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für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 du.ch F-rnrus ubeomittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt,' Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das «Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. irei Haus, bei Postbcstellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern tv Rpsg. Alle Postanstalten und Post- »oten, unsere Austräger u. . er .. . Geschäftsstelle, nehmen zu ZederDci!Bestellungen ent- Wvchknplall für Wilsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer «Gewalt,Kriegod.sonstiger —' Betriebsstörungen besteht , ,, - »ein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke Vi i durch Fernruf übermittelten Anreiaen übern ' Für die Richtigkeit der erfolgt nur, wenn Rückporto bcilicgt. es,„.neuen unzeigen ubern. wir keine Garonne. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch oetage eingezogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. ' Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannsckaft Meiken des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nosftn behördlich^ Nr. 148 — 92. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 28. Juni 1933 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Vorstoß und Auswirkung. Von Waldemar Bonsels. Es ist verhängnisvoll für den heutigen deutschen Menschen, daß er leichter zur Kritik neigt als zur Prüfung, schneller zur Einschätzung als zur Gelassen heit ruhigen Erlebens, eine Einstellung, die aus dem Drang der Not verständlich wird, aber im Grunde nicht deutsch ist, sondern übernommen, übernommen durch Einflüsse fremdstämmigen Bluts, geronnener Erkenntnisse und eines anders gearteten Intellekts. Hierüber ist ge sprochen worden. Im Grunde bezeichnet es die deutsche Art nicht. ' Der deutschen Gemütsbeschaffenheit und der germanischen Natur eignen Aufmerksamkeit, Erlebnis wille, Andacht und Ehrfurcht, zum mindesten eine wache Sorgfalt der Empfänglichkeit und eher zuviel Bereitschaft der Zustimmung, dem Fremden und Neuen gegenüber, als zuwenig. Da waren nun, um vom Allgemeinen zu einem be sonderen Fall zu kommen, die Bücher-AutodafSs der deutschen Studentenschaften und ihre Verbrennungslisten ein lautes kritisches Bachanal. Ich sitze hier, nicht ohne besonderen Grund, in einer Wildnis von Zuschriften, die mich zu einem flammenden Protest auffordern: Del Ungeist verdränge den Geist, deutsche Kulturgüter seien in Gefahr, das Mittelalter kehre zurück. Genau das Gegenteil werde ich tun. Zunächst handelte es sich bei diesen Maßnahmen jugend licher Gemüter nicht um Kritik allein, sondern um eine Proklamation, um eine symbolische Handlung, um eine Kundgebung der Hcraufdrängeuden, das Echte. Wahre und Erhabene hochzustellen und das Nichtige und Schädliche in der Literatur zu verdammen. Ich fand diesen ersten Vorstoß der Studentenschaft, sich einmal ernstlich mit der schönen Literatur auscinanderzusetzen, etwas zu stürmisch, aber von Nutzen. Gewiß, das Haken kreuz ist ein Wahrzeichen der neuen deutschen Freiheit ge worden, aber nicht alles, was deutsch ist, ist ein Haken kreuz. Zum anderen ist diese schwarze Liste der ver femten Dichter und Schriftsteller jetzt durch eine gemein same Zusammenarbeit des Vorstands des Börsenvereins deutscher Buchhändler und des Kampfbundes für deutsche Kultur revidiert worden. Das Kapitol scheint gerettet. Ich greife diesen nicht allzu wesentlichen Fall heraus, um an ihm deutlich zu machen, wie solche