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A-orter Wochenblatt. M i t t h e L l u n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechzehnter Jahrgang. Preir für den Jahrgang bri Besttllung von der Post: t Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch «otengelegenhei«: rr Ngr. a Pf. o. Mittwoch, SS. Januar 1851. Drei Tage aus dem Leben eines sächsischen Volksvertreters. II 181» Die alten Landstände des Jakres 1848 waren ent lasten. , Nocb heute erinnere ich mich der tiefcrgreiken- den Wel'muth, mit welcher der König an uns die Wor- le richtete: „Es ist das letzte Mal, daß ich Sie um mich versammelt sehe." Wir selbst waren ergriffen, denn wir wußten unS sagen, daß wohl nur der kleinere Theil »on uns auf dem neuen Landtage sich wieder- sebln werde. Aber selbst die bescheidensten Hoffnungen blieben hinter der Wirklichkeit zurück. Ich und noch zehn Andere waren die Einzigen, die wiedergewahlt worden waren und Viele fehlten, die eS weit mehr als wir verdient. — Es ist nun gerade zwei Jahr, daß di« neue Versammlung zusammenlrat, die später unter dem Namen des Unverstandslandtags eine so traurige Be rühmtheit gewann. Gestatte der Leser, daß ich auch hier einen kurzen Rückblick vorausschicke, ehe ich dem frohsten Sommertage des Jahres 1848 den wchmüthig« stell Wintertag des Jahres 184V folgen lasse. Man hat den s. g. Unverstandslandtag für eine Folge des 1848 von uns geschaffenen Wahlgesetzes ge halten. DieS ist nur zum kleinsten Theile wahr. Und will man den triftigsten Beweis dafür haben, so erin nere man sich, daß damals auch alle städtischen Wah len radical ausfielen, trotzdem, daß an dem betreffen, den Wahlgesetze auch nicht ein Jota geändert worden war. Nein, nicht da» Wahlgesetz, gegen das ja die äußerste Linke gestimmt hatte, weil el ihr bei weitem noch nicht liberal genug war, sondern die Art und Weise, wie es gehandhabt wurde, trug die Schuld; und leider! war es das Ministerium de» In nern, welches hierzu eine wesentliche Veranlassung gab. Schon die Ernennung der Wahlcommissarien — ein Werk Todt's — war der unseligste Fehlgriff, den man sich denken konnte. Fast alle gehörten ja der Partei an, welche beim Landtag 1848 unterlegen war, und cö gehörte in der That wenig Voraussicht dazu, um nicht zu begreifen, daß diese weit davon entfernt sein wür den, das Gesetz im Sonne der frühem Majorität zu handhaben und handhaben zu lassen. Aber das Ministerium ging noch weiter. Et ließ sogar einzelne Bestimmungen (wir erinnern nur an de« Begriff „selbstständig") in einer Weise interpretiren, die nicht im Sinne der Gesetzgeber gelegen hatte. Zudem war das Volk mit dem neuen direkten Wahl, modus noch nicht vertraut; es war — und Das ist der einzige Vorwurf, den man unS machen kann — noch nicht so politisch reif, al» wir vorausgesetzt hatten. DaS Volk brauchte also Führer, und die VaterlandS- vereine waren eS, die sich überall zu solchen aufwar. fen. Der Umstand, daß der größte Theil der Wahl- commissare diesem Vereine angehörte, reichte hin, um das Volk in den Glauben zu versetzen, daß die Re gierung selbst damit Hie Richtung hab« angeben wol- len, der man sich anvrrlrauen könne. Recht deutlich zeigte sich die», als — leider zu spät! — das bekannt« „offene Wort" erschien. Man war ganz verdutzt, alS man plötzlich das Programm der Vaterlandsverein« damit in Widerspruch stehend fand, und mancher Wahlcandidat aus jener Zeit wird sich erinnern, wel. che Mühe er hatte, die von den Wählern dieSfaUS ausgesprochenen Besorgnisse zu zerstreuen. Nimmt man nun noch hinzu, baß die eigentlich reactionär« Partei sich ganz von den Wahlen zurückzog, oder wohl gar auS pessimistischen Gründen im Sinne der Radi- calen wirkte (wie denn auch beide vereint gegen da» Wahlgesetz gestimmt batten) und daß demnach di« wahren Anhänger der Rtgierung nach keiner Seit«- hin Unterstützung sanden, so konnte kaS Resultat der Wahlen durchaus nicht mehr überraschen. Noch aber wäre damit, daß der größte Theil der Gewählten dem Vaterlandsvereine angehörle, ober doch wenigsten» durch ihn empfohlen worden war, nicht jede Hoffnung auf ein gedeihliches Wirken verloren gewesen, wenn nur die Besonnenen und Gemäßigte« unter ihnen (und Deren waren nicht wenige) di« Selbstständigkeit und den Muth gehabt hätten, sich der Tyrannei zu entziehen, mit welcher einzelne Füh rer und namentlich Lzschirner das Clubwesen ein- führte und andern ihre Ansichten aufdrangcn. Man nannt, dies ParteidiScipli» und si« bestand darin, daß