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Dienstag 11. Juli ISII Ililir 4000 nßliikr Biiiat« Rr. lS8. Sechster Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. Nu„ ?"pi^ n«b n jür di« Inserate oerantworilich * M«lt«r Nr»a» Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag» von s Uhr. — Telegramm-Ndreffe: Tageblatt Aneerzgebirge. — Fernh>recher »2. j. Erzgeb. Beide in Ane Er,geb. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Bezugspreis; Durch unsere Boten frei ins lsaus monatlich so Ofg. Lei der Geschäftsstelle abgeboltmonatlich 40 pfg. und wöchentlich >o j)fg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich j.soMk., monatlich so pfg.— Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich i.92 Mk., monatlich «9 pfg. - Einzelne Nummer <0 pfg. — Deutscher Postzeitungskatalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn« und Feiertagen. Jnsertionspreis: Die siebengespaltene Rorpuszcile oder deren Raun, für Inserate ans Aue und den Drtschaften de, Amtshauptmannschaft Schwarzenberg >0 Pfg., sonst is pfg. Reklamepetitzeile rs pfg. Bei größeren Abschlüssen ent- sprechender Rabatt. Annahme von Anzeigen bis spätestens y'/> Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher oei uns eingehen. Vits« Nuwwer Rwksßt t Sttttn Das Wichtigste vom Lage Am Montag begann in Dresden die 18. Jahresver sammlung de» Zentralverbandel von Ortskranken kassen im Deutschen Reiche. Di« angekündigte Aussperrung von 40000 schwedi schen Bauarbeitern ist am Montag in Kraft ge- treten. Di« Führer der aufständtschenAlbanesenstämme haben auch dteneuenZugeständnissederTürkei a d g e l e h n t. Bei der Verfassungsberatung in der bulgarischen Nationalversammlung forderte die äußerste Linke die Beibehaltung de» Fürstentums Bulgarien, anstatt de» Königtums. Der Antrag wurde o' ^lehnt. Castro soll nach Neuyorker Berichten mit zweitausend Mann zum Angriff bereit sein und Aussicht haben, diejetzige venezolanische Regierung zustürzen. Mutmaßliche Witterung am 12. Juli: Norwestwind, wolkig, kühl, zeitweise Regen. -Wc Um Marokko. >0? Noch immer ist «s MaroSo, um da» sich die politische Erörterung dreht, und so wird es fürs erste wohl auch noch blei ben, da die in Aussicht genommenen Besprechungen nunmehr ihren Anfang nehmen, wenn nicht schon genommen haben. Herr Cam - bon ist von seinem Urlaub wieder in Berlin etngetroffen, mit genauen Instruktionen versehen,' inzwischen dürst« aber die deut- sche Regierung bereits über den französischen Standpunkt in formiert worden sein, denn unser Pariser Botschafter, Frei- herrvonSchoen, hatte eine längere Besprechung mit dem Minister des Aeutzeren, de Selbes. Zu einer Marokkdkonferentz L la Algeciras dürfte es, wie nunmehr mit ziemlicher Sicherheit feststeht, erfreulicherweise nicht kommen, man wird sich auf die diplomatischen Aussprechungen beschränken um eine Basis zu ge ¬ winnen, auf der man die künftige Regelung der Verhältnisse in Marokko aufbaut. Darüber dürfte man sich im klaren sein, daß der Algecirasoertrag nur noch den Wert eines histo- rtschenDokuments hat. Sine neue Situation in Marokko ist zu verzeichnen — so drückte sich treffend der englische Premier minister Asquithim Parlament aus, und nach Auffassung deut. . scher Regterungskreise, die für diese Ansicht begründete Unterlage haben, betrachtet man in England den Eintritt einer neuen Si- tuatton keineswegs erst seit dem deutschen Vorgehen, sondern schon der Zug der Franzosen nach Fez hat di« ganze Wendung einge- leitet. Nach der Beruhigung, di« dem ersten Entrüstungssturm ge folgt war, erhob man in den jüngsten Tagen an der Seine wieder keck das Haupt, weil man aus der kurzen Erklärung Asquith's