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Wochenblatt für Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDicnstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummem 10 Pf. Tharandt, Men, Mtulehn und die UmMuden. Imtsblutt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. No. 55. Freitag, den 11. Juli 189«. Hiermit wird zur öffentlichen Kcnntniß gebracht, daß Herr Gutsbesitzer Schönhals in Ssra die Besorgung der friedensrichterlichen Geschäfte wieder übernommen hat. Königl. Amtsgericht Wilsdruff, dm 5. Juli 1890. Vr eSniixlaU. Bekanntmachung. Vom Spechtshausener Forstreviere sollen Donnerstag, den 1«. Juli I., Vormittags von 9 Uhr an, im Gasthause zu SpechtShausen eine Partie Nutz- unö Vrennhölzer meistbietend versteigert werden, was mit dem Bemerken bekannt gegeben wird, daß speciellere Angaben aus den in den Schankstätten und bei den Ortsbehörden der um liegenden Orte aushängenden Plakate zu ersehen sind. Königl. Forstrevierverwaltung Spechtshauseu und Königl. Forstreutamt Tharaudt, am 7. Juli 1890. Bekanntmachung, Hagelmeldung betr. Unter Bezugnahme auf die Verordnung deS Königl. Ministeriums des Innern vom 2. Juni 1885 ergeht an die Herren Vorstände der Stadt- und Landgemeinden sowie selbstständigen Rittergüter das höflichste Ansuchen, alle noch nicht bewirkten Meldungen über die im Lauf der letzten Monate erfolgten Hagelfälle, auch wenn durch solche Schaden nicht entstanden ist, nunmehr baldigst anher einzureichen. Die hierzu vorgcschriebenen Formulare können durch die Königl. Amtshauptmannschaft oder direkt von unterzeichneter Dienststelle bezogen werden. Chemnitz, am 8. Juli 1890. Königl. sächs. meteorol. Institut. Idr. 8elirvil»er. Tagesgeschichte. Die tieseren Ursachen des Klaffenkampfes findet ein Artikel deö „Franks. Journ." nicht mit Unrecht in der großen Absonderung, in welcher sih bei uns die einzelnen GesellschaftSgruppen von einander entfernt halten. Leider ist besonders dem Sozialismus gegenüber, jo wird in dem Artikel ausgeführt, im Deutschen Reiche die Ansicht immer mehr zur Geltung gekommen, daß mit der Staatsmacht und mit Gesetzen alles auszurichten sei. Vor einigen Jahrzehnten war man im Gegentheil viel mehr geneigt zur Selbsthülfe in wirthschaft- lichen und öffentlichen Angelegenheiten, wie im Interesse der Erziehung und Bildung. Es sähe schlimm aus um die Kultur, um die Humanität, um Wohlthätigkeit jeglicher Art, wenn man ihre Pflege nur den Gesetzgebern und den bureaukratischen Vollzugsorganen des Staate« überlassen wollte. Man kommt auck mit der Lösung der sozialen Frage in Deutschland nicht so vorwärts, wie es wohl möglich wäre, weil man sich zu viel auf Gesetz und Behörd: verläßt und selbst zu wenig denkt und thut. Die kaiserlichen Erlasse vom Februar haben dieFreunde der Polizrigesetze und der ZwangSversiherung zum Schweigen gebracht oder zu Schwärmern für Arbciterschutz und Verbesserung der Gewerbeordnung umgeschaffen. Man bleibt sich darin getreu, daß man die Sorge und Mühe lediglich den staatlichen Organen aufbürdet und selbst nach wie vor im Schlendrian weiter lebt. Daß durch ein entsprechendes Vercinswesen und durch das Thun und Lasten des Einzelnen mehr gutes ge schehen kann, al- durch Gesetze und Behörden, wird noch viel zu wenig beachtet. Wir sehen doch, daß in keinem anderen Staatswesen die Unzufriedenen so zahlreich sind, wie bei uns, und daß in keinem Staat die sozialistische Agitation solche Fortschritte aufweist wie bei uns, aber man fragt nicht nach den Ursachen. Daß der Militarismus eine Schuld an der Unzufriedenheit trägt, kann doch nicht für uns allein gelten, auch in vielen anderen Dingen sind unsere Verhältnisse ebenso gut oder bester als in anderen Ländern. Nur in dem Einen übertreffen wir andere Staaten und Völker vielfach: in einem gewissen Standes- und Kastenwesen und in einer Absonderung der Stände von einander. Wir haben einen Militärstand, der sehr exklusiv ist, wir haben einen Beamtenstand, einen Stand der Reichen, der sich auS