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Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die OrLscha) en Ottendorf-Okrilla mit Moritzdor und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illusi^ enes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „^ld und Garten", „Spiel und Spor." und „Deutsche Mode". Annahme von Inserat bi» vormittag io Uhr. Inserate werden mit p Pf. für die Spaltzeiir berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tcrif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Für die Redaktion ver. Dortlich Hermann Rühl« in Groß-Gkr cka. Nr. 83. MM worb » den 13. Juli 1904. 3. Jahrgang. Sertliches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, 12. Juli 1804. -r Am vergangenen Sonntag fand die In spektion der Freiwilligen Feuerwehr statt, zu dieser waren die Herren Brandmeister Hermann aus Dresden, Kelling aus Rabenau sowie die Hauptleute der Freiwilligen Feuerwehr zu Cunnersdorf und Radeburg eingetroffen. Als Vertreter der Amtshauptmannschaft war Herr Dr. v. Sala anwesend. Außerdem war eine große Anzahl von Wehrmannschaften der näheren Umgebung und die hiesige Einwohner schaft stark vertreten. Die Uebungen welche unter dem Kommando des Hauptmanns Langenfeld ausgeführt wurden, bestanden in Fußdienst, Uebungen an der Spritze, am Steigerturm und einem Sturmangriff mit anschließender Sanitäts-Uebung auf das Herrn Klempnermeister Müller in Groß-Okrilla be findliche Grundstück. In der nach Beendigung der tadellos ausgeführten Uebungen stattfin denden Kritik brachte Herr Brandmeister Her mann-Dresden feine vollständige Zufriedenheit zum Ausdruck und wurde die Zensur der ge samten Uebungen mit I gewertet. Hierauf hielt Herr Gemeindevorstand Lincke-Otten dorf an die versammelten Mannschaften eine Ansprache in welcher er im Namen des Feuer- löschverbaudes seine vollste Befriedigung und Dank für die sehr gut ausgeführten Uebungen aussprach. — Nach diesem hielt ein gemüt liches Beisammensein mit nachfolgendem Ball die hiesigen, sowie auswärtigen Wehrmann- schasten bis in die frühesten Stunden beisammen. — In der am vergangenen Sonnabend von 11—2 Uhr in der Königlichen Amts« Hauptmannschaft zu Großenhain abgehaltenen Bezirksausschußsitzung wurde die Dismenbra- tion des Grundstückes Blatt 11 für Medingen (Eigentümer Brückner) bedingungsweise ge nehmigt. — Durchlochung derPostanweisungsformulare. Um zu erproben, ob sich eine leichtere Ab trennung der Pestanweisungsabschnitte von den Postanweisungen unbeschadet der Festigkeit der Formulare ermöglichen lasse, sind seit einiger Zeit die Formulare 0 90 mit eingedrucktem 10-Pfg- Wertzeichen und 0 90a (Postan weisung zur Uebermiitlung von Nachnahme- und Postauftragsgeldern) auf der Trennungs linie zwischen Postanweisung und Abschnitt mit einer Schlitzdurchlochung hergestellt worden. Das unregelmäßige Losreißen der Abschnitte von den Postanweisungen durch die bestellenden Boten gibt nämlich den beteiligten Postdienst stellen, ebenso wie dem Publikum häufig Anlaß zu Klagen, insbesondere dann, wenn Ziffern der Betragsnummer oder auf dem Abschnitte ntedergeschriebene Mitteilungen beim Trennen der PnstanweisungSteile abgerissen werden Außerdem erfordert das Ablrennen der Ab schnitte einen gewissen Zeitaufwand und ver langsamt das Bestellgeschäft, ein Nachteil, der bei dem stetigen Steigen des PostanweisungS- verkehrS nicht wenig ins Gewicht fällt. Die Versuche haben nun ergeben, daß bei den durch lochten Postamveisungsformularen die Abschnitte mühelos, glatt und schnell abgetrennt werden können. Die Befürchtungen, daß durch die Schlitzdurchlochung die Festigkeit der Formulare leiden oder die Abschnitte sich während der Postbeförderung loslösen könnten, haben sich als unbegründet herausgestellt. Es ist deshalb ungeordnet worden, daß die