vor dem Unterhaus« eine tatkräftige Unterstützung Frankreichs gegen über Deutschland herauslas. Bet einer derartigen Annahme dürfte man aber in Pari» dem englischen Premierminister etwas untergeschoben haben, woran er kaum gedacht hat. Es versteht sich von selbst, daß England als Mitglied der Triple-Entente Frankreich unterstützt, soweit es sich mit den eigenen Interessen vereinen läßt, und etwas anderes hatte wohl auch niemand von England erwartet. Wenn man die Haltung Englands aber rich tig würdigen will, so muß man den Schwerpunkt der Erklärung Asquiths auf die Stelle legen, wo er von den eigenen Interessen spricht, und niemand wird bestreiten wollen, daß England gleich falls wichtige Interessen in Marokko hat, auf die es nicht ver zichten will und kann, und dah es darum bei einer Regelung der Dinge nicht beiseite geschoben zu werden wünscht. Die nunmehr «insetzenden Verhandlungen dürften indessen in durchaus freund schaftlicher Weis« geführt werden, und es ist zweifellos eine Fabel, wenn in französischen Blättern, di« dem französischen Na. ttonalstolz schmeicheln wollen, die Meldung stecht, daß Herr Eambon der deutschen Regierung gegenüber das Befremden Frankreichs über das Vorgehen in Agadir ausdrücken werde. Mas bei den Verhandlungen herauekommen wird, läßt sich natürlich heut noch nicht sagen; indessen darf man hoffen, daß «ine grund legende Regelung erfolgt, um wetteren Konflikten wegen Maro kko «in für allemal vovzubeugen. Aus dem Königreich Sache r v«rband«tag der sächsischen Gewerbe, und -andr erftr.'erein«. Rund 200 Vertreter der einzelnen Vereine au» allen Teilen Sachsen«, auch au« Aue, waren zum Verbandsraa erschienen, der am Sonntag vormittag in Reichenbach mit einer interne» Ver sammlung eingeleitet wurde. Montag vormittag 10 Uhr begannen die Verhandlungen in Gegenwart von Vertretern des Ministeriums, der Kreishauptmannschaft Zwickau, der Gewerbekammern, der Sächs. Gewerbeschulmänner und der Handwerkergenossenschaften, sowie der Stadt Reichenbach. Dem Verband gehören 1S2 Vereine mit rund 80 000 Mitgliedern an. Nach den Begrüßungsformalitäten wurde in die Beratung über die etngegangenen Anträge etngetreten. Hofl. Stadtv. Wendschuh (Dresden) begründete den Antrag de» dortigen Nllgem. Handwerkerverein», für den Fond» für Erho- lungsheime eine jährliche Beisteuer von jedem dem Verband angehörenden Vereine nach Verhältnissen der Mitglieder zu er- heben oder von Zeit zu Zeit doppelte Jahresbeiträge auSzuschreiben. Die Errichtung dieser Stiftung ist auf dem Verbandstag in Pulsnitz beschlossen worden; sie soll den Name« Friedrich August-Stiftung erhallen. Der Aufforderung um freiwillige Beiträge ist in ver hältnismäßig geringem Umfange entsprochen worden. Von ins gesamt 17 Vereine find 701,80 Ma« eingegangen. Der Reichen bacher Gewerbeverei« beantragte, den Fortbildungsschulen mit 6 und mehr Stunden wöchentlichen Unterrichts für die Schü ler das Recht zu erteilen, Zeugnisse auszustellen, die bet der Ge sellenprüfung von der theoretischen Prüfung entbinde«. Der An trag, den Stadtrat Hübler (Reichenbach) begründete, wurde abge lehnt. Ein Antrag Plauen, demzufolge sämtliche Handwerks- Iehrlt« ge in Städten und Schulgemeinden, wo Gewerbeschulen nach Maßgabe der Verordnung des Ministeriums des Innern vom 14. November 1910 bestehen, zur Pflicht gemacht wird, nur diese Schulen zu besuchen, wurde angenommen. Der nächste Verband», tag findet ISIS in Meißen statt. «ine freisinnige Reichetagekandtdatur in Döbeln. In einer am Sonntag in Döbeln abgehaltenen Kreisver sammlung der Fortschrittlichen Volkspartei wurde die Aufstellung einer eigenen Kandidatur endgültig beschlossen, da die nationalltberale