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Die „Btten-orfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 105. Mittwoch, den 2. September 1903. V''" "" 2. Jahrgang. Oertttches und Sächsisches. Gttendorf-Bkrilla, September 1S03. —* Vergangenen Sonntag hielt der Turn verein „Jahn" zu Ottendorf-Moritzdorf im Saale des Gasthofes zum schwarzen Rost sein diesjähriges Sommerabturnen ab. Dieses be gann mit Langstabübungen, welche aufs sorg fältigste ausgeführt wurden. Atsdann folgte allgemeines Riegen- und Kürturnen, wobei sich auch hier die gute Ausbildung der Turner zeigte. Während des Turnens wurde von der Königsbrücker Musikkapelle Konzert gegeben. Nach Beendigung eines Turnspieles, welches im Freien stattfand, begab sich Alt und Jung zum Tanz. Es wurden noch während diesem kurz vor 10 Uhr, unter Leitung des Herrn TurnwartS May, Leitergruppen dargestellt, welche großen Beifall fanden. — Möge sich der Turn verein „Jahn" auch fernerhin immer mehr und mehr hervortun, um tüchtige und strebsame Turner des hiesigen Gaues ausbilden zu können und wünschen ihm zu diesem Bestreben ein kräftiges Gut Heil l —* Am vergangenen Sonntag hielt der hiesige Naturheilverein sein erstes Sommerfcst im Garten des Friedr. Wilhelmbades, bestehend in Vogelschießen, Gabenverlosung rc ab. Trotz des rauhen und unbeständigen Wetters halte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden und waren auch verschiedene auswärtige Vereine an wesend. — Der schon mehrfach angekündigte Preis aufschlag für die Eisenbahnfahrkartcn auf den sächsischen StaalSbahnen tritt nunmehr be stimmt am 1. Oktober d. I. in Kraft. Von der Preiserhöhung werden aber in der Haupt sache fast nur die Rückfahrkarten in 2. und 3. Klasie betroffen. Einfache Fahrkarten — also auch die sämtlichen Karten der 4. Klasie — bleiben davon unberührt oder erfahren nur ganz geringe Verteuerung. — Geflügelte Rebläuse treten zur Zeit in Sachsen auf. Es ist das erste Mal, daß Man sie in unserem Lande beobachtet. Die Gefahr der Weiterverbl eitung ist dadurch er heblich gewachsen. — Bei der Königlichen Amtshauptmannschafl Dresden-Altstadt ist von jetzt an bis aus weiteres an allen Wochentagen ununterbrochen von früh 8 bis halb 4 Uhr nachmittags Ge schäftszeit, die Zeit von da ab bis abends 6 Uhr bleibt ganz dringlichen Amtsgeschäften Vor behalten. Bei der Königlichen AmtShauplmann- schaft Dresden-Neustadt ist die ununterbrochene Amtszeit nur an Sonnabenden (ohne kirchliche Festtagseigenschast) von früh 8 bis 3 Uhr nachmittags eingeführt, während bei der König!. Kreishauptmannschaft Dresden die Kanzleiräume wöchentlich von vormittags 9 bis 4 Uhr nach mittags für den Verkehr mit dem Publikum geöffnet sind. — Im Königreiche Sachsen scheint man nun auch staatlicherseils den Kampf gegen die Trunksucht aufnehmen zu wollen, was nicht zuletzt eine Folge der energischen Arbeit der MäßigkeilS- und EnthallsamteitSvereine, sowie der Bekämpfung der Trunksucht durch einige Gemeindeverwaltungen si in dürste. Das König liche Ministerium des Innern läßt zur Zeit Ermittelungen darüber anstellen, welchen Um fang die Trunksucht in Sachsen hat und ob hierüber bereits Statistiken vorhanden sind. Vei dem Interesse, das hiermit das Königliche Ministerium für den Kainpf gegen den Alkohol Mißbrauch an den Tag legt, kann man er warten, daß der Ausfall der Ermittelungen unter Umständen für unser Vaterland von großer Bedeutung wird. Dresden. Ein aus Dresden-Strehlen flammendes Ehepaar ist auf dem Kamme des Riesengebirges in der Nähe der Schlingel baude von einem schweren Unfall betroffen worden. Wie das „Laub. Tgbl." berichtet, Easen zwei Laubaner Herren bei ihrer Wander Ung längs des Kammes an besagter Stelle au ^in auf dem