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/luer Tageblatt Sonntag» äen 4, August 1929 Nr. 180 24. Jahrgang ZZM-T Anzeiger für -as Erzgebirge <r-k-ramm«: Tag.dla« Enthalten- -le amtliche« Sekanntmachungen -es Rates -er Staüt UN- -es Amtsgerichts Aue. p°stsch.«.«»nt»r fimt LNprig 1»», Die Politik äer Woche D«e Amtfereniz im Haag — Burgfrieden i« Paris — Mariueverhaudlungen — ChiMsisch-russijsche Vorverhandlungen Endliche sind die Einladungen zu der Politischen Konferenz Ser Mächte nach dem Haag ergangen. Tie Holländer sind der Auffassung, daß es eine Kampf konferenz ersten Ranges werden wird. Die amerika nische Regierung erklärte sich bereit, einen Beobachter zur Konferenz zu senden. Ttis französische Delegation wird von Briand selbst geführt werden, von dem man überdies annimmt, daß er den Vorsitz verlangen ivird Ob Macdonald nach dem Haag kommen wird, steht noch l ig dahin, doch! wird allgemein angenommen, daß . selbst im Falle seines Erscheinens nicht lange blei- >e i wird. Die deutsche Vertretung wird von Retchs- a enminister Lr. Stresemann geführt werden, der am ?'twoch bereits dem Reichspräsidenten v. Hindenburg Vertrag über die Lage hielt. Es besteht Ueberein- -'nnmmung zwischen dem Reichspräsidenten und der Neichsregierung, daß irgendwelche Zugeständnisse in der Frage einer dauernden Nheinlandkontrolle nicht emacht werden können. Die Reichsregierung ist ledig lich bereit, über eine Kommission zu verhandeln, deren Befugnisse im Jahre 1935 von selbst ablausen. Wie verlautet, wird die deutsche Delegation, die aus 9l Personen besteht, an Größe alle anderen Übertreffen. Die englische Delegation mit 65 Mann steht ihr frei lich nicht viel nach. In Frankreich stellte sich am Mittwoch! der neue Ministerpräsident mit dem alten Kabinett Poincare der Kammer vor, während fast gleichzeitig Poincare selbst sich in einer Privatklinik operieren ließ. Der Zustand des Patienten ist nach Pariser Meldungen in jeder Hinsicht zufriedenstellend und gibt zu keinerlei Besorgnis Veranlassung. Die Erklärung des Mini sterpräsidenten Briand brachte keinerlei Ueberraschun- gen. Wie von vornherein feststand, erhielt Briand ein Vertrauensvotum und zwar mit 325 gegen 136 Stim men. Wenn er auf die Unterstützung der Radikalen und Radikalsozialisten gehofft hatte, so sah er sich ge täuscht, denn die Fraktion Daladiers beschloß, sich bei der Abstimmung über das Vertrauensvotum der Stim me zu enthalten und handelte dementsprechend. Fast einstimmig, nämlich mit 590 Stimmen, nahm gleich darauf die französische Kammer ohne jede Aussprache sämtliche Steuerermäßigungen an, die von der neuen Regierung vorgeschlagen wurden. Die Regierung Briand verlangte einen Waffenstillstand von drei monatiger Dauer, den sie von der französischen Volks vertretung auch! erhielt. Was nachher kommen wird, hängt wesentlich! von dem Verlauf und dem Ergebnis der Haager Konferenz ab. Ms englisch-amerikanischen Marineverhandlungen sind in vollem Flusse. Wie aus Amerika gemeldet wird, machen sie auch sehr schnelle Fortschritte. In England weiß! man, daß keine Woche vergeht, ohne datz der amerikanische Botschafter, General Dawes, oder sein Sachverständiger Gibson bei Macdonald vor spricht. Präsident Hoover scheint zu beabsichtigen, nicht nur eine Einigung über die Kreuzerfriage anzu streben, sondern