an keiner Stelle wird auch nur die Möglichkeit einer Reichstagsauf lösung angedeutet, was freilich nicht ausschließt, daß doch noch eine solche kritische Wendung eintritt. Von den er warteten gesetzgeberischen Berathungsstoffen werden in der Thronrede neben dem Etat die neue Marine-Vorlage und der Gesetzentwurf über die Entschädigung unschuldig Ver- urtheilter — welche drei Vorlagen dem Reichstage gleich bei seinem Zusammentritt zugegangen sind — die neue Militärstrafprozeßordnung, die Novellen zum Reichspost dampfergesetz, zur Zivilprozeßorduuug und zur Konkurs ordnung, die Vorlage über die Regelung der Angelegen heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sowie ein Gesetz- eutwurf, betr. die weitere Herabminderung der Reichsschuld, augekündigt. Fast sämmtliche der angekündigten Vorlagen haben seitens der Thronrede nur ein paar kurze Geleits worte erfahren, lediglich die Marine-Vorlage und der Etat sind in der Thronrede nicht ganz so knapp behandelt worden. Im fiebrigen streift dieselbe die allgemeine Finanzlage nnd die Lage in den deutschen Schutzgebieten, das deutsch-französische Togo-Abkommen und den Kiaut- schau-Zwischenfall ebenfalls nur flüchtig, um dann in ihrem Schlußtheil der Fortdauer der allgemeinen friedlichen Sttuation in Europa ein günstiges Prognostikon zn stellen. ^^ Okr Monarch die Thronrede dem Reichskanzler zurück gegeben batte, richtete er aus eigenem Antriebe noch einige Worte an den Reichstag, in denen er unter deutlicher An spielung auf den Zwischenfall mit China und auf das seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, in den ostasiatischen Gewässern übertragene Kommando seinen Schwur, die Ehre des Reiches auch nach außen hin zu wahren, erneute und den Reichstag ausforderte, ihu m diesem Bestreben zu unterstützen. Dem Eröffnungsakte folgte nach kurzer Pause die erste, rein geschäftsmäßige Sitzung des Reichstages nach, welche vom Präsidenten der vorigen Session, Dr. v. Buol, geleitet wurde. Ein Namensansruf ergab die Anwesenheit von nur 174 Reichsboten, das Haus zeigte sich also gleich zu Anfang der neuen Session beschluß unfähig! In der am Mittwoch Mittag 1 Uhr statt gefundenen nächsten Sitzung wurde die Wahl des Präsi diums vorgenommen, welche die Bestätigung des bisherigen Präsidiums v. Buol (Zentr.) — Präsident — Schmidt- Bingen (fr. Volksp.) — 1. Vizepräs. — und Spahn — 2. Vizepräs. — ergab. Aus dem sonstigen gesetzgeberischen Material, welches dem Reichstag bestimmt oder vermuthlich unterbreitet werden wird, sind hervorzuheben der Etat, die Vorlage über die Entschädigung unschuldig Verurtheilter, die mit dem bürger lichen Gesetzbuch zusammenhängenden Gesetzentwürfe über die Revision der Zivilprozeßordnung und über die frei willige Gerichtsbarkeit, der Entwurf eines Reichsversicher ungsgesetzes, weiter eine Vorlage, betr. die Regelung des Vollzuges von Freiheitsstrafen, sowie die Novellen zum Gerichtsverfassungsgesetz und zur Strafprozeßordnung, welche beiden Vorlagen jedoch keineswegs identisch mit der in der vorigen Session gescheiterten dreitheiligen Novelle zu den Justizgesetzen sind. Da außerdem noch eine größere Anzahl von Initiativanträgen wiederum in Aussicht stehen, so erwartet den Reichstag auch diesmal ein recht stattliches Berathungsmaterial; ob er in der Lage sein wird, dasselbe völlig auszuarbeiten, erscheint freilich schon jetzt zweifelhaft, ^ebenfalls wird aber die beginnende Reichstagssession mehr wkmger unter dem Einflüsse der Vorbereitung zu den nachsttahrigeu Reichstagswahlen stehen und demnach meistens Reden zeitigen, die „zum Fenster hinaus" gehalten werden, nämlich weniger an das Haus selbst, als vielmehr an die Wählerschaft, welche leidige Erscheinung bei einer letzten Parlamentstagung vor allgemeinen Neuwahlen eben mit in oen Kauf genommen werden muß. Der neue Reichshaushaltsetat bilanzt in Ein nahmen und Ausgaben mit 1437139 979 M., was