Kandidatur in Mittweida-Burgstädt nicht zurückge zogen worden sei. Es werden sich somit im 10. Kreise Lizentiat Everltng (natl.), der jetzige Abgeordnete, Professor Dr. Barge- , Leipzig (Fortschr. Vp.), Obermeister Unrasch-Dresden (kons. und Mittelst.) und Ppotograph Piuka »-Leipzig (Soz.) um da» Mandat bewerben. Reichstagsabgeordneter Dr. Weber als Mandatsnachfolger des Prinzen Tchönaich-Larolath. Der nationalliberaler Reichstagsabgeordnete Prinz Schönaich. Carolath har nach dem Gub. Tagebl. al» Nachfolger für da» Willittur Makepeaee Thackeray. Zu seinem hundertsten Geburtstag. Nachdruck »«rdoten.» Da über so vieles Unnütze geschrieben wird und die Aestheten und Kunstgeschichtler nicht aufhören, den anderen Leuten vorzu schreiben, was sie für schön halten müssen, sollte man einmal dich Kapitel der hundertsten Geburtstag« schreiben. Es gibt solche, bei denen sich die Wertemacher einer neuen Zeit abmühen müssen, daß sie noch etwas wie einen Jubiläumsartikel zustande kriegen. Man hat eigentlich gar kein Verhältnis mehr zu dem Gefeierten. Aber schließlich mar er doch einmal berühmt, und die Welt, die sich gerade noch seinen Namen gemerkt hatte, möchte gern mal wieder etwas üb«r ihn lesen. Andere werden ganz übersehen, weil kein Zündstoff mehr in ihrem Namen ist. Daneben aber gibt es Männer, die man bei ihrem hundertsten Geburtstag noch eben- sowenig kennt, wie bei ihrem fünfzigsten. Und doch findet sich eine stattliche Zahl von Begeisterten, di« der Gntdetverlorbeer nicht ruhen läßt. Es sind gewaltige Kerl» unter diesen Hundert, jährigen, die nur irgendwie in den Schatten geraten und dort, von einer Moosschicht überwuchert, kaum von dem grünen Boden der Erde zu unterscheiden find. Oder sie standen zu dicht Lei einen» ganz Berühmten, einer jener Kolossalstatuen, di« man nicht übersehen konnte. Man hatte keine Zeit, sich in ihrer Umgebung umzuschauen. Aber di« Duplizität der Fälle, sollte sie nicht auch bet der Produktion von Genie» «in bißchen am Werke sein? Zu diesen Großen gehört Thackeray. Man hat ihn in Deutschland so. lange übersehen, weil er ein Zeitgenosse Dickens und wie er ein Humorist war. Die «vste deutsch« Gesamtausgabe erscheint gegen- wärtig in einer sehr rühmenswerten UeLersetzung von Heinrich Eonrad. Mn «einer Zufall will es, daß Thackeray, der, al, Dickens' Pickwickter den vierundzwanzigjährigen berühmt machten, noch zehn Jahr, im Dunkel des Tagesjournalismus blieb, nun da» hundertjährige Jubiläum «in Jahr »on seinem berühmttn Zeitge nossen feiert. Man kann nie wissen, welch« Folgen solchen klo nen Fälschungen haben, di« sich da, Schicksal gar zu gern geftat. tet. Es ist kein Zweifel, daß Thackeray mehr für unsere Zeit al. für seine geschrieben hat, und das Wort Emerson«, dah jedem Künstler nur «in bestimmtes Maß von Ruhm zugemessen ist, und der frühzeitige Verbrauch davon einen späten Ruhm ausschließt, auf ihn angewendet, macht es erklärlich, daß noch ein grotzer Vor rat ungenutzt liegt. Thackeray ist kein Romanschreiber im üb lichen Sinne gewesen. Es ist eine Unfähigkeit oder ein Mangel in ihm, der ihn nie recht die Ehancen ausnutzen läßt, die seine Figuren in der Anlage versprechen. So sind im Snobbuch «ine Unmenge Romanstoffe wie in einem Leitmotiv angeschlagen, ohne daß sich «ine davon zu einem wirklichen Roman auswüchse. Wie er als Student (1830/81) in Rom, Pari», Dresden, Weimar, in seinem Skizzenbuch in zahllosen kleinen Zeichnungen alles notierte, was sein Auge interessierte, so ist er auch Schriftsteller ein Mann, der mit dem Notizbuch in der Hand di« Seele des Menschen nach allen jenen intimen Bewegungen durchstöbert, in denen sich der Tharakter restlos offenbart. Er wirft seine