auch! eine grundsätzliche Entscheidung über die Linienschiffe, soweit esi sich um Ersatzbauten vom Jahrs 1931 handelt. Die Amerikaner wissen nämlich zu berichten, daß ihr Präsident die Ersatz bauten Mr die Linienschiffs am liebsten ganz einsteb- len würde. Diese Ersatzbauten würden nämlich in den nächsten zehn Jahren England und Amerika je 100 Millionen Pfund und die Japaner 80 Millionen Pfd. kosten. Präsident Hoover meint, daß die einzelnen Länder ihre veralteten Linienschiffs ruhig Seibehalten sollten, ohne neue zu bauen. Schwierigkeiten kom men indessen bereits aus Japan, falls zutrifft, daß Tokio beabsichtigt, einen Antrag zu stellen, seins Ver- hältniszahl zu erhöhen. G Ter englische Ministerpräsident Macdonald emp fing dieser Tage auch den ersten Besuch DowgalewSkiS, de» sowjetrussischen Botschafters in Pari», der von Moskau beauftragt wurde, die Borverhandlungen mit der englischen Regierung zwecks Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen England und Sowjetrußland zu führen. Diese Verhandlungen sind einmal wirtschaftlicher und sodann politischer Natur. In englischen Regierungskreisen wird angenommen, daß eine wirtschaftliche Verständigung mit den Russen unschwer zu erreichen ist. Di« eigentlichen Schwierig keiten .liegen, wie man weiß, auf Politischem Gebiet. Was di« Anerkennung de« zaristischen Schulden durch die Sowjet» betrifft, stehen di« Erfahrungen bereit» zur Verfügung, .die von dar Franzosen gerächt wur- Haager Konferenz 1929 Tie politische Konferenz im Haag besitzt jetzt einen amtlichen Namen: „Haager Konferenz 1 9 2 9". Dieser schlichte Name wurde gewählt, weil die hohen Konferenzteilnehmer sich! auf keinen anderen Namen einigen konnten. Zutreffenderweise sollte sie Neporations- und Räumungskonferenz heißen, doch wünschten die Franzosen nicht, daß die Räumungs frage schon im Titel der Konferenz wiederkehrt. Um ihren Empfindlichkeiten Rechnung zu tragen, wurde jetzt der neutrale Name gewählt. Der Vorsitz der Konferenz ist immer noch! nicht entschieden, doch wird auch aus Brüssel dafür Stim mung gemacht, den belgischen Ministerpräsidenten Jaspar, als den Aeltesten der anwesenden Minister, zum Vorsitzenden zu wählen, doch dürfte hierüber ein endgültiger Beschluß erst gefaßt werden, wenn sämt liche Delegationen der großen Mächte im Haag ein getroffen sind. Endgültig fest steht dagegen, daß dis erste Kam mer des niederländischen Parlaments der Konferenz für ihre Verhandlungen zur Verfügung steht.. Ein Arbeitsprogramm der Haager Konferenz 1929 gibt es zur Stunde noch! nicht.. Dagegen wird ange nommen, daß die Verhandlungen in ähnlicher Weise wie in Genf sich! vollziehen, nämlich an einem run den oder ovalen Tisch, um den die Hauptvertreter der Gläubigerstaaten und Deutschlands Herumsitzen.. Eine Reihe von Delegationen befindet sich bereits auf dem Wege nach! dem Haag^ So ist der griechische Ministerpräsident Wenizelos bereits in Paris eingetroffen, um mit Briand zu verhandeln und eine Revision des Verteilungsschlüssels des Uoung- Planes LU erzielen. Briand winkt« jedoch! gründlich ab und bemerkte, daß Frankreich di« völlige Aufrecht erhaltung des Uoung-Planes verlangt. Man weiß in Paris, daß London gleichfalls einen neuen Vertei lungsschlüssel fordert, und sucht vorzubauen. Der rumänische Außenminister Mironsscu weilt