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- Tageblatt für die Stadt Aue und Umgebung. Erscheint täglich Nachmittag«, außer an Sonn- n. Feiertagen. — Prei- pro Monat frei in« Hau« 20 Pfg., auswärts 25 Psg. — Mit der SouutagSbcilaae: „Der Zeitspicgcl" 5 Pfg. mehr. — Bei der Post abgcholt Pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Verantwsrtlicher Redakteur: Ernst Funke, Aue (Erzgebirge.) Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Inserate die einspaltige Petitzeile 10 Psg«, amtliche Inserate die CorpuS-Zeile 25 Psg., Reklamen pro Zeile 2V Psg. Bei 4 maliger Aufnahme »ko/« Rabatt. — Bei größeren Inserate» «. mehrmaliger Aufnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Pvslaustalteu und Landbriesträgcr nehmen Bestelluttgeumi dir. 142 Dienstag, den 29. August 1899. IS. Jahrgang. Auevttzetl-Aeitttirs erscheint jetzt täglich, koste t PPS Atsir«rt nur SO Pfennige. Air» Olle* lvelt. * Bezüglich des Lchlafgemaches unseres Kaisers, das in dem Dreysus-Prozesse eine gewisse Rolle spielt, dürften einige Mitteilungen von Interesse sein. Bekanntlich behauptete vor dem Kriegsgericht zu Rennes der Zeuge Mertian de Muller (Müller), Advokat in Lillr, daß er bei Besichtigung eines bei Potsdam gelegenen Kgl. Schlosses auch das Zim mer des Kaisers betreten habe, und daß er sich, wenn er noch mehr Trinkgeld gegeben hätte, sogar auf den Rand des kaiserlichen Bettes hätte setzen können. Aus einem Tische dieses Zimmers habe er ferner ein Exemplar der „Libre Parole" vorgefun den, welches mit dem Blaustiftvermerk: „Dreysus ist gefangen (gefaßt)" versehen gewesen sei. » Diese Müllerschen Angaben widersprechen nicht nur den thatsächlichen Verhältnissen, sondern sie verstoßen auch gegen die Anordnungen, welche bei Besuchen von königlichen Schlössern sowohl in Berlin wie in Potsdam und anderwärts seitens des zugelas senen Publikums streng befolgt werden müssen. Hiernach ist Einheimischen und Fremden während der Abwesenheit der kaiserlichen Familie und nach vorher emgeholter Erlaubnis durch Lösung einer Eintrittskarte der Besuch der Schlösser zwecks Be sichtigung der Säle und der sonstigen dort vor- handelten Sehenswürdigkeiten zu bestimmten Stun den zwar gestattet, doch ist das Berühren der dort ausliegenden Gegenstände auf das strengste verboten und wird von keinem der als Führer fungierenden Angestellten erlaubt. Das angebliche freie Auf« liegen der „Libre Parole" ist ferner ein Unding. ,s., * Berlin, 24. August. Die „Staatsb. Ztg." ' schreibt, sie sei unterrichtet, daß Herr v. d. Recke den Lawbräten erklärt hat, falls sie in der Gegner schaft der Canalvorlage verharren sollten, dürften sie ihre Zurdispositionstellung zu gewärtigen ha ben. Diese Erklärung dürste sich mit einem Auf trage decken, den der Minister des Innern vom Fürsten Hohenlohe erhalten habe. * Berlin, 25. August. Wie deutsche Geheim akten ausbewahrt werden, ist jetzt zurzeit des Dreh- fus-Prozesses ein recht interessantes Thema. Im Reichsmarineamt beispielsweise befindet sich neben einem Bureauzimmer ein einsenstnges Zimmer, das lediglich der Aufbewahrung von Geheimpapieren dient. In diesem Zimmer sind der Fußboden, die Wände und die Decken durch Eisen- und Stahl platten gegen Einbruch und Feuer gesichert, ebenso die Thür, die dreifach verschlossen wird. Das ein zige Fenster hat ein starkes Gitter und wird im Innern noch durch Panzerplatte« gesichert. Das Zimmer hat ungefähr 20 Geviertmeter Boden fläche. * Richt weniger ms 20 Landgerichtspräsidenten - treten auf Grund des Gesetzes vom 13. Juli in den Ruhestand. * Straßburg, 24. Aug. Besondere Teilnahme 1 nimmt man im Elsaß an der nichtswürdigen Er mordung der beiden französischen Offiziere durch ihre Kameraden, und zwar deshalb, weil der Oberst leutnant Klobb ein