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Wochenblatt - für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Giebenlehn und die Umgegenden. Amtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittags 12 Uhr. 76. Freitag, 29. Septeinbtt' 1876. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 28. September 1876. In einer am 14. Juni ds. Js. in Chemnitz von Geistlichen und Laien abgehaltcnen Versammlung ist beschlossen worden, an die in nächster Zeit zusammentretende Landessynode Petitionen zu richten, welche auf Einführung einer Kirchen- und Lehrzucht abzielen. Dem gegenüber hat sich eine Anzahl Mitglieder der verschiedenen Kirchenvorstände in Freiberg vereinigt, um nicht nur gegen Einführung einer solchen Zucht feierlichst zu protestiren, sondern auch an die Landessynode die ebenso ehrerbietige als dringende Bitte zu richten, die eingangsgcdachten Petitionen, falls solche eingebracht werden sollten, auf sich beruhen zu lassen. Zur Sammlung von Unterschriften ist ein Exemplar dieser Frei berger Protestation resp. Petition auch in unsere Stadt gesendet worden und liegt dasselbe zur Einsichtnahme und nach Befinden zur Unter schrift im Gasthof zum weißen Adler aus. Da die Petition mit den Unterschriften bis spätestens Sonnabend den 30. ds. Mts. nach Freiberg zurückzusenden ist, mögen Alle, welche dieselbe unterschreiben wollen, dies schleunigst thun. — Die F. A. Herrmann'schen Omnibusse gehen vom 1. October an wie folgt: Von Wilsdruff früh 6Vr Uhr und Nachm. 3 Uhr nach Dresden; von Dresden: früh 7 Uhr und Nachm. 4 Uhr nach Wils druff. (Siehe Fahrplan in heutiger Nr.) — Das „Dresdner Journal" bezeichnet alle Angaben der „Ber liner Börsen-Zeitung" über angebliche Schritte und Verhandlungen der sächsischen Regierung behufs Ankaufs der Dresden-Berliner Ei senbahn als vollständig erfunden. Wahr sei nur, daß das Direc- torium der Berlin-Dresdner Bahn diese Bahn der sächsischen Regier ung zum Ankauf angeboten habe. Eine Entschließung habe letztere bis jetzt noch gar nicht gefaßt, also auch keinen Cominifsar zu Ver handlungen nach Berlin entsenden können; wohl aber habe die säch sische Negierung vertraulich bei der königl. preußischen Regierung an gefragt, welche Stellung dieselbe der Berlin-Dresdner Eisenbahnge sellschaft gegenüber cinnchme und von demMngange dieser erbetenen Auskunft erst werde alles Weitere für die sächsische Regierung abhängen. Leipzig, 26. September. Der Verkehr auf der gegenwärtigen Messe ist gegen frühere Messen sehr still und der Besuch der Fremden ziemlich schwach. Viele sonst regelmäßige Meßbesucher sind nicht ein getroffen und eine ziemliche Anzahl von Meßmohnnngen steht leer. Ein hiesiges Hotel, welches zur Unterbringung der bei ihm verkehren den Mcßfremden gewöhnlich 30 bis 40 Stuben in Privathäusern er- miethete, bringt dies Mal die wenig ankommenden Fremden bequem in seinen eigenen Räumen unter. In einzelnen Artikeln soll aber trotzdem, wenn auch bei gedrückten Preisen, recht flott verkauft wor den sein. Bautzen. Der Vulterhändler Lehmann aus Olbersdorf, welcher, wie wir früher meldeten, versucht hatte, seine Konkurrentin Wündrich in Olbersdorf mittels eines durch Arsenik vergifteten Napfkuchens zu tödten, wurde von den Geschworenen zu 5 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt. Die Aussichten auf eine friedliche Beilegung der türkischen Wirren sind sehr gestiegen, namentlich trägt die wachsende Verstän digung zwischen England und Rußland dazu bei. Von „maßgebender" Seite wird versichert, daß sämmtliche Großmächte sich über die der Türkei vorzuschlagenden Friedensbedingungcn geeinigt haben und zwar auf Grundlage eines englischen Vorschlags. Da die türkische Ne gierung bereits ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen hat, den Wünschen der Großmächte so weit nur irgend möglich zu entsprechen, so ist die Hoffnung auf baldigen Frieden sehr gewachsen, (M a g s wahr werden). — Kaiser Alexander hat dem Fürsten Milan erklären lassen, Serben werde im Falle der Ausrufung des Fürsten zum König sich selbst überlassen