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^uer Tageblatt »»ft,»»-«« ««Hm«, »I« «efk>» -I» p»sta»ftalt«, «»<!«,«». — «»fch^at »«kltLgUch. z«mspr«ch. Anschluß Ne. sr. Mzeiger für -as Erzgebirge L,l»sram««r «ag,blatt ),o,»rzg,binr« Enthalten- -le amtlichen Sekanntmachuugen -es Rates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts -lue. pogsch.ck.-out» r ftatt Laipsl- w. IBM Nr. 2S4 Donnerstag» äen S. Dezember 1S2S 23. Jahrgang Frankreichs Angst vor dem Anschluß Eine interessante Aussprache Die französisch« Kammer begann gestern vormittag Vie Beratung des Budgets Mr das Außenministerium. Auf der Ministerbank hatte neben dem Finanzminister Theron der Außenminister Brtand Platz genommen. Der Radikale Abgeordnete Francois-Albert ging vor allem auf die Anschlußsrage ein und ver langte ein Locarno gegen den süddeutschen und für den ostdeutschen ZrredentismuS. FrancoiS-Albert hatte mit einem Appell an Brtand als den Mann von Locarno Leaonnen. Ein Locarno des Ostens und des Südens t^?ve die Unzufriedenheit über alle Ungerechtigkeiten beseitigen (!!), die jetzt noch Deutschland und seine Nachbarvölker beunruhigen. Die heftige Reaktion gegen Brtand: „Das Recht der Völker, über sich selbst zu bestimmen, ist ein hohes Recht, das auch, ich! stets verteidigen werde. ES wäre aber falsch, die Anschluß frage unter diese Formel zu bringen. Denn kein Volk hat das Recht auf Selbstmord." (!!) Francois-Albert kommt dann am Schluß seiner Rede aus die Politik Frankreichs gegenüber dem Vati kan zu sprechen. Die bekannten Artikel 70 und 71 des Budgetentwurfes bewiesen, daß die französische Re gierung dem Vatikan auf Kosten der inneren PoliKk entgegenkommen wolle. Brtand: ,Hetzt sprechen Sie hoffentlich nicht mehr vom Anschluß?" (Lachen.) Francois-Albert erwähnt den Besuch de- Kardd» nalS Dubois in Wien. Katholische Zeitungen hätte« gesagt, daß der Kardinal eine Mission zu erfüllen hatte, Mr welche die französische Diplomatie zu ungeschickt war. > Briand (lächelnd): „Soll ich Mich schämen?" Francois-Albert: ,Hch will Sie nicht beschämen. Ich will nur Antwort auf meine Fragen. Sie wissen, Herr Minister, daß ich ein überzeugter Anhänger Ihrer Politik bin. Sie werden also die Wißbegier entschul digen, die einen bescheidenen Mann von Locarno da,« zwingt, Belehrung von dem großen Mann von Locarno zu erbitten." (Großer Beifall. FrancoiS-Albert wird von der Linken beglückwünscht.) den Vertrag Von Trianon sei berechtigt. Francois- Albert ^agte: „Dieser Vertrag ist noch viel schlechter als der Vertrag von Versailles, obwohl ich für diesen gerade auch keine übermäßige Bewunderung habe. Ich glaube, daß Sie ziemlich der gleichen Meinung sind. Herr Minister!" Briand: „Ich habe das Amt, diesen Vertrag in Anwendung zu bringen." , Francois-Albert: ,Hch danke Ihnen Mr die Be stätigung meines Eindrucks." (Gelächter.) Briand: „Verträge sind Menschenwerk!" Francois-Albert fährt in der Besprechung des Trianon-Dertrages fort: „Um die deutsche Gefahr zu beschwören, wollte man Deutschland zerstückeln. Auch das Reich der Habsburger sollte zerstückelt werden, ob wohl die Furcht vor dieser Gefahr töricht war. Jetzt gibt es inmitten Europas einen Kadaver oder vielmehr ein totgeborenes Kind, einen ewigen Krankheitsherd, der das Leben Europas verpestet. Der Völkerbund bemüht