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Wochenblatt für Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u. zwar Dienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne I Nummern 10 Pf. Tharandt, Ma, Siebenlehn md die Umgkgkndkn. Imtsölnlt Inserate I werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen, i Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene CorpuSzeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 65. Freitag, den 14. August 1861. Bekanntmachung. Der Ziegeleibesitzer Herr Narl August Schneider in jWilsdruff beabsichtigt auf dem unter No. 843 des Flurbuchs für Wilsdruff gelegenen Grundstücke an Stelle der jetzigen Brennvfenanlage einen neuen Brennofen (sogenannten Ringofen) mit einem 30 nr bohen Schornsteine zu errichten. In Gemäßheit H 17 der Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869 wird dies mit der Aufforderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen biergegen, soweit sie nickt auf besondern Privatrechts-Titeln beruben, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allbier anzubringen. Meißen, am 7. August 1891. Die Königliche Amtshanptmannschaft. V. Iiir«I»ll»»vIi. Auetion. Asnimenden Dienstag, den August d. I., Vormittags sO Uhr, gelangen im hiesigen Kgl. Amtsgerichte folgende Gegenstände, als: l Regulator, I Spiegel, 4 Oeldruckbilder, 1 Sopha, 1 Sophatisch, roh, 1 Küchentisch, 1 Bettstelle, Küchengeräthe u. dergl. m. gegen sofortige Baarzablung zur Versteigerung. Wilsdruff, am 12. August 1891. Matthes, Gerichtsvollzieher des K. Amtsgerichts. Bekanntmachung. Mittwoch, den sh. August d. I., Vormittags h Uhr, gelangt die zum Jahn'schen Konkurse gehörige, auf dem Schubert'scheu und Bretschneidcr'schen Felde an stehende Hafer-Ernte durch mich gegen Baarzahlung zur Versteigerung. Versammlungsort: die Jahn'fche Brauerei. Dresden, am 12. August 1891. Der Konkursverwalter Rechtsanwalt Gustav Müller. Tagesgeschichte. Die „Kieler Zeitung" meldet, daß das Befinden des Kaisers dauernd günstig ist. Der neue Verband bewährt sich sp, daß der Kaiser nicht nur auf dem verletzten Beine gut stehen, sondern selbst die Kajütentreppe ohne Unterstützung hinabstcigen kann. — Die Verrenkung der Kniescheibe, welche sich der Kaiser auf seiner Nordlandsreise zuzog, ist, wie ein Berliner Blatt annimmt, dadurch zu Stande gekommen, daß bei dem Ausgleiten auf dem durch Regen schlüpfrig gewordenen Deck die Gelenkkapsel und einige Gelenkbänder des Kniegelenks zerrissen und die Kniescheibe aus ihrer normalen Stellung seit lich verdrängt wurde. An sich sind solche Verletzungen unbe denklich und ernstere Eomplieationen sind im Verlaufe des Heilungsproeesses nicht zu befürchten. Das einzig Unangenehme ist dabei, daß, so lange der Riß in der Gelenkkapsel noch offen ist, die Kniescheibe immer wieder die Neigung hat, sich zu ver schieben und aus dem Riß der Geleickkapsel herauszutreten, sobald der Patient Bewegungen in dem verletzten Knie macht. Da hierdurch die Heilung verzögert werden würde, muß die Kniescheibe durch geeignete Mittel an ihrer normalen Stelle festgehalten werden, bis der Kapselriß zugeheilt ist. Dies ge schieht entweder durch einen Gypsverband oder, wie jetzt beim Kaiser nach den vorliegenden Mittheilungen erfolgte, durch ge eignete Bindeneinwickelung und eine besondere Schutzeinrichtung, die das Verschieben der Kniescheibe verhindert. Immerhin pflegen derartige Verletzungen mehrere Wochen zu ihrer Heilung zu bedürfen. Die amtliche Untersuchung über das Mönchcnstcinc r Unglück hat ergeben, daß der Unternehmer und Erbauer der Brücke ein französischer, ein neuerdings berühmt gewordener Ingenieur Frankreichs (Eiffel) ist und daß das verwandte wichtige Material inSgesammt aus Belgien und Frankreich stammt. Die Winkeleisen für die Eisenkonstruktion wurden nämlich von einem Walzwerk in Mariemont in Belgien, die Bleche und Flacheisen von einem französischen Werk, das seinen Sitz in Paris hat, geliefert. Ueber die unmittelbaren Ursachen des Unglücks wird die Untersuchungskommission zu urtheilen baben. — Dies gegen über der französischen Ausstreuung, das Brückenmaterial trage die Schuld an dem Unglück und das stamme aus deutschen Hütten. Die Krieger- und Militärvereine, welche den Zweck verfolgen, nicht nur den Geist der