Grundbesitzern, Fabrikanten, Bankiers und Kaufherrn zusammensetzt, einen Gelehrtenstand, der in dem Stande der Beamten und Reichen theilweise mitenthalten ist, einen mehrfach abgestuften Bürzerstand, einen Bauern-, Handwerker- und Arbeiterstand. Jeder Stand wird nach unten abgezweigt, aber jeder Angehörige der einzelnen Stände strebt für sich oder seine Nachkommen möglichst in einen höheren Stand zu gelangen. Die geringste AuSsiht haben hierzu die Arbeiter; aus allen anderen Ständen erreichen Einzelne eher dm Eintritt in einen höheren Stand. Dir Ständeerhöhung bringt aber meist einen Dünkel hervor, so daß man, eben er hoben, sich sofort gegen frühere StandeSgenosten abschließt. Die Abschließung der Stände wird peinlich ausgeführt, und man sucht sie selbst auf Kirche und Schule zu übertragen. Der Beamte und Kaufherr sieht es vielfach sehr ungern, wenn er seine Knaben mit den Söhnen der Handwerker und Arbeiter in die gleiche Schule schicken muß, und in den Kirchen sitzen die Stände vielfach gesondert. Diese Standesabsonderung wird gefördert durch unser UniversitätSleben, wo ein akademischer Bürger selten mit Angehörigen anderer Stände verkehrt; wird gefördert durch Standeseinrichtungen, wie z. B. die Kammer für Handelssachen an den Gerichten, durch die Zünfte rc. rc. Jeder Stand beansprucht Rechte, die sich nicht anders als wie als Vorrechte bezeichnen lassen, und man kommt durch diese Standeseinrichtungen schließlich dazu, fast nur mit Standes- genossen zu verkehren. Nichts ist mehr geeignet, die StandeS- sclbstsucht zu fördern, als alle diese Einricktungen, während ein geselligerer Verkehr von hoch und niedrig, von arm und reich die Gegensätze leichter ausgleichen und auch zu gegen seitiger gerechter Beurtheilung führen würde. Volksheime und derartige Veranstaltungen sind die ersten Schritte auf dem Wege, den wir empfehlen möchten, aber hier heißt es unbe dingt „alle Mann an Bord!" Nur wenn die höheren Stände beginnen, mit Angehörigen der unteren Stände fleißiger zu verkehren, wenn der Arbeitgeber direkt die Ansichten und Wünsche der Arbeiter in irgend einer Form des geselligen Verkehrs ver nimmt, wenn Standesdünkel und StandeSvorurtheile beseitigt werden, dann wird der Weg zum Frieden beschritten. Die Begegnung der Staatsmänner Caprivi, Kal- noky, Salisbury und Crispi soll in Kissingen Ende August behufs Feststellung der Hauptlinien der einzuschlagenden Politik stattfinden. Seit Sonntag weht in der Nordsee ein furchtbarer Sturm, welchem 16 Fischerboote mit 52 Mann zum Opfer gefallen sind. 40 andere Boote sind noch ausständig und man fürchtet, daß dieselben mit Mann und Maus untergegangen sind. Vor dem Hafen von Ostende ist ein großer Dreimaster unterge gangen, ohne daß ihm Hilfe gebracht werden konnte. Man besorgt, daß mehrere Schiffe auf hoher See untergegangen sind. Zwischen Deutschland und England giebt es in Afrika noch Manches zu regeln, worüber der deutsch-englische Vertrag nur Andeutungen enthält. Hierher gehört namentlich auch die Angelegenheit der Walfis chbai im Südwesten Afrikas, woselbst die Besitzverhältnisse erst noch näher geregelt werden müssen. Diese Frage kam in der Montagssitzung des eng lischen Unterhauses zur Sprache und erklärte der erste Lord des Schatzes, Shmit, die südliche Grenze der Walfischbai sei „leider" nicht genau definirt und seien daher Erörterungen zwischen den Behörden des Caplandes und den deutschen Be hörden im DamarcUande darüber im Gange, ob eine gewisse, als Wasserstation für die Straße von der Küste nach dem Inland wichtig erscheinende Landstrecke in die Grenze des Wal fischbai-Gebietes einbegriffen wäre. Ein Versuch, diebestehen den Meinungsverschiedenheiten durch eincgemeinsameKommission zu regeln, seien gesckeitert, da sich der deutsche und der eng lische Kommissar nicht zu einigen vermochten, die Angelegen heit solle daher einem Schiedsrichter unterbreitet werden. — Die Engländer möchten natürlich die ganze Walfischbai mit dem gesammten Hinterland« für sich allein haben, was ihnen aber