sich, die große Gefahr zu verhüten." Briand: „Wozu Frankreich! die Initiative gegeben hat!" Francois-Albert: ,Hch weiß, aber es hat bisher nicht viel geholfen. Oesterreich fühlt das Bedürfnis, sich seinem großen Bruder anzufchließen, und Deutsch land öffnet weit seine Arme. Natürlich bestehen juri stische Sicherungen, aber Verträge sind auf Papier ge schrieben. Das Spinnennetz der Paragraphen kann nicht lange standhalten, wenn ernstlich versucht wird, es zu zerreißen." Briand: ,Hhre Rode wird die Fäden nicht fester machen. Ich! habe auf die Gefahr für den Frieden vor den Vertretern von 62 Nationen hingewiesen, und alle haben mir Recht gegeben." Francois-Albert: „Wir find also darüber einig, daß die Bemühung um den Anschluß eine Gefahr für den Frieden (!) ist. In Deutschland sind aber fast alle politischen und psychologischen Faktoren dem Anschluß zugeneigt. Die deutschen Sozialdemokraten wollen doch! als eine Partei des Friedens gelten. Aber sind sie «S wirklich? Wenn man sehr optimistisch ist. dann könnte man sagen, die deutschen Sozialdemokra ten sind in ihrer Auffassung nicht ganz einig. Aber selbst bei denen, die den Frieden aufrichtig wünschen, besteht ebenso aufrichtig der Wunsch nach dem Anschluß," Briand: „Ich bin davon überzeugt, daß die deut schen Sozialdemokraten den Frieden höher einschätzsn werden als alles andere!" Francois-Albert: ,Hch will eS hoffen. Aber außer den Sozialisten ist auch das Zentrum Mr den Anschluß. Der Vatikan hat immer eine Vorliebe Mr Oesterreich gehabt." Briand: »Mollen Sie darau» folgern, daß der Vatikan helfen wird, Oesterreich verschwinden zu lassen?" Francois-Albert: „Der Vatikan hat schon oft ein hohes politische» Spiel gespielt." Briand: ,Hch zweifle daran, daß der Vatikan ein Vabanquespiel führen wird." FrancoiS-Albert: „Der Vatikan hat die Wahl zwischen einem kleinen Oesterreich! und der Macht über ein Weltreich. Schon einmal hat ein römischer Papst einen deutschen Kaiser zur Pilgerfahrt nach Canossa gezwungen. Ich lese doch, deutsche Zeitungen; ich weiß, was in der „Germania" steht." BriaNd: „Es gibt auch! fromme französische Zei tungen, die nicht gerade im Frieden mit Rom leben." (Diese Anspielung auf di« „Action Franeaife" erregt Heiterkeit.) FrancoiS-Albert zählt noch fveitere Symptome auf, die ihn zu der Leberzsugung bringen, daß drei viertel de- deutsch«» Lottes M» de» Anschluß Lind. Briand bestreitet unser Recht Vie Rhelnlanöräumung ein Spekulatkonspfan- Jn der gestrigen französischen Kammersitzung er griff Briand das Wort zu einer größeren Rede, in der er u. a. aussührte: Als der Reichskanzler in Genf den Wunsch aus gesprochen habe, Verhandlungen mit Frankreich! über das Rheinland einzuleiten, habe sich Frankreich zu die sen Verhandlungen bereit erklärt. Aber man habe nicht vergessen dürfen, daß Frankreich nicht allein sei und nicht das Recht habe, allein diese Frage zu dis kutieren. Die Vertreter der Alliierten seien zusammen getreten, und Reichskanzler Müller habe zu ihnen ge sagt: Deutschland hat das Recht, die sofortige Rhein- landräumung zu fordern. Frankreich und England hatten darauf mit dem Ver trage in der Hand geantwortet: Da« ist nicht richtig, Deutschland hat diese» Recht nicht. Die Lage schien hoffnungslos zu sein, aber es gebe eben keine diplomatische Lage, aus der man nicht