werden. (Diese seltsame Geschichte scheint ihre Nolle noch lange nicht ausgespielt zu haben und die ganze Friedens hoffnung zu gefährden. Rußland spielt dabei eine Doppelrolle, sonst wäre Tschernajeff längst vom Oberbefehl abberufen. Tschernajeff soll dem Fürsten Milan geschrieben haben, Sie müssen sich dem Willen der Armee fügen und den Königstitel «»nehmen, fehlt ihnen der Muth, so wird sich schon ein anderer Mann finden.) Ohne zu verkennen, daß die Türkei von den Mächten, wenigstens von Rußland, in einer Weise behandelt wird, die den Forderungen des Völkerrechts und Allem, was sonst gebräuchlich ist, widerspricht, kann man der türkischen Regierung doch nur den Rath geben, nach zugeben; denn selbst wenn sie Serbien eroberte, könnte es nichts helfen. Rußland ist einmal entschlossen, daß Serbien kein Haar gekrümmt werden soll, und was die Türkei durch Fortdauer des Krieges ge winnen könnte, ist so unbedeutend, daß es nicht der Mühe Werth ist, dafür zu fechten und die großen Gefahren eines Krieges mit Rußland heraufzubeschwören. Rußlands Stellung ist augenblicklich so übermächtig in Europa, daß man den russischen Staatsmän nern auch das Wagstück einer einseitigen Kriegserklärung zutrauen kann. Ein Freund des russischen Reichskanzlers soll neulich gesagt haben, Gortschakow hätte Lust, sein Testament noch mit einem schönen Codicill (ein minderfeierliches Vermächtniß) zu versehen. Dabei er fährt man aus guter Quelle, daß allen Ableugnungen zum Trotz eine ziemliche Streitmacht an der türkischen oder vielmehr rumänischen Grenze ausgestellt sein soll. Als „ein Zeichen der Zeit" meldet der „kolerok," daß alle im Auslande weilenden russischen Unterthanen, welche noch militärpflichtig sind, dieser Tage den Befehl erhalten haben, sofort nach Rußland zurückzukehren. Am Freitag seien ans Prag einige Russen, die sich hier aufgehalten, abgereist. — Dem „N. W. T." wird aus Peters burg telegraphirt, das das Amtsblatt die Namen von 33 neuer- nannten Generalen publizire, dieses Avancement errege großes Aufsehen. Die Ansprüche Montenegros bei dem bevorstehenden Frie densschlüsse sind nach einem Schreiben aus Cettinje angeblich folgende: „Grenzregulirung durch Abtretung einer als Weideplatz nothwendigen Ebene bei Malibrdo; Besitz eines Hafens; endgültige Regelung der internationalen Stellung Montenegros durch formelle Anerkennung seiner Unabhängigkeit von seiten der Mächte. Mit dem Zugeständ nisse des ersten und letzten dieser Punkte würde sich Montenegro auch zufrieden geben." Wien, 25. Sept, abends. Die Politische Correspondenz ver öffentlicht einen länger» telegraphische» Bericht aus Constantinopel über die seit dem 20. d. M. fortlaufend stattgehabten diplomatischen Schritte zur Erzielung eines Waffenstillstandes. Nach demselben hat die Pforte gestern schriftlich eine Verlängerung der Waffenruhe um acht Tage zugestanden, wogegen heute der Pforte die Friedensbe dingungen mitgetheilt werden sollten. Bezüglich der letztern ist außer dem bereits Bekannten hervorzuhcben, daß für Montenegro eine gün stige Regulirung der Grenze, für Bulgarien ein selbstständiges Exarchat und administrative Reformen verlangt werden. Meldungen aus New-Jork vom 21. d. M. zufolge greift in Savannah das gelbe Fieber immer mehr um sich. Es sollen bereits mehr als 8000 Personen erkrankt sein, am 20. d. M. starben 36 Personen, die »leisten Einwohner haben die Stadt verlassen. Die Berichte über den Schaden, welchen ein heftiger Sturm am Sonntag in dem amerikanischen und britischen Theile der Aus stellung zu Philadelphia angerichtet haben sollte, haben sich zwar als übertrieben herausgestellt, der Orkan hat aber doch längs der Küste in verheerender Weise gewüthet. Mehr als hundert Schiffe gingen zu Grunde und der Verlust vieler Menschenleben ist zu beklagen. Unfälle werde» vo» allen Seiten gemeldet. Der schottische Dampfer „Rebecca" scheiterte an der Küste von Carolina und zwölf Personen kamen ums Leben. In der Chesapeake-Bay ertranken acht Personen in Folge des Umschlagens mehrer Barke», die der Dampfer „Juniata". im Schleppta» hatte.