Steingeröll sitzendes älteres Ehe paar. Als die Wanderer herangekommen waren, erfuhren sie und sahen auch, daß dem Manne ein Schlaganfall widerfahren war. Hände und Beine waren in erschreckender Weise elähmt und das Gesicht bis zur Entstellung verzerrt, doch besaß der Unglückliche noch voll ständig das Bewußtsein. Bald darauf kamen noch zwei Berliner Herren, Vater und Sohn, hinzu, und in deren und des einen Laubaners Gegenwart, der andere konnte die herzzerreißende Szene nicht mit ansehen, wurde ein eigenartiger und in seiner Wirkung hochtragischer Akt voll zogen. Der Erkrankte erklärte, daß sein Ende nahe und bedauerte schluchzend, kein Testament gemacht zu haben. Seine Geschwister seien einer Frau nicht sonderlich hold, und da seine Lhe kinderlos geblieben war, befürchtete er eine chwere Benachteiligung seiner Frau, bei der Nachlaßregulierung. Da er aber der Mitarbeit einer Frau den Wohlstand verdanke, so sei es ein Wille, ihr das gesamte Vermögen, wie es teht und liegt, zu vermachen Er wies daher auf sein in der Brusttasche befindliches Noliz- mck, in das sein letzter Wille eingetragen werden möge und den die drei fremden Herren bezeugen möchten. Dies geschah denn auch, die Frau führte darnach. dem Manne die Hand mit dem Bleistift zur Aufzeichnung von drei Kreuzen unter das Dokument, und die drei Zeugen bestätigten die Richtigkeit desselben durch ihre vollständige Namensunterschrift und An gabe ihrer Adressen. Schon nach etwa einer zalben Stunde war der unglückliche Mann in den Armen feiner laut klagenden Frau ver- chieden. Die Leiche wurde sodann auf einer Tragbahre zunächst auf die Schlingelbaude ge- vracht. Wahrscheinlich hat der Mann unter der Einwirkung der Hitze und eines vielleicht schon vorhandenen Herzleidens einen so plötz- ichen Tod erlitten. — Se. Majestät der Kaiser hat die gestern wegen Regens abgesagte Parade des Garde- wrps auf heute verschoben und trifft deshalb erst 5 Uhr 15 Minuten hier in Dresden ein. Mit seiner Vertretung beim Besuche der Städte ausstellung-, der im übrigen unverändert halb 4 Uhr staltsindet, ist Se. Kaiserl. und Königl. Hoheit der Kronprinz, welcher deshalb schon heute vormittag in Dresden eingetroffen ist, beauftragt worden. — Wie jetzt bestätigt wird, hat das König liche Oberlandeögericht beschlossen, Herrn Geh. Kommerzienrat Hahn gegen Hinterlegung einer Kaution von 100000 M. aus der Untersuchungs haft zu entlassen. — Der Bausand, wie ihn unsere Dresdner Heide in außergewöhnlicher Menge birgt, hat einen erheblichen Preisaufschlag und zwar bis zu 50 Prozent erfahren. Für einen größeren Staatsbau in der Nähe der Münchner Straße wurden in der Vorwoche 5000 Fahren an einige größere Fuhrgeschäfte vergeben, wobei bereits die neuen Preisverhältnisse mit in Be rücksichtigung gezogen werden mußten. Früher kostete der Sand 75 Pf. bis 1 M-, jetzt min- vestens 1 M. 25 Pf. pro Kubikmeter. — Vor Taschendieben wird gewarnt. Wie die Königliche Polizeidirektion mitteilt, sind an läßlich der bevorstehenden Festtage eine ganze Menge auswärtiger Langfinger hier eingetroffen resp- zu erwarten. Man sei daher besonders im Gedränge vorsichtig. Unt erwürschni tz. Das 2jährige Töchterchen des Ziegeleiarbeiters Hohenberger hierselbst sie am Dienstag nachmittag beim unbeaufsichtigten Spielen in den Dorfbach und ertrank. Riesa. Der „Riesaer Bote" bringt folgende Notiz: „Ein bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich vorgestern im Manövergelände bei Glaubitz. Beim Manöverieren geriet eine Abteilung Oschatzer Ulanen in die Nähe des Steinbruches ohne die Warnungszeichen zu bemerken, sodaß mehrere in den Steinbruch stürzten und 4 Mann ihr Leben einbüßten. Die Leichen der Bedauerns werten wurden in die Leichenhalle