gegen über dem letzten Etatsvoranschlag ein Mehr von rund 67 Millionen Mark bedeutet. Die fortdauernden und die einmaligen Gesammtausgaben des ordentlichen Etats belaufen sich nach Abzug der als durchlaufende Posten zu bezeichnenden Ausgaben des Reichsinvalidenfonds und der den Bundesstaaten zu überweisenden Beträge aus den Zolleinnahmen u. s. w. auf die runde Summe von 909 Mill. M., mehr als im Vorjahr 64^ Mill. M. Der außerordentliche Etat der einmaligen Ausgaben schließt mit einem Gesammtbedarf von 57,4 Mill. M. ab. Bei den fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Etats ist das Reichsheer mit 511 934 361 M., die Marine mit 62 627 246 M. betheiligt; bei den einmaligen Ausgaben ist jenes mit 83 522 910 M., diese mit 29 414 650 M. betheiligt. Im Ganzen ergiebt sich, daß zur Herstellung der Balanzirung im neuen Reichshaushaltsetat die Auf nahme einer Anleihe im Betrage von 57 420 991 M. er- ersorderlich ist. Das „Militairwochenblatt" bringt in offiziöser Form eine vergleichende Zusammenstellung der Hauptpunkte der neuen Militairstrafprozeßordnung und des bis herigen preußischen Militairgerichtsverfahrens. Es erhellt hieraus, daß die geplante Reform des Militairjustizwesens denn doch erhebliche und zeitgemäße Verbesserungen .auf weist. Als solche sind zu neuueu: Weitgehende Münd lichkeit des unmittelbaren Verfahrens und Zulassung der Oeffentlichkeit beim Hauptverfahren; scharfe Trennung der Aufgaben des Richters, Anklägers und Vertheidigers; unbeschränkte Vertheidigung in allen Fällen der höheren Gerichtsbarkeit und eventuelle Zulassung von Rechtsan wälten ; Gewährung der Rechtsmittel für den Angeklagten nach dem Vorbilde der bürgerlichen Strafprozeßordnung, Zulassung der Beschwerde, Berufung und Revision; end- giltige Entscheidung des Richters über Thatfrage und Strafe, uneingeschränkte Selbstständigkeit der erkennenden Gerichte; Errichtung eines obersten Reichsmilitairgerichtes. Das neue Ministerium Gautsch in Oester reich als Nachfolger des gestürzten deutschfeindlichen Ka- binets Badeni hat sich endgiltig gebildet. Es weist fol gende Zusammensetzung auf: Gautsch v. Frankenthurn: Präsidium und Inneres; Graf Welfersheimb: Laudes- vertheidigung; Ritter v. Wittek: Eisenbahnen; Ritter v. Bawerk: Finanzen; Graf Latour: Kultus und Unterricht; v. Körber: Handel; Edler v. Ruber: Justiz; Graf By- landt-Rheidt: Ackerbau. Die Posten eines czechischen und eines polnischen Landsmanns-Ministers sind im Ministerium Gautsch unbesetzt geblieben, was schon hinlänglich dessen unpolitischen Charakter andeutet, in der That ist es nur ein Beamtenministerium. Die Schwierigkeiten, von denen es sich gleich bei seinem Amtsantritt umgeben sieht, sind freilich groß; stehen sich doch im Abgeordnetenhause Rechte und Linke schroffer denn je gegenüber, und von czechischer Seite ist die Bildung des neuen Ministeriums sogar mit Straßenementen beantwortet worden, wie die Vorgänge in Prag beweisen. — Der Wiener Gemeinderath ist jetzt vollständig ins Lager der bisherigen deutschen Opposition eingeschwenkt. Er hat eine Resolution genehmigt, welche dem Kaiser Franz Josef wegen der Entlassung Badeni's ehrfurchtsvoll dankt, ebenso den Obstructionsparteien im Parlamente für ihre Haltung Dank sagt, die Beseitigung der Sprachenverorduungen fordert, die Entrüstung des Gemeiuderaths über die Verwendung von Polizei im Parlamente ausspricht u. s. w. Wien, 30. Dezember. Der Gemeinderath nahm die Anträge des Stadtraths Wähner an, der Gemeinderath möge dem Kaiser für die Entschließung vom 28. d. M. den ehrfurchtsvollsten Dank aussprecheu, und dabei der Erwartung Ausdruck geben, das neue Ministerium werde die Sprachenverordnungen, sowie den Antrag Falkenhayu beseitigen; des Weiteren möge der Gemeinderath das Bedauern aussprechen, daß nicht sämmtliche deutsche Ab geordnete im Widerstand gegen die Sprachenverordnungen und in der Vertheidigung der