Elsässer war. Er war 1857 zu Mühlhausen als Sohn eines Notars geboren, war 1876 in die Ecole Polytechnique eingetreten und hatte eine glänzende militärische Laufbahn hinter sich. Im Elsaß finden sich noch zahlreiche Verwandte von ihm. * In der Verhandlung am Freitag wurde zunächst das Nichterscheinen des Zeugen du Paty de Clam sestgestellt. — Der englische Journalist Strang, der zuerst vernommene Zeuge, erzählt über seinen Verkehr mit Esterhazy, welcher ihm anvertraute, er habe das Bordereau geschrieben, aber in Frankreich könne er dm über nichts mitteilen. Strong ver schaffte Esterhazy die Mittel, sich in London nieder zulassen. Der Präsident fragt: „Hat Ihnen Ester- hazy gesagt, daß er die Dokumente geliefert habe?" Strong: „Nein, Esterhazy hielt immer die Version ausrecht, er habe im Auftrag Sandherrs das Bor dereau geschrieben. Die Dokumente habe Dreysus geliefert." Zeuge Gobert, Expert der Bank von Frankreich, erzählt die Umstände, unter welchen er abgelehnt habe, Dreysus als Autor des Bordereaus zu bezeichnen. Der Schreibsachverständige Bertiston, dessen gelbe Gesichtsfarbe kund, giebt daß seine Gesundheit in letzter Zeit schwer gelitten haben muß. Vier große Packete, welche der Zeuge mit gebracht hat, sollen der Beweisführung dienen. Dreysus folgt den Ausführungen Bertillons an fangs sehr aufmerksam. Die Kriegsrichter und die militärischen Zeugen verlieren kein Wort und geben durch Kopfnicken zu erkennen, daß sie alles ver- stehen. Bertillons These lautet: „Esterhazys Schrift ist die maskierte Dreysusschrist." Bertillon, seine Theorie entwickelnd, meint, daß unter dem Pauspapier, dessen Dreysus sich bediente, um das Bordereau zu schreiben, sich eine Unterlage befand, mit einer bestimmten Anzahl Wiederholungen des richtunggebenden Schlüsselworces: „Jnteret" (In teresse). Bertillon legt mehrere Photographien vor. Mercier erhebt sich, um genauer zu sehen, und sofort erheben sich sechs andere Offiziere. Bertillon hält die linke Hand in der Hinteren Rocktasche und ladet mit der rechten gestikulierend die Verteidiger ein, die Photogramme zu besichtigen. Demange und Labori willfahren seinem Wunsche. Labori geht nach wenigen Sekunden nach seinem Platze zurück. Bertillon schreibt Buchstaben aus eine nur den Kriegsrichtern sichtbare Tafel. Er setzt seinen Vor trag morgen fort. * Donnerstag, Abend 9 Uhr wollten die „Damen der Halle" Guerin Lebensmittel zutragen, dieselben wurden jedoch von der Polizei zurückgedrängt. Eine halbe Stunde später kam es in der Rue La- sayette zu einer Kundgebung für Guecin, welche einige Zusammenstöße zur Folge hatte. * Paris, 25. August. „Voltaire" will wissen, daß die Präsidentschaft der Republik vor nicht lan ger Zeit deutscherseits verständigt worden ist, daß das „Petit bleu" tatsächlich von Schwartzkoppen an die Adresse Esterhazys gerichtet war. Die An klage und die Verteidigung in Rennes haben an zwanzig neue Zeugen vorgeladen. Freycinet be stellte sich telegraphisch ein Zimmer in Rennes. * Aus dem Umfange, den die Verhandlungen des Kriegsgerichts in Rennes angenommen haben, darf man schließen, daß der Prozeß Dreysus nicht vor Mitte September zu Ende gehen wird, wenn sich das Tempo der bisherigen Verhandlungen nicht ändert. * Paris, 25. Aug. Im heutigen Ministerrat teilte der Minister für die Kolonien Depeschen mit, die an der Ermordung des Obersten Klobb keinen Zweifel mehr lassen. Die Mission Voulet-Chanoine wird von jetzt ab als im Ausstand befindlich an- gesehen. In der letzten Nacht um 12 Uhr stießen Anarchisten, welche aus einer Versammlung kamen, auf dem Boulevard Magenta mit Nationalisten zusammen. Es entstand eine förmliche Schlacht. Die Polizei griff ein; fünf Polizisten uno 15 Kundgeber wurden verwundet und 24 Verhaftungen vorgenommen. * Zürich, 24. August. Heute