hoffentlich nicht gelingen wird. Zur Uebergabe Helgolands an Deutschland wird geschrieben: In englischen Marinekreisen wird versichert, daß die Uebergabe Helgolands an Deutschland seitens beider Mächte unter Entfaltung eines großartigen Ceremoniells erfolgen soll. Eine englische Flotte unter dem Befehl des Herzogs von Edin burgh und eine deutsche mit Kaiser Wilhelm an Bord, werden an ein und demselben Tag« auf der Rhede von Helgoland erscheinen. Die britische Flagge wird von der deutschen Flotte salutirt werden nnd sobald die Insel förmlich an Deutschland übergeben worden ist, wird die britische Flagge gesenkt und die deutsche unter Salutschüssen der britischen Flotte gehißt werden. Die Offiziere des britischen Geschwaders werden nachher am Bord des deutschen Admiralsschiffes vom Kaiser Wilhelm bewirthet werden. Wien, 9. Juli. Die Cholera scheint doch näher zu rücken. Eine soeben erlassene Ministerial-Verordnung ver bietet im Einvernehmen mit der ungarischen Regierung wegen der Gefahr der Einschleppung ansteckender Krankheiten die Einfuhr und Durchfuhr von Hadern, alten Kleidern, alten Tauwerks, gebrauchter Leibwäsche und gebrauchten Bettzeuge« aus Spanien und Kleinasien. Rom. In dem Scandalproceß gegen die aus 33 ver- möglichen Einwohnern der Städtchens Arten« bestehende Ban ditenbande, deren Haupt der alte Mörder und Mistethäter Pasquale Villani war, wurden dreißig Banditen wegen Morde« und Raubes zu Zuchthaus von fünf bis dreißig Jahren ver- urtheilt. Nur ein einziger wurde freigesprochen. Bei der Verkündigung des Urtheils erfolgte eine wüste Scene, indem di« Verurtheilten in gemeine Beschimpfung der Richter au«- brachen. In Rußland beschäftigt man sich bereits sehr eifrig mit dem bevorstehenden Besuch« Kaiser Wilhelms II. in Peterhof. Die dortigen Zeitungen messen der zweiten Reise des deutschen Kasters nach Rußland eine entschieden größere politische Tragweite bei, als der ersten. Die „Nowoje Wremja" hält dafür, das die fernere Gestaltung der europäischen Politik hauptsächlich von diesem Besuche abhängen werde, und die übrigen russischen Blätter schlagen die Bedeutung desselben nicht minder hoch an. Die „Nowosti" und die „Petersburger Wjedomosti" weisen darauf hin, daß der deutsche Kaiser jetzt von der „lästigen und kränkenden Vormundschaft" des Fürsten Bismarck befreit sei und als einziger und selbstständiger Ver treter seiner eigenen Politik nach Rußland komme, n« sich demselben zu nähern. Vor zwei Jahren seien alle derartige Versuch« des deutschen Kaisers nur deshalb gescheitert, »eil ihnen die Bewilligung des Fürsten Bismarck gefehlt habe. Jetzt sei es anders, und der deutsche Kaiser sei — so «eine» die „Nowosti" — bereit, Rußland alle möglichen Zugeständ nisse zu bewilligen. Denn jetzt werde es nur vom deutschen Kaiser allein abhängen, zu beweisen, „wie aufrichtig «S Deutsch land mit Rußland meint und ob er in der That fest ent schlossen ist, die Ruhe Europas nicht mehr durch endlose Rüstungen der Mächte, sondern durch Vereinbarung hinsicht lich der streitigen Punkte und Fragen sicher zu stellen". Die Allianz mit Deutschland, äußern die Petersburger „Wjedomosi", wäre übrigens für Rußland, das inzwischen alle Vortheilt der Politik der „freien Hand" kennen gelernt habe, weder nothwendg noch möglich. Dagegen käme Rußland eine gerade und ehrliche Vereinbarung mit Deutschland, und zwar mit Deutschland allein, ohne jede Betheiligung Oesterreichs, außer ordentlich gelegen. Leider, fügt das russische Blatt selbst hinzu, würden sich dieser Vereinbarung so viel Schwierigkeiten in den Weg stellen, daß die Aussichten auf das Zustandekommen derselben gerade nicht sehr groß seien. — Sehr richtig! Petersburg. Nach einem von dem Finanzministerium veröffentlichten Berichte war der Stand des Winter- und Sommergetreides am 1. (13.) Juni im Westen und Süden des europäischen Rußlands theils schr gut, theils gut, im Osten dagegen weniger befriedigend. Der Bericht schließt: Mau könne tm Herbst ein bedeutendes Getreideangebot Rußland«,