feinen Bemerkungen und die trefflichsten Eharakterbezeichnungen hin wi« Bucking ham sein« Perlen, schreibt der Kritiker der Edinburgh Review beim Erscheinen der ersten Lieferungen von Vanity Fair, und überläßt es dem Zufall, di« guten Beobachter unter den Lesern an die Stellen zu führen, wo di« Schätze seiner Menschenkennt nis liegen. Thackeray, Stil hat etwa» jo völlig Improvisierte», da» uns den Mann in ihm erkennen läßt, der sich au» irgendeinem Grunde noch wenig um seinen Publikumserfolg kümmern kann. Aber es LlieS ihm auch treu, als er 1848 seinen Schlager mit Vanity Fair macht«; di« folgenden Roman, Pendennis, Kenry Ssmond, die Nerocowe» unterscheiden sich darin wenig von den Denkwürdigkeiten de» Herrn Eyarlrs I. Pellowplush, die er in seiner unlllcklichsten Lebenszeit für Frasers Magazin schrieb und dem Buch der Snobs, da» in einzelnen Kapiteln im Punch er- schienen und geschrieben wurde, wie eben «in Journalist schreibt, der nur di« Wahl hat, zum Redaktionsschluß seinen AMikel zu liefern oder di« Rechnungen schuldig -u bleiben. Ja, es ist grau- sam genug, auszudenken, ob«r wahr: vtelletcht bedurft« «r «in«r solchen Triebfeder, damit di« köstlich«» Beobachtungen de» armen Samuel Tttmarsh («in ander,» Pseudonym de» vergeblich an manch« Redakttonstür klopfenden Geistesspekulanten) und di« Geschichte des großen Hoggarty.Diamant«n ni«dergsschri«ben wurden. Es ist nun einmal in der Welt so, daß die Müßig gänger die besten Einfälle haben. Und wer wollte von einem Schriftsteller, der von dem, was er schreibt, noch nicht weih, ob es ihm jemand zum Druck abnehmen wird, behaupten, dah er eine geregelte Berufstätigkeit hat. Jedermann wird vielmehr davon überzeugt sein, daß er seine Zeit mit recht unnützen Din gen hinbringt. Doch gerade dieses unverantwortliche Auf-sich- selbst-angewtesen-sein gibt jenen Künstlern mit einer regen und unverwüstlichen Geist«stätigkeit den Sachen und Menschen sich aufdrängenden Galgenwitz, der Thackeray schließlich unsterblich gemacht hat. Kommt ihr nicht mir, so komme ich euch, scheint seine Prosa zu sagen. Und es gehört« schon damals die ganze Unabhängigkeit auch vom Tagesruhm dazu, eine Figur wie Pellowplush, den spitzbübischsten und trockensten aller Bedienten zu schaffen, dessen geistige Wiege, obgleich sich dessen d«r Bursch« durchaus nicht mehr entsinnen kann, nur auf dem Montmartre gestanden haben kann. Bei jenen 80 Centimes-Künstlern de» Kabarett», di« sich keine besser« Gesellschaft wünschen können, als die Apachen-Männer- und -Weiber von Pari». Man denke sich diesen Typus in das von Worten christlicher Nächstenliebe Äber- fltetzende London versetzt, ja durch irgendein« körperliche AL- stammung, die wenig Einfluß auf sein Wesen hat, viel aber für den Erzählerstoff bedeutet, dort heimisch, und man begreift di«, sen Sarkasmus besser, der in den Denkwürdigkeiten dieser un- verfrorenen Bedirnteüseel« auf eine fast kühn« Art die -weifel- haft« Gentlemengesellschaft von London mit der Selbstverständ lichkeit englischer Moralanschauung in Einklang bringt, die den Erfolg nur um seiner selbst willen anerkennt. Nie wieder ist englisch« Trockenheit so schlagfertig gewesen und hat so sicher in» Schwarz, getroffen, w«nn inan den großen Stern vergißt, der in seinem Onkel Tobby und dem alten Shandy di« Grundtypen für alle Schriftsteller schuf, di« da» «nglisch« Lachen berühmt gemacht haben. Hier wär« anzuführen, daß Thackeray von «nglisch«, Eltern am 18. Juli 1811 in Kalkutta güvmn, mit sechs Jahren nach England kam, mit «qölf Jahren in die Charter Hous^Schule nach London, mit stsizehn Jschren zu feinem Stiefvater sidi« Mutter hatt« inzwischen d«n Major Henry Termichael gehet-