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Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. Thmndt, Uchen. Siedenlehn und dir Umgegkildni. Amtsblatt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Insertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. No. 88. Dienstag, de« 4. November 18»». Auktion. Kommenden Freitag, den 7. Nsvenrber -. I., Vormittags 10 Nhr, gelangen im hiesigen Ort 2 Kutschwagen (1 Landauer und 1 Halbchaise) gegen sofortige Barzahlung zur Versteigerung. Bieterversammlung im Hotel „zum Adler" hierselbst. Wilsdruff, am 3. November 1890. Matthes, Gerichtsvollzieher des K. Amtsgerichts. Bekanntmachung. Das 11. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1890 enthält: No. 61. Verordnung, die Enteignung von Grundeigenthum für Erweiterung des Bahnhofs Wolkenstein betr., vom 22. September 1890;1 No. 62. Bekanntmachung, die bedingten Prüfungszeugnisse für das höhere Schulamt und den Antritt des Probejahres betr., vom 9. Oktober 1890; No. 63. Verordnung, die Vertauschung des Prädikates „Unterförster" mit dem Dienstprädikate „Förster" betr., vom 10. Oktober 1890; No. 64. Verordnung, die Abtretung von Grundeigenthum zu Erbauung einer normalspurigen Eisenbahn von Schönberg nach Hirschberg betr., vom 13. Oktober 1890; No. 65. Bekanntmachung, die Eröffnung des Betriebs auf der normalspurigen Secundäreisenbahn Kamenz-Elstra betr., vom 15. Oktober 1890; No. 66. Bekanntmachung, eine Anleihe der Stadtgemeinde Pulsnitz betr., vom 17. Oktober 1890; No. 67. Bekanntmachung, die Gemeindeverfassung der Stadt Aue betr., vom 22. Oktober 1890. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt zur Einsichtnahme auf hiesiger Rathsexpedition aus. Wilsruff, am 1. November 1890. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Am 4. November tritt die Arbeiterschutzkommission des Reichstages wieder zusammen und darf für ihre Ver handlungen, trotz der bald beginnenden Konkurrenz des Ab geordnetenhauses, ein starkes Interesse beanspruchen. Sie hat den größten Theil ihrer Aufgabe noch zu erledigen. Nicht nur ein erheblicher Theil der eigentlichen Arbeiterschutzbestimmungen ist noch rückständig, eS hat sodann auch die Berathung der Ordnungsvorschriften, der die Verstärkung von Jucht und Recht in den Arbeiterverhältnissen bezweckenden Vorschläge stattzufinden, welche die Geister noch tiefer aufregen werden, als jene anderen Bestimmungen und sich möglicherweise zu einer für das Zustandekommen des ganzen Gesetzes sehr kriti schen Frage gestalten könnten. Im gegenwärtigen Reichstag, wo die Majoritätsparteien vom Gegenkartell alle den Sozial demokraten so tief verpflichtet sind und eine falsch verstandene, vermeintliche Arbeiterfreundlichkeit vielfach die zulässigen und möglichen Grenzen übersieht, wird man nur mit schweren Be sorgnissen der Berathung jener Zucht- und OrdnungSbestunm- ungen entgegenjehen können, die zwar im wohlverstandenen Interesse der ordentlichen Arbeiterbevölkerung liegen, aber von der demagogischen Agitation natürlich aus's Heftigste bekämpft werden. Die Reichstagsmehrheit, soweit sie in der Kommission zum Ausdruck kam, hat schon bisher in verschiedenen ihrer Be schlüsse den Beweis geliefert, daß sie in der Sucht nach Popularität in den Arbeiterkreisen wichtige Interessen des Erwerbslebens und dringende Forderungen der praktischen Zweckmäßigkeit zu leicht zu nehmen geneigt ist. Schon gegen die bisherigen, über die Bundesrathsvorlage htnausgehendcn Beschlüsse hat sich aus den Kreisen der Arbeitgeber starker und durch die thatsächlichen Verhältnisse und Bedürfnisse begründeter Widerspruch erhoben, und die vorbehaltene zweite Lesung oder die Verhandlung im Plenum wird noch manches zu korrigiren haben, wenn das Gesetz in annehmbarer und seinen Zweck erfüllender Gestalt zu Stande kommen soll. Es ist eine außerordentlich verant wortungsreiche Aufabe, welche jetzt der weiteren parlamentarischen Bearbeitung unterzogen wird, und das Vertrauen, daß immer nur ruhige sachliche Prüfung den Ausschlag giebt, ist durch die Behandlung dieser Fragen seitens der radikalen Parteien und leider auch des Centrums einigermaßen erschüttert worden. Die Sozialdemokratie und der Normal-Ar