Postanweisungs- formulare künftig allgemein mit der Durchlochung herzustellen sind. — Als weiblicher GewerbeaufsichtSbcamter für den Regierungsbezirk Dresden ist das von der Kgl. Kreishauptmannschaft Dresden bisher als weibliche Vertraucnsperson für die Gewerbe- aufsichi bestellt gewesene Fräulein Cälilie Dose in Dresden verpflichtet worden. Dresden. Gestern vormittag stürzte sich eine hier zu Besuch weilende Dame in einem Anfalle von Geistesstörung aus der dritten Etage in den Hof eines Hauses in der Schnorr straße hinab. Sie wurde auf Anordnung des Herrn Dr. med. Prinz, der die erste Hilfe leistete, schwerverletzt in das Johannstädter Krankenhaus gebracht. — Beilegung des Ausstandes in der Brauerei zum Plauenschm Logerbller. Seit gestern ist der Streik der Brauer, Mälzer, Böttcher und Brausreiarbeiter, der nur wenige Tage bestanden hat, in Güte beigelegt worden. Nach den gegenseitigen Vereinbarungen werden die Ausständigen nach und nach, wie es die Stärke des Betriebes erfordert, wieder einge stellt. Fremde Brauereiarbeiter sollen vor den alten, frühere» Arbeitern nicht bevorzugt werden. Der 64 Jahre alte Schmied Voigtländer, der 31 Jahre lang in der Brauerei als Schmied gearbeitet, wird von der Direktion mit 600 Mk. in die Altersrentenbank eingekaust. Die beiden anderen Schmiede werden bei anderen Unter nehmern, die künftig die Schmiedearbeiten für die Brauerei verrichten werden, zu den bisher bezogenen Löhnen untergebracht. — Zur Lohnbewegung der Bau und Möbel tischler. Die Holzarbeiter des Plauenschen Grundes haben sich am Freitagabend, wie ihre Dresdner Kollegen, mit den Vorschlägen der Meister beschäftigt. Sowohl im Deutschen Hause, wie im Augustusbad wurden Ver sammlungen abgehalten. In geheimer Ab stimmung wurde gegen kleine Minderheiten be schlossen, in denjenigen Betrieben, welche die Forderungen der Arbeiter nicht bewilligen, die Arbeit niederzulegen. Bis Sonnabend abend hatten 77 Meister mit rund 712 Arbeitern die aufgestellten Forderungen bewilligt, ein Teil hat sich b's Montag früh Bedenkzeit auö- bedungen. B der Bewegung kommen gegen 500 Meister mit ungefähr 1500 Arbeitern in frage. Moritzburg. Hier erfolgte die freiwillige Versteigerung des weitbekannten Gasthofes zum Auer. Er wurde von Frau nerw. Müller und vier Geschwistern wieder zurückerstanden. Die Familie Müller hat den „Auer" seit 50 Jahren im Besitze. Der Grund der Ver steigerung war der Tod des Besitzers Müller. Königsbrück. Sonnabend früh wurde der zirka 40 Jahre alte schon seit langer Zeit hoffnungslos krankliegende Lagerarbeiter Ernst Tille, hier, erhängt in seiner Wohnung auf gefunden. — Das Königliche 2. Jäger-Bataillon Nr. 13. hält in der Zeit vom 18. bis zum 24. Juli 1904 täglich von 6 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags auf hiesigen Gefechts schießplatze Schießen in größeren Abteilungen ab. Pirna. In einer hiesigen Glasfabrik hatte ein Arbeiter das Unglück, daß ihm eine Glas walze unter den Händen zersprang und die Stücke derselben ihm schwere Schnittwunden am rechten Arm mit Zerschneidung der Puls ader beibrachten. Zittau. Im Stadtforst ist gestern früh 10 Uhr ein großer Brand zwischen den beiden von Sommerfrischlern angefüllten Orten Oybin und Lückendorf ausgebrochen. Es wird Brand stiftung vermutet. Mittags 1 Uhr stand der ganze Bergrücken in Flammen. Von der Zittauer Garnison ist Militär zur Hilfeleistung auSgerückt. Freiberg. Am Sonntag früh brannte in Großschirma der zu der Holzstoff-, und Kartonnagenfabrik von Otto Köhler gehörige, 1200 KZ Pappe enthaltende frühere Schreiber schacht (bestehend aus sieden Gebäuden) bis auf die Umfassungsmauern vollständig nieder. Zschopau. Der invalide Provifionsreisende Pohle aus Chemnitz und dessen Frau suchten sich in Hübners Wehrteich zu ertränken. Pohle wurde noch lebend aus dem Wasser