Vorgänge sich auf ihrem Wege von oben nach unten und wieder zurück, auf ihrem Wege von unten nach oben, zu entwickeln pflegen, und wie voreilige Kulturtodesangst einen Hexen sabbat von Intrigen und Beängstigungen Hervorrufen kann. Aber hiermit ist ein Thema berührt, das heute latent und öffentlich weite Kreise ernstlich beschäftigt, bewegt und besorgt macht. Es sind die deutlichen, die immer wieder kehrenden Begleiterscheinungen, die anfänglich die Durchführung eines neuen Willens und einer ent schlossenen Tat von oben her in den unteren Instanzen der Verwaltung und des Volkslebens auszulösen pflegen. Der Vorstoß der völkischen und politischen Neuordnung war ungeheuer, die Umwälzung rasch und von beispielloser Entschlossenheit. Dabei ohne blutige Kämpfe und, was nicht deutlich genug ins Gedächtnis zurückgerufen werden kann, ohne persönliche Rachsucht oder willkürliche Ver geltung von oben her. Adolf Hitlers Kampfesdrohungen im Ansturm klangen böse und gefährlich, mit der über nommenen Macht zeigte der Reichskanzler Sachlichkeit und Matz, die die Welt zu Staunen und Bewunderung zwangen. Es gab keine Macht, di« ihn hätte hindern können, harte Vergeltung für ein Unmaß von Verdächtigungen, Schmähungen und Erniedrigungen zu nehmen, die seinen mutigen Weg stellenweise in Kot gruben verwandelt haben. Es geschah nicht. Um so wichtiger erscheint mir der Appell an seine Ge folgschaften an den Abhängen und in den Niederun gen der Auswirkung, daß ihr Verhalten jetzt keine Atmo sphäre schaffen möge, in der sich Unwille gegen die Re gierung erhebt. Die Gefahr ist groß. Deutschland ist noch im Zustande einer schweren seelischen und völkischen Erholungsbedürf tigkeit. Es herrschen große Not, Armut, Verbitterung und hohe Verwundbarkeit. Diesem Zustand der Gemüter ist der patriotische Kitsch so aufreizend und unerträglich, wie die Gewissenlosigkeit des Denunziantentums, Gedankenlosig keit und Willkür im Zugriff, und Roheit in der Prokla mation erbittern, und die Anmaßung läßt dort zögern, wo tätige Zustimmung erst zur wahren Volksgemeinschaft führt. Strenge läßt sich mit Güte vereinen und Ent schlossenheit mit Geduld. Man ermißt vielleicht in den Regionen der ersten Auswirkung immer noch nicht einsichtsvoll genug, daß das gewaltige Welttheater einer Volksumwandlung keine Dreh bühne hat. Es handelt sich um Aussaat und Wachstum. Es gibt nicht mehr viele Deutsche, die an der Hochherzig keit der Gesinnung und an der Kraft des Kanzlers und seines Stabes zweifeln. Was es- bei solchen Vorbildern für seine geistigen und politischen Mitarbeiter zu Wecken gilt, sind Freiwilligkeit und Opferbereitschaft. An diese Kräfte appelliert man aber nicht dadurch, daß man sie von anderen fordert, sondern indem man sie an sich selbst erfüllt. Me MsWimle NM löst W ms Dr. Hugenberg überreicht fein Rücktrittsgesuch Selbstauslösung der DeMnaüonaleil Front. Freundschaftsabkommen mit der NSDAP. Die führenden Persönlichkeiten der Deutschnationalcn Front haben nach Rücksprache mit dem Reichskanzler Adolf Hitler und nach Abschluß eines Freundschaftsabkommcns mit dem Führer der NSDAP, die Selbstauslösung der DNF. beschlossen, über die Einzelheiten des Abkommens werden weitere Mitteilungen erfolgen. In maßgebenden Kreisen der NSDAP, sicht man in dem Beschluß der DNF. einen Akt des guten Willens und ist entschlossen, dieser Tat sache durch besonderes Entgegenkommen Rechnung zu tragen. * Der Parteienstaat über- wundeu. Die parteiamtliche Mitteilung. Berlin, 27. Juni. Die