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Wochenblatt für Mckuff Tharandt, Men, Sikbenlehn and die UmMÄen. Imlsblnll für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstaas, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mt. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk. 55Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselvst. No. 146. Sonnabend, den 11. Dezember 1897. ZINN 5. Advent. 2. Kor. 6, 2: Sehet, jetzt ist die an genehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Was Jesaias, der Prophet im Evangclisteu-Mantel, geweissagt hatte, als sein Volk mit allen übrigen Nationen auf dem Erdenrund im Dunkel wohnte — der Anbruch einer angenehmen Zeit, eines Tages des Heils — das hat sich in der Erscheinung Jesu Christi köstlich erfüllt. Seit dem scheint die Sonne auf Erden. Mag sie auch oft durch Wolken verhüllt werden, mag die Welt dann wieder zeit weise im Nebel liegen: immer wieder bricht der Helle Sonnenschein durch und zerstreut die Wolken und zersprengt die Nebel. Völlige Finsterniß, wie sie vor Christi Kommen die Erde bedeckte, kann nie mehr herrschen, bis der HErr wiederkommt. Manchem lieben Gemüthe will es scheinen, als lebten wir jetzt in nebliger trüber Zeit, als hätte die Gnaden- soune Gottes sich auf wrr weiß wie lange verborgen. Es sei, so meint man, mehr Haß, mehr giftige Verläum- dung, mehr Bitterkeit, mehr Unfriede in der Welt, als je. Dazu sei unserm ganzen Zeitalter der Zug des Greisen haften ausgeprägt, so alt, so müde sehe das Geschlecht dieser Tage aus. Bian stehe wohl am Vorabend einer unge heueren Revolution. In dem allen niag noch ein Korn Wahrheit sein. Und doch haben wir ein gutes Recht, gerade heute Pauli Sprüchlein an die Korinther zu wiederholen: Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils! Denn es ist gute Zeit für die Predigt des Evangeliums, nicht schlechte Zeit. Eine mächtige Sehnsucht, ein un gestümes Hoffen durchdringt Millionen Herzen. Von den Trübern des Materialismus, bei denen sie im Hunger verdarben, wenden sich tausend verlorene Söhne zum Vater, bei dem Brots die Fülle ist. Der Vater sieht die Kommen den von fern und es jammert Ihn. Meint ihr, Er werde Seine Kinder zurückstoßen, sie verhungern lassen? Er wird den Durst und Hunger ihrer Seelen stillen durch das Evangelium, und die Sehnsüchtigen von heute, werden die Solen der Gnade von morgen sein. . nur mcht so trüge und melancholisch bei Seite, du Chriltenmensch! Du wirft auch wohl den oder die wißen, die Sehnsucht haben. Auf denn und bereite dem HErrn den Weg, fei em Herold des Advents. Jetzt ist der Tag des Heils, hörst du? Jetzt. Tagesgeschichte. Der Kaiser trifft nach der „Kieler Ztg." am Montag den 13. Dezember in Kiel ein, um sich vom Prinzen Heinrich zu verabschieden. Die Reisedisposition des ersten Geschwaders sind in Folge dessen geändert worden; die Schiffe kehren zu diesem Zeitpunkte sämmtlich nach Kiel zurück. Der Kaiser nimmt auf dem Flaggschiff des Ge schwaders, dem Panzerschiffe „Kurfürst Friedrich Wilhelm", Wohnung. Die nach China bestimmten Mannschaften des Secbataillons und der beiden Krenzer „Deutschland" und „Gefion" werden Sr. Majestät vorgestellt werden. Un mittelbar darauf soll die Abreise von Kiel aus stattfindcn. Zur Mobilmachung des Seebataillons verlautet, daß es nicht in der Absicht der Marinebehörden liegt, diejenigen Mannschaften, deren Dienstzeit im Laufe des nächsten Jahres zu Ende geht, nach Ostasien zu entsenden. Um nun die Mannschaften, die zur Kompletirung der Stärke von 1200 Manu nöthig sind, zu beschaffen, werden Frei willige aus der Infanterie verwendet werden. Bei ver schiedenen Armeekorps sind die dazu uöthigen Schritte bereits gethan. Ebenso sind Freiwillige der Artillerie zur Meldung aufgefordert, da Leute als Bespannungsmann- schafteu für die Feldgeschütze nöthig sind. Die in Frage kommenden Mannschaften müssen völlig ausgebildet sein, also mindestens ein Jahr gedient haben. Prinz Heinrich beim Fürsten Bismarck. Die „Hamb. Nachr." bringen über den Besuch des Prinzen Heinrich beim Fürsten Bismark folgende Einzelheiten: Der Prinz lehnte nach seiner Ankunft die Benutzung eines Wagens ab und ging trotz des Regens zu Fuß. Im Schlosse begrüßte Prinz Heinrich die Gräfin Rantzau und zog den Professor Schweninger in ein längeres Gespräch. Prof. Schweninger gab die Auskunft, daß das