Volltext Seite (XML)
/luer Tageblatt -Ptz. ».I»«x«Est.st,U»aH «WL'»«NA rZMZLM „n «,„«, ««» »->««»«,t«. Unf«r« S«Ilu«r,,u». tr«g<« u,» s,«I, »U- P-staafl-ltia uo» /lnzeiger für das Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. Sprechchm-e -er Ne-aktlo« mit Ausnahme »e, «»»«tag» nachmittag» 4-- Uhr. — Telegramm-ft-nss», Lageblatt ftoeerzgebirg». ßernshrech« 58. hü» unverlangt »ingrfanüt» Manuskript« kann -ewähr nicht grleistet weröerr. Nr. 231. Sonrmbenä, 4. Oktober 1S13. S. Zahrgang. Diese Nummer umfaßt IS Seiten. Außerdem liegt das achtseitige illustr. Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom tage. Der König von Sachsen hat den Reichstag zur Einweihung de» Völker sch lach tde nkma ls eingeladen und dem Präsidenten Kaenchf hun, dert Karten zustellen lassen. Die Reichsregierung beschloß die Einstellung einer Etatsforderung von 400 000M,arktn das Budget Kur Tuberkulosebekämpfung. Der Bundesrat hielt gestern seine erste Plenar sitzung nach den Ferien ab? die braunschwei gische Thron so lg efrag e kam nicht zur Per- Handlung?) » Der Deutsche HandelStag wandt« sich in einer Eingabe an den Bundesrat gegen die Be- schlösse der ReichStagSkommtsston über die Konkurrenzklausel. Präsident Wilson hat gestern in Gegenwart der Kommissionen beider Häuser die Tartfbtll un terzeichnet. »1 VILtzne« !!«-» an ynbnir Die braunschweigische Hrage im Lichte äes Dersastungslebens. Allem Anscheine nach beabsichtigt die preußische Re gierung demnächst beim Bundesrat den Antrag auf Aufhebung der BundesratSbeschlüsse bezüglich -«Thron, besteigung in Braunschweig zu stellen. Wenn «S richtig ist, daß dieser Antrag schon im Laufe de» Oktober im .Bundesrate eingebracht werden soll, so füllt es schwer, dabei nicht an eine gewisse Absichtlichkeit zu glauben, insofern, als der gÄvählte Zeitpunkt mit den Parla mentsferien zusammenfällt. Die preußische Regierung Würde also ohne jede Fühlungnahme mit dem preußischen Landtag«, der doch mit der Regie rung zusammen die Interessen de» preußischen Volke» zu vertreten hat, Vorgehen. Daß da» die Verantwort^ lichkeit der Staatsregterung noch Wesentlich erhöht, ist ohne Zweifel, eö entspricht aber auch nicht dem kon stitutionellen Gedanken. Mr haben e» von uns! ab- gewiesen, daß für Deutschland und Preußen da» parla mentarische Regierung^ chstem zu erstreben sei. Der Wahre Konstttutionalismus aber besteht in dem vertrauens vollen Zusammenarbeiten von Regierung und Volksvertretung im nationalen Interesse uribeschadet der vollen Selbständigkeit beider Faktoren. Diesem Grund satz Wird durch da» Verhalten der preußischen Regierung direkt «ntgegengehandelt, und die verschiedentlichen Be teuerungen de» Reichskanzler» v. Bethmann Hollweg, daß in Preußen durchaus konstitutionell regiert Werde, verlieren dadurch ihren Wert. Ganz ander» hat einer seiner AmtSvorgänger und gewiß derjenige, der dem parlamentarischen RegierungSshstem am meisten abhold war, nämlich Fürst Bismarck, über die Verpflichtung der Regierungen, sich für ihre Abstimmungen im Bun desrate mit ihren Landesvertretungen in Fühlung zu hakten, geurteilt. In einer Rede, die er im Reichstage am 19. April 1871 gehalten hat, führte er folgen des aus: So leicht wiegen die Stimmen im Bunde-ratq nicht? da stimmt nicht der Freiherr v. Friesen, son dern da» Königreich Sachsen stimmt durch ihn? nach seiner Instruktion gibt er «in Votum ab, wa» sorg fältig destilliert ist au» all den Kräften, die zum öffentlichen Leben in