beitstag. — Schon vor der Verwirklichung des Zukunfts- staateS glaubt die Sozialdemokratie ein Großes für ihre An hänger zu gewinnen, wenn es durchzusetzen gelingt, daß die öffentlichen Arbeiten, namentlich in den Städten, nicht mehr einzelnen Unternehmern, sondern Arbeiter-Vereinigungen über tragen werden; ein entsprechender Antrag beschäftigte bekannt lich vor Kurzem die Berliner Stadtverordneten-Versammlung in lebhafter Weise. Die Arbeiter glauben, daß ihnen dann nicht nur der ganze Arbeitsgewinn zufallen werde, sondern daß dann auch die programmmäßig verkürzte Arbeitszeit in Geltung treten könne. Wenn unsere Arbeiter jedoch nichts Anderes damit erreichen, als ihre französischen Kollegen, dann würden sie sich doch wohl für dieses in Szene gesetzte Stück Zukunftsstaat herzlich bedanken. Eine gar eigenthümliche Be leuchtung erhält nämlich das Kapitel von der verkürzten Ar beitszeit, wenn man liest, was ein sozialdemokratisches Partei organ aus Grund eingehender Erhebungen darüber aus Frank reich berichtet. Nachdem genaue Angaben über die in den einzelnen Industrien stattfindende Dauer der Arbeitszeit ge macht und u. A. berichtet worden, daß in Paris 47,31 Pro zent aller Arbeiter weniger als 10 Stunden und alle übrigen Wehr gls 10 Stundefl beschäftigt sind, wird weiter erzählt, daß es in Frankreich auch Kolonnen (naLrodunäarFsg) von Arbeitern giebt, welche Arbeiten in eigener Regie übernehmen, daß aber gerade diese die Arbeitszeit keineswegs auf das nied rigste Maß beschränken, sondern auf 14 bis 15 Stunden ausdehnen. Da nun früher gerade diese Arbeiter — so heißt es weiter — für die Reduktion der Arbeitszeit wirkten, so ist der Groll der übrigen unbeschäftigten Arbeiter gegen die ersteren groß und in dieser Stimmung fallen sie selbstver ständlich dem ersten besten Arbciterschinder zum Opfer. Jn's kapitalistisch-bürgerliches Deutsch übertragen heißt dies, daß die Arbeiter in- Frankreich es vorziehen, bei den einzelnen Unternehmern und Arbeitgebern als bei ihren eigenen Genossen schaften in Brod zu gehen. Es heißt, daß der Reichstag seine Arbeiten nicht vor dem 25. d. M. wieder aufnchmen wird. Den preußischen Landtag wird Se. Mas. der Kaiser persönlich eröffnen. Für Veröffentlichung der grundlegenden Gedanken und lei tenden Gesichtspunkte, aus'denen heraus die für den Landtag bestimmten Reformvorlagen entworfen sind, welche von ver schiedenen Seiten gewünscht wurde, wird wegen der Kürze der bis Eröffnung des Landtages verstreichenden Frist nach der „N. A. Z." nicht erfolgen. Die Vermählung der Prinzessin Viktoria von Preußen mit dem Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe, ist endgiltig auf den 19. November festgesetzt. Der historische Fackeltanz, welcher bei Vermählungs-Feierlichkeiten von Mitgliedern der preußischen Königsfamilie durch die Minister getanzt zu werden pflegt, soll dieses Mal nicht aufgeführt werden, wie über haupt die Festlichkeiten sich in bescheidenem Rahmen halten sollen. — Zur Hochzeitsreise des jungen Paares, welche sich bis nach Indien ausdehnen soll, ist dem Prinzen vom Kaiser ein einjähriger Urlaub ertheilt worden. Berlin, 31. Oktober. Der Generalseldmarschall Graf Moltke hat an den Oberbürgermeister von Berlin, v. Forcken- beck, unter dem 28. Oktober nachstehendes Schreiben gerichtet: Hochgeehrter Herr Oberbürgermeister! Wie Sie an meinem Geburtstage die gemeinschaftliche Adresse der deutschen Städte und der Haupt- und der Residenzstadt Berlin mir überreichten, habe ich meinen tief empfundenen Dank für die hohe, mir dadurch erwiesene Ehre schon persönlich Ihnen und den übrigen anwesenden Herren aussprechen können. Gleichzeitig durfte ich Ihnen, als dem ersten Vertreter der Stadt, für den groß artigen Fackelzug danken, den Berlin mir am Abend vorher gegeben hatte. Dennoch ist es mir Bedürfniß, Ihnen noch einmal schriftlich zu wiederholen, wie tief mich die Beweise des Wohlwollens meiner Mitbürger bewegt haben. Mit inniger Freude hat es mich erfüllt, daß Städte aller deuftchen Lande zu einer gemeinsamen Adresse zusammengetreten sind und daß, im Verein mit der akademischen Jugend, die Ber liner Bürgerschaft aller Kreise in einem so überaus glänzen den Fackelzug sich vereinigt