gegenwärtig in einem französischen Seebad, doch hat er seine Kur bereits unterbrochen, um rechtzeitig im Haag zu sein, wo er von dem rumänischen Gej- sandten in London, Di tu le scu, in der Vertretung der rumänischen Ansprüche unterstützt wird. Südslawien wird durch seinen Außenminister Ma- rinkowitsch und seinen Finanzminister Sorljuga vertreten sein. Die polnische Delegation wird von dem Außenminister Zaleski persönlich angeführt werden. Ws verlautet, daß dis Polen Wert darauf legen, im Verwaltungsrat der Internationalen Han? einen einflußreichen Platz zu erhalten. Sämtliche Ver treter der kleineren Mächte bringen Finanzsachverstän dige mit, so daß jetzt eine große Sachverständigenwan- derung nach dem Haag stattfindet. Tie Entscheidun gen liegen jedoch! nicht bet den kleinen, sondern bei den großen, nämlich den Uelegationsführern der Ver tretungen Englands, Frankreichs und des Deutschen Reiches. Rabinettssihung in Berlin Am Freitag nachmittag trat daS ReichSkabinett unter dem Vorsitz des Reichsaußenministers Dr. Stress, mann in der Reichskanzlei zu einer Beratung zusam men. Es wurden in erster Linie sämtliche Fragen durchgesprochen, die im Zusammenhang mit der am 6. August im Haag beginnenden großen Politischen Re- gterungskonferenz stehen. Beschlüsse, die die Situa tion oder die Marschroute Tjr« StresemannS, Pie ja bereits bekannt ist, irgendwie modifizieren könnten, wurden nicht gefaßt, auch wurde davon abgesehen, de taillierte Richtlinien festzulegen. Man ist in rings- weihten Kreisen fest davon überzeugt, daß Dir. Dtrese- mann die volle Zustimmung des Reichspräsidenten und der führenden Persönlichkeiten der Koalitions parteien erhalten hat. Vie -eutsche velegatkon für -ie Haager Konferenz Mus per bevorstehenden Konferenz im Haag wer den der Reichsmintster des Auswärtigen Dr. Strese mann, der Neichswirtschaftsminister Dir. Curt tu», der Reichsminister für die besetzten Gebiete Dr- Wirth und der Reichsminister der Finanzen Dr.. H'ilfer- ding die deutsche Regierung als bevollmächtigte De legierte vertreten. Der Delegation ^gehören außerdem an der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Dr. v. Schubert, der Staatssekretär in der Reichskanzlei Tu. Pünder, die deutschen Mitglieder des Pariser Sachverständigenausschusses, Reichsbankpräsident T«. Schacht, Tn:. Melchior und Geheimrat Kastl, so weit es seine berufliche Inanspruchnahme zuläßt; fer ner eine ganze Anzahl Ministerialräte aus den Mi nisterien. Die Delegation wird Berlin voraussichtlich am Sonntag abend verlassen. den. Sie sind nicht gerade ermutigend. Die größten Schwierigkeiten liegen indessen in der kommunistischen Propaganda gegen das,britische Weltreich, wie sie vor nehmlich in Indien und Vorderasien betrieben wird. Die englischen Konservativen verlangen nicht nur eine amtliche Erklärung Moskaus, daß die kommunistische Tätigkeit ckm Empire unterbleibt, sondern auch eine tatsächliche Einstellung der anti-englischen Agitations tätigkeit der dritten International«. Macdonald ist, wenn nicht alles täuscht, der gleichen Auffassung. ES dürfte aber nicht leicht fallen, sie durchzusetzen. Nach langem Zögern haben jetzt endlich die chinesisch-russischen Vorverhandlungen begonnen. Sie wurden in einem Eisenbahnwagen an der mandschu rischen Grenze eröffnet. China ließ! sich