Sachsen Mitwirken; in dem Votum ist die Diagonal« aller der Kräfte enthalten, di« in Sachsen tätig sind, um da» Staatswesen zu bilden? «» ist da» Votum der sächsischen Kron«, modifizi«rt durch di« Einflüsse d«r sächsischen Lande»v«rtr«tung, vor welcher da» sächsische Ministerium für di« Vota, Welch« e» im Bundesrat abgeben läßt, verantwortlich ist. E» ist also recht «ig«ntlich da» Votum «ine» Staat«», ein Votum in einem Staatenhau». Wir sragen; wo ist die Diagonale all der Kräfte, die in Preußen tätig sind, in dem Verhalten der preutzi- schen Staatsregierung in der braunschweigischen Frag« zu finden? Einseitig geht di« Regierung vor ohne jede Fühlungnahme mit den Ausfassungen de» Landtage». Die benutzt im Gegenteil die Zett seiner Abwesercheit, um eine politische Aktton durchzu führen, die di« vitalsten Interessen de» preußischen Vol ke» berührt. Weniger konstitutionell kann tatsächlich «ine Regierung nicht Verfahren, die sich durch streng absoluti stische Neigungen auszeichnet. Bei dieser Gelegenheit möchten wir noch auf einen Mißbrauch Hinweisen, der augenblicklich von geschmeidigen Federn mit dem Worte Verzicht betrieben wird. Man Weist mit einer Dialek tik, die wir nicht nl.:;er charakterisieren wollen, darauf hin, daß ttr dem Verlangen de» Verzichte» auch dies Anerkennung eine» Rechtes de» Verzichtleistenoen liege, uich sucht damitti di« Forderung eine» Verzichte» ad absurdum zu führen. Da» geradezu Lächerliche dieses Gedankengange» ist von dem größten Teil der Presse gebührend gekennzeichnet Worden. Tatsächlich sind diese Ausführungen auch vollständig hinfällig, Wenn Man statt df» negativen Worte» Verzicht sich an die po sitive Sette der Sache HW und statt dessen die aus drückliche Anerkennung de» bestehenden Recht»- und Verfassungszustande» inDeutfch- land fordert. Also auch die Anerkennung de» jetzigen Umfanges de» preußischen Staat»- gebiete». Daß da» da» Mindeste ist, was von einem deutschen Bundesfürsten gefordert Werden kann, liegt auf der Hand. Verzichtet man auf diese Anerkennung, so verlieren di« Beschlüsse de» Bundesrats von 1885 und 1907 vollständig ihren Sinn, un» es bleibt nur die Folgerung übrig, daß die preußische Regierung mit ihren damaligen Anträgen und der Bundesrat mit fei nen Beschlüssen sich selbst in» Unrecht gesetzt haben. Ob diese unumgänglich« Schlußfolgerung für diese beiden Instanzen gerade schmeicheHast ist, können wir getrost dem Urteil der öffentlichen Meinung Überlassen. Das Ariegsfieber äer Balkanvölker. Die BaUanländer können au» ihrem Krankheits zustand« nicht herauSkommen. Kaum haben die Frie densschlüsse von Bukarest und Konstanti. nopel «in paar wund« Stellen «schlossen, da entzün den sich wieder ander« in dem Wetten Bereiche der Vak- kajnfragen. Oder e» brechen auch älter« wieder auf, die di« Aerzt« äl» geheilt bewachtet hatten. So ging'» jüngst mit Albanien, dessen festgesetzte Grenzen durch neue Ansprüche der Serben wieder in Zweifel gesetzt werden sollten. Da lag nun freilich die Hauptschuld an den Aechten, die ihre Pflicht der Nachbehandlung arg verabsäumt, nämlich sich begnügt hatten, jene Gren zen auf dem Papier festzulegen und dann in die Ferien gelaufen waren, ohne sich um die tatsächliche Absteckung zu kümmern. Di« Folge könnte sehr leicht sein, daß Oesterreich und Serbien sich über den alten und nur scheinbar beigelegten Streitfall Wiederum in die Haare gerieten — mit allen an eine solche Möglichkeit sich anschließenden Gefahren. Und