nach Glau bitz gebracht." Mügeln. Am Sonnabend nachmittag 4 Ihr wurde hier die 61 Meter hohe Fabrikesse der früheren chemischen Fabrik umgelegt. Da wegen der Nähe des Bahnkörpers und be wohnter Gebäude die Sprengung zu gefährlich war, hatte man den Fuß der Esse unterhöhlt, die Höhlung durch starke hölzerne Stempel ge- tützt und um diese leicht brennbare Stoffe ge wickelt, die mit Petroleum getränkt wurden. Nach Anzündung derselben fingen auch die Stempel an zu verkohlen, brachen infolgedessen unter dem gewaltigen Drucke zusammen, und damit fiel auch das Essenungetüm. Auf diese Weise hat man auch schon einige kleinere Dampfesien auf dem Fabrikgrundstück umgelegt. Mühlberg a. d. E. Der 19 Jahre alte Fischer Budewek aus Pretzsch war am frühen Morgen zum Fischfang ausgefahren. Gegen Mittag wurde das Fahrzeug unweit von Clöden gefunden, während B. spurlos verschwunden war. Derselbe dürfte beim Einziehen des Netzes über Bord gefallen und ertrunken sein. Burgstädt. Der hiesige Schutzmann Fritzsche war mit der Tochter seines Hauswirts in Differenzen geraten und hatte sich hierbei unter Androhung seiner Amtsgewalt zu unbedachten Äußerungen hinreißeu lassen. Er wurde des halb vom königl. Landgerichte Chemnitz wegen versuchten Vergehens nach §339 desR.-Str.--G.- Buches zu einer Woche Gefängnis verurteilt. Leipzig. Am gestrigen Tage hat die Lies- ährige Herbstmesse ihren Anfang genommen, und zwar sowohl für den EngroS- wie Detail- jandel. Hinsichtlich des ersteren steht der Musterlagerverkehr wieder im Vordergründe des Interesses, da in Textilwaren (Tuchen usw.) das Meßgeschäft den seit Jahren gewohnten kleinen Umfang aufweist, während in Leder, Borsten und Rauchwaren das eigentliche Meß- geschäft erst später beginnt. Der Musterlager verkehr steht in betreff des Angebots kaum hinter dem der voraufgegangenen Mustermessen zurück; an Stelle etwa ferngebliebener Aus teller sind neue Firmen getreten. Glauchau. Eine nicht sehr angenehme Er innerung wird sich für einen Reserveleutnant an das vor einigen Tagen zwischen St. Edydien und dem Gasthofe „zur Katze" abgehaltene Biwak knüpfen. Er verlor nämlich während des letzteren einen Brillantring im Werte von 400 M- Bis jetzt ist es trotz eifrigsten Ab- uchens des Geländes nicht gelungen, den Ring wiederzufinden. Zwickau. Im Martinweik der Königin- Marienhütte bei Zwickau wurden durch eine starke Explosion beim Gaseinlassen schwere Schäden am Gebäude verursacht und 5 Ar beiter verletzt. Mauerteile wurden 100 Schritte weit geschleudert. Aue. An Stelle des von hier scheidenden Stadtrates Zopfs wurde am Freitag von den Stadtverordneten einstimmig der bisherige Ratsassessor Schubert von hier gewählt. Plauen i. V. Eine hier am Freitag abend stattgefundene Textilarbeiter- und Gewerkschafts versammlung sprach nach einem Referat des Herrn Wagner-Chemnitz den in Crimmitschau streikenden Textilarbeitern die vollste Sympathie aus und sicherte ihnen die weitgehendste finanzielle Unterstützung zu. Nach den Ausführungen des Referenten lasse es die Vereinigung der Textil industriellen auf eine Machtprobe ankommen und beabsichtige, den Textilarbeiterverbarck und seine Kaffe zu ruinieren, da man in Arbeit geberkreisen annehme, der Verband könne die Streikenden nicht länger als 14 Tage unter stützen. Wöchentlich würden 65 000 M. ge braucht. Aus der Woche. Die Türkei kann mit den aufrührerischen Mazedoniern nicht fertig werden und wenn gleich auch diese keine Aussicht haben, mit den Türken fertig zu werden, so hoffen sie doch, mit der Zeit die Großmächte zum Eingreifen zu nötigen. Durch die Ermordung Rostkowskys wäre das beinahe veranlaßt worden, denn die russische Schwarzemeerflotte war schon bereit, in den Bosporus einzulaufen. Der