Reichspressestelle der DNF. teilt mit: In vollem Einvernehmen mit dem Reichskanzler und in Erkenntnis der Tatsache, daß der Peileienstaat überwunden ist, hat die Deutschnationale Front heute ihre Auflösung beschlossen. Sie wird bei den nöligen Maßnahmen zur Abwicklung nicht behindert werden. Die ehemaligen Angehörigen der Deutschnationalen Front werden vom Reichskanzler als volle und gleichberechtigte Mit kämpfer des nationalen Deutschland anerkannt und vor jeder Kränkung und Zurücksetzung beschützt. Das gilt insbesondere für alle Beamte und Angestellten. Die wegen politischer Vergehen in Haft befindlichen ehe maligen Mitglieder der Deulschnationalen Front werden un verzüglich in Freiheit gesetzt und unterliegen keinerlei nach träglicher Verfolgung. Die Fraktionen des Reichstages und der Landtage der NSDAP, und der bisherigen Deutschnationalen Front sichern eine einheitliche Stellungnahme durch Abordnung von einem oder mehreren Mitgliedern der ehemaligen Deulschnationalen Front in die Vorstände der Fraktionen der NSDAP. (Reichs tag und Preußischer Landtag je 2). Sinngemäß wird in den gemeindlichen Selbstverwaltungskörpern verfahren. Vorstehendes ist vom Herrn Reichskanzler unterzeichnet so wie von den Herren von Winterfeld, Freiherrn von Freytagh- Loringhoven und Dr. Poensgen als Vertreter der vormaligen Deulschnationalen Front. * Hugenberg Hai sein Rückiriiisgesuch eingereicht. Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, hat Reichsminister Dr. Hugenberg fein Rück- Irittsgesuch eingereicht. Die Entscheidung über das Rücktrittsgesuch deS Reichsministers Dr. Hugenberg ist erst für Mittwoch zu erwarten. Was der „Völkische Beobachter" dazu sagt Berlin, 28. Juni. Zur Selbstauflöfung der DNF. schreibt der „Völkische Beobachter", diese sei außerordentlich zu be grüßen. Die Führer der DNF. hätten mit diesem bedeutungs vollen Beschluß einer Entwickelung Rechnung getragen, die nicht mehr aufzuhalten ist und deren Fortgang zum Besteh n des deutschen Volkes in immer weiteren Kreisen erkannt wird. Man habe sich der Ansicht nicht verschlossen, daß das Ende der Parlamenlswirtschaft in Deutschland auch das Ende des Vie lerlei der Parteien und Parteigruppen sein muß Die früheren Angehörigen der DNF. reihten sich damit der großen national sozialistischen Freiheitsbewegung ein. Das Blatt verweist <o- bann auf die amtliche Mitteilung und sagt, die großzügige Auf- fassung des Führers zeige aufs neue, baß die nasivnalloziali- stische Bewegung die Berufung in sich fühlt, den Neuaufbau des Reiches mit allen Kräften unseres Volkes in Angriff zu nehmen. Jetzt stehe einzig und allein das Zentrum noch abseits, um sich in unfruchtbarer Verständnislosigkeit einer Entwickelung zu widersetzen, die bisher alle Widerstände erfolgreich üb^rninden konnte und weiter überwinden wird. Weitere Berliner Dresfestimmen Berlin, 28. Juni. Die Selbstauslösung der DNF., dos Freundschaftsabkommen mit der NSDAP, und das Rücktritts- gesuch Hugenbergs werben in der Berliner Presse überwiegend als ein Beweis für das Ende der alten Parteien und für den Schlußpunkt einer Entwickelung angesehen, die früher oder später zu einer Entscheidung drängte. Soweit die Blätter re daktionell zu den Ereignissen Stellung nehmen, wird der Rück tritt Hugenbergs für endgültig angesehen. Zur Selbstauslösung der DNF. schreibt die „Deutsche Zei tung", damit sei die große Volksbewegung des neuen national sozialistischen Reiches und der totale Staat erreicht worden, der am Ziel einer in der