am östlichen Rande der Balkanwelt kann di« unglaublich langsame Arbeit der berüchtigten Londoner Botschafter-Konfe renz ebenso bedenklich« Folgen haben. Seit den Beo handlungen über den ersten Vorfriedensentwurf, wel cher durch die Konstantinopler Revolution de» 23. Ja nuar Makulatur Wurde, ist di« Entscheidung der Ins« l- / rag « der Botschasterkonferenz überantwvrtet. Seit dem Londoner Frieden de» 30. Mai fußt diese» GchiedSkecht aus einer beglaubigten internationalen Urkunde. Wenn Gräfin SchweinscarrL. Eine 'lustige Thoatererinnevung von Robert Wach, Regisseur am Weimarer Hoftheater. Nachd»uck v«r»ot«n. Diese kleine Geschichte hat den Vorzug, daß sie wahr ist. Sie trug sich im Wonnemonat des Jahres 19 . . in Budapest zu, und zwar gelegentlich eines Gastspiels des Ber liner Deutschen Dheaters, das damals noch unter der Lei tung des seligen Otto Bvahm stand. Budapest und Mai! Wer die ungarische Metropole kennt, wird «erstehen, daß wir Schauspieler bald ganz im Dann dieser lebenslustigen Stad' lagen; daß wir dort herrliche Tage und noch herrlichere Nächte verlebten. Dazu kam noch die herzliche Aufnahme, dis uns das Publikum bereitete. Man sagt, daß der Deut- sche in Ungarn gewöhnlich nicht sehr gern gesehen wird. Wir merkten davon nichts. Die Berliner Schauspieler wurden aufs herzlichste willkommen geheißen. Denn Berlin war damals in Pest geradezu Triumph. Bor kurzem erst war der deutsche Kaiser dortgewesen und hatte sich alle Herzen er obert. .Abends bei den Aufführungen durchbrausten begeisterte Eljen-Rufe das Theater. Man gab uns zu Ehren Bankette. Und wenn wir nachts in ein Tafö traten, grüßten un- die Zigeuner, die wir künstlerisch erst in zweiter Position stan den und durch allzu große Rollen und allzu große künstleri sche Verantuortung nicht sonderlich beengt wurden; wir ließen uns willig von dem glitzernden Zauber der Magya- renstadt gefangen nehmen und waren zu allen möglichen tollen Streichen bereit. Ein magyarischer Kolleg«, der leid lich Deutsch sprach, diente uns al» Führer und brachte un» überall hin, wo nur irgend was los war. Und alle waren dabet. Selbst die ärgsten Philister unter un» wurden plötz lich zu Nachtschwärmern. Keiner schloß sich au». Bi» auf den einen I Bis aus unseren Kollegen Müller. Gr hieß ganz ander». Dock ich will seinen Namen Verschweigen. Denn er ist e'- lieber, guter Kerl und nigrmt jetzt in Wien an ei. nem er ria vheater eine erste Stellung ein. G» könnte ihm vielleicht nicht am^nehm sein, wenn Also: Gr hieß Mulle:! — Die Sache lag so! Müller der in Berlin bisher keine gute Beschäftigung gefunden hatte, war gelegentlich dieses Gastspiel» Plötzlich zu größeren Rollen gekommen. In einem unserer Repertoirestücke spielte er sogar die Titelrolle —> und mit recht ansehnlichem Erfolg. Dieser Erfolg war ihm nun augenblicklich zu-Kopf gestiegen. Denn er wurde plötzlich stolz. Er zog sich von uns Kollegen au» der zweiten Linie zurück, be gann sogar ganz «sichtlich auf uns herabzusehen.fs Za, er war auf dem besten Weg«, sich sogenannte Primadonna-Manieren anzueignen. Das war nun in dem Brahmschen Gmsemble da mals etwas ganz Ungewöhnliches, etwas, was auch bei den ganz Großen durchaus nicht geduldet wurde. Weder von der Theaterleitung, noch von den Mitgliedern. Ein Sichüber- hebenwollen eines einzelnen gab es einfach nicht. Und per« sucht« es einer, so wurde er schnell von den anderen geduckt. Und Mar meist so kräftig, daß ihm di« Lust zu weiteren Versuchen