herauskommen könne. Briand erklärte alsdann, wie man dazu gekommen sei, trotz der deutschen Forderung dis Verhandlungen fortzusetzen. Frankreich, so sagte er, wolle nicht mit seinem Pfand spekulieren, aber es müsse bedenken, daß es selbst Verpflichtungen übernommen hat. Könne es etwa zugeben , daß Deutsch land eines Tages die Arme kreuzt und erklärt, es werde nicht mehr bezahlen, während Frankreich! Ver pflichtungen zu erfüllen Habs? DaS sei unmöglich. Er wolle das deutsche Volk in keiner Weise beleidigen, aber er sei doch, verpflichtet, Schwankungen in Rech nung zu stellen, die sich in der deutschen Politik noch zeigen könnten. Ein Unterhändler fei verpflichtet, die Möglichkeit einer Sturmflut, die die Lage ändern könne, ins Auge zu fassen. Frankreich würde alsdann mit seinen Lasten und mit seinem Zorn allein bleiben. Würde eine derartige Unordnung für die Aufrecht erhaltung des Friedens günstig sein? Würde nicht viel mehr dadurch eine unüberwindliche Barriere zwischen Frankreich und Deutschland aufgerichtet? Etwas Der artiges habe er nicht aufkommen lassen wollen. Briand sprach weiter von der Einsetzung militä rischer Kontrollkommissionen und sagte, es handle sich hier nicht um eine Militärkontrolle im eigentlichen Sinne des Wortes. Tie Militärkontrolle sei durch den Vertrag von Versailles vorgesehen, und wenn ein Land sie nicht verstärkt wissen wolle, so gewiß Frank reich, weil es der Ansicht sei, daß sie für beide Länder erniedrigend sei. Etwas and-wes sei die in Locarno vorgesehene Kontrolle, die auf die Schaffung von Aus gleichsausschüssen abztele,. die in der Lage wären, die Schwierigkeiten zu lösen, die zwischen beiden Ländern entstehen könnten, ohne daß sie vor den Völkerbund gebracht werden würden. Das wäre ein Ziel, das man zu erreichen wünschen müsse. Wie ungerecht sei es doch, Frankreich Militaris mus und Imperialismus zum Vorwurf zu machen. (!) Der Minister verlas statistische Aufstellungen, um nach zuweisen, daß von allen großen Nationen der Welt, einschließlich, der Vereinigten Staaten, Frankreich am wenigsten Mr seine Marine und sein Heer ausgebe, obwohl eS doch in Marokko und Syrien höhe Aus gaben habe tragen müssen. Briand ging zum Schluß auf.die französisch-italienischen Beziehungen und dann .auf die Frage de» deutsch-österreichischen Zusammen schlusses ein, wobei er an da» europäische Gewissen de- österrcichischen Volke» appellierte, daß e- nicht unter Verkennung der gegenüber dem Völkerbund und gegen über den zivilisierten Nationen übernommenen Ver pflichtungen de» Weltfrieden Ms. jsll) Als Briand seine Rede beendet hatte, wurde « von den anwesenden Ministern und fast von der ge samten Kammer beglückwünscht. Englische Auslegungskünfle Die Frage der Rheinlandräumung im Unterhaus». Im Anterhause wurde an Chamberlain die Frage gerich tet, ob die Regierung der Ansicht sei, daß die deutsche Regie rung die Bestimmungen des Artikels 431 des Versailler Ver trages durchgesührt habe, und wenn dies nicht der Fall sei, ob Einzelheiten darüber mitgetsilt werden könnten, m welchen Punkten es sie nicht erfüllt habe. Chamberlain antwortete, die hauptsächlichste Verpflich tung, die Deutschland noch nicht erfüllt hat, ist di« der Repa rationen. Nach Auffassung der Regierung kann das in Arti kel 431 des Versailler Vertrages vorgesehene