letzten Zeit immer unaufhaltsamer vorwärts drängenden Entwickelung steht. Das deutsche Volk dürfe allen Beteiligten dankbar fein, daß sie diesen Schritt in diesem Augenblick getan hoben und dies gelte insbesondere für den Reichskanzler Adolf Hitler, der auch hierbei wieder ein Zeugnis wahrhaft staatsmännischer Größe abgelegt habe. Im „Berliner Börsen-Courier" heißt es, man könne nicht anders, als diesem Abschluß mit vollem Herzen zustimmen. Die früheren Deutschnationalen hätten mit ihrer Selbstauslösung und Eingliederung in den Nationalsozialismus die in ihnen zweifellos vorhandenen Werte dem neuen Geist Deutschlands überantwortet. Die nationale Regierung fei jetzt eine restlos nationalsozialistische und in ihr würde Hugenberg, selbst wenn sein Rücktritt nickt angenommen werden sollte, nur noch als Fachminister amtieren. Der bayerische Wirischafisminister zurückgetreien. Der bayerische Wirtschaftsminister Graf Quadt hat seinen Rücktritt erklärt wegen der Belastung der Be ziehungen zwischen den amtlichen Stellen und der» politischen Kreisen, aus denen er gekommen ist. Ministerpräsident Siebert bat ihm Dank und Anerkennung für seine loyale Mitarbeit aus gesprochen. Die Führung des Wirtschaftsministeriums übernimmt bis auf weiteres der Ministerpräsident. Nur und allein dadurch wird im völkischen Gemein- schaftsgcwese jener Drück vermieden, der bis zur Zerstörung der Arbeitsfreudigkeit führen kann. Gute Gesinnung und Eifer allein tun es nicht, denn der Eiferer muß sich mit Andacht empor- und mit Humor hinab wenden, wenn er frucktbar wirken will. Unter Humor ver stehe ich nun freilich kein gedankenloses Lächeln unter Tränen oder einen leichtherzigen Hang zum Scherzen, son dern Humor ist die willkürlich angenommene versöh nende Geste des überlegenen Menschen, dem Macht gegeben ist der Unzulänglichkeit alles Irdischen und seinen Mitmenschen gegenüber. Humor erleichtert den überblick aus den Verwirrungen des Gewöhnlichen und der Schwäche zu den Lichtquellen des Wesentlichen. In diesem Sinne gibt es Leute, die Humor haben, mit denen aber deshalb durchaus noch nicht zu scherzen ist, wie etwa die Engländer als Politiker. Öffentliche Kritik behält darüber geduldete Gültigkeit; wenn nichts cs beweist, so tut es dieser Aufsatz. Es ist nicht richtig, daß man heute in Deutschland seine Gedanken nicht äußern darf. Es ist aber für die Reaieruna von ungeheurer Wichtigkeit, vorläufig mit Strenge darauf zu achten, daß nicht unter dem Deckmantel selbst wohl wollender Kritik diie heimliche Intrige einsetzt. Diese Gesahr übersehen selten Leute richtig, die mit Dingen der öffentlichen Wirkung und Gegenwirkung nicht vertraut sind. Man kann nicht zugleich nach einer rettenden Faust der Ordnung und einer allgemeinen Freiheitlichkeit für Meinung und Handlung schreien. Alle Magier der großen Umgestaltung, gleichviel aus welchem Gebiet sehen zuerst allein und nur das Ziel. Erst mit dem Rückblick nach dem Erfolg flammen die Wahrzeichen der Nachucht und der Zugeständnisse auf. Aber wehe dem Sieger, der zuvor seine Position nicht gefestigt hat. , Es ist erstaunlich und beglückend zu erleben, in wie reichem Maße zum Beispiel das italienische Volk gerade diese heroischen Elemente des deutschen Aufstiegs zu neuem Selbstbewußtsein miterlebt und bewundert. Freilich bleiben den Augen der Fernerstehenden die Zwiespalte der Ncufügung im kleinen erspart, aber manche kleinmütige und zögernde Seele, im Schatten der neuen Hochburg. Deutschlands, könnte sich hier festigen