verging. Der plötzliche Größenwahn, der hier un seren guten Müller Werfällen zu haben schien, verdroß uns natürlich gewaltig. Und wir beschloßen, ihm eine kleine M«diztn dagegen «iuzugobon. Nur Mer das Rezept einig« ten wir uns nicht so bald. Lange beratschlagten wir. End lich hatte jemand «ine Idee, die sofort von allen als ein fach glänzend bezeichnet wurde. Ihr« Ausführung kostete allerdings Geld. Doch wozu hatten wir denn unsere führ anständigen Diäten? Und so opferte denn jeder gern «inen Obolus. Zuerst wurde eine sehr elegante Visitenkarte gedruckt. Darauf befand sich unten in der Eck« eine siebenzackige Kron«, und in zierlicher Schrift stand zu lesen: Baroneß Etslka Sette s^üary. Wir sanden den Namen wundervoll. Klang ganz nach altmagyarischem Adel. Wir hatten ihn im Restaurant au» der ungarischen Speisekarte abgeschrieben. Ine Deutsch« übersetzt lautet« er: Baroneß Gtelka Schweins- Tarrö. Noch an demselben Abend sollt« diese Dame in Ak tion treten. Während der Vorstellung (es wurde gerade das Stück gegeben, in dem Müller die Titelrolle spielte) er schien ein gallonierter Diener auf der Bühne und überreicht« Müller einen Strauß herrlich duftender Rosen und ein noch herrlicher duftendes Briefchen. Der Diener trat mit ganz erschrecklicher Borneh-iiheit auf. Es war unser ungarischer Kollege, der Lereitwilligst diese Rolle Übernommen hak^ Müller nahm Blumen und Brief mit herablassender Gleich gültigkeit in Lnvpfang, wie etwas SeMstverständltche», das ihm S65 mal im Jahrs zu begegnen pflskte. Di« Rosen übergab er dem Garderobier und das Brieschen steckte er, ohne es zu öffnen, i» die Tasche. Dann ging er mit läfstg- langsanwn Schritten in «inen entlegenen Bühnenraum, und hier erst, nachdem er sich überzeugt hatte, daß ihn niemand beobachtete, erbrach er das duftig« Briefchen. Und entzückt las er: Hochverehrter Künstler! Ich bete Sie an! — Ich wäre glücklich, wenn ich heute abend ein paar Stunden bei Ihnen weilen könnte. Nach Schluß der Vorstellung iwird mein Wagen am Büh neneingang auf Sie warten. Ich bitte Sie sehr, diesen zu benutzen. Der Kutscher wird Sie zu mir führen. Ich erwarte Sie sehnsüchtig. Baroneß Sertes-Gary. Gin galantes Abenteuer also! Mt einer ungarischen Baroneß! Herrliche Perspektiven gaukelten vor Müller» entzückten Augen. Gr spielte sein« Roll« jetzt doppelt so feurig als sonst. Gr spielte, wie wir freudig bemerkten, für die Baroneß Settes-Tary. Natürlich war er sofort ent schlossen gewesen, zu dem Rendezvous zu gehen. Um aber seinen Kollegen doch diesen neuen Erfolg mitteilen zu kön nen, heuchelte er Unentschlossenheit. Und fragte einige um ihren Rat. Natürlich sagten alle: Hingehen! — Eine un garische Baroneß! Glutaugen! Paprika! Und so weiter! Und so ließ sich Müller denn auch sogleich aus seinem Hotel den Smoking und ein frischgebügeltes Oberhemd holen und machte nach Schluß der Vorstellung zu unser aller Gaudium umständlich Toilette. Dann ging er mit stolzen Schritten zum Bühnenausgang. Hier stand schon der Wagen bereit. Ein Kutscher in hochherrschaftlicher Livree saß auf dem Bott, Prächtig sah der Kerl au». Er kostete un» allerdings auch schweres Geld. Halb Budapest hatten wir abgelaufen, bi» wir unter den Fiakern den geeigneten Mann gefunden hat ten. Die Livree hatten wir der Theatergarderobe entnom- men. Herr Müller?, fragte -er Kutscher, dann steigen Sie bitte nur ein! Und in scharfem Trab rollte der Wagen mit dem in seligen Erwartungen schwelgenden Müller dahin.