gezogen und dem Krankenhause zugeführt, während seine Gattin bereits den Tod gefunden hatte. Crottendorf. Wie unwahrscheinlich auch die Ansicht ist, daß dem flüchtigen Mörder Schramm Helfershelfer zu Gebote stehen, so wird an ihr d: h noch von vielen Leuten fest gehalten. Ein neues jetzt umlaufendes Gerücht will diese Ansicht wieder bestätigen. Eine Frau will nach dem „Annabergsr Wochenblatt" von dem Fenster ihres im Unterdorf gelegenen Hauses am frühen Morgen, als sie bei ihrem kranken Kinde wachte, in einem am Scheiben bergs gelegenen Kornfelde öfters einen Mann auf- und untertauchen gesehen haben. Es habe den Anschein gehabt, als ob dieser Mann etwas erwarte. Es habe auch nicht lange gedauert, da sei ein Mann dahergelaufen gekommen, der dem im Korne Versteckten ein Päckchen übergeben habe, worauf er sich dann schnell über die Felder laufend entfernt habe. Ein Herr will früh in der dritten Stunde eine Frau mit einem Handkorbe gesehen haben, die ihm aber ihrem Gange nach als ein Mann erschienen ist. Adorf. Die 1783 vollendete Hauptkirche steht seit gestern mittag in Flammen. An eine Rettung der Kirche ist nicht zu denken. Das benachbarte Schulhaus konnte erhalten werden. Auch der Türmer ist gerettet worden. In der großen geräumigen Kirche befindet sich eine wertvolle Tampelische Orgel. Plauen. Aus dem Speisewagen des Expreß zuges Wien—Berlin geschleudert wurde am Freitag nachmittag bei Franzensbad der im Speisewagen tätige Koch. Obwohl der Zug in vollem Gange war, kam der Mann mit dem Leben davon. Der Zug, der 5 Uhr 10 Min. in Plauen fällig ist, traf infolge d?S Vor kommnisses mit einer Verspätung von 10 Min. hier ein. Dcr Unfall hat sich beim Verlaffen des Bahnhofes in Franzensbad ereignet, als der Zug durch die dortige Kurve fuhr. Infolge der Fahrgeschwindigkeit erhielt der Wagen eine schräge Stellung. Der Koch ho e mitten darin auf einem Korb gesessen; die beiden Türen des Wagens waren göffnet. So kam es, daß de>- Mann nicht nur vom Korbe fiel, sondern aum zum Wagen herauögeschleurert wurde. Die Verletzungen des Kochs find nicht lebens gefährlicher Art. Scheckthal. Sämtlicher Arbeitern und Arbeiterinnen der hiesigen Glasfabrik wurde am Montag gekündigt, wodurch in 14 Tagen etwa 120 Personen arbeitslos werden. Das Werk befindet sich seit Ende Januar 1903 in Konkurs. S ch w eiker sha in. Hier fiel das drei jährige Töchterchen des Stuhlbauers Schwalbe iy einem mit kochendem Wasser gefüllten Waschkessel und zog sich so schwere Brand wunden zu, daß es denselben nach kurzer Zeit erlag. Mühlberg a. d. Elbe. Verhafteter Ein brecher. In der hiesigen Herberge zur Heimat wurde am 8. Juli durch die Polizei der 19 Jahre alte, aus Forst (Lausitz) gebürtige Kellner Otto Sturm verhaftet. Dieser hatte sich in der Herberge gerühmt, in das Pfarrhaus zu Kreinitz bei Strehla i. Sa. eingestiegen zu sein, die dort vorgefundenen Sachen wild in der Stube umhergeworfen und 4 Taschentücher und einen goldenen Klemmer aber mitgenommen haben. Diese Gegenstände wurden auch bei dem Verhafteten vorgefunden, der übrigens seiner eigenen Angabe nach wegen Diebstahls bereits vorbestraft ist. Waldheim. Hier erfolgte vermutlich durch Selbstentzündung von Schwefel in einem Ge bäude des Feuerwerklaboratoriums von Fickenschen eine heftige Explosion, durch welche das Dach des Gebäudes abgehoben und fortgeschleudert wurde, Das Feuer, welches bald unterdrückt werden konnte, wurde auch der umliegenden Wald in Mitleidenschaft gezogen. Nus der Woche. Die politische Sirupbüchse, aus der das Lese- Publikum so gern nascht, trocknet unter der Enwirkung der Hundstagshitze allgemach aus. Bebel, Bachem, Herr von Kröcher und Eugen Richter machen eine gemeinsame Erholungsfahrt in die Berge Tirols oder sonst wohin und lassen Politik Politik sein. Der Kaiser hat seine