verreiste Rochefort mit Dienerschaft aus der Schweiz wieder nach Aix les Bains. * Konstantinopel, 2S. August. Infolge der tür kischen Finanznot scheint ^tn« schlimme Krisis hereinzubrechen. Die Unzufriedenheit in Beamten* und Militärkreisen nimmt in erschreckender Weise zu Die Kassen des Finanzministeriums sind vollkommen leer, und die Menge deijenigen, die das Geld zu verlangen haben, ist groß. Direkte Zahlungsbefehle aus dem Palais des Sultans werden einfach abge wiesen. Alle, welche sich in den letzten Tagen bei dem Minister um Geld melden ließen, wurden in ein Zimmer geführt, um dock zu warten, während der Minister heimlich durch eine Hinterlhür in seine Wohnung entfloh. — Der Fürst von Montenegro trifft^ am Sonntag an Bord dec türkischen glicht z* Nach Meldungen aus Manila ist eine Depu tation der auf den Philippinen ansässigen Euro päer auf dem Wege nach London, um die englische Regierung zu ersuchen, die Philippinen in Besitz zu nehmen und dafür den englischen Jnselbesitz in Westindien an Amerika abzutrcten. * Es soll ein Militärkocdou um Oporto gezo gen werden. Die Einwohner verlassen massenweise die Stadt. * New-York, 25. August. Einem Telegramm aus.Santiago de Cuba zufolge sind daselbst 16 kubanische Soldaten, die auf ihren Sold warteten, mit dem amerikanischen Posten in Streit geraten. Der amerikanische Posten feuerte uno erschoß fünf kubanische Soldaten. L* «r r 1» isehtes 8 Der Kostenaufwand des IX. deutschen Turn festes in Haniburg beträgt nach der soeben erfolgten Abrechnung in der letzten Nummer dec ofsiciellen Festzettung rund 443000 M. Der Voranschlag in somit um 2000l> Ai überschritten. Z Osterode (Ostpreußen), 24. August. Der hiesige Rechtsanwalt und Notar Dr. Otto Berner wurde wegen Unterschlagungen verhaftet. Er stellte sich selbst dem Staatsanwalt. Seine Acten sind gerichtlich mit Beschlag belegt worden. 8 Hamburg, 24 August. Laut der Nachricht eines Hamburger Blattes soll der hiesige Circus Renz an den Director Busch für 350 000 Bik. verkauft sein. Nach anderen Nachrichten ist der Kauscontract noch nicht abgeschlossen. 8 Danzig, 24. August. Die, 2«. Hauptversamm lung des Deutschen Apothckervereins tagte hier unter dem Vorsitze von Fröhlich-Berlin. Die Versammlung erklärte die vererbliche und veräußerliche Realkon- zession als die beste Form der Berechtigung zum Apothekenbetriebe und beschloß ferner, die Aufhebung des für Preußen erlassenen Vecbvtes derApolheken- verpachtung anzustreben. Für die nächstjährige.Haupt versammlung wurde Stuttgart gewähtt. 8 Wegen Majestätsbeleidigung mit Beschlag be legt wurde die Goethe-Nummer der i München er scheinenden sozialdemokratischen Wsi. latteS „Süd deutscher Postillon". Dasselbe wird von der „Leipz. Volksztg." gemeldet. ß Wien, 25. August. Heule wurden inGraslitz mehrere Verhaftungen vorgenommen. Eine Abord nung des Gemeinderates mit dem Abgeordneten Hofer an der Spitze verlangte von dem amtierenden Statthaltereirate die Freilassung der Verhafteten, weil sonst eine neuerliche Erregung zu befürchten sei. Der Statthaltereirat wies der Abordnung die Thür. Der Gemeinderat hielt eine geheime Sitzung ab und sandte ein Telegramm an den Grafen Thun, in dem die Freilassung der Gefangenen verlangt ivird. Der Gemeinderat könnte sonst für die Aufrechterhaltung der Ruhe nicht bürgen und werde insgesamt seine Mandate zurückgeben. — In mehreren Orten der * deutschen Landesteile haben in den letzten Tagen wiederum Kundgebungen gegen die Regierung, be sonders gegen die Zucke: steuer und die Anwendung des Paragr. 14 des Staatsgrundgesetzes stattgefunden. 8 Budapest, 24. August. Im Jahre 1895 er stattete die Gemahlin des gemeinsamen Finanzmi nisters Benjamin Kallay gegen den Breskacr Advo- «aten Albert Harsanyt die Anzeige, durch eine Hei-