parlamentarischen Freiheiten einig seien. Der Gemeinderath drückt den Obstruktionen den Dank für ihre Haltung aus und erwartet zuversicht lich, daß sie im Kampfe gegen die Sprachenverordnungen, den Antrag Falkcnhayn und das Ausgleichsprovisormm verharren und nöthigenfalls zu den äußersten parlamen tarischen Mitteln schreiten werden, endlich möge der Ge meinderath die Entrüstung über die Verwendung von Polizei im Parlament, sowie die Mißbilligung über das Vorgehen einzelner Polizeiorgane aussprechen. Das Ministerium Meline hat im Senat eine un erwartete Schlappe erlitten. Derselbe lehnte am Dienstag bei der Berathung der erfolgten Maßregelung eines Richters die vom Justizminister Darlan verlangte einfache Tages ordnung mit 133 gegen 113 Stimmen ab, was nach den in Frankreich üblichen Anschauungen eine Schlappe der ganzen Regierung bedeutet. Die Radikalen verlangen denn auch bereits den Rücktritt des Ministeriums MEne infolge dieser ungünstigen Senatsabstimmung. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, daß das Cabinet MEne seinen radikalen Gegnern den gewünschten Gefallen thun und zurücktreten wird, denn durch eine Niederlage im Senat hat sich noch selten eine französische Regierung verpflichtet, von der po litischen Bühne abzutreten. Der Getreidemarkt. (Berichtswoche vom 27. Nov. bis zum 3. Dezember 1897.) Der Charakter des Getreide marktes darf im Allgemeinen als ein fester bezeichnet werden, wenn auch das den Wintersaaten günstige Wetter und einige flaue Meldungen vom amerikanischen Markte die Preise für Weizen und Roggen eine Kleinigkeit herab- srückten. Die Verkäufer hielten im Allgemeinen ihre Waare zurück, sodaß nur kleine Umsätze erzielt wurden. In Berlin und Leipzig wurde gekauft: Weizen, je nach Güte, die Tonne für 186-217 M., Roggen 140-150 M., Braugerste 170-182 M., Futtergerste 115—130 M., Hafer 148-154 M., Mais 105-112 M. Revolte in Prag und Pilsen! Prag steht seit dem Sturze des „edlen" Polengrafen Badeniunter dem Zeichen wüster Straßenkämpfe. Tschechischer Mob niedrigster Sorte verschmilzt die Kampfrufe: „Gegen die Deutschen!" und „Gegen die Juden!" zu einem einzigen, brausenden Gejohle aus Tausenden von schnapsheiseren Kehlen! Die Szenen, welche der Telegraph aus Prag schildert, spotten einfach jeder Beschreibung. Wie eine Heerde Whiskybesoffener, blutberauschter Sioux, aber nicht wie Menschen, die einem Kulturstaate angehören, benimmt sich der tschechische Janhagel und es bleibt zu seiner Be wältigung nichts übrig, als gnadenlosen Gebrauch von der Flinte und dem Säbel zu machen. Dahin hat es die Gewaltpolitik eines einzelnen Menschen, Badems, gebracht, chm ist dieser beispiellose Grad von Verhetzung zu danken, )er den im Großstadtschlamme üppig wuchernden Keim des allzeit zu revolutionärer Daseins-Bekundung bereiten Mobs zu herrlicher Blüthe gebracht hat! Wann wird wieder eine Halbwegs erträgliche Situation geschaffen werden? Wann werden die tiefen Wunden vernarben, welche dieses einen Verblendeten Hand Oesterreich geschlagen hat? Eine Antwort aus diese bangen Fragen läßt sich heute noch nicht geben — nur so viel ist gewiß: Es wird noch schwere Kämpfe kosten, bis die blutigen Spuren des Badenischen Regimes verwischt sind!" Prag, 1. Dezember. Abends. Der Pöbel ist auf gestachelt und wird durch aufreizende Meldungen der tschech- schen Extrablätter in seiner Wuth bis aufs Aeußerste ge trieben. Man hat zu diesem Behufe das Märchen er- unden, deutsche Studenten hätten geplant, das tschechische Nationaltheater zu überfallen, sie seien aber von tschechischen Studenten daran gehindert worden. Der tschechische Pöbel -cgeht fortgesetzt Gewaltthaten an deutschen Personen und deutschem Eigenthum. Ganze Gassen werden geplündert. Es sind 12 Bataillone Infanterie und 1 Eskadron Husaren ausgerückt; das Militär steht marschbereit, Detachements werden entsendet, wenn von irgendwoher Gewaltthaten ge-