Nordlandsfahrt angetreten, unsre blauen Jungen von der Schlachtflotte werden sich dieser Tage in England amüsieren, Graf Bülow sitzt mit seiner Gemahlin auf Norderuey, so daß der russische Minister Witte aufs leere Nest trifft, wenn er dieser Tage nach Berlin kommt; alle Minister sind verreist, oder lassen die Koffer packen, und so kann auf dem großen politischen Gebiete nicht allzuviel passieren. Wenn die Aerzte in die Ferien gehen, dann haben eS die Kranken gut. Auch Frh. v. Mirbach ist außer Landes gegangen, nachdem ihm Nahestehende noch erklärt haben, es läge für ihn gar kein Grund zum Rücktritt vor. Das ist natürlich Sache des Geschmacks, aber immerhin ist die begonnene tote Saison dem Herrn Oberhof meister günstig. Denn das Gras wächst jetzt schnell und es wächst auch vielleicht über die dem hochgestellten Herren gemachten Vorwürfe, und das Gras wird im Hochsommer schnell zu Heu für gute Zwecke, sei's woher immer, herbei zuschaffen, von Sanden und Schmidt, Romeick und Schultz war ja die großartige Spezialität des jetzt nach Antwerpen Gegangenen. Da hat man in Berlin Herrn Pros. Meyer und Frau auf zwei beziehentlich fünfviertel Jahr ins Ge fängnis gesteckt, weil sie Schulden über Schulden gemacht, ohne zugleich die Aussicht gehabt zu haben, diese zu bezahlen. Der Prozeß hat grelle Streiflichter auf das Schmarotzertum der Gesellschaft geworfen und es ist hohe Zeit, daß man den Parasiten energisch zu Leibe geht. Denn sie erzeugen Fäulnis und jeder faule Fleck hat die unangenehme Eigenschaft, schnell um sich zu fressen und den ganzen Körper zu vergiften. Heutzutage wo die Sozialdemokratie und mit ih- eine große Menge Mitläufer in der Presse die öffentlichen Dinge scharf kritisiert und verallgemeinert, wo sich die öffentliche Meinung sehr leicht durch blendende Feder übungen und geschickte Gruppierung vereinzelter Tatsachen leiten läßt, muß alles vermieden werden, was wie eine Bemäntelung fauler Zu stände aussteh' Dem Vol muß vor allem die Ueberzeugung erhalten bleiben, daß wir in einem Rechtsstaate wohnen, und daß nicht etwa bei einem Armen unrecht ist, was man einem Hohen durch die Finger steht. Sind aber Fehler gemacht, so gebe man sie zu und stelle sie ab; dadurch wird die Autorität weit weniger geschädigt, als wenn man eine Moral mit doppeltem Boden konstruiert. Der Professor Meyer gibt es leider sehr, sehr viele. Und wenn der jetzt Verurteilte seine Strafzeit ab gebrummt hat, was dann mit ihm? Die bürgerliche Gesellschaft —und das ist das Schlimme an der Sache!— verzeiht viel eher die Sünde als die Buße! Nicht der Sünder an sich gilt als ehrlos, sondern der Sünder, der seine Taten durch Gefängnis gebüßt hat. Eg ist ohne weiteres klar, daß darin eine große Ungerechtigkeit liegt! — Von den beiden Feld zügen in Ostasien und Südwestafrika ist wenig zu berichten. An den Waterbergcn herrscht äußerlich Ruhe; wir haben durch Ueberläufer erfahren, daß die Hereros nicht ans Ergeben denken, daß sie im Gegenteil ihre von Natur schwer angreifbaren Positionen aufs äußerste, zu verteidigengedenken. — In Ostasten rücken die Dinge auch nicht recht vom Flecke; die Plänkeleien, die dort fast Tag für Tag statt finden, haben keinen Einfluß auf die Haupt entscheidung und diese zögett sich durch die ein- gelretene Regenzeit immer mehr hinaus. Ob sich's ändern wird, wenn erst der japanische Oberbefehlshaber Marschall Oyama auf dem Kriegsschauplätze eingetroffen ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Beachtenswert ist in den russischen Berichten immer, daß sich die Russen stets, nachdem sie „glänzend gesiegt", schließlich vor der Uebermacht der Japaner zurückzuziehen. Mögen sie sich, diesem Schema folgend, recht bald ganz aus der Mandschurei zurückziehen, damit die Massenschlächterei im fernen Osten endlich ihr natürliche» Ende findet I