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Donnerstag» äen 24. Februar t927 22. Jahrgang Nr. 46 Muer Tageblatt ZZZM Anzeiger M öas Erzgebirge Lrleoramme: Tageblatt -°lu»r,geblrg, Enthalten- -le amtlichen Bekanntmachungen -es Rates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts Aue. Postscheckkonto: stmt Leipzig Nr. 1»»» Schanghai unter -em Feuer chinesischer Schisssgeschiitze. Die Flotte und Polizei geht zu den Kantontruppen über. Panik im Fremdenviertel. London, 22. Febr. Gestern abend um 1/28 Uhr kenterte ein Teil der vor Schanghai liegenden chinesi schen Kriegsschiffe, die unter der Befehlsgewalt des Ge nerals Sun standen, und ging zu den Kantontruppen über. Tie Schiffe begannen plötzlich bis Stadt zu bombardieren. Die Küstengeschütze erwiderten das Feuer. London, 22. Febr. Die Beschiessung Schanghais erregt in der ganzen Abendpresse grösstes Aufsehen Die Blätter melden, daß die Ausländer sich in der Hauptstraße konzentrieren. Die Engländer halten sich bereit, die Niederlassung zu verteidigen. „Star" sagt, die Meldung über die Beschießung habe tu London wie eine Bombe eingeschlagen. Tas Blatt bemerkt, angesichts der großen internationalen Flotte vor Schanghai werde jede Aktion der unbedeutenden. chinesischen Flotte sofort aufgehalten werden. Die Ge-! fahr liege darin, dass der Angriff des chinesischen Kriegsschiffes «ine» Konflikt in Schanghai selbst auslösen könne. Welter wird gemeldet, daß Unruhen in dein Chinescnvtertel ausgebrochcn sind, das an die französische Konzession grenzt. Die chinesischen Poli zisten, die bisher Suntschuanfang ergeben waren, lehnen sich auf. Erregte Menschenmengen ziehen durch die Straßen und versehen die Behörden, die für die vielen Einrichtungen verantwortlich sind, in Schrecken. Streik posten in Ztschang griffen die Befehlshaber zweier bri tischer Flußschiffe an und verletzten sie leicht. Verschie dene Matrosen wurden über Bord gestoßen. Ein Ka nonenboot SuntschuanfangS, das auf dem Fluß ankerte, soll zu den Südtrnppen übergegangcn sein und versucht haben, das Arsenal von Kiangnan zu beschießen. Bier Häuser von Ausländern jvurden getroffen, aber kein Ausländer verletzt. Die Zahl der Streikenden beläuft sich noch auf 100 000. Der Dienst bei der Post ist teil weise wieder ausgenommen worden. Die Schiffahrt ist lahmgelegt. Es finden noch wettere Hinrichtungen statt, doch sind sie weniger zahlreich. Die Meutereien sind die Folge des Terror-Regimes, das der Polizeichef SuntschuanfangS, Li, in der Abwe senheit des Generals eingeführt hat, und das sich nach den neuesten Meldungen immer schrecklicher darstellt. Durch die Siraßen Schanghai, zieht der Henker, von zwei Soldaten begleitet, mit einem von roter Seide umhüllten riesigen Schwert in den Händen. Wo ein Student ober ein Arbeiter bet der Verteilung von Flug ¬ blättern getroffen wird, oder bei wem Flugblätter ge funden werden, wird er an Ort und Stelle hiugerichtet. Die Köpfe der Hingerichteten baumeln dutzendweise an den Txlegraphenstangen. Die Opposition gegen das Gewaltregtment ist im Wachsen, wie es die Meuteret der Flotte zeigt, und Li kann sich im Augenblick nur noch aus einen Teil seiner Polizei stützen. Das alles geschieht, während die Kantytttruppen nur noch 130 Kilometer von der Stadt entfernt sind. General Sun wird heute in der Stadt erwartet, und nach seinen Erklärungen und den Versicherungen des GeneralstabschcfS Tschangtsolin» soll die Stadt btS zum äußersten mit Unterstützung der Mukden-Truppen gehalten werden. Trotzdem zweifelt man, daß es den Nordtruppen gelingen wird, die Stadt zu halten. Man befürchtet für den Fall des Einmarsches der Kantonesen furchtbare Racheakte. Die englischen China-Berichterstatter sprechen sich, mit Ausnahme der Rothermere-Presse, gegen das Ge waltregime in Schanghai aus und fürchten vor allem die Folgen. Man nimmt an, daß sich die jetzigen Ver antwortlichen bei einem Einmarsch der Kantontruppen in die ausländischen Konzessionen flüchten werden, und daß sich daraus neue Komplikationen ergeben werden. Bereits.jetzt werden, wie die ,/Daily Mail" berichtet, umfangreiche Absperrungen in den Konzessionen Vvrge- nommen. Der Rückzug der Truppen des General» Sun scheint in ziemlicher Auflösung vor sich zu gehen. Auf ihrem Rückzug haben die Truppen mehrere Städte, darunter die Stadt Kaschtng im Süden von Schanghai, vollstän dig geplündert. Amerika un- China. Washington, 22. Febr. Da» Repräsentanten haus hat mit 259 gegen 44 Stimmen eine Entschließung angenommen, in der Covlidge aufgesordert wird, un abhängig von den anderen Staaten mit China in Ver handlungen einzutreten. Die Entschließung wird dem Senat übermittelt werden. Vie geplante englische Note an Rußlan-. London, 22. Febr. „Star" zufolge ist eine neue Note an Moskau vom Kabinett festgestellt worden und steht vor der Absendung. Die Note protestiere in ener gischen Worten gegen Pie englandfetndltche Sowjetpro paganda und weise die Sowjetregierung warnend darauf hin, daß die Propaganda mit dem Handelsabkommen in Widerspruch stehe. i Ein Brief General v. Seboenaicbs an General v. Heye. General Heye hat in seiner Rede vor dem Haus« Haltausschuß des Reichstages die Tatsache, daß die Mehrzahl der heutigen Offiziere Monarchisten seien, da durch zu rechtfertigen versucht, daß er ausführte, man sei auch im alten Heere so duldsam gewesen, Repu blikaner, wie Deimling und Schoenatch, in hohe Stel len aufrücken zu lassen. Daß Deimling und Schocnaich vor dem Kriege kei neswegs Republikaner gewesen sind, weiß natürlich General Heye. Seine Bemerkung sollte offenbar einen Stich gegen diese beiden Offiziere enthalten. General Schoenaich erklärt denn auch, er habe seinen Gesin nungswechsel in seinen „Lebensertnnerungen" ein gehend geschildert. Daraus ergebe sich, daß er am 11. November 1S18 um 10 Uhr vormittags vom überzeugten Mon archisten zum überzeugten Republikaner geworden fei, das heißt in dem Augenblick, wo thvi der Uebertrttt des Kaisers auf holländische» Gebiet bekanntgeworden sei. Weiter führt er aus; „Daß meine damaligen Ge dankengänge nicht ganz abwegig waren, mag Herr Heye sich vom Fürsten Bismarck sagen lassen, der in seinen Erinnerungen ausdrücklich betont hat, daß nur der Monarch in seinem Volk« wurzeln könne, der irdrrzeit bereit sei, mit dem Säbel tn der Hand nn den Stufen ve» KHwneä zu falle». Ehe Herr Heye meinen damaligen Gesinnungswechsel schmäht, sollte er mir einen einzigen.Fall tn der Ge schichte nennen, wo ein Monarch! tn der schwersten Not seines Volkes, ohne eine Spur von Persönlicher Be drohung, so schmählich fahnenflüchtig geworden ist wie der letzte deutsche Kaiser mitsamt seinem Sohne. Ich will hier alle die Tatsachen ganz außer acht lassen, die mir erst später bekannt geworden sind, die mit erschrek- kender Deutlichkeit zeigen, daß die Grundlagen der Hohenzollern-Monarchie schon lange zuvor unterwühlt waren, Herr Heye sagt, nie hätte ein Heer solche Um wälzungen erlebt seit den Zetten Cromwells und Napo leons wie da» deutsche. Sehr richtig, nur dehne ich das au» auf die ganze Menschheit: Nie in der 0000- jährigen, geschriebenen Geschichte hat e» solch einen Gntwtcklungssprung gegeben, wie wir ihn heute durch leben. Wer tn solcher Zett seine früheren Ansichten nicht nachprüst, oder «ine Äenderung nicht einzuge- stehen wagt, den halte ich entweder für einen Dumm kopf oder einen Feigling. Herr Heye weiß auch ganz genau, daß zahlreiche alte Offiziere genau so denken wie Deimling und ich, daß sie aber Heber schweigen, al» den furcht baren gesellschaftlichen Boykott zu tragen, der jeden unfehlbar trifft, der Heute gegen den Stachel der Ofst-tersverbände zu Men wagt." UußttblrnftMuna de» Linienschiffe« „Hannover". Kiel, 22. Februar. Am l. März scheidet da» Linien« schi'f „Hannover" aus dem Dienst und wird durch da« um« .etwure 2tntrnsch.st „Lchksicu" ersetzt. Aw. Lormraa wird die Mannschaft in einem «otleSdienst von dem alten Schiff Ab- schied vr Keinkolä über seine Finanzpolitik. Im „Berliner Tageblatt" führt der frühere Reichs« finanzminister Dr. Reinhold in einer umfassenden Rechtfertigung seiner Finanzpolitik u. a. aus: Worum geht der