Großtürke hat aber schnell klein beigegeben, hat alle die demütigenden Bedingungen Rußlands erfüllt und jene drohenden Schiffskoloffe sind wieder aus der Nähe Konstantinopels verschwunden. Da die Bulgaren ihre Rechnung durchkreuzt ahen, griffen sie zu einem anderen Mittel: sie prengten den Bahnzug Konstantinopel-Wien mit Dynamit in die Luft, wobei sechs Personen, darunter drei Ausländer, ums Leben kamen und fünfzehn andere verwundet wurden. So chlimm hat es ja seinerzeit AthanaS nicht ge rieben, der den Reisenden nur das Geld ab nahm, ihnen aber doch das Leben ließ! Fürst Ferdinand will „in den nächsten Tagen" nach Sofia zurückkehren, nachdem er sechs Wochen lang in Ungarn gejagt hat. Er ist aber seines Lebens auch nicht sicher und die beiden Bahn wege, die er zur Rückkehr in seine getreue Hauptstadt benutzen kann, werden streng über wacht damit nicht etwa weniger Getreue groben Dynamitunfug treiben können. Auch Ferdinands Kollege in Belgrad ist nicht auf Rosen gebettet. Man hört von zahlreichen Desertationen ser- rischer Soldaten nach Ungarn; von dem Ge lingen des so dringend benötigten Millionen rumps schweigt der doch sonst so überaus ge- chwätzige Telegraphendraht auch noch und nun oll gar, während König Peter ein Rundreise- rillet durch Serbien ausnutzt, ein unterirdischer Minengang nach seinem Konak entdeckt worden ein, der doch wohl nur den Zweck haben konnte, jenes Fürstenschloß in die Luft fliegen zu lassen, das vor wenigen Wochen der Schauplatz einer o schrecklichen Katastrophe war.— Die preußische Regierung steht mit Kolumbien in Unterhand lung wegen Überlassung einiger dortigen Sena toren. Diese hellbraunen Herren haben sich be kanntlich als stramme Kanalgegner erwiesen und den Panamakanalvertrag mit Nordamerika ab gelehnt. Würden sie in Preußen Landräte und Abgeordnete, so hätte sie, wenn sie sich auch hier als steifnackige Kanalgegner erweisen, Aussicht, zuerst abgcsetzt, dann aber befördert zu werden. Die preußischen Landtagswahlen werfen schon ihre Schatten voraus. Die Preß erörterungen drehen sich hauptsächlich um Herrn Dr. Barths Anregung bezüglich eines engen Bündnisses zwischen freisinnigen und Sozial demokraten gegen Konservativen. Herrn Nau manns Nationalsozialen schwanken noch teil weise zwischen dem Freisinn Barthscher Richt ung und der Sozialdemokratie. Herr von Thiel mann hat sein Reichsschatzamt an Herrn von Stengel abtreten müssen, etwas sehr gegen seinen Willen. Der LucanuS schreitet schnell! Aller dings wird auch Herrn v. Stengel niemand beneiden. Denn die ihm von Herrn v. Thiel mann zurückgelassene Kaffe ist leer, die Einzel staaten möchten festere Normen für die Matrikularbeiträge, damit ihre eigenen Etats 'weniger Schwankungen unterworfen sind: ander seits aber wachsen die Ausgaben für Heer und Marine und der Säckel des Neichsinvaliden- fonds hat auch ein Loch, trotzdem die Kost gänger desselben doch allmählich aussterben. — Als ein recht erfreuliches Zeichen ist die 5000-Markspende Loubets für Schlesien zu verzeichnen. Es ist nun einmal Unsitte, daß bei großen Unglücksfällen der Bettelsack um geht, anstatt daß der Staat wirksam eingreift, aber sie ist so allgemein verbreitet, daß nie mand mehr daran Anstoß nimmt. Kaiser Wilhelm hat auch für die Unglücklichen auf Martinique eine reiche Summe nach Frankreich geschickt und jetzt kommt uns von dort eine Beihilfe. Man braucht die Bedeutung dieser Spende nicht zu überschätzen, aber da seit zwei unddreißig Jahren Deutschland für das offizielle Frankreich so gut wie nicht vorhanden war, zeigen die fünf Loubetschen Tausendfrankbillets, daß man sich in Frankreich daran erinnert, Deutschland sei ein notleidender Nachbar. Und das ist doch immerhin schon etwas.