Zugeständnis nur dann wirksam werden, wenn Deutschland die Gesamtheit seiner Reparationsverpflichtungen erledigt und abgetragen hat. Es ist nicht hinreichend, wenn Deutschland den Verpflichtungen, die es hinsichtlich der laufenden Reparationszahlungen über- nommen hat, regelmäßig Genüge leistet. Der Satz de» Ver tragstextes, der sich auf die pünktliche Erfüllung der laufenden Verpflichtungen bezieht, ist der Satz, !der als Einleitung jenes Artikels des Friedensvertrages dient, in dem die in Zeit räumen von fünf Jahren vorzunebmende Verringerung der Besatzungszone vorgesehen ist, d. b. des Artikels 429; in diesem Artikel heißt es, „wenn die Bedingungen des vorliegenden Vertrages getreulich beachtet werden". G Indem der britische Staatssekretär des Aieutzeven Poin- carSs phantastische Auslegung des Versailler Vertrages formell annimmt, gibt er der französischen Regierung das Recht, ihre Truppen auf deutschem Gebiet zu behalten, bis der letzte Pfen nig für Reparationen bezahlt ist, das hecht, für 30, 40 oder 50 Jahre. Daß ist eine ungeheuerliche Zumutung, die auch bei engster Auslegung des Vertrages nicht!haltbar ist. Sie wider spricht in gleicher Weise dem gesunden ^Verstand und den Ver pflichtungen politischer Ehre. Wenn Chamberlain nur et« Zehntel der Weisheit und des Mutes besäße, die er seinem hohen Amt schuldig ist, würde er offen und ohne Bemäntelung sagen, daß Großbritannien sich weigert, Frankreich weiterhin schwächliche Folgschast zu leisten in einer gefährlichen Politik des aggressiven Militarismus, der-unter de. alten Redensart von der nationalen Sicherheit verborgen ist. Gegen Chamberlains Unterhauserklärung Die Deutsche Diplomatisch-Politische Korrespondenz HM den Ausführungen Chamberlains Über die juristische Seite der Raumungssrage das -bekannte Protokoll der „Gro ße n D r -e i" vom 17. Juni 1919 entgegen, worin erklärt wird, daß die verbündeten Mächte die Erhaltung der militärischen Besetzung bis zur vollstädnigen Erfüllung aller Reparations bestimmungen nicht gefordert haben, weil sie der Ansicht ge wesen seien, daß Deutschland dazu genötigt fein werd«, vor dem Ablauf der Frist von 15 Jahren die Beweise guten Willen» und die novvendigen Garantien zu geben. Solche Garantien fährt die Korrespondenz fort, sind, und -war gerade für die Reparatioirsverpflichtungen, in einer unanziveiselbaren und unantastbaren Form und in einem Ausmaß durch das DaweS- abkommen gegeben worden, wie man das bei Abfassung de» Artikels 429 oder des erwähnten Schreibens der drei alliierten Staatsmänner noch nicht einmal ahnen konnte. Demgemäß ist die Ansicht der konsultierten Juristen einschließlich der Mehrzahl der englischen Kronjuristen eine der Chamberlain- schen These, der alten Behauptung der -französischen Nationa listen, durchaus entgegengesetzte. And erst am 8. vorigen Mo nats hat der britische Schatzkanzler Churchill im Gegensatz zu dieser Chamberlainschen Auffassung an der gleichen Stelle formell erklärt, als er gefragt wurde, ob die Rsparationsrege- lung mit der Räumung des Rheinländer verknüpft sei: „Nein, das ist eine getrennte und auch wünschenswerte Angelegenheit." In jedem Falle kann man die Darlegungen des britischen Außenministers nur auf da» Allerentschiedenste zurückweisen, wie die- die englische Pwesie MA übrig»«- UM güaa Hch