Streit? Als ich im Februar 1926 die deutsche Steuerlast um eine halbe Milliarde erleichterte, stellten das die Deutschnationalcn als eine Bankerottpolitik hin, die spätestens im Herbst 1926 zum Zusammenbruch der Reichsfinanzen führen und uns in eine heillose Defizit wirtschaft hineintreiben müßte. Seit das prophezeite Defizit nicht eingetreten ist, hat man ein neues Schlag wort gefunden: Ich hätte nur deshalb das Budget im Gleichgewicht halten können, weil ich. die angesammel- ten Reserven von 500 Millionen aufgebraucht hätte. Eino völlig unwahre Behauptung I Wenn sie wiederholt werden sollte, werde ich vom jetzigen Reichskabtnett Befreiung von meiner amtlichen Schweigepflicht erbitten, um Mark für Mark nach zuweisen, welche Reserven ich! vorgefunden habe, und.wie es bet meinem Ausscheiden au» dem Amte damit stand. Für heute sei nur das eins gesagt: Ich habe keinen Pfennig dieser stillen Reserven zur Dockung von Aus gaben des öffentlichen Budgets benutzt. Dagegen habe ich etwas andere» getan: Ich habe die angesammelten Gelder, die nutzlos dem Kapitalmarkt entzogen waren und lediglich dem Geldmarkt in durchaus nicht immer erwünschter Weise zur Verfügung standen, wieder der wirtschaftlichen Kapttalbildung zugeführt, alles in Form verzinslicher und rückzahlbarer Rcichsdarlchen für den Wohnungsbau, für die Reichsbahn, für landwirtschaft- schaftltche Kredite und andere produktive Zwecke. KeiebsarbsitsmiiMer vr. Vrauns über cias Zieäeiungswelen. Berlin, 22. Febr. Rcichsarbeitsminister Dr. Brauns hielt heute vormittag vor Vertretern der Presse einen Vortrag über das Siedlungßwesen und gab einen kurzen Ueberblick über das gesamte StedlungSwerk, da» mit dem NeichLstedlungsgcsttz vom 11. August 1919 sei nen Anfang nahm. Erst im Jahre 1926 hat das Sied« lungLwerk in größerem Umfange seinen Anfang genom men. Zunächst setzte Preußen selbständig einen Betrag von 40 Millionen für LandeSkulturzwocke für die bei den Jahre 1926 und 1927 ein. Ein Siedlungswerk tn großem und befriedigendem Umfange ist aber nur möglich, wenn das Reich von sich aus größere Mittel für diese Zwecke etnsetzt. Nach dem Nachtragshaushalt des Reiches für 1926 wurden deshalb 50 Millionen Reichsmark für die Zwecke der landwirtschaftlichen Sie- delung tn den bevölkerten Gebieten zur Verfügung ge stellt. Nach dem Millen des Reichstage» soll zunächst die gleiche Summe fünf Jahre lang bereit gestellt wer den. Für die Zwecke der Ostfiedlung wurden auf An trag des Arbeitsministeriums 15 Millionen RM. be willigt, wovon 5 Millionen sofort abgesondert wurden, um für die Ansiedlung von entlassenen Reichswehrsol daten Verwendung zu finden, und schließlich wurden auf Antrag Preußens 7 Millionen Neichsgelder der Flllcht- ltngssicdlung zur Verfügung gestellt. Die nunmehr ein sehende Auseinandersetzung zwischen Preußen und dem Reich dreht sich um die Frage, wie die Gelder verwen det werden sollen. Preußen macht den Vorschlag, eine Mintsterialkommission etnzusetzen, die die Richtlinien über die Verwaltung dieser Gelder aufstcllen solle, und dann wolle Preußen Post sestum dem Reiche referieren. Zuletzt betonte der Minister noch, daß in Zukunft das Keich wahrscheinlich noch größere Mittel zur.Ver fügung stellen müsse, um das Siedlungswerk in groß zügiger Form durchführen zu können. Selbstverständ lich sollen die Einrichtungen der Länder in der Ver waltung der Gelder in jeder Beziehung mit hereinbe- zogen werden. Praktisch liege also die Durchführung nach wie vor bet den Ländern, und e» ist nur dringend zu wünschen, daß die Auseinandersetzung über die Gren zen dxr Kompetenzen baldigst auf dem Wege der Ver ständigung beseitigt würden. Ein Aehnmllllonrnkreüit zur Urbarmachung staatlicher Moore. Berlin, 22. Febr. Da» preußische StaatSmini- stertum hat dem Staatsrat einen Gesetzentwurf über dir Bereitstellung von Staatsmitteln zur Urbacmachung staatlicher Moore und zur Förderung de» Gemüsebau«» im staatlichen Wtesenmoor (Ostfrtevland) zur beschleu nigten gutachtlichen A»uß.<ung übenviessn. Lem Amt lich« Preußischen zufaLa» lall da» Staaätp