Waffenbrüderschaft, sondern auch "die vaterländische und die monarchische Gesinnung der Mitglieder zu pflegen und zu kräftigen und welche darum das Gelöbniß der Treue gegen Kaiser und Reich, gegen Fürst und Vaterland auf ihre Fahnen geschrieben haben, gehen seit einiger Zeit mit anzuerkennender Energie gegen die Sozialde mokraten vor, indem sie solche Mitglieder, von denen sie wissen, daß sie der Umsturzpartei angehören, aus ihren Reihen entfernen. Das Ziel der Vereinigung rechtfertigt nicht nur, sondern fordert vielmehr ein solches Vorgehen gegen internationale Revolutionäre. Begreiflicherweise sind die Sozialdemokraten darob sehr ergrimmt; noch mehr aber ereifern sich darüber die Deutschfreisinnigen; eS scheint fast, als sei unserer bürgerlichen Demokratie die Be- thätigung dcS wahren Patriotismus und der unwandelbaren Treue gegen den Monarchen ein Dorn im Auge. Mit beson derem Wohlwollen zitiren darum gegenwärtig die Fortschritts blätter das folgende Zitat aus dem zu solchen Zwecken sehr brauchbaren Buche des Kandidaten der Theologie Göhre: „Einen meines Erachtens guten Dienst leistete" — so heißt es auf Seite 124 der Schrift: „Drei Monate Fabrikarbeiter" — „der Turnverein unseres Vororts. Er war noch nicht alt und ver- hältnißmäßig stark. Junge Schlosser, Weber Arbeiter, aber auch Kaufleute, Expedienten und Schreiber gehörten ihm an. Auch einen jungen Zeichner, also einen höheren Beamten aus unserer Fabrik, traf ich unter den Turnern. Kurz, es waren wohl fast alle Berufsarten unseres Vorortes in dem Verein vertreten, und ebenso die sozialdemokratischen wie die sozialistisch noch nicht oder nur wenig durchsetzten. Und alle Glieder schienen gute Kameradschaft zu halten. So war dieser Turn verein ein neutraler Boden, auf dem die verschiedensten politi schen Gesinnungen nnd Neigungen friedlich und nach den Satz ungen des Vereins unausgesprochen nebeneinander hergingen. Es war damit eine Stätte der persönlichen gegenseitigen An näherung gebildet über die engherzige Parteigesinnung hinweg. Und hierin sehe ich die große ethische Bedeutung aller Turn vereine, die in einer ähnlich wie bei uns zusammengesetzten Be völkerung nach denselben Grundsätzen existiren und blühen. Von diesem Gesichtspunkte aus stelle ich sie auch höher als die Militärvereine, die heute doch in der That ..reichstreue" Par teivereine und antisozialdemokratische Kampfvereine geworden sind." Vergleicht man dieses mit erstaunlicher Sicherheit vorgetragene Gutachten des Generalsekretärs des evangelisch-sozialen Kon gresses mit Auslassungen, die sich an anderen Stellen seiner Schrift, die er bekanntlich eine „praktische Studie" nennt, finden, so wird man gewahr, daß der gute Dienst, den der eben geschilderte Turnverein leistete, eben nur der Sozialdemo kratie einträglich war. Gleich ani Anfänge des Kapitels, dem die oben zitirte Stelle entnommen ist, berichtet nämlich Göhre, daß die Wirkung der planvollen sozialdemokratischen Agitation in Chemnitz die ist, daß die gesummte Arbeiterschaft der Stadt und Umgebung mit nur geringen Ausnahmen mit der sozialdemokratischen Partei irgendwie weit verknüpft ist. Wie soll also der Turnverein eines fast nur von Arbeitern bewohnten Chemnitzer Vororts ein „neutraler Boden" sein? Es ist eben ein Boden für die Umsturzagitativn. Spricht es doch Herr Göhre selbst aus: „Wer durch den Emst des politischen Parteigedankens nicht gefesselt werden kann, soll durch die Freude an heiterer Geselligkeit und allerhand amüsanter Unterhaltung für die Partei gewonnen werden und so allmählich auf diesem leichten und lustigen Wege sozialdemokratischen Geist einsaugen." Daß dieses „Einsaugen" unbemerkt und unabweislich vor sich gehen kann, zeigt eben die oben abgedruckte Auslassung des Herrn Göhre, welcher es zu bedauern scheint, daß die Kriegervereine nicht einen ebenso „neutralen" Boden bilden, wie der sozialdemokratische Turnverein des Chemnitzer Vorortes und der wohl auch seinerseits, gleich dem internationalen „Genossen", die „Reichstreue" für völlig überflüssig bält; der darum auch nicht, damit einverstanden ist, daß die Militärvereine getreu ihrem alten Fahneneide, ihre Treue für Kaiser und Reich, für Land und Monarchie dadurch bethätigen, daß sie ausgesprochene Revolutionäre durch Ausschließung