hatte, um meinen 91. Geburtstag zu feiern. In diesen gemeinsamen Kundgebungen sehe ich mehr als eine Huldigung für meine Person. Ich fasse sie auf als einen Ausdruck der Erinnerung an jene Zeit, wo das Vaterland aus trauriger innerer Zersplitterung heraus sich erhob, wo alle seine Stämme zu treuer Waffenbrüderschaft geeint in heißem Streit ein einiges und starkes Deutschland sich erkämpften, um es dereinst als theuerstes Vermächtniß den kommenden Geschlechtern zu hinterlassen. In diesem Sinne nahm ich die Huldigung gerne an, die mir, als dem ältesten Soldaten der Armee gebracht worden ist. Abermals habe ich aus ihr die freudige Gewißheit geschöpft, daß die schwer errungene, mit theurem Blut bezahlte Einigkeit Deutsch lands stets unerschütterlich sich zeigen wird, wo es sich um die Erhaltung des Bestehenden handelt, uni sein Heer und um die gemeinsame Vertheidigung von Kaiser und Reich. Mit der vorzüglichsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein, hoch geehrter Herr Oberbürgermeister, Ihr ganz ergebener Graf Moltke, Generalseldmarschall. Berlin, 1. November. Wie die „Post" berichtet, ist bei dem Bau des Konzerthauses in Kowno das Gerüst des dritten Stockwerkes eingestürzt; 10 Arbeiter sind todt, 5 lebens gefährlich verletzt. Das Obcrlandesgericht hat kürzlich in einem Boykott- Prozesse die cndgiltige Entscheidung getroffen. In einer Ar- beitcrversammlung hatte der Vorsitzende vor Schluß der Ver sammlung neben anderen schriftlich eingegangenen Anträgen einen Zettel verlesen, auf welchem etwa Folgendes geschrieben stand: In der Nähe des Gasthofs zum Reiter wohnt ein Kaufmann, der durchaus nicht arbeiterfreundlich gesinnt sei, und deshalb solle man lieber bei anderen kaufen, welche die entgegengesetzte Richtung vertreten. Der Vorsitzende wurde deshalb wegen groben Unfugs angeklagt und vom Schöffen gericht zu acht Tagen Haft verurtheilt. Durch Verlesung jenes Zettels seien, wie das Urtheil besagte, die in der Ver sammlung anwesenden Nichtsozialdemokraten in ihrem RechtS- gefühl beunruhigt worden und Angeklagter habe somit den öffentlichen Frieden gestört und Aergerniß erregt. Das Ur theil war vom Leipziger Schöffengericht bestätigt worden, und das Oberlandsgericht hat nunmehr in gleichem Sinne ent schieden. Die zwischen derReichsregierung und der „Deutsch- Osiafrikanischen Gesellschaft" seit längerer Zeit ge pflogenen Verhandlungen sind jetzt zu einem beiderseits be friedigenden Abschlusse geführt worden. Das Ergebniß gipfelt in dem Abkommen, daß die landeshoheitlichcn Rechte, sowie die Zollerhebung vom Reich gegen eine der Gesellschaft zu zahlende Rente übernommen werden. Unter anderen Lasten wird dagegen von der Gesellschaft auch die Zahlung der 4 000 000 M. an den Sultan von Zanzibar übernommen. Die Gesellschaft ist bereits in Unterhandlungen über die Beschaffung der für den Sultan bestimmten Entschädigungssumme eingetreten. Auch die vorbereitenden Berathungen über ein handels politisches Abkommen mit Oesterreich-Ungarn, welche unter dem Vorsitze des Staatssekretärs v. Boetticher im Reichsamte des Innern zu Berlin gepflogen worden sind, sollten am Donnerstag abgeschlossen worden sein. Dem wird von den „B. P. N." jedoch widersprochen. Dieses Abkommen wird in der Presse vielfach erörtert. Demselben stehen aller dings mannichfache Schwierigkeiten entgegen; eS ist jedoch zu hoffen, taß man derselben im Interesse der wirthschastlichen Entwickelung beider Länder Herr werden wird. Die Stellung Helgolands zum Reiche scheint dahin geregelt zu werden, daß man di« Insel staatsrechtlich an Preußen anschließen und den Hafen zum Reichskriegshafen machen wird. Die Kaiserbegegnungen inRohnstockundWien, sowie die Florentiner Rede des Herrn Crispi haben, wie es in einem Petersburger Briefe der „Pol. Corr." heißt, Rußland über die wirklichen Absichten der Staaten deS Drei bundes aufgeklärt. Man weiß jetzt, daß dieselben entschlossen sind, zur Lösung der bulgarischen Frage nichts zu unternehmen, daß sie aber auch die Gegensätze nicht verschärfen wollen und und die Bulgaren weder zur Unabhängigkeitserklärung er- muthigen wollen, noch die Anerkennung des Prinzen Ferdi nand von Koburg auszusprechen geneigt find, ES läßt sich