Leiden des Fürsten zwar unbequem nud schmerzhaft, aber eine wohlbegründete Hoffnung auf völlige Wiederherstellung in absehbarer Zeit vorhanden sei. Alsdann fand eine herzliche Begrüßung des Fürsten im Nebenzimmer statt. Der Fürst wehrte die Befürchtung des Prinzen, daß sein Besuch ihm schaden könnte lebhaft ab und versicherte, zu einer derartigen Be sorgniß sei durchaus kein Anlaß. Der Fürst zeigte bei der Frühstückstasei eine muntere Laune. Beim Abschied sagte Prinz Heinrich: „Ich darf doch auch die Stirn berühren, die mein Großvater so oft geküßt hat", und küßte den Fürsten auf die Stirn und Wange. Der Fürst wünschte dem Prinzen eine gute Fahrt, guten Erfolg und eine gute Heimkehr. An der Schwelle des Hauses wandte sich der Prinz nochmals zurück und winkte dem Fürsten, der bis an den Eingang des äußersten Salous gekommen war, einen Abschiedsgruß zu. - - Von Friedrichsruh aus stattete Prinz Heinrich dem Generalobersten Grafen Waldersee in Altona einen etwa einstündigen Besuch ab. Vor der Ab fahrt begrüßte Prinz Heinrich das auf dem Perron auf- gestellte Offizierkorps. Auf eine Ansprache des Grafen Waldersee, in der vieler dem Prinzen zu seiner bevor stehenden Reise „gutes Soldatcnglück" wünschte, antwortete Prinz Heinrich zu den Offizieren gewendet: „Ich danke Sr. Exzellenz herzlich für die freundlichen Worte, die er in Ihrem Namen an mich gerichtet hat. Meine Herren, ich bitte Sie, mir glauben zu wollen, daß, wenn ich hin ausgehe dorthin, wohin die Gnade des Kaisers mich sendet, ich es dem Kaiser danke, daß er dieses Vertrauen in mich gesetzt hat. Im Namen des Kaisers, zu seiner Ehre und zur Ehre des Vaterlandes werde ich meines Amtes walten. Se. Majestät der Kaiser lebe hoch, hoch, hoch!" Kräftig stimmten die Offiziere in das Hoch ein. Nach kurzer herz licher Verabschiedung setzte der Prinz seine Reise nach Kiel fort. Prinz Heinrich hat bei seiner letzten Anwesenheit in Potsdam vor seiner Abreise nach China der Friedens kirche einen Besuch abgestattet und, wie die „Polem. Corr." erfährt, an dem Sarkophage seines verblichenen Vaters, des Kaisers Friedrich, länger als sonst in stillem Gebet verweilt. Der Reichstag ist nunmehr in die Behandlung der eigentlichen politischen Hauptvorlage der gesummten neuen Tagung, des Gesetzentwurfes über die Flottenverstärkung, eingetreten. Der erste Tag dieser General-Debatte, der Montag, zeitigte vor Allem die erläuternden und vcrthei- digeuden Kundgebungen der anwesenden Regierungsver treter zur Flotteuvorlage. Unter den verschiedensten Ge sichtspunkten ließen sich der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, dann der Staatssekretär des Reichsmarineamtes Admiral Tirpitz, weiter der Schatzsekretär Freiherr v. Thielemann, der Staatsekretär des Innern Graf Posadowsky und der Staatssekretär des Auswärtigen v. Bülow zu der geplanten Flotteuverstärkung vernehmen, einen bedeutenderen Eindruck auf das Parlament erzielte hierbei aber eigentlich nur Herr v. Bülow, dessen Ausführung zu Gunsten einer ge nügend starken deutschen Flotte eines gewissen Schwunges nicht entbehrten. Aus dem Hause sprachen am genannten Tage der Sozialdemokrat Schönlank, welcher mit aller Entschiedenheit die Marine-Vorlage bekämpfte, dann der Konservative Graf Limburg-Stirum, der die Zustimmung des allergrößten Theiles seiner politischen Freunde zur Vorlage erklärte, weiter von der freisinnigen Vereinigung Abg. Dr. Barth, dem hauptsächlich das Marine-Septemat nicht paßte nnd der Pole v. Jazdzewski, der aber die Marine-Vorlage nur streifte und dafür die bekannten pol nischen Jeremiäden wieder vorbrachte. Bei der am Diens tag fortgesetzten Marinedebatte des Reichstages ergriff zu nächst Abg. Eugen Richter das Wort namens der frei sinnigen Volkspartei! Er verwarf das Flottengesetz in -jeder Richtung, berief sich auf die umfassenden bisherigen Bewilligungen des Reichstages für die Marine und ver suchte darzulegen, daß die deutsche Flotte in ihrem gegen wärtigen Bestände ihren verschiedenen Aufgaben genüge. Im Ferneren warf der freisinnige Führer der Marine verwaltung Wechsel in ihren Anschauungen vor und er örterte die finanzielle, etats- und verfassungsrechtliche Seite der geplanten Flottenverstärkung völlig vom oppositionellen Standpunkte ans. Herr Richter schloß seine von der radikalen Opposition mit lebhaftem Beifall anfgenommene Rede mit der