brandmarken. Ein Bild aus dem sozialdemokratischen Zu tun f t s st a a t könnte man cs nennen, welches sich am Mitt woch in einer Versammlung des „Vereins der Berliner Buch drucker und Schriftgießer" entrollte. Herr Werner, der be kannte Führer der „Jungen", ist bekanntlich wohlbestallter Buchdruckereibcsitzcr. In seiner Offizin wird u. A. auch die sozialistische „Berl. Volkstribüne" gedruckt. Daß ein Mann von der Stellring, wie Herr Werner sie innerhalb der sozial demokratischen Partei einnimmt, bestrebt ist, schon unter den obwaltenden Verhältnissen den sozialdemokratischen Zukunfts staat in seinem Bereiche nach Möglichkeit zu verwirklichen, ist selbstverständlich. So hatte er denn auch, da die Sozialdemo kratie eine entschiedene Gegnerin aller Akkordarbeit ist, seine Schriftsetzergehilfen mit einem festen wöchentlichen Lohn von oa. 30 M. angestellt. Auch sonst erfreuten sich natürlich die Herren Gehilfen in der Werner'schen Offizin aller Freiheiten, auf welche die Sozialdemokratie Ansprüche macht. Aber die Freude datierte nicht lange. Die Herren machten von ihren Freiheiten einen allzu ausgiebigen Gebrauch. So lieferten sie beispielsweise, wie Herr Werner behauptet, für einen Wochen lohn von 30 M. manchmal nur Arbeit in der Höhe von 1,50 M. pro Tag. Alle Ermahnungen an die Gehilfen, besser zu arbeiten, erwiesen sich als fruchtlos. Die Herren wiesen der artige Zumuthungen entrüstet zurück „im Bewußtsein ihrer Arbeitskraft". Als einer der Compagnons des Herrn Werner die Gehilfen um mehr Ruhe bat, da er bei dem fortwährenden Lärm und Streit nicht mehr arbeiten könnte, „brüllten", wie Herr Werner sich ausdrückte, die Herren die Marseillaise unter besonderer Betonung des Rufes „Nieder mit der Tyrannei!" Infolge dieser Vorgänge sah Herr Werner sich veranlaßt, das sozialdemokratische Prinzip über den Haufen zn werfen und Akkordarbeit anzuordnen. Die Folge davon war eine wesentlich vermebrte Arbeitsleistung. Gleichzeitig wurden zwei der Ge Hilfen, die in der Berliner sozialistischen Bewegung sich be sonders Hervorthun und die dementsprechend auch in der Of fizin des Herrn das große Wort führten, entlassen. Die Herren betrachteten diese Entlassung als eine Maßregelung und ver langten demgemäß vom Verein der Berliner Buchdrucker und Schriftgicßer diejenige Unterstützung, welche Gemaßregelten von dem Verein zu Theil wird. Es entspann sich bei dieser Ge legenheit in der Versammlung eine heftige Debatte, in der Herr Werner in längerer Rede die von uns wiedergegebeneu Mittheilungen machte. Die Folge davon war, daß der Verein die Unterstützung der entlassenen Gehilfen ablehnte. Nur einige besonders überzcugungstreue Geiwssen stimmten für die Entlassenen. Herr v. Vollmar setzt in seinem Organ, der „Mün chener Post" seine Auseinandersetzungen mit der sozialdemokra tischen Parteileitung fort. Vollmar führt eine Reibe der Er rungenschaften des letzten Arbeiterschutzgeseyes an und sagt, daß kaum eine der Forderungen der Partei an die „gegenwärtige Gesellschaft" nicht in irgend einen, Lande mehr oder minder ver wirklicht sei, nnd daß eine ganze Reihe derselben auch in Deutschland zu verwirklichen wäre. Herr v. Vollmar hält des halb den Pessimismus Bebels für durchaus verwerflich. Die Sozialdemokratie sei groß geworden, aber sie verfüge noch nicht einmal" über die Mehrzahl der öffentlichen Meinung selbst in der Arbeiterklasse. „Die Theorie der plötzlichen, ungebeueren, ich möchte sagen dramatischen Umwälzungen hat sich auf allen Gebieten als unhaltbar erwiesen. Das „reinen Tisch machen", das plötzliche nnd gründliche Abschließen eines alten Zustandes gicbt es in der Entwickelung der Gesellschaft so wenig wie in der Natur. Alles ist ein langsameres oder schnelleres, aber stets allmähliches, schrittweises Ümgestalten, bei welchem Altes und Neues neben einander herläuft, bis letzteres schließlich die Oberhand gewinnt. Der Kapitalismus wird so wenig plötzlich vergehen, als er plötzlich entstanden ist; und wenn einmal der Sozialismus das Uebergewicht erreicht haben wird, so wird er sich ebenso gut mit einer Anzahl vorgefundener wirthschaftlicher und politischer Thatsachen einrichten müssen, wie sein Vorgänger das Erbe des Feudalismus antreten mußte und letzteren nur allmählich aufzulösen vermochte."