durch! einen Kommissar für auswärtige Angelegenheiten vertreten, während für Sowjetrußland der russische Generalkorr- sul in Chardin erschien. Ueber Formalitäten ist man bis jetzt noch nicht hinausgekommen. Dagegen wirkte sehr beunruhigend, daß! eine Bands von 300 russischen Weißgardisten auf eigene Faust hin die mandschurische Grenze überschritt und auf Chita mar schierte. Andere weißrussische Truppen sollen sich aus gemacht haben, um in der äußeren Mongolei einzu marschieren. Andererseits wird berichtet, daß die Rus sen in der äußeren Mongolei, dis sie seit Jahren be setzt halten, Rekrutierungen vornehmen und die Mon golen zum Krieg gegen die Chinesen aufhetzen. Jeden falls waren die Meldungen, dis aus der Mongolei ka men, zu Beginn der letzten Woche recht beunruhigend, doch trat bald wieder eine Entspannung ein, nament lich ÄlS bekannt wurde, daß, die amerikanische Regie rung eine zweite Aktion einleitete, um ein gemein sames Vorgehen der Mächte in dem chinesisch-russischen Konflikt zu erreichen. Mn eins ernste Kriegsgefahr glauben nur noch starke Pessimisten. Mit groß« Genugtuung können wir zum Schluß einen schönen außenpolitischen Erfolg verzeichnen, der allerdings an sich auf technischem Gebiet liegt- Uns« Vaterland besitzt, wie jetzt all« Welt weiß, in d« „Bremen" das schnellste Schiff der Welt. Tie „Bre men", die auf der Fahrt von Europa nach! Amerika sich das Blaue Band des Atlantischen Ozean» holte, hatte in Neuhork einen geradezu begeisterten Empfang. Aber auch! die Rückreise von Amerika nach Europa war ein Triumph, denn die „Bremen" überbot die Leistungen des bisher schnellsten Schiffes, der „Mau- retania", gewaltig, indem sie dis Ostsahrt von Neu hork nach Plymouth in vier Tagen 17 Stunden und 15 Minuten zurücklegte, während dis „Mauretania" zu dieser Fahrt 5 Tage und 6 Minute:? brauchte. Fast 28 Knoten in der Stunde legte die „Bremen" auf dieser Fahrt zurück. Sie war noch nicht in ihrem Heimathafen, als daS deutsche Luftschiff „Graf Zeppe lin" von Friedrichshafen absuhr, um den Amerikanern erneut.einen Besuch abzustatten. Nach deM gewalti gen Pech bei der letzten Fahrt ist jetzt den tapferen Schwaben Glück zu wünschen. Guts Gesundheit und gute Fahrt! Vir englisch-amerikanischen Zlottenbesprechunge« ,^Goening Standard" will erfahren haben, daß Premier minister Macdonald nNd Botschafter Dawes eine vorläufige Abmachung über die Flottenabrüstung getroffen haben, die folgende Vorschläge enthält: Die SchlachffchisWauprogrvmme Werken büschräUkt. Die Gröhe der künftigen Schlachffchifs- wiüd vermindert. Die Lebensdauer der augenblicklich in Dienst befindlichen Schlachtschiffe wird verlängert. Bälde Länder er klären ihre Bercitschait, keine Unterseeboots mehr zu bauen. Diese vorläufigen Vorschläge werden jetzt den anderen großen Seemächten Frankreich, Italien und Japan zur Stellungnahme unterbreitet werden. Es verlautet, daß Macdonald bald eine Erklärung über dies« wichtige Frage abgeben werde, mög licherweise noch vor der VMerbuUdsversamMlung im nächsten Monat. ,. Preß Association berichtet dagegen, von aut unterrichteter Seite verlaute, daß die Besprechungen zwischen Botschafter DaweS und Macdonald Über die Fra« der ÄotiemtbrMmg noch nicht abgeschlossen seien und wahrscheinlich nach lehr de- Premierministers nach London wieder auMnoamen würden.