Erklärung, die freisinnige Partei werde einem solchen die Rechte der Volksvertretung noch weiter schmä lernden Gesetze nie zustimmen. Nach einer etwas matten Entgegnung des Staatssekretärs Tirpitz befürwortete der Reichsparteiler Abg. Graf Arnim kurz die Vorlage, worauf Abg. Dr. Lieber als Generalredner des Zentrums sprach. Seine Ausführungen entsprachen dem Beschlusse der Zen- trumsfraktiou, wonach dieselbe sich in der Marinefrage nicht binden, sondern sie von Fall zu Fall prüfen will. Der Zentrumsführer hatte an der Marinevorlage allerhand auszusetzen, aber zwischen allen seinen Bedenken und Ein wendungen klang immer wieder die Andeutung hervor, das Zentrum könne sich möglicher Weise doch noch für die Vorlage entscheiden. Jedenfalls betonte er, daß die Zentrumspartci ihr Urtheil und ihre schließliche Stellung nahme gegenüber der vorgeschlagenen Flottenverstärkung von dem Verlaufe der Kommiisionsverhandlungen abhängig machen werde, mit welcher Erklärung des Führers der maßgebendsten Partei des Reichstages die Entschädigung in der Marinefrage einstweilen noch im Stadium der Ungewißheit verbleibt. Zuletzt ließ sich der welfische Ab geordnete Graf Bernstorff vernehmen, welcher die definitive Haltung seiner kleinen Partei ebenfalls von den Ergeb nissen der Kommissionsverhandlungen abhängig machte. Dann wurde die weitere Marinedebatte auf Donnerstag vertagt. Die Kundgebungen aus den Kreisen der deutschen Kaufmannschaft und des Handelsstandes zu Gunsten der Flottenverstärkung mehren sich. Am Dienstag fand in Hamburg eine zahlreich besuchte Versammlung des kauf männischen Vereins „Ein Ehrbarer Kaufmann" statt, welche fast einstimmig eine kräftige Resolution für die Vermehrung der deutschen Flotte annahm. Der Konflikt Deutschlands mit Haiti ist bei gelegt. Unter dem Eindrücke der Ankunft der deutschen Schulschiffe „Charlotte" und „Stein" vor der Hauptstadt Port-au-Prince hat die haitianische Regierung alle Genug- thuungsfordernngen der deutschen Regierung schleunigst be willigt und zugleich der deutschen Flagge in feierlicher Form Genugthuung gegeben. Die gesammte Zeremonie wurde durch einen ehrbaren Empfang des deutschen Geschäftsführers Grafen Schwerin seitens der haitianischen Regierungsbeamten beendigt. Aus der drohenden Revolution der Bevölkerung von Port-au-Prince scheint nichts ge worden zu sein. Es schwebt demnach nur der Zwischenfall mit China, der aber hoffentlich auch seine Beilegung in für Deutschland befriedigender Weife finden wird. Die fortgesetzt energische Behandlung der Kiautschau-Frage vom Berliner Auswärtigen Amt ist jedenfalls nur zu billigen. So hat jetzt eine deutsche Marine-Abtheilung auch die Stadt Kiautschan selbst besetzt; die chinesische Besatzung zog sich ohne Widerstand zurück. Berlin, 8. Dezember. Nach Meldungen, die an hiesiger amtlicher Stelle eingetroffen sind, hat sich die Er ledigung des Zwischenfalles mit Haiti wie folgt abgespielt. Nach Ucberreichung des die deutschen Forderungen ent haltenden Ultimatums nahm S. M. S. „Stein" gefechts klar in nächster Nähe der haitianischen Kriegsschiffe und der Stadt Port au Prince Stellung. Ein von diplomatischer Seite erbetener Aufschub in der Vollstreckung des Ultimatums wurde abgelehnt. Am 6. Dezember um 12 Uhr 25 Min. Nachmittags, eine halbe Stunde vor Ablauf der gestellten Frist, wurden sämmtliche Forderungen des Ultimatums von dem Präsidenten der Republik Haiti angenommen. Die als Entschädigung für Lüders geordnete Summe befand sich bereits vor 4 Uhr Nachmittags an Bord S. M. S. „Charlotte". Bald darauf lief das gleichfalls verlangte Entschuldigungsschreiben der haitianischen Regierung ein. Diesem folgte die Abfenerung des Saluts. Nach Erfüllung der deutschen Forderungen ist alles ruhig. Die auf Schiffe geflüchteten Personen kehrten in die Stadt zurück. Auch der deutsche Geschäftsträger hat sich an Land begeben. Die Wiener Meldungen über die parlamentarische Lage in Oesterreich lauten uoch immer widersprechend. Auf der einen Seite wird gemeldet, daß die Vermittelungs verhandlungen des Ministerpräsidenten v. Gautsch mit der Rechten und der Linken des Abgeordnetenhauses endgiltig gescheitert seien, ans der anderen Seite wird versichert, die Verhandlungen seien ausstchtsvoller geworden. Die erstere Version besitzt indessen mehr Wahrscheinlichkeit. Im (Fortsetzung der Tagesgeschichte in der Beilage.)